335. Das Villinger Thalfräule.
Mündlich.
Zwischen Mergentheim und Wachbach liegt das Villinger Thal. Da geht ein Fräulein um, genannt vom Volke das »Villingerthalfräule« oder »Fräle«. Sie sei eine Gräfin von Wachbach gewesen, wo nachher die von Adelsheim gewesen sein sollen. Dieses »Edelfräulein« sei so unbarmherzig, so geizig, so menschenplagerisch gewesen, wie Niemand in der Welt. Sie habe prächtige Pferde gehabt und ließ sie tagtäglich mit Wein waschen, wogegen die Dienstboten keinen Tropfen bekamen. Armen Leuten ließ sie um's Geld stark gewässerte Milch verabreichen und habe allemal gesagt: »Drei Schoppen Milch, ein Schoppen Wasser, gibt auch eine Maaß.« Auch arg grausam war das »Fräle«. Mal fuhr sie durch's Thal Schlitten, da lag Jemand gerade im Weg. Der Knecht hielt die Pferde an, es war ein Mann. Seine Herrin rief ihm aber immer zu: »Fahr' zu, fahr' zu!« Es war ihr um die schönen Pferde, nicht um den Menschen zu thun. Der Mann wurde überfahren und [219] starb. Die Gräfin starb bald und muß jezt umgehen. Man hört sie nächtlicherweile oft rufen: »Fahr' fort, fahr' fort!« Sie hat auch Freude daran, Leute und ganze Fuhrwerke in Villingerthälisbach zu führen, damit sie ertrinken; dort ist ein tiefer Gumpen. Sie kommt als steinaltes Weiblein in altmodischer Kleidung, ist von mittlerer Größe, redet nie, wenn man ihr begegnet. Im Villinger Thalwald neckt sie auch die Leute und führt sie irre, trägt Holzbündel davon.