14. Brief

Dein Blat hat meine Gunst vor andern sich erworben.
Mein Vetter, schreibe mir, so oft es dir gefällt,
Ist deine Gegenwart mir gleichsam abgestorben;
Gnug daß dein Kiel mich noch im Schreiben unterhält.
So bin ich schon vergnügt, ich will nicht weiter klagen,
Ich sorge nun vor nichts, mein Endschluß ist gefaßt.
Ich mag dich weiter nicht mit manchem Vorwurf plagen,
Weil du die Götter selbst zu deinen Freunden hast.
Die Themis küßte dich, Mars sucht dich zu ergötzen,
So kann dir immer wohl an ihrer Seite seyn.
Wie ruhig kannst du dich zu deiner Fichte setzen!
Und was das schönste ist, so fällt dir Leipzig ein.
Der Einfall wirkt gewiß sehr vielerley zu denken
Das dich vergnügen kann; doch solltest du itzt sehn
Wie manches hier und dar sein Herz sucht zu verschenken,
Du würdest ganz erstaunt bey ihrer Einfalt stehn.
Cupido rast, und schießt, und trift die ältsten Herzen;
Das Alter löscht noch nicht die Flammen in der Brust.
Die alte Margaris singt, lacht und will noch scherzen,
Ein Kuß, ein Männerkuß, verspricht ihr tausend Lust.
Der muntern Tintoris ist auch das Loos gefallen,
Das mir und aller Welt ein neues Lachen giebt.
Das Blut in Adern muß in voller Sehnsucht wallen,
Denn unsere Tintoris ist abermals verliebt.
Die junge Chloris kann unmöglich sich entschliessen,
Daß sie dem Seladon den Eid der Treue schwert.
Mops will auch von dem Brey ein wenig mit geniessen;
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Wie kützelts ihr das Ohr wenn sie das Winseln hört.
Von jedem Spaßgalan muß vor das bißchen Thalen
Nach seiner Möglichkeit ein klein Geschenke seyn.
O Jammer! Mops muß gar den kleinsten Blick bezahlen,
Und läßt sich keine Müh bey dem Betrug gereun.
So viel vor dieses mal; man sieht bey Mondenscheine
Noch manchen Näscher gehn der sich nicht bergen kann.
Stax treibt es wie zuvor; er geht niemals alleine;
Er sieht das Weibervolk mit frechen Blicken an.
Mein Vetter sage nichts von dem was ich geschrieben;
Ich weis, du bist ein Feind von solcher frechen Brut,
Die wie das liebe Vieh fein dumm einander lieben.
Das blinde Volk weis nicht, was es vor Hitze thut.
Der grosse Vogel Greif bat letztens seine Weiber
Zu seinem Abschiedsschmaus; sie reisten auf das Land;
Die Weiber nicht allein, drey wohlgewachsne Leiber,
Drey Nymphen aus der Stadt, womit er war bekannt.
Das war ein Ritterschmaus; die Nachwelt wird noch sagen
Von der Ergetzlichkeit, von der so süssen Lust:
Die Ritter durften sich zu ihren Schönen wagen;
Das Feuer brannte schon zuvor in ihrer Brust;
Ein mehres will ich dir, mein Vetter, noch erzehlen:
Komm, komm, und säume nicht, weil noch der Sommer ist.
Lysander lebt vergnügt, und wird dir nicht verhelen
Daß du noch wie zuvor sein liebstes Schooßkind bist.
Ich schließ; und eh ich noch das Siegel muß drauf drücken,
So meld ich dieses noch: die Linden grüssen dich,
Und ach! dein Fichtenbaum denkt an dich mit entzücken,
Mich aber findest du stets unveränderlich.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Ziegler, Christiana Mariana von. Gedichte. Gedichte. Briefe. 14. Brief. 14. Brief. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B32D-C