[210] 1. An den Leser
Fußnoten
1 Bäckt keine Biesem-Kuchen. Diese Zuckerbeckerey lässt man gar gerne den heutigen Schlesischen Poeten über, als welche dergleichen leckerhaffte Sachen in ihren Versen so häuffig zu kauf haben, dass sie sogar auch nicht der Mandeln und des Marzipans vergessen, und man sich folgends einbilden solte,dass sie alle ihre Leser vor Kinder hielten. Ich weiss zwar wol was Deutschland Schlesien wegen derDichtkunst schuldig ist. Derselben Ursprung, Fortgang, so gar alle Poeten die bisshero sich einen Nahmen unter uns gemachet haben. Es fehlet aber so weit, dass sie unsere Poesie annoch in den Stand solten gesetzet haben, worinnen wir, ich will nicht sagen derGriechen und Römer, sondern nur der heutigenFrantzosen und Engelländer ihre finden, dass sie vielmehr uns zu vielen Fehlern verführet, und dieselbe durch ihre wollfliessende und zahlreiche Verse so gar unter uns gangbar gemachet, dass man sich so gleich einen gantzen Schwarm Deutscher Dichterlinge auf den Hals ladet, so bald man Liebe gnug zu seinem Vaterlande trägt, dieselbe als Fehler anzumercken. Triarius, sagt Seneca, compositione verborum belle cadentium multos Scholasticos delectabat, omnes decipiebat l. 3. Contr. 19. Die Rede nach der unterschiedenen Ahrt der Gedichte unterschiedlich einzurichten; In einem Schäffer-Gedichte sittsam zu sincken ohne zu fallen, in einer Ode hergegen zwar hoch aber nicht aus dem Gesichte zu steigen, und in dieser unterweilen eine künstliche Unordnung sehen zu lassen; In den Schauspielen die Einigkeit der Zeit des Orts und der Sache gantz genau zu beobachten, und zwar in den Lustspielen die Sitten zu verbessern, und in den Trauerspielen die Hörer zum Schrecken oder zum Mittleiden zu bewegen; In allen aber insgemein voller sinnreichen Gedancken und Einfälle, und grossmühtigen und schönen Meinungen zu sein, so dass dieselbe nach Lesung des Gedichtes in des Lesers Gedächtniss stecken bleiben, und nach Gelegenheit der Zeit von ihnen angezogen werden können; Dieses alles, sage ich, ist das worauf entweder die wenigste unserer Poeten bisshero gedacht, oder die wenigste ihrer Leser in ihnen gesuchet haben. Ein wenig Zeit, hoffe ich, wird diese Anmerckung in ihr rechtes Licht setzen, und ihr den Neid und Hass benehmen, den sie sich hiedurch bey unbedachtsamen und partheyschen Lesern anitzo ohne Zweiffel erwecken wird.
2 Vor Männer starcke Speiss'. Ornatus virilis fortis et sanctus sit: nec effoeminatam levitatem, nec fuco eminentem colorem amet, sanguine et viribus niteat. Quintil. l. 8. c. 3.