29. An Göckingk

1780.


Welche Hexe, geübt, zur Walpurgsgala
Meister Satans auf Bock und Ofengabel
Hinzureiten; vor Lust aus ihrem Nachttopf
Ungewitter zu gießen; Flöh' und Wanzen,
Mäus' und Ratzen in unbekreuzte Häuser
Frommer Leute zu bannen; Saatenfelder
Kahl zu hexen; und nachts die Kuh des Nachbars
Durch den Ständer zu melken, daß die Viehmagd
Voll Verwunderung Blut statt Milch herauszerrt:
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Welch triefäugichtes, schieles, ausgestäuptes,
Längst für Galgen und Rad und Strang und Holzstoß
Reifgewordenes Weib erfand das Posthorn,
Welches mächtiger noch an Zaubertönen,
Als des Hamelschen Ratzenfängers Pfeife,
Allen dichtrischen Aberwitz und Unsinn,
Der im heiligen römschen Reich nur aufkeimt,
Mir herbannt! Denn so oft des Schreckenhornes
Taratantara tönt; kömmt Ode, Volkslied,
Epigramm und Idyll', Epistel, Fabel,
Elegie und Ballad', und aller Mißwachs,
Der auf sandiger Heid', in kalten Sümpfen,
Oder brennendem Miste wild hervorschoß:
Kommt im Sturme dahergesaust, und wuchert
Durch die Beete des schönen Blumengartens,
Wo, ermüdet von Arbeit, Deutschlands Männer
Und rotwangichte Frau'n in lauer Dämmrung
Atmend unter Gesang und Lachen wandeln.
Gäte, raufe mit mir das geile Unkraut!
Hurtig, Göckingk, du rechts; ich gäte linksum!
Hier die Quecke von Trink- und Liebesliedern,
Dort elegischen Wermut, Odentollwurz,
Und Saudisteln des Minn'- und Bardensanges,
Taube Nesseln des Epigramms, und langen
Epistolischen Hühnerschwarm, des Volkslieds
Pofist, und der Balladen Teufelsabbiß!
Hurtig! nicht in den Steig, dort hintern Dornbusch
Hingeschleudert den ekelhaften Unrat,
Aufgehäuft und verbrannt mit Pech und Schwefel!
Ha! dann stehen wir fern mit Hopfenstangen,
Abgewandt, und die Nase fest zuhaltend,
Stehn, und schüren die Glut; indes der dicke
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Pestaushauchende schwarze Qualm hoch aufsteigt,
Der noch stinkender, als Tobias Fischdampf,
Alle Teufel verscheucht, und, weht ein Teilchen
Ihr ins Maul, die verwünschte Hexe kitzelt,
Daß sie hustend die schwarze Seel' herauswürgt!
Aber, Freund, in den Winkeln laß des Unkrauts
Etwas stehen; damit die Säu' und Esel,
Die, ihanend und grunzend, nachts umhergehn,
Und voll kritischer Wut durch Zäune brechen,
Nicht aus Mangel an Fraß die Blumenbeete
Uns durchmäkeln mit Schnauz und dickem Rüssel!

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TextGrid Repository (2012). Voß, Johann Heinrich. Gedichte. Oden und Elegien. 29. An Göckingk. 29. An Göckingk. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-8887-A