Aurora und Cephalus
– quod faceret quaelibet, illa facit.
Noch lag, umhüllt vom braunen Schleier
Der Mitternacht, die halbe Welt;
Es ruht' in ungestörter Feier
Das stille Tal, das öde Feld,
Der Nymphen-Chor an ihren Krügen,
Der trunkne Faun auf seinem Schlauch,
Vielleicht fügt's Nacht und Zufall auch,
Das manche noch bequemer liegen;
Der Elfen schöne Königin
Hatt' ihren Ringel-Tanz beschlossen,
Und sanft auf Blumen hingegossen
Schlief jede kleine Tänzerin;
[142]Und kurz, es war zur Zeit der Mette,
Als sich Auror zum erstenmal
Aus ihrem Rosen-Bette
Von Tithons Seite stahl.
Die Schlafsucht, die sie ihrem Gatten
Sonst öfters vorzurücken pflag,
Kam diesesmal ihr wohl zu statten.
Sie zieht die Brust, an der er schnarchend lag,
Sanft unter ihm hinweg, verschiebt mit Zephyr-Händen
Die Decke, glitscht heraus, deckt leis ihn wieder zu,
Wirft einen Schlafrock um die Lenden
Und wünscht ihm eine sanfte Ruh.
Sie fand im Vorgemach die Stunden,
Die ihre Zofen sind, vom Schlummer noch gebunden;
Nur eine ward, indem die Göttin sich
Mit leisem Fuß bei ihr vorüber schlich,
Aus einem Traum, den Mädchen gerne träumen,
Halb aufgeschreckt; sie schrie, wie Nymphen schrein
Um feuriger geküßt, nicht um gehört zu sein;
Auror erschrickt und flieht; allein,
Das Mädchen legt sich, ruhig auszuträumen,
Aufs andre Ohr, und schlummert wieder ein.
Die Göttin eilt, spannt (was sie nie getan)
Mit eigner schöner Hand vor ihren Silber-Wagen
Drei rosenfarbne Stuten an,
Und läßt sich nach Hymettus tragen.
Dort steigt sie ab, läßt Pferd und Wagen
In einer Grotte stehn, und sucht mit zartem Fuß,
Aus dessen Tritten Rosen sprossen,
Den schönen Cephalus.
Aurora? Wie? – das Muster weiser Frauen,
Auf deren Treu, die schon Homer uns pries,
Ein jeder alte Mann sein junges Weibchen schauen
Und sie zum Vorbild nehmen hieß'?
Sie, die nur ihrem Tithon lachte,
[143]Und, ob er gleich bei silbergrauem Haar
Und taubem Ohr kaum noch ergötzbar war,
Doch Tag und Nacht auf sein Ergötzen dachte;
Die ihre schöne Brust zu seinem Pfülben machte,
Und wenn, nach alter Männer Art,
Die schöne Brust von ihm begeifert ward,
Sich's doch nicht ekeln ließ, ihm ganze Nächte wachte,
Ihm oft die Füße rieb, ihm oft den Puls befühlt',
Erwärmend ihn in ihren Armen hielt,
Ihn immer fragt', ob ihm was fehlte,
Und bis er schlief ihm Märchen vorerzählte –
Aurora, die so viele Proben gab
Wie zärtlich sie den alten Tithon liebe;
Sie fiele nun auf einmal ab
Und hegte fremde Triebe?
Mir ist es leid, daß ich's gestehen muß,
Ihr mögt nun was ihr wollt von ihrer Tugend halten,
Allein, so war's! Sie schlich von ihrem Alten
Sich heimlich weg, und sucht den jüngern Kuß
Des schönen Cephalus.
Helvetius und Büffon werden sagen,
Daß dieses nicht so unnatürlich sei;
Allein, wie fromme Leute klagen,
So denken beide ziemlich frei.
Doch selbst Sanct Thomas will vorlängst gesehen haben,
Daß junger Mädchen Aug auf schönen jungen Knaben
Sich gern verweilt; und an Gestalt,
An Neigungen und Reizbarkeit der Sinnen,
Sind, wie man weiß, die ältesten Göttinnen
Stets sechszehn Jahre alt.
Dies war Aurorens Fall, als auf Hymettus Höhen,
Zur Jagd geschürzt, mit Bogen, Pfeil und Spieß,
Der schöne Jäger ihr zum erstenmal sich wies.
Verbeut die strengste Pflicht, was sichtbar ist, zu sehen?
Sie sah in Unschuld hin, und blieb, ihm nachzusehen,
[144]Uneingedenk der laurenden Gefahr,
Auf einer Silber-Wolke stehen.
War's ihre Schuld, daß er so reizend war?
Es bleibt hiebei. Doch, da sie, wider Hoffen,
Zum zweitenmal ihn schlafend angetroffen,
Wie sollte sie dem Einfall widerstehn
Von ihrem Wagen abzusteigen
Um ihn genauer anzusehn?
Die Dämmrung macht oft manche schön
Die sich im Sonnen-Schein mit schlechtem Vorteil zeigen,
Sie muß doch sehn, ob's hier nicht auch so sei.
Er flog letzthin zu schnell vorbei;
Was schadet's näher hinzugehen?
Sie tut's. Allein, wie angenehm erblaßt,
Da sie ihn recht ins Auge faßt,
Ihr Rosen-Mund – den Tithon selbst zu sehen!
Den Tithon? – Ja, doch wie er damals war
Als er, in auserlesner Schar
Der schönsten Phrygier, vor allen
Der Schönste war, vor allen ihr gefallen,
Mit langem dunkelbraunem Haar,
Mit blühendem Gesicht und Lippen von Korallen.
Je mehr sie ihn beschaut, je stärkre Farben leiht
Ihr gern betrognes Herz der seltnen Ähnlichkeit.
Sie überläßt sich nun mit Ruh den neuen Trieben,
Und findt ich weiß nicht was für eine Süßigkeit,
Den werten Greis im Cephalus zu lieben.
Mit welcher Lust, mit welcher Zärtlichkeit
Sie auf das Ebenbild von Tithons schöner Zeit
Die liebes-trunkne Blicke heftet!
So war er einst mit jedem Reiz geschmückt,
So ward er oft, von seinem Glück entzückt,
Eh ihn der Jahre Last entkräftet,
Im Taumel süßer Lust an ihre Brust gedrückt!
[145]So sieht und liebt, nach Platons Lehren,
Der junge Kallias in seiner Tänzerin
Das höchste Gut, womit sich unsre Geister nähren,
Eh sie, Gott weiß warum, in diese Leiber ziehn.
Singt ihm, den Grazien zu Ehren,
Ihr süßer Mund ein tejisch Liedchen vor
So glaubt euch der entzückte Tor,
Er höre den Gesang der Sphären:
Ein Druck von ihrer weichen Hand,
Ein Schmatz der buhlerischen Zungen,
Erweckt von seinem Götter-Stand
Die schlummernden Erinnerungen;
Auf einmal ist's, ob um ihn her
Der blaue Himmel offen wär,
Er sieht die Sterne doppelt blinken;
Er steigt, verliert sich in den Schwarm
Der Geister welche Nektar trinken,
Glaubt in den Quell des Lichts zu sinken,
Und sinkt in – Phrynens Arm.
Daß oft dergleichen Ähnlichkeiten
Zu süßen Irrungen verleiten,
Ist ein Erfahrungs-Satz den niemand leugnen wird.
Aurora sah durch sie verführt
Im schönen Cephalus den Tithon sich verjüngen,
Und sah es kaum, so faßt sie schon den Schluß,
Die Stunden, welche sie nicht ohne Überdruß,
Bei diesem nur verträumen muß,
Mit jenem muntrer zuzubringen.
Wir könnten (dachte sie) zum Scherz, wenn's ihm gefiel,
In Tithons Jugend uns versetzen;
Ich wußte damals manches Spiel
Das besser war als Hasen hetzen,
Doch in so langer Zeit vergißt man freilich viel.
Dies alles war vorhergegangen,
Als (wie gesagt) die Göttin sich
So früh aus Tithons Bette schlich
[146]Um ihren Jäger aufzufangen.
Mit welcher Lust verschlingt ihr lauschend Ohr
Der raschen Stöber Laut, die ins Gehölze dringen
Sonst hörte sie der Lerchen frühes Chor
Gern neben ihrem Wagen singen:
Allein ihr deucht in diesem Augenblick
Hylactors Jagd-Geheul die lieblichste Musik.
Sie sieht die muntern Jäger ziehen,
Das Hift-Horn tönt, der Wald erwacht,
Die Hunde schlagen an, die scheuen Rehe fliehen;
Doch plötzlich fühlt von einer fremden Macht
Der Jüngling sich ergriffen, fortgezogen,
Und schneller als ein Pfeil vom Bogen
Durch Luft und Wolken weg, wer weiß wohin gebracht.
Betäubt von seinem Abenteuer
Begriff er nicht wie ihm geschah.
Er sieht aus Furcht, die stets Gespenster sah,
Bei zugeschloßnem Aug, ein gräßlich Ungeheuer
Mit offnem Schlund ihm dräun und glaubt sein Letztes nah.
Doch Düfte von Ambrosia
Die ihm, mit süßerm Schwall als von den Zimmet-Hügeln
An Ceylons Strand entgegenwehn,
Ermuntern ihn zuletzt die Augen aufzuriegeln;
Und o! wer wünschte nicht, was er itzt sah zu sehn!
Stellt, wenn ihr könnt, auf Säulen von Rubinen
Euch einen Saal von Perlen-Mutter vor;
In diesem Saal ein Bette mit Gardinen,
En pavillon, von rosenfarbem Flor,
Und reich gestickt; auf diesem Ruhebette
Was Jupiter sich selbst gewünschet hätte,
Die schönste Fee, so schön und jung als man
An einem Sommer-Tag sie immer sehen kann;
Und diese Fee in, einer Lage
Wie Tizian der Liebes-Göttin gibt,
Und in dem halbgebrochnen Tage
Worin die blöde Scham sich williger ergibt;
Verhüllt, doch so, daß jede kleine Regung
[147]Das neidische Gewand verschiebt,
Und unter seidnem Flor die steigende Bewegung
Des schönsten Busens sichtbar wird –
Den Anblick stellt euch vor, und werdet nicht gerührt!
Der Jüngling ward's, der in dem Augenblicke,
Worin der schöne Gegenstand
Ihn überrascht, zu gutem Glücke
Sich selbst zu ihren Füßen fand.
Die Göttin wundert, wie natürlich,
Sich ungemein, ihn hier zu sehn;
Und er gibt ihr, doch nur figürlich,
Den ganzen Eindruck zu verstehn,
Den soviel reizungs-volle Sachen
Auf sein geblendtes Auge machen.
Die Freiheit, die er nimmt, fällt billig
Dem Schicksal, nach Gebrauch, zur Last;
Und wenn Auror ihn nur nicht haßt,
Ist er zu jeder Strafe willig.
Aurora will ihm gern gestehn,
Daß Leute, die ihm ähnlich sehn,
Nicht sehr gehaßt zu werden pflegen:
Es sei ihr auch nicht sehr entgegen,
(Sie hält, indem sie dieses spricht,
Die Rosen-Finger vors Gesicht)
Von einem hübschen Mann sich hochgeschätzt zu wissen –
Wie weit ihr eignes Herz hiebei
Vielleicht zu gehen fällig sei,
Das werde mit der Zeit sich erst entwickeln müssen –
Man komme mit Beständigkeit
Und vielem Mut im Lieben weit;
Doch, was sie seiner Zärtlichkeit
Für diesesmal gestatten wollte –
(Und dieses selbst vielleicht noch nicht gestatten sollte)
Sei, nebst dem Recht, sie ungescheut
Auf seinen Knien anzuschauen,
[148]Ein ungezweifeltes Vertrauen
In seine Ehrerbietigkeit.
Mein Mann verspricht mit vielen Schwüren,
Indem er ihre Knie aus Dankbarkeit umfaßt,
Sich sehr bescheiden aufzuführen;
Doch Dankbarkeit ist eine schwere Last!
Aus Dankbarkeit, von der er glühet,
Wird ihre schöne Hand wer weiß wie oft geküßt,
Und da man sie zerstreut zurücke ziehet,
Indem er noch im Küssen ist,
Verirrt sein Mund – da seht mir doch die Musen!
Die kleinen Spröden schämen sich
Und halten plötzlich ein – doch ich bekenn es, ich,
(Und Cicero an Pätum spricht für mich:)
Verirrt – wie leicht verirrt man sich!
Verirrt sein Mund auf ihren Busen.
»Wer einmal« (spricht ein Weiser aus der Zeit
Da Rom, die Königin der Erden,
Sich noch nicht träumen ließ, von Seiner Heiligkeit
Ab intestat ein Erbgut einst zu werden:)
»Wer einmal«, spricht Marc Tullius,
(Doch nicht im Buche von den Sitten)
»Und wär's nur mit dem linken Fuß
Des Wohlstands Grenzen überschritten,
Dem rat ich, statt aus Blödigkeit
Auf halbem Wege stehn zu bleiben,
Vielmehr die Unbescheidenheit,
So weit sie gehen kann, zu treiben.«
Dies Axioma mag sehr oft nach Ort und Zeit
Ein Körnchen Salz in praxi nötig haben;
Vermeßne, unbescheidne Knaben,
Mit Bart und ohne Bart, gehn leicht hierin zu weit.
Doch Cephalus (man muß eins wie das andre sagen)
Befand sich wohl bei dem was Marcus schrieb:
Er wagt's von Grad zu Grad, bis ihm vor lauter wagen
Nichts mehr zu wagen übrig blieb.
[149]Wenn seinem Ungestüm die Göttin endlich wich,
So tat sie freilich nichts als was sie längst beschlossen.
Mit Cephalus verhielt es sich
Nicht so. Ihm war ein Glück, das ihn den Göttern glich,
Durch bloßen Zufall aufgestoßen,
Und diese Zauberei, die süße Trunkenheit,
Die sein Gehirn auf ziemlich lange Zeit
Der Stimme seiner Pflicht verschlossen,
Ward gradweis aufgelöst, und endlich ganz zerstreut.
Ihm hatte, da sein Mund (wie schon gesagt) verirrte,
Die Phantasie den gleichen Streich gespielt,
Wodurch die Göttin ihn für ihren Tithon hielt.
Es stellt' im Feuer der Begierde
Ihm in Auror sich seine Procris dar:
Wie ähnlich, Götter! Ja, fürwahr!
Sie ist's, sie ist's! An Stirn und Brust und Haar
Kann in der Welt sich nichts vollkommner gleichen!
Wen muß dies Lächeln nicht erweichen?
So lächelt Procris nur! So schön
Sah er in ihren blauen Augen,
Vor Übermaß der Wonne, Tränen stehn,
Und war entzückt sie aufzusaugen!
So dacht er und Auror, in diesem Stück mehr klug
Als zärtlich, sieht und nährt den nützlichen Betrug.
Nehmt noch dazu die zärtlichste der Farben
Die dieser Göttin eigen ist,
Das süße Rosen-rot das ihren Leib umfließt,
Und einen Mund der Griechisch küßt,
Und Augen die vor Wollust starben:
So wird bei Leuten die verzeihn,
Sein Selbstbetrug vielleicht verzeihlich sein.
Doch, wie die stärksten Zauberein,
Der Wahrheit endlich weichen müssen,
So deucht auch ihn, nach wiederholten Küssen,
Die Ähnlichkeit nicht mehr so groß zu sein.
[150]Der Dunst zerfließt der sein Gesicht geblendet,
Er staunt, er fühlt sich träg und lau,
Und zürnt schon auf sich selbst, daß er an Tithons Frau
So viel Entzückungen verschwendet.
Vergebens sucht ihr feuervoller Blick
Die Flamme wieder anzufachen,
Ihm winkt umsonst ein neues Glück
In ihrem offnen Arm; die Scherze fliehn zurück,
Und Reu und Überdruß erwachen.
Bald kommt es, wie man denken kann
Zu Fragen und Erläuterungen,
Und Cephalus, von Scham und Schmerz bezwungen,
Fängt stotternd diese Beichte an:
»Zu wahr ist's nur, o Göttin, mein Betragen
Beleidigt deinen Reiz, und läßt mir weiter nichts
Als tiefbeschämt mich selber anzuklagen.
Nicht halb so sehr verwirrt von deinen Klagen
Als meiner eignen Schuld, weiß ich, beim Gott des Lichts!
Nicht was ich sagen soll« – »Mein Herr, das tut hier nichts«,
Fällt ihm Aurora ein, »ihr braucht euch nicht zu plagen;
Der Eingang will, so viel ich merke, sagen,
Ihr liebt mich nicht, und habt mich nie geliebt?«
»Ach, allzuwahr! (ruft Cephalus betrübt,
Indem Auror, doch nur mit halbem Munde,
Bei seinem Ach ihm an die Nase lacht)
Ja, ich gesteh's, daß diese Morgen-Stunde
Mich doppelt ungetreu, mich doppelt strafbar macht.
Unwürdig so beglückt zu werden.
Liebt ich, o Göttin, dich – die, ohne Schmeichelei
So sehr verdient, daß ihr ein Herz sich weih
Dich liebt ich nie; und ihr – der einzigen auf Erden,
Für die ich zärtlich bin – ihr ward ich ungetreu!«
»Das Compliment«, versetzt die Dame,
»Ist minder schmeichelhaft als frei;
[151]Doch, wenn man bitten darf, der Name
Der Schönen, die das hohe Glück genießt,
Daß solch ein Herz für sie nur zärtlich ist?«
»Der Schein, ich fühl's und sag's mit Schmerzen,
Ist wider mich«, spricht Cephalus;
»Und doch – vergib, daß ich so deutlich reden muß!
Du hattest nichts als meinen Kuß,
Und Procris war in meinem Herzen.
Wir waren schon vom Führ-Band an
Die unzertrennlichsten Gespielen,
Und lieben uns, seitdem wir fühlen,
So zärtlich als man lieben kann.
Als Kind schon kannt ich keine Lust
Als meiner Procris liebzukosen,
Lag gerne mit ihr unter Rosen,
Und spielte mit der jungen Brust.
Wie ward sie oft in Sommer-Schatten
Am kühlen Bach von mir belauscht!
Wir wußten nicht warum, und hatten
Schon unsre Herzen ausgetauscht.
So wurden wir bei Scherz und Küssen
Eins in des andern Armen groß,
Und unwillkommne Pflichten rissen
Mich weinend itzt aus ihrer Schoß.
Nun folgten kriegerische Spiele
Dem Gänse-Spiel, der blinden Kuh;
Es floh vorm lärmenden Gewühle
Der Kindheit sorgen-lose Ruh.
Allein das Bild der holden Schönen
Schwebt mir, wohin ich gehe, nach;
Ein banges wehmutsvolles Sehnen
Ertränkt mein Aug in stillen Tränen,
Und hält in öder Nacht mich wach.
Itzt deucht der Tag mich nicht mehr helle,
Die Luft nicht blau, der Frühling tot;
Nichts reizt mich mehr, kein Abendrot,
Kein Hain, kein Schlummer an der Quelle.
[152]Allein sobald ein Götter-Fest
Die Mädchen sichtbar werden läßt,
Und Procris, weiß und frisch-umkränzet,
Mit offner Brust und freiem Haar,
Die schönste in der bunten Schar,
Wie Hebe mir entgegenglänzet;
Dann ist mir – Nein! Der Götter Glück
Kann keinen höhern Grad erschwingen!
Mein offnes Aug, mein starrer Blick
Scheint ihre Reize zu verschlingen;
Sie sieht im gleichen Augenblick
Nach mir sich um und unsre Blicke
Begegnen sich; sie seufzt, und zieht,
Da sie mein Auge schmachten sieht,
Verschämt die ihrigen zurücke;
Doch bald von Amorn übermocht,
Der ihr im jungen Busen pocht,
Kann sie sich länger nicht erwehren
Sie zärtlich nach mir hin zu kehren;
Sie fühlt« – »Sehr wohl, mein Herr! Sie fühlt,
Was alle junge Mädchen fühlen.
Sagt mir, ihr, der so vieles fühlt,
Was soll die Elegie erzielen
Womit ihr mich hier abgekühlt?
Ihr liebtet euch, das ist das Ganze,
Wozu so vielen Wörter-Pracht?
Nehmt lieber den Roman beim Schwanze;
Ich wette gleich, er schließt mit einer Hochzeit-Nacht.«
»Um kurz zu sein, so sind es nun drei Jahre«,
Fuhr Cephal fort, »daß Hymen uns beglückt,
Und ich in Procris Arm erfahre,
Daß After-Liebe nur von Sättigung erstickt.
Mir ist's ob jede Nacht
Die allererste wäre,
Und jedes mal, wenn sie mich glücklich macht,
Frag ich mich selbst, ob mich kein Traum betöre?
Man sagt sonst, der Genuß verzehre
[153]Der stärksten Liebe Glut; bei uns ist's umgekehrt,
Die unsre wird dadurch genährt,
Und wächst, dem Phönix gleich, aus ihrer eignen Asche. «
»Der Herr (fällt hier die Göttin ein)
Hat, wahrlich! aus der Purpur-Flasche
Bescheid getan, er liebt ja ungemein!
Wer hätte sich bei so gestalten Sachen
Des Glücks versehn, ihn ungetreu zu machen?«
»So widersinnisch als es klingt«,
Versetzt er mit gesenkten Blicken,
»So wahr ist's doch: Was mir ihr Bild vor Augen bringt,
Ein Zug von ihr, ein Blick, ein Augen-Nicken
Wie Procris nickt, das setzt mich in Entzücken;
Und reizend, Göttin, wie du bist,
Konnt Amorn diese Hinterlist
Nur gar zu leicht, zumal im Dunkeln glücken.
Allein bei kälterm Blut und hellerm Sonnen-Schein
Soll Venus selbst nicht fähig sein,
Noch einmal mich so zu berücken.«
Die Göttin wendet lächelnd ein:
Was einst geschehen sei, das könne mehr geschehen.
Sie hofft umsonst! Er schwört ihr Stein und Bein,
Sie niemals mehr für Procris anzusehen.
»Und meinst du«, fragt Auror, »daß ihre Gegentreu
Der seltnen Großmut würdig sei,
Ihr einer Göttin Gunst zum Opfer darzubringen?
Die Herzen, glaube mir, sind rar,
Die man versuchen darf; du kennest Amors Schlingen!
Ein zärtlich Weib ist immer in Gefahr.
Und wäre sie in Danaes Verwahr,
Wohin kann nicht ein goldner Regen dringen?«
»Seid unbesorgt«, erwidert unser Held,
»Ihr würde selbst vom Zeus vergebens nachgestellt.
Ich kenne sie; sie würd in ihrem Leben
Auf einen andern Mann, und wär es ein Adon,
[154]Sich keinen Seiten-Blick vergeben.
Der Götter Fürst regiert auf seinem Thron
Nicht ruhiger, als ich in ihrem Herzen.«
»Du bist beglückt«, versetzt Tithonia,
»Und ferne sei's von mir, sie bei dir anzuschwärzen.
Allein, erinnre dich, was kaum dir selbst geschah.
Gelegenheit, mein guter Freund, und Jugend
Sind immer ihrem Falle nah.
Wie oft, daß sich die strengste Tugend,
Zu schwach zum Widerstande sah?
Zu allem Glück war kein Versucher da;
Allein man spielt nicht allezeit im Glücke,
Und Unschuld, die nichts böses denkt noch scheut,
Fällt manchmal bloß aus Sicherheit
In Amors unsichtbare Stricke.«
Aurora, die mit Kenntnis sprechen kann,
Spricht so beredt vom süßen Gift der Sünde,
Und unsrer Fehlbarkeit, gibt ihm so viele Gründe,
Und führt so manches Beispiel an,
Daß ihr die List gelingt. Der Mann fällt in Gedanken,
Und staunt mit unterstütztem Haupt,
Und staunt so lang, bis er Frau Procris fähig glaubt,
Wo nicht zu fallen, doch zu wanken.
Die Eifersucht, ein Übel, das er nie
Bisher gekannt, verwirrt schon sein Gehirne,
Es schwindelt ihm, es schwanken ihm die Knie,
Er reibt sich die gerümpfte Stirne,
Und seine kranke Phantasie
Zeigt ihm zuletzt in einer dunkeln Grotte,
Bei Lunens ungewissem Licht,
Was jeder kluge Mann dem Gotte
Von Delphi selbst nicht glaubt', ein schreckliches Gesicht!
Dies schwindet zwar, doch seine Unruh nicht;
Es bleibt doch möglich, daß sie fehle.
Wie manche fiel! Wird Procris wohl allein
Vom Reiz verbotner Frucht nicht zu versuchen sein?
[155]Sie wird's vielleicht – vielleicht auch Nein,
Und dies vielleicht, dies foltert seine Seele.
Es koste was es will, er muß beruhigt sein!
Die Göttin spricht: »In solchen Fällen
Pflegt man zu beßrer Sicherheit
Oft gute Freunde anzustellen;
Doch mancher hat es schon bereut.
Nimm, (fährt sie fort, und zieht vom kleinen Finger
Ein Reifchen ab) nimm diesen Talisman,
Er macht dich fremd, unkenntlich, älter, jünger,
Zum reichsten oder schönsten Mann,
Zu was du willst; ein Wunsch, so ist's getan.
Du kannst hiedurch die Probe selber machen:
Hält sie sich gut, so opfre ja dem Glück;
Wo nicht, so bleibt doch nichts an deiner Stirn zurück,
Und wenn du weinst, so wird doch niemand lachen.«
Mein Cephalus geht alles willig ein,
Bedankt sich, küßt die Hand, doch macht er wenig Worte,
Und wünscht aus diesem Zauber-Orte
Nur schon daheim zu sein.
Er eilt hinweg, sieht vor der goldnen Pforte
Ein rosenfarbes Pferd gesattelt und gezäumt,
Steigt auf, und trabt davon, als hätt er viel versäumt.
Frau Procris saß indes nach ihres Landes Sitten,
Wie beim Homer Calypso, in der Mitten
Vor einer hübschen Mädchen-Schar,
Worin sie, nach Gebühr, als Frau die Schönste war.
Die spinnt, die andre zwirnt, die würkt, und jene flicken,
Die Dame selbst ist emsig dran,
So künstlich als man sticken kann,
Minerven zum Geschenk ein Schleier-Tuch zu sticken.
Homer erzählte gleich mit großem Wörter-Pracht
Was sie darauf gestickt – als, Sonne, Mond und Sterne,
Den Pol, der Götter Sitz, und in der Ferne
Den Erebus, ja gar die alte Nacht;
[156]Das feste Land, ringsum verschlossen
Vom grauen Ozean, und Luft und Berg und Tal,
Und eine schöne Flur, von Sonnen-Schein umflossen,
Und einen Hain, wo Vögel ohne Zahl
Die liederreichen Kehlen stimmen,
Und Nymphen, die mit halb entblößtem Leib
In scherzendem Gewühl auf blauen Wellen schwimmen,
Und einen Hirten-Tanz, und wenn die Sterne glimmen,
Im tiefen Hain der Faunen Zeit-Vertreib;
Dann wie im Herbst durch falbe Trauben-Gärten
Der Wein-Gott zieht, und mit zerstreutem Haar
Die Mänas, und mit taumelnden Gebärden
Der Satyrn ungezähmte Schar,
Die tanzend um den Wagen schweben,
Und wie sie den Silen, der fiel,
Lautlachend auf den Esel heben,
Und halbversteckt im Laub der Reben
Der Liebes-Götter loses Spiel:
Dies und wohl zwanzig mal so viel,
Was in der Stadt, im Tempel, auf den Gassen,
Und auf dem Feld begegnen kann,
Das würde sie der gute alte Mann,
Der gar zu gerne malt, recht zierlich sticken lassen:
Doch was man ihm verzeiht, steht andern selten an.
Genug! Frau Procris saß und stickte,
Als sich ein Herr Amphibolis,
Dem gleich die Gunst der Kammer-Nymphe glückte,
Bei ihro Gnaden melden ließ.
Ihr erster Einfall war, den Fremden abzuweisen,
Allein das Mädchen überzieht:
»Er ist ein feiner Mann, Madam, er kommt von Reisen,
Und bringt vom Herrn uns Nachricht mit.«
Man läßt ihn vor, hört seinen Auftrag an,
Dankt ihm, entschuldigt sich, und läßt ihn wieder gehen.
Das Schlimmste war dabei, daß man
Ihn kaum ein einzigs mal nur flüchtig angesehen.
[157]So sehr er sich beim ersten Blick
Des Mädchens Gunst erwarb, so muß man doch gestehen,
Daß seine Min ihm dieses schnelle Glück
Vermutlich nicht verschafft. Der Herr Amphibolis
War, in der Tat, bei weitem kein Narziß,
Und auch der jüngste nicht – ein See-Mann, stark von Knochen,
Rasch wie sein Element, in Reden kurz und rund,
Plump von Manier, und gar nicht ausgestochen,
Großnasicht überdies, und größer noch von Mund.
Die Damen schütteln ihre Köpfe? –
Geduld! ich sag es selbst, schön war er eben nicht;
Allein, er hatte was, das in die Augen sticht,
Er hatte was, womit ein Carnevals-Gesicht
Die Schönsten – schüttelt nur die Köpfe! –
Die Schönsten unter euch dem Amor selbst entführt,
Das manchen Höcker deckt, und ekelhafte Kröpfe
Mit Grazien und Liebes-Göttern ziert;
Kurz, das, wodurch ein Gnom oft zum Adonis wird,
Er hatte – Geld, und was dazu gehöret,
Juwelen, Perlen, Diamant,
Smaragd, Rubin, als hätt in seiner Hand
Sich, was er nur berührt, in Edelstein verkehret.
Mit solchen Waffen hielt der Herr Amphibolis
Sich eines schnellen Siegs gewiß.
Er überströmt mit einem Perlen-Regen
Das ganze Haus, und kauft sich jedes Herz,
Sie wallen ihm und seinem Gold entgegen:
Nur Procris kann er nicht bewegen;
Nur Procris bleibt, zu ihres Mädchens Schmerz,
Beim Glanze Persischer Guineen
So kalt, als wie bei seinem plumpen Flehen.
Hans La Fontain! Nun sagt mir noch einmal,
Der Kassen-Schlüssel sei der Schlüssel zu den Herzen!
Meint ihr, es gelte nur, ohn Ausnahm, ohne Wahl,
Das schöne Volk so häßlich anzuschwärzen?
Von Wäscher-Nymphen, gut! da geb ich alles zu,
Die sind in Rom, und selbst in Cambalu,
[158]So feil als in Paris; auch geb ich endlich zu,
Daß Damen selbst, zumal die Spielerinnen,
Ihr Herz an Zahlungs Statt sich lassen abgewinnen;
Daß manche, die von Berg und Tal sich schreibt,
Wenn alte Richards ihre Bitten
In barem Geld ihr vor die Füße schütten,
Aus Ekel zwar sich eine Weile sträubt,
Doch selten unerbittlich bleibt;
Auch das gesteh ich ein -Allein so dreiste singen,
Die Beste sei mit Gold zur Übergab zu zwingen,
Das nenn ich Felonie, das schmäht
Zugleich der Schönen Ruhm und Amors Majestät.
Die Probe kann für tausend andre dienen,
Die hier die Dame Procris gab.
Der Meer-Mann liest in ihren stolzen Mienen,
Daß einem Mann, wie er, hier keine Myrten grünen,
Und alles Gold im Lande der Braminen
Kein zärtlich Herz erkauft; auch sucht er seinen Stab,
Packt seinen Kram von Perlen und Rubinen
Hübsch wieder ein, und führt sich ab.
Auch war sonst nichts zu tun. Er ging, in seinem Herzen
Vergnügter als im trüben Blick;
Allein, von Freuden und von Scherzen
Umflattert, kam er bald als Seladon zurück.
Herr Heger, malen Sie zu dieser Phyllis Füßen
Uns einen hübschen Knaben hin;
Ein rund Gesicht, wie einer Schäferin,
Hellbraunes Haar, ein glattes Kinn,
Ein schwarzes Aug, und einen Mund zum Küssen;
Schlank von Gestalt, geschmeidig, zierlich,
In allen Wendungen so reizend als natürlich,
Wie Zephir leicht, und schmeichelhaft und dreist,
Wie ein Abbé – kurz, schön als wie gegossen,
Und um und um von diesem Reiz umflossen
Von diesem Glanz, von diesem Jugend-Geist,
[159]Den Winckelmann uns am Apollo preist –
Wie schön er ist! Man muß ihn gerne sehen!
Die Augen zu, ihr Mädchen lauft davon!
Hier ist Gefahr – Doch bleibt nur, bleibt nur stehen,
Es ist mein Seladon.
Der Weise nur, wenn wir der Stoa glauben,
Ist schön und voller Reiz, nur er ist groß und frei,
Hochedel, Hochgelehrt, ein Crösus noch dabei,
Und ein Monarch, so gut als Uzim-Oschantey:
Doch bei den Stoikern in Hauben
Ist dieser Lehr-Satz Ketzerei.
Was Crantor und Chrysipp von ihrem Weisen prahlen,
Das legen sie dem Schönen bei.
Sei schön, ich meine schön zum malen,
Ein Seladon, und, auf mein Ehren-Wort,
Sie schicken dir zu lieb den Zoroaster fort;
Du machst beim ersten Blick die Herzen untertänig,
Bist weise, tapfer, edel, ja, wie dort
Astolfens Zwerg beim Ariost, ein König
Wo nicht der Könige, doch oft der Königinnen –
Sie leugnen's zwar; allein das irrt mich wenig,
Was Herz und Mund verschließt, läßt oft ihr Aug entrinnen.
Mein Seladon gefällt aufs erste mal;
Beim zweiten pocht schon was im reizenden Oval,
Das sittsam, um und um verdecket,
Sich in gewebte Luft vor unserm Blick verstecket;
Beim dritten wird sie oft zerstreut,
Und Seufzerchen, wie Liebes-Götter,
Entschlüpfen ihr, vielleicht aus Bangigkeit,
Denn, (wie die Chronik sagt) war's um die Rosen-Zeit,
Und selben Tag sehr schwüles Wetter;
Am vierten wundert Procris sich,
Daß sie nicht anfangs gleich bemerket,
Wie sehr er ihrem Manne glich;
Am fünften wird ihr Ohr noch mehr hierin bestärket,
Indem er seine Liebes-Pein
[160]Zu ihren Füßen klagt; nichts kann so rührend tönen,
Und nichts dem Ton so ähnlich sein,
Worin einst Cephalus sein Sehnen
Ihr vorgegirrt – Am sechsten – »Wie?
(Ruft hier ein Geck, der kommen, sehn und siegen
Vom Angola gelernt:) Am sechsten? Welche Lügen!
Ein Masulhim braucht nicht so viele Müh!
Parbleu! Mein Herr, noch nie hat eine Schöne,
Die ich mit meiner Gunst beehrt,
So viele Stunden sich gewehrt,
Als Procris Tage! – Selbst Climene,
Die so mit ihrer Tugend rauscht,
Ward jüngst im Schlaf von mir belauscht,
Und hat vielleicht, bei dämmernden Gardinen,
Mit ihrem Sylphen mich vertauscht:
Mit Araminten, mit Nerinen,
Ward der Roman in einer Sommer-Nacht
Sehr feirlich angestimmt, und bis zum Schluß gebracht;
Die stolze Celia, die kleine Rosemunde –«
Gut, gut, Herr Geck! Wir kennen eure Macht;
So gar die weise Kunigunde
Ergäbe sich euch in der ersten Stunde;
Doch eine Procris wird so schnell nicht zahm gemacht;
Und kurz, es brach nach sieben vollen Tagen
Die Nacht herein, und diese Nacht verging
Schon halb, als Seladon sich bebend unterfing,
Den ersten Kuß auf ihren Mund zu wagen.
Und, welch ein Kuß, indem sie sich bemüht,
Ihm zu entfliehn; und doch ihm nicht entflieht!
Wie blinkt ihr Aug! Wie süße Seufzer regen,
Indem zugleich vor holder Scham und Lust
Dies Aug sich schließt, die halbenthüllte Brust,
Und hauchen ihm den Geist der Lieb entgegen! –
Ihr Götter! – Seladon? – Was kann
Solch eine Wollust – Wie? Du fährst ergrimmt zurücke? –
»Wie glücklich«, ruft er, »wär in diesem Augenblicke
Ein jeder andrer – als dein Mann!«
[161]Kein Donner-Keil, der an der Gattin Seiten
Den besten Jüngling rührt und schnell zu Asche macht,
Sie, leben läßt – sie, die nun jede Nacht,
Sonst nur gestört von seinen Zärtlichkeiten,
Mit seinem Schatten-Bild und ihrem Schmerz durchwacht;
Kein Wolken-Bruch, der wild und ungehemmt
Ein sichres Tal schnellrauschend überschwemmt;
Kein Stoß, der Rheas Riesen-Glieder schüttelt,
Kein Sturm, der Meer und Luft, Olymp und Acheron
Im Wirbel faßt und durch einander rüttelt,
Ist schrecklicher als unser Seladon,
Im Augenblick, da Seladon verschwindet,
Und Procris ihren Mann in ihrem Buhler findet.
Was, meint ihr, kann ein Weib von zärtlichem Gemüt,
Die unverhofft sich so gefangen sieht,
Was kann sie tun, Was kann sie sagen? –
Nichts sagte sie, schwoll gleich von Grimm
Und stolzer Scham ihr Herz, indem sein Ungestüm
Mit einer Flut von ungerechten Klagen
Sie übergießt. Was helfen Gegen-Klagen?
So sehr sie auch durch eine Hinterlist,
Die Zärtlichkeit und Treu beleidigt,
Dazu berechtigt ist.
Ihr Frauen, die ihr euch ein wenig schuldig wißt,
Glaubt mir, daß Schweigen oft weit sicherer verteidigt,
Als alles, was Fleury zu sagen fähig ist.
Die schöne Lob-Red anzuhören,
Die er ihr hält, das würde, wie ihr deucht,
Ihm wenig Trost, ihr wenig Lust gewähren;
Sie nimmt daher den kürzern Weg – sie weicht,
Schießt einen Blick, der alle Liebes-Götter
Aus ihren schönen Augen scheucht,
So einen Blick, als ob ein Donner-Wetter
Ihm in die Seele schlüg, auf Cephaln, und entfleucht.
Kaum ist sie fort, und nirgends zu erfragen,
So wechselt Cephalus die Ton-Art seiner Klagen,
[162]Und alles wird nunmehr in anderm Licht gesehn.
Er sieht sein Weibchen nun nicht ungetreu, nur schön,
Nur liebenswert, und unter jenen Bildern,
Die sein verlornes Glück ihm schildern,
Den Schatten mancher süßen Nacht
Worin sie ihn den Göttern gleich gemacht,
Vergäß er bald, daß diese holden Augen
Dem schönen Seladon gelacht,
Und einen fremden Mund verwegen gnug gemacht,
Aus ihrem Mund Ambrosia zu saugen.
Doch wie? Zu rascher Cephalus!
Worin bestund dann ihr Verbrechen?
Zürnst du auf deinen eignen Kuß,
Und willst an ihr und an dir selber rächen,
Was du als Seladon getan?
Du sprichst, sie sah mich doch für einen andern an –
Wie? Ist dir denn die Macht der Sympathie verborgen?
Grausamer, frage jenen Morgen,
Da dir, samt ihrem Rosen-Haar,
Das den Betrug verriet, Aurora Procris war!
Dort war's die Phantasie, vielleicht auch die Begierde,
Die sie in deinem Wahn mit Procris Reizen zierte:
Hier war es mehr als Wahn und Ähnlichkeit,
Du selbst warst Seladon. Du suchtest sie zu trügen,
Nicht Procris sich; ein großer Unterscheid!
Und doch gelang dir's nur, ihr Auge zu belügen,
Nicht ihre Zärtlichkeit;
Selbst unter den geborgten Zügen
Entdeckte dich ihr Herz; ihr Auge wandte sich
Von Seladon, ihr Arm umfaßte dich.
Betrogner Cephalus! Was hat sie dann verbrochen,
Die Allgewalt der Sympathie
Zog sie in deinen Arm, und du bestraftest sie?
Doch, du entbehrst sie nun; und Procris ist gerochen!
So denkt er itzt, wenn Einsamkeit und Nacht
Der Schönen Flucht ihm unerträglich macht.
Er zehrt sich ab mit Sehnsucht und Verlangen,
[163]Sucht sie des Tags, wohin sein Fuß ihn trägt,
Und wenn er Nachts an einen Baum sich legt,
Glaubt er im Traume sie zu finden, zu umfangen,
Und rast wie Roland schier, wenn er erwacht,
Und ihm der Tag den Irrtum sichtbar macht.
Man sagt, wer immer sucht, findt allezeit am Ende
Dies oder das, und oft noch mehr,
Als er gesucht. Indem er weit umher
Das Land durchstreicht, läuft ihm von ungefähr
Die schönste Dryas in die Hände.
Es wallt ihr langes Haar, so schwarz wie Vogel-Beer,
Um Schultern, die den Schnee beschämen,
Und was ihr Kleid, gebläht vom losen West
Und bis ans Knie geschürzt, dem Jüngling sehen läßt,
Ist mehr, als nötig ist, um Herzen von Asbest
Die Unverbrennlichkeit zu nehmen.
Selbst Cephalus, den seit der Procris Flucht
Nichts mehr gerührt, fühlt diesmal sich versucht;
Die Sympathie spielt ihre Spiele wieder:
Doch wehrt er sich, glitscht so geschwind er kann
Vom Hals zum Knie, vom Knie zum Fersen nieder,
Schnappt erst nach Luft, und redt sodann
Mit halbgeschloßnem Aug die Schöne stotternd an:
»O, du, wie nenn ich dich, wo nicht Dian,
Doch wahrlich ihrer Schwestern eine,
Denn so verkündigt dich die göttliche Gestalt;
Entdecke mir den Aufenthalt
Des besten Weibs, um deren Flucht ich weine.
Vielleicht daß sie in irgend einem Haine
Zu deinen Schwestern sich gesellt?
O nenne mir, bei dem was in der Welt
Dein liebstes ist, (denn dir ist nichts verborgen)
Den Ort, der sie mir vorenthält;
So soll von Marmor aufgestellt
Dein schönes Bild an jedem neuen Morgen
[164]Mit frisch-betauten Blumen-Kränzen
Ringsum bekränzt in meinem Garten glänzen! «
So sagt er, wirft sich vor ihr hin,
Und will ihr weißes Knie umfassen;
Allein die schöne Jägerin
Will aus Bescheidenheit es nicht geschehen lassen,
Sie schlüpft ihm lächelnd aus der Hand,
Winkt ihn zurück, und spricht: »Mein jungferlicher Stand
Erlaubt mir nicht, die Ehre anzunehmen,
Die deine Gunst mir zugedacht:
Doch höre auf, um Procris dich zu grämen!
Ich bin erfreut, daß mich der Zufall fähig macht,
Dir einen Dienst zu tun. Zwar sollt ich Anstand nehmen;
Sie steht in unserm Schutz; sie hat auf Lebens-Zeit
Der keuschen Göttin sich geweiht,
Und schwur, auf ewig dich zu meiden.
Das mag sie auch! Genug, mich rührt dein Leiden;
Ihr andern habt, ich weiß nicht was, das euch
Gefährlich macht, ich will es nur gestehen;
Mir schmilzt das Herz von euern Tränen gleich;
Kurz, folge mir, du sollst sie sehen.«
Mein Cephalus fällt ganz entzückt
Zum andern mal zu ihren Füßen,
Vergißt aus Dankbarkeit schon wieder, was sich schickt,
Und drückt ihr Knie mit feuervollen Küssen.
Doch schnell besinnt er sich's – der Tor! –
Indem die reizende Rosette
(So hieß man sie im Nymphen-Chor)
Es selbst beinah vergessen hätte.
Er bebt, zieht Mund und Arm zurück,
Und sucht beschämt in ihrem Blick
Den Zorn, den er so sehr verdienet,
Weil er zu viel und doch zu wenig sich erkühnet.
Ja wohl, der Tor! der schülerhaft vergißt,
Daß, alles oder nichts, der Feen Wahlspruch ist.
»Du zauderst?« ruft ihm, da er zittert,
[165]Und unentschlossen scheint, halblächelnd, halberbittert,
Rosette zu: »steh auf und folge mir;
Die Schöne, die du suchst, ist nicht sehr weit von hier.«
Er dankt, und folgt durch tausend krumme Pfade
Der schalkhaft-lächelnden Dryade.
Ihm klopft sein Herz zugleich vor Angst und Lust.
Wie freut er sich, an seine treue Brust
Das lang entbehrte Weib zu drücken!
Wie schmiegt er sich vor ihren strengen Blicken
Im Geiste schon! Mit welcher Zärtlichkeit
Will er auf seinen Knien sie um Vergebung flehen!
Er schwört ihr zu, nicht eher aufzustehen,
Bis der Begnadigung, womit sie ihn beglückt,
Ihr süßer Mund das Siegel aufgedrückt.
Mit diesen zärtlichen Gedanken
Langt Cephalus und seine Führerin
An einer Grotte an, um die des Weinstocks Ranken,
Wald-Lilien, und düftender Schasmin
Ein leichtgewebtes Gitter ziehn.
»Hier schleiche (lispelt ihm Rosette)
Dich still hinein; du findest sie, ich wette,
Vom Bad erfrischt, auf ihrem Ruhe-Bette,
In einem Augenblick vielleicht
Worin sie selbst dich hergewünschet hätte,
Und wo man insgemein uns mit Erfolg beschleicht.«
Mein Held gehorcht, und findet, wie Rosette
Ihm vorgesagt, Frau Procris, auf dem Bette,
In süßem Schlaf – Doch, Götter! welch Gesicht!
Hat ihn das Aug der gräßlichen Medusen
Versteinernd angeblitzt? Wie? Er bewegt sich nicht,
Er steht erstarrt? Was zeigt ihm denn das Licht,
Das hier die Nacht zu holder Dämmrung bricht,
Was siehst du, Cephalus? – O! Schreckliches Gesicht!
Ein Jüngling ruht an ihrem Busen.
[166]Wie wohl ein solcher Anblick tut
Will ich die Männer raten lassen.
Nicht jeder weiß, wie Dandin sich zu fassen.
Der arme Mann! Ihm stockt sein Blut,
Ihm starrt das Haar; er will die Arme regen,
Will schrein, und kann vor Schrecken und vor Wut,
Die Arme nicht, die Zunge nicht bewegen.
In dieser Not tut ihm sein Aug allein,
Nur noch sein Aug, wiewohl zu größrer Pein,
Den letzten Dienst: Er starrt mit Schrecken
Den Jüngling an, und glaubt – o Zufall! o Natur!
Ein andres Selbst, doch ein geborgtes nur,
In diesem Jüngling zu entdecken.
Er irrte nicht; es war der Seladon,
Von dem er jüngst Gestalt und Reize borgte;
Der schönste Hirt, schön wie Endymion,
Der, da mein Cephalus nichts weniger besorgte,
Frau Procris, (die er sich seit ihrem Nymphen-Stand
Zur Herzens-Königin erkoren)
Zu seinem Sieg schon vorbereitet fand.
Betrogner! Durch dich selbst, durch dich gehst du verloren!
Verfluchte Eifersucht! Verfluchter Talisman!
Was für ein Dämon treibt dich an,
In Seladons Gestalt durch tausend Zärtlichkeiten
Dein ehrlich Weib zur Untreu zu verleiten?
Wer zweifelt wohl, du albernes Gesicht,
Daß Glas und Unschuld leicht zerbricht,
Bei beiden braucht es keine Proben;
Sie werden nur, weil sie zerbrechlich sind,
Mit größter Sorgfalt aufgehoben.
Frau Procris war ein gutes Kind,
Die Unschuld selbst; und wär es auch geblieben;
Du selbst verrietest sie dem wahren Seladon;
Du lehrtest sie in andern dich zu lieben;
Sie lernte gut, du siehst die Frucht davon!
[167]So lispelt itzt das strafende Gewissen
Dem Selbstbetrognen zu; doch (wie es immer geht)
Kömmt nach der Tat die Reu auch hier zu spät.
Was soll er tun? Sie ruhn von ihren Küssen
So reizend aus! Es wäre Grausamkeit,
Den süßen Schlaf der Glücklichen zu stören.
Soll er die Billigkeit, soll er die Rache hören?
Es kostet Müh und innerlichen Streit;
Doch siegt zuletzt die Zärtlichkeit,
Und schmelzt den Grimm in wehmutsvolle Zähren.
Fast atemlos wirft er den letzten Blick
Auf das geliebte Weib und sein verlornes Glück,
Sieht sie – ihr Götter! welch ein Blick!
In fremdem Arm so sanft, so lieblich schlafen,
Sieht's, ächzet laut, und flieht zurück,
Sein Unglück an sich selbst zu strafen.
Nicht ferne von dem Ort, aus dem er wütend lief,
Verbreitet sich, umkränzt mit Myrten-Hecken,
Ein kleiner See, hell wie Kristall, nicht tief,
Doch tief genug, die Nymphen zu verstecken,
Die oft, bei lauer Abend-Luft,
Die Dämmerung zu jüngferlichen Scherzen,
Und, wenn sie sicher sind, zum frischen Bade ruft.
Hier sucht mein Cephalus das Ende seiner Schmerzen
In einem feuchten Tod. Verzweifelnd, ohne Sinn,
Sieht er zum letzten mal noch auf die Grotte hin,
Drückt dann die Augen zu, und stürzt sich in die Wellen.
Wie wunderbar in seinen Fällen
Das Schicksal ist! Der Kampf des Tages und der Nacht
War noch nicht lang, als dies geschah, geendet;
Aurora, die bereits den frühen Lauf vollbracht,
Erblickt, da sie den Wagen wendet,
Den kleinen See, und findet ihn bequem;
Sie denkt, ein kleines Bad wär hier ganz angenehm,
Steigt ab, entladet sich von Schleier, Rock und Mieder,
Und überläßt die rosenfarben Glieder
[168]Der buhlerischen Flut – Das dachtest du wohl nicht,
Du guter Cephalus, daß deiner irdschen Bürde
Aurora selbst die letzte Liebes-Pflicht
In ihrem Arm erstatten würde?
Sein Fall erschreckt ihr lauschend Ohr,
Sie schwingt sich aus der Flut empor,
Sieht, und erkennt, indem sie siehet,
Den alten Freund, der schon den letzten Atem ziehet.
Die dringende Gefahr macht, daß sie itzt vergißt,
Wie wenig er verdient, daß sie so gütig ist.
Sie schwimmt hinzu, trägt ihn mit eignen Armen
In eine Grotte hin, wo ihm das weiche Moos
Zum Bette wird, setzt ihn auf ihre Schoß,
Und läßt sein kaltes Herz an ihrer Brust erwarmen.
Das Mittel hilft! Sie fühlet bald,
Daß etwas noch in seinen Adern wallt,
Sieht seine Wangen sich mit neuen Rosen färben,
Und küßt ihn bald ins Leben ganz zurück.
Zum Malen wäre das ein hübscher Augenblick,
Hier könnt ein Vanloo Ruhm erwerben.
Er öffnet halb den neu-belebten Blick,
Erkennt Auror, und sinkt an ihre Brust zurück,
Nicht vor Verzweiflung mehr, vor Dankbarkeit zu sterben.