688. Hans Lapp und die Wittershauser.
Als ein wunderlicher, läppischer Herr war denn auch Johannes überall bekannt, und es ist wahrscheinlich, daß er von seinem läppischen Wesen den Beinamen »der Lapp« erhielt. Oefters geschah es deswegen, daß man sich über ihn lustig machte. Dies begegnete ihm namentlich einmal von den Bauern in Wittershausen, einem unweit der Stadt Oberndorf gelegenen Orte, dessen Bewohner für gescheidte Leute galten und deßwegen bei verschiedenen Gelegenheiten zu Rat gezogen wurden. Diese Bauern erfuhren einmal, daß Johannes von Zimmern an ihrem Dorfe vorbeireiten[454] werde. Weil sie ihn nun als einen abenteuerlichen, wunderlichen Herrn kannten, so erlaubten sie sich einen Spaß gegen denselben. Es gingen nämlich ihrer Viele vor das Dorf hinaus an die Straße, welche Johannes passiren mußte, und sezten sich da in einen Kreis, so, daß Alle ihre Füße ineinander verschränkten. Wie sie nun des Herrn von Zimmern ansichtig wurden, fingen sie miteinander auf seltsame Weise zu hadern an, verzerrten ihre Gesichter und schrieen jämmerlich um Hilfe. Als nun der Herr von Zimmern näher kam und die sonderbaren Gestikulationen der Bauern bemerkte, fragte er sie, was sie denn da miteinander hätten? »Ach, gnädiger Herr!« riefen sie, »wir haben Alle unsere Füße untereinander verloren, und es sucht nun Jeder von uns wieder die seinigen zu erhalten.« Als nun jener wegen dieser Antwort in ein lautes Gelächter ausbrach, baten ihn die Bauern alles Ernstes, er möchte doch sehen, ob er den Streit entscheiden und Jedem wieder zu seinen Füßen helfen könne, sie wollten ihm gerne dafür eine jährliche Gült und einen Sack voll Korn schicken. Johannes nahm sie beim Wort, griff nach einem Stecken und prügelte damit so lange auf die Füße der Bauern los, bis Jeder die seinigen wieder an sich zog. Die Bauern dankten nun dem Herrn von Zimmern für dieses probate Mittel, womit er ihnen geholfen, und versprachen, die Korngült zu liefern, worüber sie, seinem Verlangen gemäß, gleich nachher eine schriftliche Urkunde aufsezten. Johannes von Zimmern aber, den es doch verdroß, daß sich die Bauern von Wittershausen einen Spaß gegen ihn erlaubt hatten, gedachte ihnen solche Späße ein für allemal zu entleiden. Es war in der ihm von den Bauern eingehändigten Urkunde nicht gesagt, wie viel Korn der Sack fassen sollte. Nun ließ Johannes von Zimmern [455] einen so großen Sack machen, daß derselbe, wenn er mit Korn gefüllt wurde, kaum auf einem Wagen fortgeführt werden konnte. Mit diesem Sack schickte er nun an dem bestimmten Tage seinen Vogt nach Wittershausen, um die Korngült einzuziehen. Beim Anblicke des gewaltigen Sackes erschracken die Bauern, besonders da sie dachten, daß sie künftig immer eine so bedeutende Korngült entrichten müßten, während sie nur einen halben Malter gemeint hatten. Weil aber die fatale Urkunde nichts von einem halben Malter, sondern von einem Sack überhaupt sprach, so mußten sie, so sehr sie sich schämten und so ungern sie es thaten, doch schon zum bösen Spiel ein gutes Gesicht machen und den ungeheuren Sack mit Korn anfüllen. Doch, trösteten sie sich, werde es schon einmal Gelegenheit geben, wo sie ihren Schaden wieder gut machen könnten. Sie sannen hin und her, bis sie endlich auf einen glücklichen Einfall kamen. Sie beschlossen nämlich, einige aus ihrer Mitte zu dem Freiherrn von Zimmern zu schicken, um demselben die Bitte vorzubringen, er möchte ihnen doch gestatten, in seinen Waldungen einen größern Baum oder etliche kleinere zu einem notwendigen Bauwesen zu fällen, und dann die gefällten Bäume durch den Wald heimzuführen. Als nun ihrer Bitte von Seiten des Freiherrn willfahrt wurde, fällten sie ganz am äußersten Ende des jenem zugehörigen Waldes einen der größten Bäume und ließen darauf abermals durch einige abgeordnete Leute denselben ersuchen, er möchte sie doch einen Weg durch den Wald machen lassen, damit sie den gefällten Baum, den sie sonst wegen seiner Größe nicht heimbrächten, durch den Wald führen könnten. Johannes, an nichts Arges denkend, bewilligte ihnen auch diese Bitte. Was thun aber die schlauen Bauern? – nicht der Länge, sondern der Breite [456] nach legen sie den ungeheuren Baum auf den Wagen und hauen nun rechts und links von dem Wege, den der Wagen passirte, alle Bäume und Gesträuche nieder und führten alles dieses mit nach Hause.
Doch schien ihnen dieser Spaß bald selbst zu weit getrieben zu sein. Um nämlich den Freiherrn von Zimmern wieder mit sich auszusöhnen, zugleich auch um die fatale Korngült, die ihm immer Gelegenheit zu Repressalien gab, wegzubringen, übergaben sie ihm und allen seinen Erben und Nachkommen den Kirchenschatz zu Wittershausen 1.
Fußnoten
1 Ruckgaber, Gesch. der Grafen von Zimmern. S. 79 ff.