[197] Antwort der Sylvien an Philandern

Ists möglich, daß ich noch kan Hand und Feder rühren?
Du schreibst, Philander, mir vielleicht nur in dem Traum,
Wie? solt ich dich so schnell und unverhofft verliehren,
Ach treibe doch mit mir nicht Schertz, ich glaub es kaum.
Jedoch was Traum und Schertz? dein ängstliches Bezeigen
Gibt, liebster Hertzens-Freund, mir leider! zu verstehn,
Daß sich ein Zorn-Comet am Liebes-Himmel zeigen
Und meine Sonne will nun mehr zu rüste gehn.
Kein grauses Beben kan das Erdreich so erschüttern,
Kein Keil betäubt uns so, so hart er immer klingt,
Als meine Seele muß vor Furcht und Schrecken zittern,
Da deine Feder mir ein Lied zum Abschied singt.
Philander, deine Flucht und dein so jähes Reisen
Macht mir, ich schwör es dir, nunmehr die Welt verhast;
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Denn da mein Augen-Trost von mir entfernt soll heissen,
So wird mir alles das, was um mich ist, zur Last.
Entmenschte Sylvia! du bist gantz ausser Sinnen,
Das Schrecken raubet dir Vernunfft und die Gestalt,
Du weist nicht was du thust noch was du solst beginnen,
Dein Hertze wird dir welck, das Blut in Adern kalt.
Wie zärtlich hab ich dich, erweg es selbst, geliebet?
Was aber hab ich denn dafür zu Lohn und Danck?
So viel, daß mir dein Kiel den Scheide-Brief nun giebet,
Der mir im Lesen recht durch Marck und Seele drang.
Welch unbarmhertziges und widriges Geschicke
Rufft dich, durch jähen Winck, von mir in frembde Lufft?
Philander, folg ihm nicht, ach! bleibe doch zurücke,
Du stürtzst mich, gehst du fort, wahrhafftig in die Grufft.
Was soll bey dem Verlust vor Trost mir übrig bleiben?
Was vor ein Unterpfand wird mir wohl zugestellt?
Wer will als Bürge sich, Geliebter, unterschreiben,
Daß deine Sylvia ihr Recht an dir behält?
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Zwar will dein Abschieds-Brief mir viel Versichrung geben,
Du schwörst mir heilig zu, dein Auge würde nicht
An einen frembden Strahl und Antlitz bleiben kleben;
Allein behertzge wohl, was deine Feder spricht.
Zeit und Entfernung wischt ein Bild leicht aus den Hertzen,
Und wär auch selbiges mit Blut gleich eingeprägt.
Ach! dieser Kummer macht mir hundert tausend Schmertzen,
Mit dem sich Sylvia nunmehr beständig trägt.
Das männliche Geschlecht, wie die Erfahrung lehret,
Ist leider allzusehr dem Wechsel zugethan.
Wie leichte wird ihr Hertz durch frembden Blick bethöret?
Wie balde zündet es ein Strahl von neuen an?
Wie viel Syrenen läst das Liebes-Meer erblicken?
Ihr süsser Lock-Gesang bezaubert Hertz und Ohr.
Besitzst du Krafft genug den Trieb zu unterdrücken?
Philander, stelle dir diß ja nicht leichte vor.
Doch was vermehr ich mir, durch Argwohn noch mein Leiden?
Das mich Verlaßne läst gantz trost- und krafftloß stehn,
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Befiehlt das Unglück mir dein Augen-Paar zu meiden,
So will ich mit Gedult an mein Verhängniß gehn.
Geliebter, fahre wohl! mehr weiß ich nicht zu schreiben,
Weil meiner Thränen Lauf die Feder stockend macht.
Was übrig ist, das muß bey mir verschwiegen bleiben
Ich überlasse dich den Sternen, gute Nacht.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Ziegler, Christiana Mariana von. Gedichte. Versuch in gebundener Schreib-Art. Vermischte Gedichte. Antwort der Sylvien an Philandern. Antwort der Sylvien an Philandern. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B201-3