[130] 44. Ueber die verkehrte Anwendung des achten Gebots
1725.
Wie kommt es immermehr? wenn man des Teufels ist,
So gilts Entschuldigen, und all's zum Besten kehren;
1Wie, daß man diese Pflicht gleich gegen uns vergißt,
Wenn wir zu Gott bekehrt, und Jesu zugehören?
Wie, daß man einen Klotz im Auge nicht ersieht,
Und zum Präservativ an allen Splittern zieht?
Gewiß, ein Christe hat viel Ungelegenheit:
Für ein natürlich Mensch bleibt immer gute Meynung,
Und ist doch ein Gefäß des Zorns in Ewigkeit,
Da jener Hoffnung hat zur seligen Erscheinung.
Die kleinste Neu-Geburt geht in das Haus der Ruh:
Der edelsten Vernunft schlägt man die Thüre zu.
Die Kinder sind nicht gleich, was alte Leute sind.
Doch spielt der kleine Sohn inzwischen mit der Dokke,
Daß die erwachsne Magd an ihrem Werge spinnt.
Der Kleine erbt das Haus, die Magd bekommt zum Rokke.
Der größte Todte schweigt, und liegt, und steht nicht auf:
Das Kind lallt, bis es redt, und taumelt bis zum Lauf.
Wer sich kein neues Herz und neuen Geist geschafft,
Der liegt (und wär er gleich der Frömmste) noch im Tode;
Ist einer noch so gut, und fehlt ihm nichts als Kraft:
So bleibt der Hof des Herrn bey seiner alten Mode.
Das Rühmen ist umsonst; da läßt man keinen ein,
Er muß von oben her aus Geist gezeuget seyn.
Wer gleich nicht gar verstokt, und ohne Fühlung ist;
Dergleichen Leute kaum errettet werden können,
[131]Weil sich ihr frecher Stolz auch gegen Gott vermißt,
Und sie mit Sprung und Streich in ihr Verderben rennen:
Der ist doch oftermals tief in das Netz verstrikt,
Das unser Feind mit Geld, und Ehr und Lust gespikt.
Weil Satan seine Brut in Finsternissen hekt;
So sorgt er, daß sie ja die Furcht der Nacht nicht fühlen:
Bald wird man in den Schlaf der Sicherheit gestrekt;
Bald aber muß man sich im Schlamm der Lüste fühlen.
Kurz, da sey einer todt, verstrikt in Fleischlichkeit,
Demselben ist kein Ort bey Christo zubereit't.