2112.

Mel. Herzliebster Jesu! was etc.


1.

Du Ältester der Creuz- und Blutgenossen, die du in deinem kirchen-plan verschlossen, um sie mit deinen rausgedrungnen fluthen recht zu bebluten!

2.

Wir fühlen was von deinen herben wehen; wir merken kräfte die das herz durchgehen; es ist so was gefühligs, so empfindlichs, so herzverbindlichs.

3.

Die grosse, schwere, volle leidens-busse, die dich gedrükt vom haupte bis zum fusse, und zwar mit millionen tausend schmerzen, schlägt unsre herzen.

4.

So heftig fühlen wir dein Lamms-erbarmen, so warm empfinden wir dein liebs-umarmen; und doch ist noch nicht alles weggeliebet, was dich betrübet.

5.

Es regt sich noch so was, das eigenliebig; mein herzens-garten ist noch nicht ergiebig, noch deiner müh und fleiß proportionirlich, gnug schön und zierlich.

6.

Das herze sucht noch, vor der sünden-ekke, was selbstgerechtigkeit zu einer dekke; [1986] die sünderschaft ist uns wol nicht mehr schmählig, doch nicht ganz selig.

7.

Zun grund-ideen des ganzen sünder-wesens, zum deutlichen genuß des grund-genesens, ist oft so wenig, als zur simplen beugung, geschik und neigung.

8.

O Lamm! bisweilen können phantasien sich noch wol vor die klare sinnen ziehen, und aus der lüste ihren eiter-stökken setzts auch noch flekken.

9.

Derselbe plan der ledigen gebrüder, den du uns, Lamm! für alle unsre glieder, durch ihre annehmung an dich, formiret, und inculciret,

10.

Ist uns noch je zuweilen wie verborgen, wir plagen uns mit niederträchtgen sorgen, und kömts nicht weiter zeigt sich doch im cörper ein düstrer torpor.

11.

Die sinnen sind nicht unverrükt verriegelt, ist nun das herze gleich in dir versiegelt, so fehlen doch die sonst so sanft und regen, die braut-herz-segen.

12.

O Herzens-Lamm! was sage ich dir weiter? Wir hätten unsre augen gerne heiter für deine seit, für alles sonst gebrochen und abgestochen.

13.

So würden dornen-cranz und nägel-löcher uns ja so fühlbar als dem bruder schächer; uns reizte, wie dich, schwester Magdalene, die wunden-schöne.

14.

Zuweilen wär es uns ein recht vergnügen, mit haut und haar im wunden-schrein zu liegen, zuweilen, wenn es uns philosophirlich, nimt mans figürlich;

15.

Ja, denkt man, einem Thomas ists geglükket, der hat in Jesu seite nein geblikket, das können sich die andern leimern hütten nicht mehr erbitten.

16.

Ja, Lämmlein! das sind alles solche sachen, die dir noch schmach und uns noch schmerzen machen; o möchtest du uns heute von dem bösen noch ganz erlösen.

17.

Nim du uns nur in deine ganze mache, und bade uns in deinem blutgen bache, so wies leibhaftig floß am creuze weiland, du lieber Heiland!

18.

Und wäre noch ein haar davon zurüke, so nims und tauchs in diesem augenblikke ins blut, damit an unserm ganzen leibe nichts trokken bleibe.

19.

Ich wolte, daß wir [1987] uns an dir zerküßten, daß wir wie heisses wachs zerfliessen müsten, ach könten wir die wunden alle herzen mit liebes-schmerzen.

20.

Und spräche alle welt: Sie sind phantasien; so können wir doch nirgends anders rasten, als mit den andern pardonnirten schächern, beyn nägel-löchern.

21.

Die erste wunde, die man dir geschnitten, da du den ersten schmerz für uns erlitten, laß uns bis wir aus dieser hütte gehen, vorm herzen stehen.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von. Gedichte. 12. Anhang zum Herrnhuter Gesangbuch 1743. 2112. [Du Ältester der Creuz- und Blutgenossen]. 2112. [Du Ältester der Creuz- und Blutgenossen]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B811-2