[201] Cantata

Aria.

Wer unsrer Welt will wohl gefallen,
Der muß nach ihrer Mode seyn,
Das ist, nach ihren Thone lallen,
Viel tausend Schmeicheleyen streun,
Sich listig stellen und verstellen
Und auch zu jederman gesellen,
Und thut er diß / so folgt der Schluß:
Diß ist doch ein Politicus.
Ja, ja, der ist und bleibt ein recht geschickter Mann,
Der auf dergleichen Art das Volck betrügen kan,
Dem lauter Honigseim auf Mund und Lippen sitzet,
Ob gleich sein Hertze nichts als lauter Galle spritzet.
Ey schade vor dergleichen Trug,
Und hielt ihn auch die gantze Welt
Vor angenehm, beliebt, und klug,
So sag ichs frey heraus, daß mir es nicht gefällt.
Ich lobe mir ein Hertz, das ächt und redlich ist,
Wo man, was innen steht, auch aus der Stirne list;
[202]
Und hält mich gleich das heutge Seculum
Vor albern, abgeschmackt und tumm,
So werd ich mich doch nicht bequemen,
Dergleichen Masquen vorzunehmen.
Aria.

Ein redlich Hertz, ein rein Gewissen
Läst uns Zufriedenheit geniessen,
Die Falschheit wird zuletzt entdeckt.
Man kan das übertüngte Wesen
In Umgang gar zu leichte lesen,
Das in verfälschten Hertzen steckt.
Verstellt euch immerhin bey Trug und Gleißnerey,
Ihr falsch geschminckten Gäste,
Ich dencke doch darbey
Versteht ihr mich! das beste.
Ein falscher Judas find bey mir gar kein Gehör,
Und wenn es auch ein Halb-Gote wär.
Aria.

Redlichkeit und ächte Treu
Heist der Tugend Liberey.
Es muß so Wort als That von gleichen Schrote heissen,
So viel die Zunge schlägt, muß auch das Hertze weisen.
[203]
Lacht Spötter immerhin,
Ich bleibe wer ich bin,
Und solt ich auch darbey
Die Gunst der halben Welt verschertzen,
So wird doch der Verlust mich nicht so leichte schmertzen.
Es ist mir alles einerley,
Ich heul, ihr Wölffe, doch nicht mit,
Ihr möget, wie ihr wolt, von mir ein Urtheil fällen.
Ich kan ohnmöglich mich verstellen.
Aria.

Mein Antlitz läst sich nicht vermummen,
Es liebt die hell und heitre Lufft.
So viel man Masquen auch erdacht
Sind sie doch nicht vor mich gemacht.
Wie würde mir,
Nähm ich sie für,
Nach Mode heutger Erden,
Darunter bange werden?
Da Capo.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Rechtsinhaber*in
TextGrid

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Ziegler, Christiana Mariana von. Gedichte. Versuch in gebundener Schreib-Art. Vermischte Gedichte. Cantata [28]. Cantata [28]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B354-3