1365. An Marie Hesse

1365. An Marie Hesse

Mechtshausen 22. Juni 1902.

Liebe Frau Heße!

Ihren freundlichen Brief von neulich und die Erinnerungskarte hab ich erhalten. Ich war eben letzther ein vielgeschäftiger Bedankemichschreiber. Davon kommt's vermuthlich.

Im April fuhr ich, wie immer zu der Zeit, von Göttingen aus über die Berge nach dem alten Ebergötzen, einem Dörflein, wo ich als Junge bei meinem lieben Onkel, Pastor Kleine "studiren" thät. Dort fand ich damals auch gleich einen Freund, den ich nun seit sechzig Jahren behalten habe. Von Ebergötzen aus besucht ich dann den Neffen Hermann in Hattorf. Es war gemüthlich daselbst, und seine zwei Mädeln sind hübsch heran gewachsen.

Wir Mechtshäuser sehnen uns bis jetzt noch vergeblich nach Wärme. Alle Sämereien im Garten lagen zu lange unter der Erde; sie entwickeln sich auch nur träge, seit sie heraus sind.

Zwar die Vögel in den Zweigen singen lustig drauf los, aber ihre Familienverhältniße sind doch wohl nicht recht günstig gewesen, denn wir fanden mehrmals kleine nackte Todte im Grase liegen.

[196] Na, man muß sich gedulden. Hoffentlich kommen noch ein paar sonnige Tage, ehe die Herbststürme sausen und die Öfen wieder dauernd geheizt werden.

Leben Sie wohl, liebe Frau Heße! Möge es Ihnen gut gefallen an der See.

Mit herzlichem Gruß

Ihr alter

Wilh. Busch.