II.
Expedition Lapérouse's. – Die Insel St. Katharina. – Conception. – Die Sandwichs-Inseln. – Entdeckung der Küste Amerikas. – Der Hafen der Franzosen. – Verlust zweier fahrzeuge. – Montrey und die Indianer Kaliforniens. – Aufenthalt in Macao. – Cavite und Manilla. – Unterwegs nach China und Japan. – Formosa. – Die Insel Quelpaert. – Die Küste der Tatarei. – Die Bai von Ternay. – Die Tataren von Saghalien. – Die Orotchys. – Die Lapérouse-Straße. – Ball auf Kamtschatka. – Der Archipel der Schiffer. – Ermordung de Langle's und mehrerer seiner Begleiter. – Botany-Bai. – Ausbleiben aller Nachrichten von der Expedition. – d'Entrecasteaux wird zur Aufsuchung Lapérouse's entsendet. – Falsche Nachrichten. – Der Kanal d'Entrecasteaux'. – Die Küste von Neu-Caledonien. – Das Land der Arsaciden. – Die Eingebornen von Buka. – Aufenthalt im Carteret-Hafen. – Die Admiralitäts-Inseln. – Aufenthalt im Amboine. – Das Leuwin-Land. – Nuht's Land. – Aufenthalt in Tasmanien. – Festlichkeiten auf den Inseln der Freunde. – Einzelheiten von dem Besuche Lapérouse's in Tonga-Tabu. – Aufenthalt in Balade. – Spuren von der Fahrt Lapérouse's nach Neu-Caledonien. – Vanikoro. – Trauriges Ende der Expedition.
Die Reise Cook's war kaum nach dem Tode des großen Seefahrers bekannt geworden, als sich die französische Regierung bemühte, die Muße zu benutzen, welche der eben geschlossene Friede ihrer Flotte gewährte. Unter den Officieren erhob sich ein endloser Wettstreit; alle schienen neidisch auf die Erfolge zu sein, die ihre alten Rivalen, die Engländer, auf einem anderen Schauplatz errungen hatten. Die Frage, wem man das Commando einer so wichtigen Expedition anvertrauen solle, machte nur deshalb Schwierigkeiten, weil zu viele Personen vorhanden waren, deren Verdienste sie zur Anwartschaft auf ein solches Ehrenamt berechtigten.
Die Wahl des Ministeriums fiel auf Jean François Golpau de Lapérouse, der sich durch hervorragende militärische Dienste schnell zum Grade eines Schiffskapitäns emporgeschwungen hatte. Während des letzten Krieges war er beauftragt gewesen, die englischen Niederlassungen an der Hudsons-Bai zu zerstören, und entledigte sich damals dieser Mission mit gleichviel militärischem wie seemännischem Geschick, während er die Gebote der Menschlichkeit mit den Anforderungen der Nothwendigkeit glücklich zu vereinigen wußte. Als zweiter Officier ward ihm de Langle beigegeben, der ihm schon bei dem Zuge nach der Hudsons-Bai getreu und wirksam zur Seite gestanden hatte.
Auf den beiden Fregatten »Astrolabe« und »Boussole« wurde ein zahlreiches Officierscorps mit eingeschifft. Auf der letzteren befanden sich Lapérouse selbst, ferner Clonard, als Führer des Schiffes, der Ingenieur Monneron, der Geograph Bernizet, der Chirurg Rollin, der Astronom Lepaute-Dagelet von der Akademie der Wissenschaften, der Physiker Lamanon, die Zeichner Duché de [299] Vanzy und Prevost der Jüngere, der Botaniker Collignon und der Uhrmacher Guerg. Auf der »Astrolabe« fuhren, außer dem Commandanten de Langle, der Lieutenant de Monti, der während der Expedition zum Schiffskapitän avancirte, und der berühmte Monge, der sich zum Heil für die Wissenschaft am 29. August 1785 in Teneriffa wieder ausschiffte.
Die Akademie der Wissenschaften und die Gesellschaft der Medicin in Paris hatten dem Marine-Ministerium Schriftstücke überreicht, in welchen sie die Aufmerksamkeit der Reisenden nach gewissen Punkten hinzulenken suchten. Fleurieu, jener Zeit Director der Häfen und Seearsenale, endlich, hatte eigenhändig die für die Fahrt bestimmten Karten entworfen und mit einem ganzen Bande gelehrter Anmerkungen, sowie mit Auszügen der Resultate aller Reisen seit der Zeit des Columbus begleitet.
Die beiden Fahrzeuge führten eine reichliche Menge Tauschobjecte mit sich, dabei ungeheuere Vorräthe an Lebensmitteln und Effecten aller Art, sowie zwei gedeckte Boote von je zwanzig Tonnen Gehalt, zwei Biscaya'sche Schaluppen, außer Masten und Segel und Takellage zum Ersatz u.s.w.
Am 1. August 1785 gingen die beiden Fregatten unter Segel und dreizehn Tage später bei Madeira vor Anker. Die Franzosen fanden hier seitens des englischen Statthalters eine höchst zuvorkommende und freundliche Aufnahme, welche sie ungemein erfreute. Am 19. lag Lapérouse vor Teneriffa.
»Die verschiedenen Beobachtungen von Fleurieu, Verdun und Borda über die Inseln Madeira, Salvages und Teneriffa, sagt er, lassen nach keiner Seite hin zu wünschen übrig. Die von uns angestellten beziehen sich deshalb nur auf die Berichtigung unserer Instrumente...«
Dieser abgerissene Satz beweist, daß Lapérouse der Mann war, den Arbeiten seiner Vorgänger alle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, eine Annahme, die wir später noch öfters bestätigt finden werden.
Während die Astronomen die Zeit damit ausfüllten, den Gang der astronomischen Uhren zu beobachten, unternahmen die Naturforscher in Begleitung mehrerer Officiere einen Ausflug nach dem Pic (von Teneriffa) und brachte mehrere merkwürdige Pflanzen von demselben mit. Monneron gelang es auch, diesen Berggipfel mit größerer Genauigkeit zu messen, als seine Vorgänger Herberdeen, Feuillen, Bouguer, Verdun und Borda, welche dessen Höhe zu zweitausendvierhundertneun, zweitausendzweihundertdreizehn, zweitausendeinhundert, respective tausendneunhundertvier Toisen bestimmten. Leider ist diese Arbeit,[300] die aller Ungewißheit über jenen Punkt ein Ende bereitet hätte, niemals nach Frankreich gekommen.
Am 16. October kamen die Inseln oder vielmehr die Felsen von Martin-Vas in Sicht. Lapérouse bestimmte deren Lage und segelte darauf nächsten Weges nach der Insel Trinidad, die nur neun Meilen im Westen lag. In der Hoffnung, daselbst Wasser, Holz, vielleicht auch einige Nahrungsmittel zu finden, sandte der Befehlshaber der Expedition ein Boot mit einem Officier an's Land. Letzterer verhandelte mit dem portugiesischen Gouverneur, dessen Truppenmacht aus nahe zweihundert Mann bestand, von denen nur fünfzehn eine wirkliche Uniform trugen, während die Uebrigen nur in Hemden gingen. Der Platz litt aber selbst Mangel an Allem und die Franzosen mußten umkehren, ohne etwas erhalten zu haben.
Nach vergeblicher Aufsuchung der Insel Ascension steuerte die Expedition nach der Insel St. Katharina, an der Küste von Brasilien.
»Nach sechsundneunzigtägiger Seefahrt, heißt es in dem vom General Millel-Mureau veröffentlichten Berahte, hatten wir nicht einen einzigen Kranken; weder der Wechsel des Klima, noch die Regen und Nebel erschütterten die Gesundheit unserer Leute, da wir stets Nahrungsmittel von bester Qualität besaßen. Ich vernachlässigte keine der Vorsichtsmaßregeln, welche Erfahrung und Klugheit vorschrieben; so sorgten wir unter Anderem vorzüglich dafür, unsere Mannschaft in heiterer Stimmung zu erhalten, und ließen sie, wenn es die Witterung irgend erlaubte, jeden Abend von acht bis zehn Uhr auf dem Decke tanzen.
Die Insel St. Katharina – auf welche wir nach mehrere Male zurückzukommen Gelegenheit haben – erstreckt sich von 27°19' bis 27°49' südlicher Breite; ihr Durchmesser von Osten nach Westen beträgt nur zwei Meilen; von dem Festlande ist sie an der engsten Stelle nur durch einen Kanal von zweihundert Toisen Durchmesser getrennt. Am Eingang dieser engen Wasserstraße liegt die Stadt Nostra-Señora-Del-Destero, der Hauptort der Statthalterschaft, in dem auch der Gouverneur residirt; er zählt höchstens dreitausend Seelen in ungefähr vierhundert Häusern, und bietet einen recht hübschen Anblick. Nach dem Berichte Frézier's diente diese Insel im Jahre 1712 vielen Landstreichern, die sich aus verschiedenen Theilen Brasiliens hierher flüchteten, als Aufenthaltsort; diese waren Portugal nur dem Namen nach unterworfen und erkannten überhaupt keine Obrigkeit an. Der Boden der Insel ist so außerordentlich [301] fruchtbar, daß jene ohne Beistand der benachbarten Kolonien leicht Unterhalt finden konnten. Alle Schiffe, welche bei ihnen anliefen, versorgten die Bewohner auch, im Austausch gegen Lebensmittel, stets nur mit Kleidungsstücken und Hemden, die ihnen gänzlich fehlten.«
Diese Insel ist wirklich ausnehmend fruchtbar, und ihr Boden würde sich gewiß zur Cultur des Zuckerrohres eignen; die Armuth der Einwohner hindert diese aber, die nöthigen Waaren einzukaufen.
Die französischen Schiffe fanden hier Alles, was sie brauchten, und die Officiere wurden von den portugiesischen Beamten sehr wohlwollend empfangen.
»Folgende Thatsache erscheint geeignet, eine Vorstellung von der Gastfreundschaft dieses guten Volkes zu geben: in einer Bucht, wo ich Holz schlagen ließ, sagt Lapérouse, war ein Boot von der Brandung umgeworfen worden; die Einwohner, welche behilflich waren, dasselbe zu retten, zwangen fast unsere schiffbrüchigen Matrosen, sich in ihr Bett zu legen, während sie sich selbst mit Matten begnügten, die sie auf dem Boden der Zimmer ausbreiteten. Einige Tage später brachten sie Segel, Masten, Schiffshaken und die Flagge des Bootes nach meinem Schiffe, für sie lauter werthvolle Gegenstände, die ihnen für ihre Piroguen von großem Nutzen gewesen wären.«
Am 19. November lichteten die »Boussole« und »Astrolabe« die Anker und segelten in der Richtung nach dem Cap Horn ab. Nach Ueberstehung eines heftigen Sturmes, bei dem sich die Fregatten sehr gut bewährten, und nach vierzigtägiger vergeblicher Aufsuchung der von dem Franzosen François Antoine de la Roche entdeckten Insel Grande, welche Kapitän Cook Georgien taufte, passirte Lapérouse die Lemaire-Straße. Da ihn der Wind, trotz der vorgeschrittenen Jahreszeit, ungemein begünstigte, verzichtete er auf einen Besuch der Bai des Guten Erfolges und beeilte sich lieber, das Cap Horn zu umschiffen, um eine möglicher Weise eintretende Verzögerung zu vermeiden, welche seine Schiffe leicht in Gefahr bringen und die Mannschaft nutzlos anstrengen mußte.
Auch das freundliche Auftreten der Feuerländer, der Ueberfluß an Walfischen, deren Ruhe hier noch Niemand gestört hatte, wie die unzähligen Schaaren von Albatrossen und Sturmvögeln, vermochten seinen Entschluß nicht zu ändern. Das Cap Horn wurde unter günstigeren Umständen umschifft, als man hoffen zu dürfen glaubte. Schon am 9. Februar befand sich die Expedition gegenüber dem Ausgange der Magelhaens-Straße und am 24. ging sie im Hafen Conception vor Anker, dem Lapérouse wegen des drohenden Mangels an Nahrungsmitteln [302] jenem von Juan-Fernandez den Vorzug gab. Der vortreffliche Gesundheitszustand der Besatzung verwunderte den spanischen Commandanten nicht wenig. Vielleicht noch niemals war ein Fahrzeug nach Umschiffung des Cap Horn ohne Kranke nach Chili gekommen und jetzt befand sich auf beiden Fregatten nicht ein einziger.
Die im Jahre 1751 durch ein Erdbeben zerstörte Stadt hatte man am Ufer des Flusses Biobio, drei Meilen vom Strande entfernt, wieder aufgebaut. Die nur ein Stockwerk hohen Häuser gaben Conception eine ziemlich beträchtliche Ausdehnung, während es doch kaum 10.000 Einwohner zählte. Die Bai derselben ist eine der bequemsten der Welt; das ruhige Meer darin hat fast gar keine Strömung.
Dieser Theil Chilis zeichnet sich durch eine wahrhaft wunderbare Ergiebigkeit des Bodens aus. Getreide liefert hier den sechzigfachen Ertrag, der Wein gedeiht ebenso über alle Maßen und auf den Feldern tummeln sich zahllose Heerden, die sich mit erstaunlicher Schnelligkeit vermehren.
Trotz dieser günstigen Verhältnisse machte das Land doch, in Folge des jener Zeit herrschenden Prohibitiv-Systems, nicht die geringsten Fortschritte. Chili, das mit seinen Erzeugnissen halb Europa hätte ernähren, mit seiner Wolle alle Fabriken Englands und Frankreichs versehen und ungeheuere Mengen Fleisches in gesalzenem Zustand hätte verwerthen können, trieb so gut wie gar keinen Handel. Dabei erreichten auch die Einfuhrzölle eine ganz außerordentliche Höhe, weshalb das Leben daselbst ein sehr theures war. Ein Mittelstand, entsprechend unserer heutigen Bourgoisie, existirte überhaupt nicht. Die Bevölkerung zerfiel nur in zwei Classen, in Reiche und Arme, wie aus Folgendem hervorgeht:
»Die Kleidung der Frauen besteht aus einem faltigen Rocke aus jenen alten Gold- und Silberstoffen, die man ehedem in Lyon erzeugte. Diese übrigens nur bei gewissen Gelegenheiten benutzten Röcke erben wie Diamanten in den Familien fort und gehen von den Großmüttern auf die Enkelinnen über. Eine solche Kleidung können sich nur Wenige verschaffen; die Anderen wissen kaum, wie sie ihre Blöße decken sollen.«
Wir begleiten Lapérouse nicht bis in die Details seiner enthusiastischen Aufnahme und übergehen die Beschreibungen der Bälle und Toiletten, welche ihn keinen Augenblick den eigentlichen Zweck seiner Reise aus den Augen verlieren ließen. Bisher war die Expedition nur in bekannten Gegenden gesegelt, [303] welche schon manches europäische Schiff besucht hatte. Es wurde hohe Zeit, ein dankbareres Feld aufzusuchen. So lichtete man am 15. März die Anker und am 9. April liefen die beiden Fregatten nach glücklicher Seefahrt in die Cook-Bai an der Osterinsel ein.
Laporouse führt an, daß Hodges, der Maler, der den großen englischen Seehelden begleitete, die Physiognomie der Insulaner hier sehr falsch wiedergegeben habe. Sie ist im Allgemeinen nicht unangenehm, entbehrt dagegen jedes eigenthümlichen Charakters.
Das ist übrigens nicht der einzige Punkt, in dem der französische Seefahrer mit Kapitän Cook nicht [304] übereinstimmt. Er hält z.B. die berühmten Statuen, von denen einer seiner Maler eine interessante Abbildung lieferte, für das Werk der damals lebenden Generation, die er auf etwa zweitausend Seelen schätzte. Ihm schien der vollständige Mangel an Bäumen und, als nothwendige Folge davon, an Wasseransammlungen und Bächen von der sinnlosen Ausbeutung der Wälder seitens der früheren Bevölkerung herzurühren. So lange er hier verweilte, lief Alles ziemlich friedlich ab. Diebstähle kamen zwar häufig genug[305] vor; die Franzosen hielten sich aber, angesichts ihres kurzen Aufenthaltes, nicht für verpflichtet, der Bevölkerung der Insel richtige Begriffe über das Eigenthum beizubringen.
Von der Osterinsel aus folgte Lapérouse ungefähr demselben Wege wie Cook, als dieser von Tahiti nach der amerikanischen Küste steuerte; er hielt sich aber gegen hundert Meilen weiter im Westen. Lapérouse schmeichelte sich, in dieser wenig bekannten Partie des Pacifischen Oceans irgend eine Entdeckung machen zu können, und hatte demjenigen Matrosen, der zuerst Land sehen würde, eine Belohnung zugesichert.
Am 29. Mai erreichte man den Havaï-Archipel.
Die See-Chronometer erwiesen sich nun von größtem Vortheil bezüglich der Berichtigung jeder sonst nur abgeschätzten Entfernung. So fand Lapérouse bei der Ankunft an den Sandwichs-Inseln einen Unterschied von fünf Längengraden zwischen der abgeschätzten und der beobachteten Länge.
Ohne jene Uhren würde er diese Inselgruppe um fünf Grade weiter nach Osten verlegt haben. Hieraus erklärt sich auch, daß die von den Spaniern, wie von Mendona, Quires und Anderen entdeckten Inseln alle der Küste Amerikas vorgeblich viel näher liegen sollten, als es in Wirklichkeit der Fall ist. Er schloß daraus auch auf das Nichtvorhandensein der von den Spaniern la Mesa, los Majos und la Dispeaciada genannten Gruppe. Man hat umsomehr Ursache, diese Gruppe für nichts Anderes als die Sandwichs-Inseln anzusehen, als Mesa in der spanischen Sprache so viel wie Tisch bedeutet und Kapitän King den von den Ureinwohnern Mauna-Loa genannten Berg mit einer Hochebene, einem »Tafel-Land« vergleicht. Auch ohne Rücksichtnahme auf diese mehr speculativen Gründe, hatte er die Stelle, wo los Majos liegen sollte, direct gekreuzt, ohne eine Spur von Land zu finden.
»Der Anblick von Mowen, sagt Lapérouse, ist wahrhaft entzückend... In herrlichen Fällen sahen wir das Wasser vom Gipfel der Berge herabstürzen und nach Bewässerung der indischen Anpflanzungen nach dem Meere hinabeilen. Die Wohnungen liegen in so großer Anzahl bei einander, daß ein einziges Dorf einen Raum von vier bis fünf Meilen einnimmt. Alle Hütten drängen sich jedoch am Gestade des Meeres zusammen, an das die Berge so nahe herantreten, daß das bewohnbare Land nur eine Tiefe von einer halben Meile zu haben scheint. Man muß selbst Seemann und in der Lage gewesen sein, sich unter diesen glühenden Himmelsstrichen mit einer Flasche Wasser täglich zu [306] begnügen, um unsere Gefühle zu verstehen. Die Bäume auf der Höhe, das saftige Grün, die Bananen in der Nähe der Ansiedlungen – Alles erfüllte uns mit unbeschreiblicher Freude; an der Küste brandete das Meer aber so heftig, daß wir, neue Tantalusse – zunächst darauf beschränkt blieben, mit den Augen zu genießen, was wir nicht im Stande waren zu erlangen.«
Kaum gingen die beiden Fregatten vor Anker, als sie von einer Menge Eingeborner in Piroguen umringt wurden, auf denen jene Schweine, Pataten, Bananen, Taro und dergleichen mehr zuführten. Sehr geschickt im Handeln, legten sie den größten Werth auf kreisförmige Stücke alten Eisens. Schon die Kenntniß des Eisens und seiner Verwendung, die sie Cook nicht verdankten, ist ein neuer Beweis für die Beziehungen, welche diese Völker ehedem mit den Spaniern unterhielten, denen jedenfalls die erste Entdeckung dieses Archipels zuzuschreiben ist.
Lapérouse fand selbst die herzlichste Aufnahme, trotz des militärischen Apparates, mit dem er sich umgeben zu müssen geglaubt hatte. Obgleich die; Franzosen die Ersten waren, welche an der Insel Mowen an's Land gingen, sah Lapérouse doch von der Besitzergreifung derselben ab.
»Das Verfahren der Europäer ist in dieser Beziehung ein wahrhaft lächerliches. Alle Denkenden können gewiß nur mit Bedauern sehen, daß Menschen, einzig deshalb, weit sie Kanonen und Bajonnete besitzen, sechzigtausend ihres Gleichen für gar nichts achten; daß sie, ohne Rücksicht auf die heiligsten Rechte, ein Land sofort als ihr Besitzthum betrachten, das dessen Bewohner mit ihrem Schweiße befruchtet haben und das seit Jahrhunderten schon die Vorfahren derselben in seinem Schooße birgt.«
Lapérouse läßt sich auf Einzelheiten über die Bewohner der Sandwichs-Inseln nicht weiter ein. Er verweilte hier nur wenige Stunden, während die Engländer vier Monate daselbst zubrachten. Er verweist hierüber einfach auf den Bericht Cook's.
Während des sehr kurzen Aufenthaltes kaufte man noch mehr als hundert Schweine, Matten, Früchte, eine Pirogue mit Auslegern, allerlei kleine Gegenstände aus Federn oder Muscheln und schöne mit rothen Federn geschmückte Mützen ein.
Lapérouse's Instructionen schrieben ihm vor, die Küste Amerikas zu untersuchen, von der ein Theil, bis zum St. Elias-Berge, höchstens mit Ausnahme des Hafens von Nootka, außer von Cook noch von Niemand eingehender erforscht [307] worden war. Er erreichte jene am 23. Juni unter der Breite von sechzig Grad und entdeckte inmitten einer langen, schneebedeckten Gebirgskette Behring's St. Eliasberg. Nachdem er der Küste eine Strecke weit gefolgt, entsendete Lapérouse drei Boote unter Führung eines seiner Officiere, de Monti mit Namen, nahe gegen das Land, wo Letzterer dabei einen geräumigen Meerbusen entdeckte, dem er seinen Namen gab. Immer segelte man nun in möglichster Nähe der Küste hin und vollendete eine Menge einzelner Aufnahmen derselben, welche in ununterbrochener Aufeinanderfolge bis zu einem bedeutenden Strome reichten, der den Namen Behring-Strom erhielt. Aller Wahrscheinlichkeit nach war das derselbe, den Cook ebenso getauft hatte.
Am 2. Juli wurde unter 58°36' der Breite und 130°31' der Länge ein Einschnitt in das Festland entdeckt, der eine prächtige Bai zu bilden schien. Sofort sendete man unter dem Befehl de Pierrevert's, de Flassan's und Boutervillier's einige Boote ab, um dieselbe näher zu untersuchen. Da der Beruht dieser Officiere sehr günstig lautete, segelte die Fregatte nach dem Eingange der Bai heran; da ward aber die »Astrolabe« von einer heftigen Strömung zurückgeworfen und die »Boussole« mußte ihr folgen. Um sechs Uhr Morgens näherten sich die Schiffe, nach einer unter Segel verbrachten Nacht, dem Eingange auf's Neue.
»Um sieben Uhr Morgens aber, heißt es in dem Bericht, als wir eben einfahren wollten, sprang der Wind nach Westnordwest und nach Nordwest ein Viertel-West um, so daß wir brassen mußten. Glücklicher Weise trug die Strömung unsere Schiffe in die Bucht hinein, wobei wir freilich vor deren Felsen an der Ostspitze kaum in halber Pistolenschußweite vorüber kamen. Im Innern der Ausbuchtung ging ich bei dreiundeinhalb Faden Wasser und felsigem Grunde eine halbe Kabellänge vom Ufer vor Anker. Die ›Astrolabe‹ hatte bei derselben Wassertiefe Anker geworfen. Während meiner dreißigjährigen Seereisen sah ich niemals zwei Schiffe in so gefahrdrohender Lage... Unsere Lage wäre nicht so besonders beunruhigend gewesen, wenn wir nicht auf einem felsigen Boden, der sich auch nach allen Seiten mehrere Kabellängen weit ausdehnte, geankert hätten, was dem Bericht Flassan's und Boutervillier's allerdings völlig widerspricht. Da war aber keine Zeit zu Ueberlegungen, es handelte sich nur darum, diesen gefährlichen Grund möglichst bald zu verlassen, wobei die kräftige Strömung nicht wenig Hindernisse bot....«
Lapérouse gelang das endlich, Dank seiner geschickten Schiffsführung.
[308] Kaum in die Bai eingelaufen, wurden die Schiffe übrigens von zahlreichen, mit Wilden bemannten Piroguen umringt. Von allen Tauschgegenständen, die man ihnen für Fische, Otter- und andere Felle anbot, gaben dieselben dem Eisen den Vorzug. Die Anzahl der Eingebornen nahm mit jedem Tage zu und wurde endlich, wenn auch nicht gefährlich, doch ziemlich unbequem.
Lapérouse hatte auf einer Insel der Bai ein Observatorium errichtet und Zelte für die Segelmacher und die Schmiede aufschlagen lassen.
Trotz der sorgfältigsten Bewachung gelang es einigen Eingebornen, welche wie Schlangen auf dem Bauche herankrochen und dabei kaum ein Blättchen in Bewegung setzten, doch, uns verschiedene Gegenstände zu stehlen. Zuletzt wurden sie so kühn, während der Nacht in das Zelt einzudringen, in dem de Lauriston und Darbaud als Wächter des Observatoriums schliefen, wobei sie eine mit Silber beschlagene Flinte und die Kleidungsstücke dieser beiden Officiere raubten, welche dieselben aus Vorsicht unter ihrem Kopfkissen verborgen hatten. Ein Wachposten von zwölf Mann bemerkte weder die Diebe, noch wachten die beiden Officiere aus dem Schlafe auf.
Die für den Aufenthalt in dem »Hafen der Franzosen« bestimmte Zeit neigte sich inzwischen zu Ende. Die Sondirungsarbeiten, Küstenaufnahmen, Plänezeichnungen und astronomischen Beobachtungen waren nahezu fertig. Vor der definitiven Abfahrt wollte Lapérouse indeß auch den Grund der Bai genau in Augenschein nehmen. Er vermuthete daselbst die Ausmündung eines größeren Flusses, der es ihm gestatten würde, in das Innere des Landes vorzudringen. Am Ende der Sackgasse, in die er sich hineinwagte, traf Lapérouse indeß nichts als ausgedehnte Gletschermassen, welche bis zum Gipfel des Berges Beau-Temps hinausreichten.
Bisher hatte die Expedition weder ein Unfall betroffen noch Krankheit bedroht.
»Wir sahen uns selbst, sagt Lapérouse, für die glücklichsten Seefahrer an, die so weit von Europa weggekommen waren, ohne einen einzigen Kranken, einen einzigen Fall von Scorbut zu haben. Gerade da sollte uns jedoch ein größeres und völlig unerwartetes Unglück treffen.«
Auf der von Monneron und Bernizet entworfenen Karte des »Hafens der Franzosen« waren nur noch die Ergebnisse der Sondirungen nachzutragen, womit mehrere Officiere betraut wurden. Unter dem Befehl d'Escures', de Marchainville's und Boutin's liefen zu diesem Zwecke drei Boote aus. Lapérouse, der [309] vorzüglich d'Escures' waghalsigen Uebereifer schon von früher her kannte, empfahl demselben noch besonders, stets mit größter Vorsicht zu Werke zu gehen und die Sondirung der Einfahrt nur dann vorzunehmen, wenn das Meer daselbst nicht heftiger brandete.
Um sechs Uhr Morgens stießen die Boote ab, allem Anschein nach mehr zu einer Spazierfahrt als zu dienstlichen Zwecken, wobei man unter lauschigen Bäumen zu jagen und zu frühstücken hoffte.
»Um zehn Uhr Vormittags, sagt Lapérouse, sah ich unser kleinstes Boot zurückkehren. Etwas erstaunt, weil ich es so zeitig nicht erwartete, fragte ich Boutin, noch bevor er an Bord stieg, ob etwas Neues vorgefallen sei. Ich befürchtete zuerst einen Ueberfall der Wilden. Boutin's Gesichtsausdruck schien mir auch nichts Gutes zu versprechen, denn seine Züge waren von Schmerz entstellt.
Er berichtete mir über einen schrecklichen Schiffbruch, dessen Zeuge er gewesen und dem er nur selbst entgangen war, weil er Ueberlegung genug behielt, gegenüber der drohenden Gefahr keinerlei Vorsichtsmaßregeln außer Acht zu lassen. Während er nämlich dem ersten Führer folgte, gerieth er mitten in die Brandung an der Einfahrt, durch welche bei der Ebbe das Wasser mit der Schnelligkeit von drei bis vier Meilen in der Stunde hinausströmte. Da fiel es ihm ein, sein Boot, um es vor dem Eindringen der Wellen zu schützen, umdrehen zu lassen, wobei ihn die Strömung immer rückwärts trieb, während er den Wogen das Vordertheil zukehrte.
Bald sah er die Brandung vor sich und befand sich also im offenen Meere, während von den anderen Booten nichts zu sehen war. Mehr auf die Rettung seiner Kameraden als auf seine eigene Bedacht nehmend, wagte er sich noch einmal in die Brandung, um vielleicht Jemand retten zu können. Trotz redlichsten Bemühens wurde er jedoch von dem Ebbestrom zurückgetrieben. Er stieg sogar auf die Schultern eines Matrosen, um eine größere Fläche übersehen zu können – vergeblich, Alles war verschlungen worden.... Boutin kehrte in der Zwischenzeit zwischen Ebbe und Fluth, bei ruhigem Wasser zurück.
Da der Seegang weniger hoch war, hegte der Officier noch immer einige Hoffnung für das biscay'sche Boot der ›Astrolabe‹, da er nur das unsrige hatte untergehen sehen. De Marchainvitte befand sich zur Zeit des Unglücks nur eine Viertelmeile von der betreffenden Stelle entfernt, in ebenso ruhigem Wasser wie in dem besten Hafen; der junge Officier eilte, getrieben durch einen etwas [310] unklugen Edelmuth, da eine Hilfeleistung unter den gegebenen Umständen ganz unmöglich war, ohne der Gefahr zu achten, dem anderen Boote nach, drang in die furchtbare Brandung ein und kam darin, ein Opfer seines Muthes und des Ungehorsams gegen die Befehle des Chefs, ebenfalls um's Leben.
Bald erschien dann de Langle bei mir an Bord, vom Schmerz ebenso überwältigt als ich selbst, und berichtete mit thränenden Augen, daß das Unglück noch weit größer wäre, als ich glaubte. Seit der Abfahrt hatte er es sich zum unverletzlichen Gesetz gemacht, die beiden Bruder La Borde-Marchainvitte und La Borde-Boutervilliers, niemals gleichzeitig zu einem Dienste zu verwenden, und nur bei dieser Gelegenheit ihrem Wunsche nachgegeben, zusammen fahren und jagen zu dürfen, denn wir Alle sahen den Ausflug der Boote mehr als eine Spazierfahrt an, bei der jene so sicher wären, wie bei schönem Wetter im Hafen von Brest.«
Sofort wurden andere Boote zur Aufsuchung der Schiffbrüchigen ausgesendet und den Eingebornen Belohnungen versprochen, wenn es ihnen gelänge, Einen oder den Anderen zu retten; mit der Rückkehr dieser Schaluppen schwand auch die letzte Hoffnung... Alle hatten einen jämmerlichen Tod gefunden.
Achtzehn Tage nach dieser Katastrophe verließen die Fregatten den »Hafen der Franzosen«. In der Mitte der Bai, auf der Insel, welche aus jener Veranlassung den Namen des »Cenotaphiums« erhielt, ließ Laporouse noch ein Denkmal zur Erinnerung an die Verunglückten errichten.
Auf demselben las man folgende Inschrift:
»Am Eingange zu diesem Hafen kamen einundzwanzig brave Seeleute um!
Wer Ihr auch seid, mischt Eure Thränen mit den unseren.«
Am Fuße des Monuments wurde eine Flasche mit dem Berichte über das traurige Ereigniß eingegraben.
Der Hafen der Franzosen, gelegen unter 58°37' nördlicher Breite und 129°50' westlicher Länge, bietet unleugbare Vortheile, freilich auch sehr bedeutende Schwierigkeiten, wozu vorzüglich die starke Strömung im Fahrwasser desselben zu zählen ist.
Das Klima ist weit milder als das in der unter gleicher Breite gelegenen Hudsons-Bai; auch die Vegetation entwickelt sich hier weit üppiger. Fichten von sechs Fuß Durchmesser und hundertvierzig Fuß Höhe sind hier keine Seltenheiten; Sellerie, Sauerampher, verschiedene Bohnen, wilde Erbsen, Wegwart und Rachenblumen findet man allerwegen neben einer großen Menge Gemüsepflanzen, [311] welche zur Erhaltung der Gesundheit der Mannschaft nicht wenig beitrugen.
Das Meer lieferte Lachse, Forellen, Zwergdorsche und Schollen in Ueberfluß.
In den Wäldern der Nachbarschaft hausen braune und schwarze Bären, Luchse, Hermeline, Marder, Fehs, Eichhörnchen, Biber, Murmelthiere, Füchse, Elennthiere und Steinböcke; das kostbarste Pelzwerk stammt von den Seeottern, den Seewölfen und Seebären.
[312] »Wenn diese Gegend, sagt Lapérouse, bezüglich des Pflanzen- und Thierreiches auch nicht allein steht, so bietet sie doch gewiß einen Anblick ohne Gleichen, und ich glaube kaum, daß die tiefen Thäler der Alpen oder Pyrenäen ebenso großartige und pittoreske Bilder aufzuweisen haben; ja, sie verdiente gewiß den Besuch aller Naturfreunde, wenn sie nur nicht am äußersten Ende der Erde läge.«
Lapérouse's Aufzeichnungen über die Eingebornen verdienen gleichfalls der Vergessenheit entrissen zu werden.
[313] »In ihren Piroguen schwärmten stets Indianer um unsere Fregatten herum; sie ruderten meist zwei bis drei Stunden hier- und dorthin, bevor sie sich zum Verkaufe einiger Fische oder weniger Otternfelle entschlossen; dabei ergriffen sie jede Gelegenheit, uns zu bestehlen; jedes Stück Eisen, welches nicht gar zu sehr befestigt war, rissen sie los und suchten unsere Aufmerksamkeit auf jede Weise zu täuschen. Ich ließ die hervorragenderen Persönlichkeiten derselben zu mir an Bord kommen und überhäufte sie mit Geschenken; dieselben Leute aber, die ich mit solcher Auszeichnung behandelte, schämten sich nicht, einen Nagel oder ein altes Beinkleid zu stehlen. Wenn sie einen heiteren und freundlichen Gesichtsausdruck annahmen, konnte ich sicher sein, daß sie sich heimlich etwas angeeignet hatten, und häufig stellte ich mich absichtlich, als habe ich nichts bemerkt.«
Die Frauen spalten sich die Unterlippe in der ganzen Breite der Kinnlade; in dieser Oeffnung tragen sie eine Art henkellosen Holzknopf, der sich an das Zahnfleisch stützt und »dem die gespaltene Oberlippe an der Außenseite als Kranz dient, so daß der Theil unter dem Munde oft zwei bis drei Zoll weit hervorragt«.
Das unbeabsichtigte längere Verweilen Lapérouse's im Hafen der Franzosen verhinderte ihn, sich an anderen Punkten aufzuhalten und die übrigen Einbuchtungen der Küste näher zu untersuchen, denn er mußte auf jeden Fall im Monat Februar in China eintreffen, um im Laufe des folgenden Sommers die Küsten der Tatarei zu erforschen.
Er berührte also nur vorübergehend den Eingang zum Croß-Sund, an dessen Seiten sich hohe, schneebedeckte Berge erhoben, die Bai der Insel Cook's, das Cap Enganno, ein niedriges Land, das weit in das Meer hinausreicht und den Berg St. Hyacinthe – Cook' Berg und Cap Edgecumbe – trägt, die Einfahrt nach Norfolk, wo im nächsten Jahre der Engländer Dixon ankerte, die Häfen Necker und Guibert, das Cap Tschirikow, die Inseln de la Croyöre, die ihren Namen von dem Bruder des berühmten Geographen Delisle, dem Begleiter Tschirikow's, erhielten, die Inseln San Carlos, die Bai La Touche und das Cap Hector.
Alle hier angeführten Ländertheile sollten, nach Lapérouse's Meinung, einen großen Archipel bilden, und er ging hierin nicht fehl, denn sie gehören alle zu den Archipelen Georg's III., Prince de Galles' und der Königin Charlotte-Inseln, deren südlichsten Punkt das genannte Cap Hector bildet. Die schon vorgeschrittene Jahreszeit und die kurze, ihm noch zu Gebote stehende Frist gestatteten [314] Lapérouse nicht, diese Reihe von Ländern näher in Augenschein zu nehmen, sein Instinct täuschte ihn aber nicht, als er dieselben für eine Reihe von Inseln ansah und nicht für ein Festland, dessen einzelne Ausläufer er berührt hätte.
Von dem Cap Fleurieu aus, der äußersten Spitze einer hohen Insel, traf Laperouse auf mehrere Inselgruppen, welche er die Sartinen nannte, und segelte nun längs der Küste weiter bis zur Einfahrt von Nootka, die er am 25. August erreichte. Er besuchte hierauf einzelne Theile des Festlandes, von dem Cook sich hatte entfernt halten müssen und an dessen Stelle seine Karten eine Läcke zeigen. Die Fahrt verlief nur unter schwierigen Verhältnissen in Folge der Strömungen, welche hier sehr schnell sind und nach auf fünf Meilen vom Lande bei günstigem Winde kaum gestatten, drei Knoten in der Stunde zurückzulegen.
Am 5. September entdeckte die Expedition, etwa eine Meile vom Cap Blank entfernt, neun kleine Inseln, denen der Commandant den Namen die Necker-Inseln gab. Immer herrschte ein dicker Nebel, welcher die Schiffe manchmal zwang, sich wieder vom Lande zu entfernen, um nicht auf ein Eiland oder eine Klippe zu stoßen, deren Vorhandensein sich durch kein Anzeichen verrieth. Die schlechte Witterung hielt an bis zur Bai Monterey, wo Lapérouse zwei spanische Schiffe antraf.
In der Bai Monterey wimmelte es jener Zeit von Walfischen und das Meer erschien geradezu bedeckt von Pelikanen, die überhaupt an der ganzen Küste Kaliforniens sehr häufig vorkommen. Eine Besatzung von zweihundert Berittenen genügte hier, um eine Bevölkerung von fünfzigtausend Indianern, welche in diesem Theile Amerikas als Nomaden leben, im Zaume zu halten. Diese im Allgemeinen kleinen und schwächlichen Indianer besitzen offenbar nicht die gleiche Liebe zur Unabhängigkeit wie ihre Stammverwandten im Norden, und wußten, ebenso wie jene, von Kunst und Industrie so gut wie nichts.
»Die Eingebornen, heißt es in dem Berichte, sind sehr geschickte Bogenschützen; sie erlegten vor unseren Augen selbst die kleinsten Vögel; dabei gehen sie freilich mit einer wahrhaft unbeschreiblichen Geduld zu Werke; sie verbergen sich und schleichen auf irgend eine Weise an ihre Beute heran, auf die sie höchstens in einer Entfernung von fünfzehn Schritt schießen.
Noch wunderbarer erschien uns die Art und Weise, wie sie größeres Wild zu jagen wissen. So sahen wir z.B. einen Indianer mit einem Hirschkopfe auf dem seinigen und auf allen Vieren gehen, der das Laub abzuweiden schien und seine Rolle so ausgezeichnet spielte, daß unsere Jäger bei dreißig [315] Schritt Entfernung ihn für ein Thier gehalten und Feuer gegeben hätten, wenn sie den Zusammenhang nicht vorher kannten. So nähern sich jene einer Heerde Hirsche bis auf ganz kurze Entfernung und tödten das Wild dann mit Pfeilen.«
Lapérouse entwarf nachher eine sehr eingehende Schilderung des Presidio de Loretto und der kalifornischen Mission; diese Nachrichten von blos historischem Werthe lassen wir jedoch unberücksichtigt. In unseren Rahmen paßt eher, was er über die Fruchtbarkeit des Landes mittheilt.
»Die Ernten an Mais, Gerste, Weizen und Erbsen, sagt er, können höchstens mit denen von Chile verglichen werden, unsere Ackerbauer Europas vermögen sich gewiß gar keine Vorstellung von der Ertragsfähigkeit des Bodens zu machen; so liefert der Weizen z.B. das siebzigste bis achtzigste Korn; die Extreme schwanken zwischen sechzig und hundert.«
Am 22. September stachen die beiden Fregatten wieder in See, nachdem sie sich seitens des spanischen Statthalters und der Missionäre des besten Empfanges zu erfreuen gehabt hatten. Sie nahmen dabei reiche Vorräthe jeder Art mit, die ihnen bei der langen Ueberfahrt nach Macao von größtem Nutzen sein sollten.
Der Theil des Oceans, über den die Franzosen segelten, war nahezu unbekannt. Seit langer Zeit schon befuhren zwar die Spanier denselben, ließen aber in Folge einer höchst eifersüchtigen Politik ihre Entdeckungen und Beobachtungen in demselben nicht bekannt werden. Lapérouse beabsichtigte übrigens einen westlichen Kurs bis zum 28. Grade der Breite zu steuern, wo nach Angabe der Geographen die Insel Nuestra-Señora de la Gorta liegen sollte.
Vergeblich suchte er nach dieser während einer langen Kreuzfahrt, wobei ungünstige Winde die Geduld der Seefahrer häufig auf eine sehr harte Probe stellten.
»Unser Segel- und Takelwerk, sagt er, zeigte uns täglich, daß wir schon sechzehn volle Monate auf See waren; immer und immer wieder zerrissen verschiedene Taue, und die Segelmacher konnten kaum fertig werden, die völlig abgenutzte Leinwand wenigstens in brauchbarem Zustande zu erhalten!«
Am 5. November wurde eine kleine Insel oder vielmehr ein vereinzelter Felsen von fünfhundert Toisen Länge entdeckt, auf dem nicht ein einziger Baum wuchs, während ihn eine dicke Schicht Guano bedeckte. Er lag unter 23°34' nördlicher Breite und 166°52' westlicher Länge von Paris. Das Meer war ganz ruhig und die Nacht sehr schön. Plötzlich bemerkte man um halb ein Uhr des Nachts, kaum zwei Kabellängen vor der »Boussole«, eine Klippenreihe. Das [316] Wasser um die Schiffe machte nicht das geringste Geräusch und brandete nur an verschiedenen entfernteren Stellen. Sofort drehte man nach Backbord bei; dieses Manöver nahm aber doch einige Zeit in Anspruch und das Fahrzeug befand sich kaum noch eine Kabellänge von den Felsen, als es noch glücklich wendete.
»Wir entgingen damit der schlimmsten Gefahr, sagt Laperouse, die einen Seemann nur bedrohen kann, und ich muß meiner Mannschaft das Lob ertheilen, daß sie mir auf das Wort gehorchte und jeden Befehl auf das sorgsamste ausführte. Der kleinste Mißgriff in den Manövern, die wir vornehmen mußten, um uns von den Klippen zu entfernen, hätte ohne Zweifel den Untergang herbeigeführt.«
Da diese Untiefe noch nicht bekannt war, ließ man es sich angelegen sein, sie näher zu untersuchen, damit andere Seefahrer nicht in die nämliche Gefahr geriethen. Lapérouse entzog sich dieser Verpflichtung nicht und nannte sie dann die »Untiefe der französischen Fregatten«.
Am 14. December kamen die »Boussole« und die »Astrolabe« in Sicht der Mariannen, wo man nur auf der Vulkan-Insel Assomption an's Land ging; die Lavaströme haben hier tiefe Schluchten und Abgründe gebildet, an deren Rande einige verkrüppelte Cocosbäume stehen, mit Lianen und wenigen anderen Pflanzen dazwischen. Kaum hundert Toisen kam man in einer Stunde vorwärts. Aus- und Einschiffung gestalteten sich gleich schwierig, und die hundert Cocosnüsse, Muscheln und unbekannten Bananen, welche die Naturforscher mit zurückbrachten, wogen die Gefahren nicht auf, denen man sich deshalb ausgesetzt hatte.
Es war unmöglich, sich in diesem Archipel noch länger aufzuhalten, wenn man die Küste Chinas erreichen wollte, bevor die dort etwa befindlichen Schiffe abgingen, welche eine Uebersicht der Arbeiten der Expedition an der Küste Amerikas und einen Bericht über die Fahrt bis Macao mitnehmen sollten. Nachdem er die Lage der Basches bestimmt, ohne bei denselben zu verweilen, bekam Laporouse am 1. Januar 1787 das Gestade von China in Sicht und ankerte am folgenden Tage auf der Rhede von Macao.
Hier fand Laporouse eine kleine französische Flotte unter dem Befehle des Schiffsfähnrich de Richery, welcher beauftragt war, zum Schütze des Handels an den östlichen Küsten zu kreuzen. Die Stadt Macao ist zu bekannt, als daß wir uns mit Laporouse hier aufhalten sollten, um sie näher zu beschreiben. Die Plackereien aller Art, mit denen die Chinesen Tag für Tag die Europäer [317] belästigten, und die wiederholten Demüthigungen, denen diese in Folge eines, auf der einen Seite ebenso tyrannischen, wie auf der anderen Seite lässigen Regierungssystems ausgesetzt waren erregten den lebhaften Unwillen des französischen Befehlshabers und gaben ihm den dringenden Wunsch ein, daß einmal eine internationale Expedition jener unerträglichen Lage ein Ende bereiten möge.
Die durch die Expedition von der Küste Amerikas mitgebrachten Pelzwaaren wurden in Macao für zehntausend Piaster verkauft. Der Ertrag sollte später unter die Mannschaften vertheilt werden, und der Vorstand der dortigen schwedischen Handels-Gesellschaft übernahm es, denselben nach der Isle de France zu befördern. Den armen Leuten sollte leider nichts davon zugute kommen.
Von Macao aus begaben sich die Schiffe am 5. Februar nach Manilla, passirten die auf den Karten unrichtig eingetragenen Sandbänke von Pratas, Bulinao, Mansilog und Marivelle, und mußten im Hafen von Marivelle vor Anker gehen, um günstigere Winde oder Strömungen abzuwarten. Obwohl Marivelle von Cavite nur eine Meile unter dem Winde liegt, brauchten sie doch drei Tage, um letztgenannten Hafen zu erreichen.
»Hier fanden sich, lautet der Bericht, verschiedene Baulichkeiten vor, in denen wir unsere Segel ausbessern, Fleisch einpökeln, Boote bauen, die Naturforscher unterbringen und unsere Geographen einrichten konnten; der freundliche Commandant überließ uns sein eigenes Haus, um dasselbe als Observatorium zu benützen. Wir genossen einer so vollständigen Freiheit, als verweilten wir im eigenen Lande, und fanden auf dem Markte und in den Arsenalen alle Hilfsmittel, wie in den besten Häfen Europas.«
Cavite, die zweite Stadt der Philippinen und der Hauptort der gleichnamigen Provinz, war damals übrigens nur ein kleines Dorf, in dem sich andere Spanier als dienstthuende Officiere und Verwaltungsbeamte nicht aufhielten; doch wenn die Stadt auch nur das Bild eines Trümmerhaufens bot, so lag das doch ganz anders mit dem Hafen, wo die Fregatten alle wünschenswerthen Hilfsmittel fanden. Schon am Tage seiner Ankunft stattete Lapérouse, in Begleitung de Langle's und der ersten Officiere, dem Gouverneur einen Besuch ab, indem er sich mittelst Bootes nach Manilla begab.
»Die Umgebungen von Manilla, sagt er, sind wahrhaft reizend; ein herrlicher Fluß schlängelt sich durch dieselben hin und theilt sich in mehrere Arme, deren zwei größte nach der ungefähr sieben Meilen im Innern liegenden berühmten Lagune oder dem See von Bay hinführen. Die Ränder dieser Wasserfläche[318] schmücken über hundert Indianerdörfer, die in einer höchst fruchtbaren Landschaft verstreut liegen.
Manilla selbst, erbaut am Ufer der gleichnamigen Bai von fünfundzwanzig Meilen Umfang, liegt an der Mündung eines Flusses, der bis zu dem See hinauf, aus dem er entstammt, schiffbar ist. Vielleicht kann sich keine Stadt der Erde, der vortheilhaften Lage nach, mit dieser vergleichen. Nahrungsmittel finden sich hier in Ueberfluß und folglich zu sehr niedrigen Preisen; dagegen sind Kleidungsstücke, europäische Schmuckwaaren und Möbel auffallend theuer. Der Mangel an Gewerbefleiß, die hohen Zölle und mannigfache andere Belästigungen des Handels bringen es auch ferner mit sich, daß man die Erzeugnisse und Waaren Indiens und Chinas hier ebenso theuer bezahlen muß wie in Europa, und daß diese Kolonie, obgleich sie dem Fiscus an Zöllen jährlich achthunderttausend Piaster einbringt, Spanien jedes Jahr doch noch eine Million und fünfhunderttausend Pfund kostet, welche von Mexiko aus hierher gesendet werden. Die ungeheuren Besitzungen der Spanier in Amerika haben die Regierung offenbar verhindert, den Philippinen die nöthige Aufmerksamkeit zuzuwenden. Sie liegen noch vielfach brach und unausgenützt, während sie doch einer starken Bevölkerung Unterhalt gewähren könnten.
Ich glaube nicht zu viel zu behaupten, wenn ich sage, daß eine große Nation, die nur die Philippinen besäße und denselben eine zweckmäßige Verwaltung zu Theil werden ließe, ohne das Gefühl des Neides auf alle europäischen Niederlassungen in Afrika und Amerika blicken könnte.«
Am 9. April, nach dem Eintreffen d'Entrecasteaux' von Macao, der trotz Gegen-Moussons von Isle de France kam, und nachdem man von der Fregatte »La Subtile« Nachrichten aus der Heimat und eine Verstärkung von acht Matrosen nebst zwei Officieren, den Seefähnrich Guyet und den Marineaufseher Le Gobien, erhalten hatte, segelten die beiden Schiffe nach der Küste Chinas ab.
Am 21. bekam Lapérouse Formosa in Sicht und steuerte sofort in die Wasserstraße ein, welche jene Insel von dem Festlande trennt. Er entdeckte hier eine bisher noch unbekannte gefährliche Sandbank und nahm dieselbe ihrer, Form und Lage nach sorgfältig auf. Bald darauf kam er vor der Bai eines alten holländischen Forts, Zeland, vorüber, an der auch Taywan, die Hauptstadt der Insel, gelegen ist.
Da der ungünstige Mousson die Fahrt durch den Kanal von Formosa verhinderte, beschloß Lapérouse, im Osten der Insel hinzugehen. Er berichtigte [319] dabei die Position der Pescadoren-Inseln, einer Ansammlung von Felsen der verschiedensten Formen, untersuchte die kleine Insel Baeol-Tabaco-Nina, an der noch kein Seefahrer gelandet war, fuhr längs des Ufers von Kimu hin, das zum Königreich Likeu gehört und dessen Bewohner weder Chinesen noch Japanesen sind, sondern die Mitte zwischen beiden Völkern zu halten scheinen, und bekam auch die Inseln Hoa-Pinsu und Tiao-yu-su zu Gesicht, welche zu dem, nur aus den Briefen eines Jesuiten, des Pater Gabriel, bekannten Archipel von Likeu gerechnet werden.
Jetzt durchpflügte die Fregatte schon das ostchinesische Meer und steuerte auf den Eingang des Kanals zwischen China und Japan zu. Hier litt Lapérouse unter ebenso dichten Nebeln, wechselnden und heftigen Strömungen wie in der Nähe der Küste Labradors.
Der erste in seinem Wege gelegene interessante Punkt vor dem Eingang in den sogenannten Golf von Japan war die Insel Quelpaert, den Europäern bekannt durch den hier im Jahre 1635 stattgefundenen Schiffbruch Sparrow-Hawk's. Laporouse bestimmte zu nächst die Lage der Südspitze und nahm das Ufer derselben in einer Ausdehnung von zwölf Meilen mit größter Sorgfalt auf.
»Es ist kaum möglich, sagt er, eine Insel zu finden, die einen herrlicheren Anblick böte; in der Mitte derselben erhebt sich ein Pic von etwa dreitausend Toisen Höhe, den man schon in einer Entfernung von achtzehn bis zwanzig Meilen wahrnimmt und der ohne Zweifel den Wasserbehälter der Insel darstellt; der Boden senkt sich in sanftem Abhange bis zum Meere hinab, von dem aus die Hütten der Einwohner amphitheatralisch über einander zu liegen scheinen. Das Land ist bis zu bedeutender Höhe hinauf angebaut, mit Hilfe unserer Fernrohre erkannten wir die Begrenzungen der Felder, welche durch ihre starke Zerstückelung auf eine dichte Bevölkerung hinwiesen. Die verschiedenen Farben der cultivirten Strecken verliehen der Insel dabei ein noch reizvolleres Aussehen.
Die Bestimmungen der Länge und Breite konnten hier unter den günstigsten Umständen vorgenommen werden, was deshalb desto werthvoller erscheint, weil noch kein europäisches Schiff diese Gegend besucht hatte, welche auf unseren Weltkarten nur nach den von den Jesuiten veröffentlichten chinesischen und japanesischen Karten eingetragen war.«
Am 25. Mai liefen die Fregatten in die Meerenge von Korea ein, die sehr genau aufgenommen wurde und in der man jede halbe Stunde eine Tieflothung vornahm.
Da es die Umstände gestatteten, sich sehr nahe der Küste zu halten, konnte man leicht verschiedene Befestigungen wahrnehmen, die nach europäischer Art er [320] richtet waren. Am 27. entdeckte man eine Insel, welche noch auf keiner Karte verzeichnet stand und etwa zwanzig Meilen von der Küste Koreas entfernt zu hegen schien. Sie erhielt den Namen »Dapelet-Insel«. Jetzt schlug man einen Kurs nach Japan ein, dem man sich des ungünstigsten Windes wegen nur sehr langsam nähern konnte. Am 6. Juni erreichte man indeß das Cap Noto und die Insel Jootsi-Sima.
[321] »Das Cap Noto, an der Küste von Japan, sagt Laporouse, ist ein Punkt, den wir der Aufmerksamkeit der Geographen empfehlen; in Verbindung mit dem durch Kapitän King bestimmten Cap Nabo an der Ostseite ergiebt dasselbe die Breite des Reiches in seinem nördlichen Theile. Unsere Aufnahmen werden aber der Erdkunde einen noch wichtigeren Dienst leisten, denn sie lehren die Breite des tatarischen Meeres kennen, über welches ich zu segeln beschloß.«
Am 11. Juni kam Laporouse in Sicht der Küste der Tatarei; er landete genau an der Grenze zwischen Korea und der Mandschurei. Die Berge in der Nachbarschaft schienen sechs- bis siebenhundert Toisen hoch zu sein und auf ihren Gipfeln lag eine geringe Menge Schnee. Von Wohnstätten war keine Spur zu entdecken. Auf einer Küstenstrecke von vierzig Meilen begegnete die Expedition nicht einem einzigen Flusse, doch hätte man gern hier einmal Halt gemacht, um den Naturforschern und Ornithologen Gelegenheit zu geben, ihre Sammlungen zu bereichern.
»Bis zum 14. Juni verlief die Küste nach Ost ein Viertel Nord; mit 44 Grad befanden wir uns übrigens unter der Breite, wo nach Angabe der Geographen die Tessoy-Straße liegen soll, doch segelten wir um fünf Grad westlicher als die für jene Straße angegebene Länge; diese fünf Grade müssen also der Tatarei abgerechnet und dem Kanal, der dieselbe von den Inseln im Norden trennt, hinzugefügt werden.«
Seitdem die Fregatten der genannten Küste folgten, entdeckte man niemals eine Spur von Bewohntsein derselben; keine einzige Pirogue stieß vom Ufer; das Land schien trotz seines Reichthums an prächtigen Bäumen und üppiger Vegetation auch nicht einen Bewohner zu haben.
Am 23. Juni gingen die »Boussole« und die »Astrolabe« unter 45°19' nördlicher Breite und 135°9' östlicher Länge in einer Bai vor Anker.
Letztere erhielt den Namen Ternay-Bai.
»Wir brannten vor Ungeduld, schreibt Lapérouse, das Land kennen zu lernen, mit dem sich unsere Einbildungskraft seit der Abreise aus Frankreich beschäftigt hatte; es war das ja der einzige Theil der Erdkugel, der der unermüdlichen Thätigkeit des Kapitän Cook entgangen war, und wir verdanken vielleicht nur dem traurigen Ereigniß, das seinen Tagen ein Ziel setzte, den kleinen Vortheil, hier als die Ersten gelandet zu sein.
Fünf kleinere Buchten bilden den Umkreis dieser Rhede (der Ternay-Bai), die von einander durch baumbedeckte Hügel getrennt sind. Auch der schönste [322] Frühling in Frankreich vermöchte wohl nicht, einen so lebhaften und wechselvollen Farbenschmuck hervorzubringen... Vor der Absendung unserer Boote richteten wir die Fernrohre nach dem Ufer, konnten daselbst aber nichts als Hirsche und Bären wahrnehmen, welche friedlich am Strande des Meeres weideten. Dieser Anblick steigerte nur die Ungeduld meiner Leute, das Land zu betreten.... Der Erdboden selbst erschien mit den nämlichen Pflanzen bedeckt, die auch in unseren Klimaten wachsen, doch schmückte sie ein frischeres Grün und standen die meisten in voller Blüthe.
Bei jedem Schritte traf man auf Rosen, gelbe und rothe Lilien, Maiblümchen und alle unsere gewöhnlichen Wasserblumen. Fichten krönten die Gipfel der Berge; Eichen zeigten sich halbwegs von der Küste, nahmen aber an Größe und Stärke mit der Annäherung an den Strand mehr und mehr ab. Neben den Ufern der Flüsse und Bäche erhoben sich Weiden, Birken und Ahornbäume, und am Rande der ausgedehnten Wälder sah man blühende Apfel- und Azerolienbäume, nebst ganzen Dickichten von Nußbäumen, an denen sich eben die Früchte bildeten.«
Bei Gelegenheit eines zum Zwecke des Fischens unternommenen Ausfluges fanden die Franzosen auch ein tatarisches Grab. Die Neugierde spornte sie an, dasselbe zu öffnen, und sie entdeckten darin zwei nebeneinander liegende Skelette. Den Kopf derselben bedeckte ein Taffetmützchen, der Körper war in ein Bärenfell eingenäht; am Gürtel hingen verschiedene chinesische Münzen und Schmucksachen aus Kupfer. Daneben lagen auch etwa zehn silberne Armbänder, eine eiserne Axt, ein Messer und andere kleinere Gegenstände, darunter ein blaues Nankingsäckchen mit Reis.
Am 27. des Morgens verließ Lapérouse diese einsame Bai, nachdem er mehrere Münzen und eine Inschrift mit der Bezeichnung des Datums seiner Anwesenheit hinterlassen hatte.
In einiger Entfernung singen die Boote über achttausend Stockfische, die man sofort einsalzte, und brachten dabei auch eine große Menge eßbarer Muscheln mit prächtiger Perlmutterschale vom Grunde des Meeres heraus.
Nachdem er in der Suffren-Bai unter 57°51' nördlicher Breite und 137°25' östlicher Länge gerastet, entdeckte Lapérouse am 6. Juli eine Insel, welche nur Saghalien sein konnte. Die Küste derselben schien ebenso bewaldet wie die der Tatarei. Im Innern erhoben sich ansehnliche Berge, deren höchster den Namen Pic Lamanon erhielt. Da man Rauchsäulen und Hätten wahrnahm, [323] begaben sich de Langle und einige Officiere an's Land. Die Bewohner desselben waren offenbar erst vor ganz kurzer Zeit entflohen, denn die Asche auf ihren Feuerstätten war noch nicht erkaltet.
Eben als die Seefahrer sich nach Zurücklassung einiger Geschenke für die Eingebornen wieder einschiffen wollten, setzte eine Pirogue sieben Männer an's Land, welche keineswegs erschreckt schienen.
»Unter dieser Anzahl, heißt es in dem Bericht, befanden sich zwei Greise mit langem, weißem Barte, bekleidet mit einem aus Rindenstoffe hergestellten Schurz, wie sie auf Madagaskar gebräuchlich sind. Zwei von den Insulanern hatten blaue, gefütterte Nankingröcke von ganz ähnlicher Form wie die der Chinesen an. Andere trugen nur ein langes Kleid, das, mittelst eines Gürtels und mehrerer kleiner Knöpfe schließend, jede weitere Unterkleidung unnöthig machte. Ihr Kopf war fast ganz kahl und nur bei Zweien oder Dreien von einem Streifen Bärenfell umschlossen; Scheitel und Gesicht hatten sie rasirt, nur die Haare des Hinterkopfes flochten sie, aber auf andere Weise als die Chinesen, in einen acht bis zwölf Zoll langen, ›Pentsec‹ genannten Zopf zusammen. Alle trugen Stiefel von Seehundsfell mit zierlichen, nach chinesischer Mode gearbeiteten Füßen.
Ihre Waffen bestanden aus Lanzen, Bogen und eisenbeschlagenen Pfeilen. Der letzte der Insulaner, dem die Uebrigen mit allen Zeichen der Ehrerbietung begegneten, litt scheinbar schwer an den Augen. Seine Stirn bedeckte eine Art Lichtschirm zum Abhalten der grellen Sonnenstrahlen. Diese Wilden zeichneten sich durch ein ernstes, würdevolles und zutrauliches Auftreten vortheilhaft aus.«
De Langle lud sie zum folgenden Tage zu einem Zusammentreffen ein. Lapérouse und die meisten Officiere wollten dabei erscheinen. Von den Tataren erhielt man bei dieser Gelegenheit sehr wichtige Nachrichten, welche Lapérouse bestimmten, seine Fahrt weiter nach Norden auszudehnen.
»Es gelang uns, ihnen verständlich zu machen, sagt er, daß sie uns die Gestalt ihres Landes und dessen der Mandschuh beschreiben möchten. Einer der Greise erhob sich und zeichnete mit dem Ende seiner Pfeife nach Westen hin die Küste der Tatarei, welche ziemlich genau von Norden nach Süden verlief. Nach der Ostküste zu, jener gerade gegenüber, entwarf er die Grenzen seiner Insel und gab durch Auflegen mit der Hand auf die Brust zu verstehen, daß das sein Land sei. Zwischen der Tatarei und seiner Insel hatte er eine Meerenge freigelassen und deutete, auf die vom Ufer aus sichtbaren Schiffe zeigend, [324] darauf hin, daß man durch dieselbe segeln könne. Südlich von seiner Insel zeichnete er auch noch eine andere, wiederum mit einer engen und seiner Meinung nach für unsere Fahrzeuge schiffbaren Wasserstraße.
Er bewies zwar einen großen Scharfsinn, uns zu verstehen, doch immer noch weniger als ein anderer, etwa dreißigjähriger Insulaner, der, als er sah, daß die Figuren im Sande sich leicht verwischten, einen Bleistift und Papier zur Hand nahm. Er zeichnete darauf seine Insel, die er Thola nannte, und deutete auch durch einen Strich den kleinen Fluß an, an dessen Ufer wir uns befanden, und den er, von Norden nach Süden gerechnet, an die obere Grenze des unteren Drittels verlegte.
Dann entwarf er ein Bild der Mandschurei, ließ dabei ebenso wie der Greis eine Meerenge frei und fügte zu unserem Erstaunen auch den Fluß Saghalien hinzu, dessen Namen die Insulaner fast genau so wie wir aussprachen; die Mündung dieses Flusses verlegte er ein wenig südlicher von der Nordspitze seiner Insel...
Wir wünschten nun weiter zu erfahren, ob jene Meerenge ziemlich breit sei, und bemühten uns, ihm das zu erkennen zu geben; er begriff uns, und indem er beide Hände perpendiculär und parallel zwei bis drei Zoll weit nebeneinander hielt, gab er uns zu verstehen, daß er damit die Breite des kleinen Flusses bezeichne; weiter auseinanderweichend wollte er damit die Breite des Saghalien andeuten; und als er sie denn ganz weit von einander entfernte, sollte das den Durchmesser der Meerenge darstellen, die sein Land von der Tatarei schied...
De Langle und wir hielten es für wichtig genug, uns zu überzeugen, ob die Insel, neben welcher wir hinfuhren, dieselbe sei, welche die Geographen Saghalien nannten, ohne noch deren Ausdehnung nach Süden zu muthmaßen. Ich gab also Befehl, Alles bereit zu machen, um am nächsten Morgen absegeln zu können. Die uns als Ankerplatz dienende Bai erhielt den Namen ›Langle-Bai‹, zu Ehren des Kapitäns, der sie entdeckte und hier zuerst den Fuß an's Land setzte.«
In einer anderen Bucht derselben Küste, welche man Estang-Bai taufte, landeten unsere Boote in der Nähe von einem Dutzend Hütten. Diese waren größer als alle bisher gesehenen und auch in zwei Räume getheilt. Der hintere derselben enthielt den Herd und eine rund umlaufende Bank; die andere war vollständig leer und diente wahrscheinlich dazu, Fremde zu empfangen. Die [325] Frauen hatten sich beim Erblicken der Franzosen geflüchtet. Zwei derselben wurden jedoch erhascht und, während man sich Mühe gab, sie zu beruhigen, sorgsam abgezeichnet. Ihr ungewöhnlicher Gesichtsausdruck erschien doch nicht unangenehm; ihre Augen waren klein, die Lippen dick und die Oberlippe gemalt oder tätowirt.
Langle fand die männlichen Bewohner versammelt um vier, mit geräuchertem Fisch beladene Barken, die sie in's Wasser schaffen halfen. Es waren Mandschus von den Ufern des Saghalienflusses. An einer versteckten Insel gewahrte man auch einen von fünfzehn bis zwanzig, je mit einem Bärenkopfe geschmückten Pfählen umschlossenen Kreis. Man nahm früheren Erfahrungen nach mit gutem Grunde an, daß diese Trophäen bestimmt seien, die Erinnerung an einen siegreichen Kampf mit jenen Raubthieren wachzuhalten.
An dieser Küste fischte man eine große Menge Kabeljau und in der Mündung eines Flusses ungemein viel Lachse.
Nach Besichtigung der La Jonquière-Bai, warf Lapérouse in der Castries-Bucht wieder Anker. Sein Wasservorrath ging zu Ende und Holz besaß er fast gar nicht mehr. Je weiter er in den Kanal zwischen Saghalien und dem Festlande vordrang, desto seichter wurde dieser. In der Ueberzeugung, daß er die Nordspitze letztgenannter Insel nicht werde umsegeln und nur durch die, weit südlicher gelegene Sanghar-Straße wieder auf freies Wasser gelangen könne, beschloß Lapérouse in der Castries-Bai nur fünf Tage, das heißt die unbedingt nothwendige Zeit zur Vervollständigung seiner Provisionen zu verweilen.
Er errichtete also auf einer kleinen Insel ein Observatorium, während die Zimmerleute Holz fällten und die Matrosen die Wasserfässer besorgten.
»Jede Hütte der Insulaner, welche sich selbst Orotchys nennen, heißt es im Bericht, war mit einer Einrichtung zum Trocknen der Lachse versehen, die nach drei- bis viertägiger Räucherung über dem Herde der Wohnung hier auf einem Gestelle von Ruthen den Strahlen der Sonne ausgesetzt blieben; die mit dieser Operation betrauten Frauen tragen die Fische, wenn der Rauch sie durchdrungen, in's Freie, wo dieselben die Härte des Holzes annehmen.
In demselben Flusse wie wir fischten auch jene mit Netzen und kleinen Wurfspießen, und wir sahen sie mit widerlicher Gier die Schnauzen, Kiemen, kleinen Knochen und nicht selten die ganze Haut des Lachses, die sie mit großer Gewandtheit abzuziehen verstehen, gleich roh verschlingen, wenigstens saugten sie den Schleim von diesen Theilen ab, wie wir etwa eine Auster genießen. Die [326] meisten Fische gelangten nur abgehäutet nach den Wohnungen, außer wenn der Fang sehr reichlich ausfiel; dann verzehrten die Frauen mit nicht geringerer Begierde und in wahrhaft widerlicher Weise die schleimigen Theile der Fische, welche sie für die größten Leckerbissen ansehen.
Dieses Volk ist abscheulich unreinlich und riecht entsetzlich; daneben sind die Leute von sehr schwächlicher Constitution und ihr Gesichtsausdruck möglichst weit von dem entfernt, was wir unter schön verstehen. Ihre mittlere Größe erreicht kaum vier Fuß zehn Zoll; ihr Körper ist hager, die Stimme schwach und scharf, wie eine Kinderstimme. Sie haben hervorspringende Backenknochen, kleine, triefende und schief geschlitzte Augen; einen breiten Mund, abgeplattete Nase, ein kurzes, fast bartloses Kinn und olivenfarbige, von Oel und Rauch scheinbar gefirnißte Haut. Die Haare lassen sie wachsen und tragen sie etwa wie wir. Die Frauen lieben es, sie auf die Schultern herabfallen zu lassen, und die im Obigen gegebene Schilderung paßt ebenso gut auf diese wie auf die Männer, von denen man sie nur schwer unterscheiden könnte, wenn nicht eine kleine Abweichung in der Kleidung das Geschlecht verriethe. Uebrigens sind diese keinerlei schwerer Arbeit, so wie die Indianerweiber Amerikas, unterworfen, welche ihre Züge hätte entstellen können, wenn die Natur sie nur ein wenig freigebiger ausgestattet hätte.
Ihre Hauptbeschäftigung besteht nur in dem Zuschneiden und Nähen der Kleidung, der Beförderung der Fische zum Trocknen und der Sorge für die Kinder, welche sie bis zum Alter von drei bis vier Jahren säugen. Ich erstaunte nicht wenig, als ich einen Knaben von diesem Alter sah, der erst einen Bogen spannte, mit einem Pfeile recht gut schoß, einen Hund mit dem Stocke strafte und dann an die Brust seiner Mutter eilte, um daselbst die Stelle eines Kindes von fünf bis sechs Monaten einzunehmen, das auf den Knieen derselben eingeschlafen war.«
Lapérouse erhielt von den Bitchys und den Orotchys ganz ähnliche Nachrichten wie die früheren. Aus denselben ging hervor, daß das Nordende von Saghalien mit dem Festlande nur durch eine Art Sandbank zusammenhänge, auf der Strandpflanzen wuchsen, und Wasser kaum angetroffen werde. Diese übereinstimmenden Angaben mußten ihm jeden Zweifel über deren Richtigkeit benehmen, zumal da er schon jetzt in dem Kanal kaum noch sechs Faden Wasser vorfand. Er hatte also nur noch die eine Aufgabe, die Südspitze von Saghalien genau aufzunehmen, die er nur bis zur de Langle-Bai unter 47°49' kannte.
[327] Am 2. August verließen die ›Boussole‹ und die ›Astrolabe‹ die Castries-Bai, steuerten nach Süden, entdeckten nach einander die Insel Monneron, den Pic de Langle, umschifften die Südspitze Saghaliens, die man als Cap Coillon bezeichnet, und fuhren in die Meerenge zwischen Oku-Jesso, das ist die Laporouse-Straße, ein. Hier verweilte man an einem der geographisch wichtigsten Punkte, welche die Schifffahrer jener Zeit ihren Nachfolgern zu bestimmen übrig gelassen hatten. Bisher lauteten die Mittheilungen über diese Gegend fast ganz beliebig, für Sanson z.B. bildete Korea eine Insel, während Jesso, Oku-Jesso und Kamtschatka gar nicht existiren; bei G. Delisle heißen Jesso und Oku-Jesso nur eine einzige Insel in der Meerenge von Sanghar; Buache in seinen geographischen Betrachtungen sagt endlich: »Nachdem Jesso erst nach Osten, dann nach Süden, hierauf nach Westen, und endlich nach Norden verlegt worden war...«
Hier herrscht, wie man sieht, ein offenbares Chaos, dem die Arbeiten der französischen Expedition ein Ende machen sollten.
Am Cap Coillon trat Laporouse in einige Beziehungen zu den Ureinwohnern, welche er für weit schönere und gewerbthätigere, aber für minder gutmüthige Menschen erklärt als die Orotchys der Castries-Bai.
»Sie haben, sagt er, einen sehr wichtigen, in dem Kanal der Tatarei unbekannten Handelsgegenstand, dessen Austausche sie alle ihre Schätze verdanken, das ist der Walfischthran, von dem sie ungeheuere Mengen erzeugen. Dabei verfahren sie freilich wenig sparsam; ihre Methode besteht einfach darin, das Fleisch der Wale in Stücke zu schneiden und in freier Luft an abhängigen Stellen unter den Strahlen der Sonne verfaulen zu lassen. Das dabei herabfließende Oel, der Thran, wird in Gefäßen aus Baumrinde oder in Schläuchen aus Seewolfshaut aufgefangen.«
An dem Cap Aniva der Holländer vorbei, segelten die Fregatten längs der Besitzungen der Compagnie, einem dürren, baumlosen Lande ohne Einwohner, und bekamen die Kurilen in Sicht. Dann passirten sie zwischen den Inseln Marikan und der Vier Brüder hindurch und gaben dieser Wasserstraße, der schönsten zwischen den Kurilen, den Namen des Kanals der »Boudeuse«.
Am 3. September erblickte man das Gestade von Kamtschatka, eine trostlose Gegend, wo das Auge nur ungern und fast mit Entsetzen auf den gewaltigen Felsmassen ruht, welche der Schnee schon Anfangs September bedeckte, und die wohl noch nie eine blühende Vegetation gesehen haben. Drei Tage später gelangte man nach der Bai von Avatscha oder St. Peter und Paul.
[328] Die Astronomen begannen sofort ihre Beobachtungen und die Naturforscher erklommen unter großen Beschwerden und Gefahren einen gegen acht Meilen im Innern gelegenen Vulkan, während die, mit Arbeiten an Bord nicht beschäftigte Mannschaft der Jagd oder dem Fischfang nachging. Der Freundlichkeit des Gouverneurs verdankte man auch mannigfache Vergnügungen.
»Er lud uns, sagt Lapérouse, zu einem Balle ein, den er zu Ehren unserer Anwesenheit allen Frauen, sowohl den Kamtschadalinnen als den Russinnen [329] von St. Peter und Paul, geben wollte. Was der dabei versammelten Gesellschaft an Zahl abging, das ersetzte doch deren Originalität. Dreizehn in Seide gekleidete Frauen, darunter zehn Kamtschadalinnen mit großen Gesichtern, kleinen Augen und platten Nasen saßen auf den Bänken rings um den Festraum. Die Kamtschadalinnen, ebenso wie die Russinnen trugen seidene Taschentücher um den Kopf, etwa wie die Mulattenweiber der französischen Kolonie... Man eröffnete den Reigen mit russischen Tänzen von ansprechender Melodie, sie ähnelten dem allgemein bekannten Kosakentanze. Darauf folgten kamtschadalische Tänze, welche freilich nur mit denen der Verzückten an dem berühmten Grabe des heiligen Medard zu vergleichen sind. Die Tänzer dieses Theils von Asien gebrauchen nur die Arme und die Schultern, die Beine selbst fast gar nicht. Durch ihre anstrengenden, fast krampfhaften Bewegungen erregen die kamtschadalischen Tänzerinnen bei dem Zuschauer eine wirklich peinliche Empfindung; dazu tragen noch mehr die Schmerzensschreie derselben bei, mit denen sie, als einzige Musik, ihre Bewegungen begleiten. Sie erschöpfen sich übrigens damit so sehr, daß sie von Schweiß triefen und auf die Erde niedersinken, ohne sich mehr erheben zu können. Die reichlichen Ausdünstungen ihrer Körper erfüllten den Raum mit einem starken Geruch nach Fischthran, an den europäische Nasen doch zu wenig gewöhnt sind, um daran Gefallen zu finden.«
Der Ball erlitt eine Unterbrechung durch die Ankunft eines Couriers aus Okotsch. Die von ihm mitgebrachten Nachrichten lauteten für Alle günstig, vorzüglich aber für Laporouse, der seine Ernennung zum Geschwaderchef erhielt.
Während ihres hiesigen Aufenthaltes fanden die Seefahrer das Grab Louis Delisle de la Croyère's wieder, eines Mitgliedes der Akademie, der auf der Rückkehr von einer, auf Befehl des Czaren unternommenen Expedition zur Aufnahme der Küsten Amerikas im Jahre 1741 in Kamtschatka verstarb. Seine Landsleute schmückten das Grab mit einer Kupferplatte mit Inschrift und erwiesen dieselbe Ehre auch dem Kapitän Clerke, dem zweiten Officier und Nachfolger Cook's.
»Die Bai von Avatscha, sagt Laporouse, ist ohne Zweifel die schönste, bequemste und sicherste, die man nur irgendwo finden kann. Bei dem nur schmalen Eingange derselben müßten alle Schiffe unter den Kanonen eines hier zu errichtenden Forts vorüber passiren; der Ankergrund ist vortrefflich, nur etwas schlammig; zwei geräumige Häfen, der eine im Osten, der andere im Westen, könnten wohl bequem alle Schiffe der Flotten Englands und Frankreichs aufnehmen.«
[330] Am 27. September 1787 gingen die »Boussole« und die »Astrolabe« wieder unter Segel. De Lesseps, der russische Viceconsul, der Lapérouse bisher begleitete, sollte über Land nach Frankreich reisen – eine lange und jener Zeit nicht gefahrlose Fahrt – um dem Hofe Nachrichten von der Expedition zu überbringen.
Jetzt strebte man danach, ein von den Spaniern im Jahre 1620 entdecktes Land wiederzufinden. Die bei den Fregatten durchkreuzten unter 37°40' einen Raum von nahezu dreihundert Meilen, ohne eine Spur desselben wahrzunehmen, passirten zum dritten Male die Linie, kamen unter der von Byron bezeichneten Position an den Inseln der Gefahr vorüber, ohne etwas von denselben zu sehen, und erreichten am 6. October den Archipel der Schifferinseln, den Bougainville einst entdeckt hatte.
Sofort umschwärmten mehrere Piroguen die beiden Schiffe. Die an Bord kommenden Eingebornen konnten Lapérouse keine hohe Vorstellung von der Schönheit dieser Insulaner erzeugen.
»Ich sah nur zwei Frauen, sagt er, deren Schönheit nicht besonders anziehend war. Die jüngere, welche man etwa achtzehn Jahre alt schätzte, hatte auf dem Bein ein ekelhaftes Geschwür. Auch viele der Männer zeigten beträchtliche wunde Stellen am Körper, wohl der Anfang der Lepra, denn ich bemerkte unter ihnen zwei Individuen, deren mit Geschwüren bedeckte und eben so dicke Beine wie der Körper selbst, an dem Charakter ihres Leidens keinen Zweifel aufkommen ließen. Sie kamen uns furchtsam und unbewaffnet entgegen, und Alles ließ erkennen, daß sie ebenso friedlicher Natur sind wie etwa die Bewohner der Gesellschafts-Inseln oder der Inseln der Freunde.«
Am 9. November ging man vor der Insel Maouna vor Anker. Der nächstfolgende Sonnenaufgang versprach einen schönen Tag. Lapérouse beschloß, denselben zu einem Besuche des Landes und zum Fassen von Wasser zu benutzen, dann aber sofort wieder abzusegeln, da der Ankergrund zu schlecht war, um hier noch eine zweite Nacht zu verweilen. Nach Anordnung aller nöthigen Vorsichtsmaßregeln betrat Lapérouse das Land an derselben Stelle, wo die Matrosen Wasser holten. Kapitän de Langle begab sich nach einer kleinen, ungefähr eine Meile von dem Wasserplatz entfernten Bucht, und »dieser Spaziergang, von dem er entzückt von der Schönheit der Gegend zurückkehrte, sollte, wie man bald sehen wird, für uns die Quelle des größten Unglücks werden«.
Am Lande entwickelte sich ein ziemlich reger Handel. Männer und Frauen brachten allerhand Gegenstände, Hühner, Sittige, Schweine und Früchte zum[331] Verkauf. Inzwischen hatte sich ein Eingeborner in eine Schaluppe geschlichen, einen hölzernen Schlägel erwischt und schlug damit ohne Grund auf einen in dem Boote sitzenden Matrosen los. Da packten ihn aber vier kräftige Jungen und warfen den Uebelthäter einfach in's Wasser.
Lapérouse begab sich, begleitet von Frauen, Kindern und Greisen, in das Innere und machte einen köstlichen Spaziergang durch eine herrliche Landschaft, welche den doppelten Vorzug der Fruchtbarkeit ohne Bodencultur und eines Klimas bot, das jede Kleidung unnöthig erscheinen ließ.
»Brotbäume, Cocospalmen, Bananen, Goyaven und Orangen lieferten dem Volke eine gesunde und reichliche Nahrung; Hühner, Schweine und Hunde, die sich von dem Ueberfluß an Früchten nährten, verliehen den gewöhnlichen Gerichten eine angenehme Abwechslung.«
Dieser erste Besuch verlief ohne ernsthaftere Streitigkeiten, wenn auch einzelne Zänkereien vorkamen, welche jedoch, Dank der klugen Zurückhaltung der vorsichtigen Franzosen, beschränkt und ohne schwerere Folgen blieben. Lapérouse hatte schon Alles zur Abfahrt angeordnet; de Langle bestand aber darauf, noch einige Boote auszusenden, um mehr Wasser zu holen.
»Er bekannte sich nämlich zu dem System Cook's und glaubte, wie dieser, daß frisches Wasser hundertmal dem vorzuziehen sei, das wir noch im Raume vorräthig hatten, und da nun einige seiner Leute Spuren von Scorbut zeigten, lag ihm gewiß mit Recht Alles daran, den Kranken jede mögliche Erleichterung zu verschaffen.«
Ein gewisses Vorgefühl hielt Lapérouse zuerst davon ab, seine Zustimmung zu geben; doch widersprach er zuletzt nicht mehr de Langle's dringenden Vorstellungen, der ihm nicht undeutlich zu verstehen gab, daß er als Commandant zuletzt doch für die Fort schritte jener Krankheit verantwortlich gemacht werden würde, daß der Landungsplatz, den er zu benutzen gedenke, sehr bequem und sicher sei und daß er (de Langle) sich selbst der Leitung der kleinen Expedition unterziehen werde, welche höchstens bis drei Uhr Nachmittags dauern könne.
»De Langle, heißt es in dem Bericht, war ein Mann von klarem Urtheil und hervorragenden Fähigkeiten, so daß seine Vorstellungen mehr als jedes Motiv mich bestimmten, ihm nachzugeben...
Am folgenden Morgen verließen also zwei Boote unter dem Befehl Boutin's und Mouton's mit allen Scorbutischen nebst sechs bewaffneten Soldaten und einem Rüstmeister die ›Astrolabe‹, um sich de Langle anzuschließen. De Lamanon, [332] Colinet, Beide selbst erkrankt, und Vaujuas als Reconvalescent begleiteten de Langle in seinem großen Boote. Le Gobien befehligte die Schaluppe. De la Martinière, Lavaux und ein Pater gehörten zu den dreiunddreißig, von der ›Boussole‹ entsendeten Personen. Alles in Allem betrug die Gesellschaft einundsechzig Mann, darunter die Elite der Expedition.
De Langle versah Alle mit Gewehren und brachte auch sechs Steinmörser in die Schaluppe. Man kann sich wohl das Erstaunen de Langle's und seiner Begleiter denken, als sie statt der geräumigen und bequemen Bucht einen von Korallen erfüllten Wassertümpel fanden, nach dem man nur durch einen gewundenen, engen Kanal mit schwerer Brandung gelangen konnte. De Langle hatte diese Bucht früher während der Fluth besucht, jetzt war auch sein erster Gedanke, lieber nach dem ersten benutzten Wasserplatze zu rudern.
Als ihn aber die Eingebornen, unter denen er viele Frauen und Kinder bemerkte, durch Zeichen gerade hierher einluden, und diese Stelle auch überreich an Früchten und Schweinen, die jene zum Verkaufe boten, zu sein schien, setzte er vertrauungsvoll die sonst stets bewahrte Klugheit aus den Augen.
Er ließ die Wasserfässer der vier Boote an's Land schaffen, was ohne Störung vor sich ging; am Ufer selbst hielten die Soldaten gute Ordnung; sie bildeten Spalier, so daß die Träger bequem hin und her gehen konnten. Die Ruhe sollte indeß nicht lange währen; mehrere Piroguen waren nach Verkauf ihrer Producte an unser Schiff zurückgekehrt und an derselben Stelle gelandet, so daß sich die jetzt beschränkte Bucht allmählich anfüllte; statt der zweihundert Bewohner, inclusive Frauen und Kinder, die de Langle anfänglich hier getroffen, sammelten sich bis gegen drei Uhr wenigstens tausendzweihundert an.
De Langle's Lage wurde von Minute zu Minute kritischer; mit Unterstützung de Baujuas', Boutin's, Collinet's und Gobien's gelang es ihm zwar, das Wasser in die Boote zu schaffen; die Bai selbst lag jetzt aber nahezu trocken, und er konnte vor vier Uhr gar nicht darauf rechnen, sein Boot abstoßen zu lassen; er bestieg jedoch seine Schaluppe und ließ auch die Anderen Platz nehmen, während er selbst ganz vorn mit der Flinte in der Hand stehen blieb, jedem Anderen aber untersagte, ohne seinen Befehl Feuer zu geben.
Sehr bald überzeugte er sich jedoch, daß er dazu gezwungen sein werde. Von verschiedenen Seiten flogen Steine auf ihn zu, und die Indianer, denen das Wasser nur bis an die Kniee reichte, umringten die Boote in kaum einer Toise Entfernung, ohne daß es den Soldaten gelang, sie weiter zurückzutreiben.
[333] Hätte de Langle nicht die Furcht, zu Feindseligkeiten Veranlassung zu geben und der Barbarei beschuldigt zu werden, abgehalten, so wäre es ihm gewiß möglich gewesen, mittelst einer Salve aus den Flinten und den Steinmörsern die Menge zu verjagen, er schmeichelte sich jedoch noch immer, dieselbe ohne Blutvergießen im Zaume halten zu können und wurde dadurch das Opfer seiner Humanität.
Bald traf ein Hagel von, aus ganz geringer Entfernung geschleuderten Steinen alle Insassen der Schaluppe. De Langle gewann kaum Zeit, zwei Gewehrschüsse abzugeben, da stürzte er leider schon über Backbord aus der Schaluppe mitten unter eine Menge Indianer, die ihn sofort mit Keulenschlägen und Steinen tödteten. Als er todt war, erfrechten sie sich sogar, ihn an einen Rudernagel der Schaluppe zu hängen, wahrscheinlich um ihn später besser ausrauben zu können.
Die Schaluppe der ›Boussole‹, unter dem Commando von Boutin, war etwa zwei Toisen von der ›Astrolabe‹ gestrandet; in dem engen Raume zwischen beiden befanden sich keine Indianer. Dadurch vermochten sich alle diejenigen Verwundeten zu retten, welche das Glück hatten, nicht nach den anderen Seiten hinauszufallen; sie erreichten unsere Pinassen, welche glücklicher Weise flott geblieben waren, und denen es gelang, neunundvierzig von den einundsechzig Leuten der Expediton in Sicherheit zu bringen.
Boutin hatte nämlich alle Bewegungen und Richtungen nachgeahmt, welche de Langle einschlug; er wagte auch selbst nicht eher Feuer zu geben, als bis er den Befehl dazu von dem Commandanten erhalten hatte. Begreiflicher Weise kostete bei der geringen Entfernung von vier bis fünf Schritt jeder Schuß einem Indianer das Leben, doch gewann man nicht die Zeit, noch einmal zu laden. Auch Boutin wurde von einem Stein getroffen, fiel aber wenigstens zwischen die beiden Boote hinein; Alle, welche sich nach den Pinassen hin gerettet hatten, bluteten übrigens jeder aus mehreren Wunden, meist am Kopfe. Diejenigen aber, welche das Unglück hatten, nach der Seite der Indianer hinauszustürzen, wurden sofort mit Keuleinschlägen ermordet.
Man verdankt nur der Klugheit de Vaujuas', der guten Ordnung, welche er herstellte, und der pünktlichen Ausführung seiner Befehle seitens Mouton's, der die Pinasse der ›Boussole‹ führte, die Rettung von neunundvierzig Köpfen der Expedition. Die Pinasse der ›Astrolabe‹ war so beladen, daß auch sie noch einmal auf Grund gerieth. Das ermunterte die Indianer, den Rückzug der [334] Verwundeten zu beunruhigen; sie begaben sich in großer Anzahl nach den Klippen am Eingang, wo die Pinassen in einer Entfernung von zehn Fuß vorüberkommen mußten, so daß man sich genöthigt sah, den Rest der Munition gegen die Rasenden zu verfeuern, um den Durchgang zu erzwingen.«
Laporouse empfand anfangs das sehr natürliche Verlangen, den Tod seiner unglücklichen Gefährten zu rächen. Boutin aber, der zwar seiner Wunden wegen im Bett liegen mußte, doch immer bei klaren Gedanken blieb, redete es ihm aus, indem er dem Commandanten zu bedenken gab, wie die Formation der Bai eine solche sei, daß, im Falle der Strandung eines Bootes, kein Franzose aus derselben werde entkommen können, wenn die Eingebornen es ernstlich wollten. Zwei Tage lang mußte Laporouse vor dem Schauplatz dieses traurigen Ereignisses kreuzen, ohne daß es ihm möglich gewesen wäre, das Verlangen seiner Leute nach Rache zu befriedigen.
»Es dürfte gewiß unglaublich erscheinen, sagt Lapérouse, daß während dieser Zeit fünf oder sechs Piroguen von der Küste mit Schweinen, Tauben und Cocosnüssen zu uns herankamen, um Tauschgeschäfte zu treiben; ich mußte allemal meinen Zorn mühsam unterdrücken, um nicht den Befehl zu geben, die Wilden zu erschießen.«
Man sieht leicht ein, daß ein Ereigniß, das den beiden Schiffen einen Theil ihrer Officiere, viele der besten Matrosen und zwei Schaluppen kostete, auf Laporouse's Pläne nicht ohne Einfluß bleiben konnte, denn jeder weitere kleine Unfall hätte ihn genöthigt, eine der Fregatten zu verbrennen, um nur die andere bemannen zu können. Er sah sich also genöthigt, direct nach Botany-Bai zu segeln, wobei er unterwegs die verschiedenen Inseln in Augenschein nahm und deren Lage astronomisch bestimmte.
Am 14. December erblickte man die Insel Oyolava, welche zu derselben Gruppe gehört und die Bougainville aus großer Entfernung gesehen hatte. An Schönheit, Ausdehnung, Fruchtbarkeit und Dichtigkeit der Bevölkerung kann sich Tahiti nicht mit derselben messen. Nach allen Seiten denen von Maouna ähnlich, umringten die Einwohner von Oyolava sehr bald die beiden Fregatten und boten den Seefahrern die vielfältigen Erzeugnisse ihrer Insel an. Allem Anscheine nach waren die Franzosen die Ersten, die Tauschhandel trieben mit diesen Stämmen, welche vom Eisen noch keinerlei Kenntniß hatten, denn sie zogen eine einzige werthlose Glasperle einer Axt oder einem sechs Zoll langen Nagel beiweitem vor.
Von den Frauen zeigten einige eine gar nicht unangenehme [335] Physiognomie und schlanken Wuchs; auch in ihren Blicken und Gesten verrieth sich eine gewisse Milde, während das Aussehen der Männer mehr auf Hinterlist und Wildheit schließen ließ.
Die Insel Pola, an der die Expedition am 17. December vorüberkam, gehört ebenfalls noch zu den Schifferinseln. Anscheinend war die Nachricht von der Ermordung der Franzosen schon hierher gedrungen, denn es wagte sich keine Pirogue vom Ufer in die Nähe der Schiffe. Am 20. December sah man die Cocos- und Schouten's Verräther-Inseln. Die letztere trennt ein Kanal in zwei [336] Hälften, dessen Vorhandensein auch jetzt Niemand bemerkt hätte, wenn die Fahrzeuge nicht sehr nahe an der Insel gesegelt wären. Einige zwanzig Piroguen brachten nach den Schiffen die schönsten Cocosnüsse, die Lapérouse jemals gesehen hatte, außerdem einige Bananen, Yamswurzeln und ein einziges kleines Schwein.
Die Cocos- und Verräther-Inseln, um 1°13' zu weit nach Westen verlegt und von ihm als Boscaven und Keppel bezeichnet, können gleichfalls dem Schifferarchipel zugerechnet werden. Lapérouse hält die Bewohner dieses Archipels für die schönste Race Polynesiens. Groß, stark und wohlgebaut, übertreffen sie an [337] Schönheit des Typus offenbar die der Gesellschafts-Inseln, deren Sprache der ihrigen doch ziemlich nahe zu stehen scheint. Unter anderen Verhältnissen wäre der Commandant gewiß an den Inseln Oyolava und Pola an's Land gegangen; die Aufregung unter seinen Leuten war aber noch zu groß, die Erinnerung an die Ereignisse auf Maouna zu frisch, als daß er nicht einen, unter dem nichtigsten Vorwande gesuchten blutigen Streit zu fürchten gehabt hätte, der gewiß zur grausamen Niedermetzlung der Wilden ausgeartet wäre.
»Jede uns zu Gesicht kommende Insel, sagt er, rief uns einen Zug von Verrätherei der Eingebornen in's Gedächtniß; an der Recreations-Insel waren die Leute Roggeween's mit Steinwürfen angegriffen worden, nicht weniger die Leute Schouten's an der vor unseren Augen liegenden Verräther-Insel, im Süden von Maouna, wo uns selbst ein ähnliches Schicksal traf.
Diese Erfahrungen veranlaßten uns zu einem veränderten Auftreten gegenüber den Wilden. Wir unterdrückten und bestraften nun alle ihre kleinen Diebstähle und Ausschreitungen mit Gewalt, bewiesen ihnen durch die Wirkung unserer Waffen, daß auch die Flucht nicht vor unserer Rache schützen könne, versagten ihnen die Erlaubniß, an Bord zu kommen, und bedrohten Alle mit dem Tode, die es wagen würden, gegen unsere Vorschriften zu handeln.«
Man erkennt an der Strenge dieser Maßnahmen, daß Lapérouse sehr recht daran that, jeden unnöthigen Verkehr seiner Mannschaft mit den Indianern zu verhindern. Die Gereiztheit, welche sie verrathen, wird wohl Niemand wundernehmen; dagegen verdienten die Klugheit und Menschlichkeit des Befehlshabers gewiß alle Anerkennung, der es sich versagte, an Unschuldigen Rache zu nehmen.
Von den Schiffer-Inseln steuerte man nun nach den Inseln der Freunde, welche Cook nicht vollständig zu untersuchen vermochte. Am 27. December entdeckte man die Insel Vavao, eine der größten der Gruppe, die der englische Seefahrer zu besuchen keine Gelegenheit hatte. Im Ganzen Tonga-Tabu nicht unähnlich, sie ist doch höher als jene und entbehrt auch nicht des Trinkwassers. Lapérouse erforschte mehrere Inseln dieses Archipels und trat auch in einige Beziehungen zu den Eingebornen, die ihm Lebensmittel, aber nicht in zureichender Menge zuführten, um den Verbrauch zu ersetzen. So beschloß er dann am 1. Januar 1788 nach Botany-Bai zu gehen, wobei er einen noch von keinem Seefahrer gewählten Weg einschlug.
Die von Tasman entdeckte Insel Pilstaart oder vielmehr der Felsen dieses Namens, denn dessen größte Länge übersteigt nicht eine Viertelmeile, bietet nur[338] eine unzugängliche, steile Küste und kann höchstens den Seevögeln als Zufluchtsort dienen. Deshalb wollte auch Lapérouse, der keine Ursache hatte, hier zu verweilen, baldmöglichst nach Neu-Holland steuern; es giebt jedoch einen Factor, mit dem man damals wie heute rechnen mußte, den Wind, und dieser hielt durch seine ungünstige Richtung Lapérouse drei volle Tage lang vor Pilstaart fest.
Am 13. Januar kamen die Insel Norfolk und die beiden zugehörigen Eilande in Sicht. Als der Commandant eine Meile vom Lande den Anker fallen ließ, beabsichtigte er nur, den Boden und die Erzeugnisse der Insel von den Naturforschern untersuchen zu lassen. Am Ufer brandeten aber die Wellen so unruhig, daß sie jede Landung vereitelten, so daß es auch Cook nur unter den größten Schwierigkeiten gelungen war, das Land zu betreten.
Unter vergeblichen Versuchen verstrich ein ganzer Tag, ohne wissenschaftliche Ergebnisse zu liefern. Am folgenden Tage ging Lapérouse unter Segel. Gerade als die Fregatten in das Fahrwasser von Botany-Bai einliefen, bemerkte man eine englische Flottille. Es war die des Commodore Phillip, welche eben den Grundstein zu Bord Jackson gelegt hatte, dem Embryo jener mächtigen Kolonie, deren ausgedehnte Provinzen heute, nach kaum einem Jahrhundert, sich aller Segnungen der Civilisation und rüstigen Fortschreitens erfreuen.
Hiermit schließt Lapérouse's Journal. Man weiß aus einem, von Botany-Bai unter dem 5. Februar an den Marine-Minister gerichteten Briefe, daß er hier zwei Schaluppen zum Ersatz der bei Maouna zerstörten erbauen ließ. Alle Verwundeten, und vorzüglich Lavaux, der erste Chirurg der »Astrolabe«, der trepanirt worden war, hatten ihre Gesundheit wieder erlangt. De Clouart führte jetzt das Commando auf der »Astrolabe«, während de Monti ihn auf der »Boussole« ersetzte.
Ein zwei Tage später geschriebener Brief theilt einiges Nähere über den Weg mit, den der Befehlshaber einschlagen wollte. Lapérouse sagt darin:
»Ich werde mich nach den Inseln der Freunde begeben und Alles thun, was mir meine Vorschriften bezüglich des südlichen Theiles von Neu-Caledonien, Mendana's Insel Santa-Cruz, der Südküste des Landes der Arsaciden Surville's und des Louisiaden-Landes Bougainville's zur Pflicht machen, und hoffe darüber Aufklärung zu erlangen, ob die letztere einen Theil Guineas bildet oder davon getrennt ist. Gegen Ende Juli 1788 denke ich zwischen Neu-Guinea und Neu-Holland, und zwar durch einen anderen Kanal als Endeavour zu segeln, wenn ein solcher noch vorhanden ist. Während des Monats September und eines [339] Theiles des Octobers will ich den Carpentaria-Golf und die ganze Westküste Neu-Hollands bis zum Van-Diemens-Land besuchen, doch in der Weise, daß ich zeitig genug nach Norden gelange, um mit Anfang December 1788 bei Isle de France einzutreffen.«
Laporouse verfehlte nicht nur den in Obigem bestimmten Hafen, sondern es vergingen auch zwei volle Jahre ohne jede Nachricht von der Expedition.
Obwohl Frankreich damals unter einer Krisis ohnegleichen seufzte, fand das öffentliche Interesse an derselben doch, durch die Mitglieder der Naturforschenden Gesellschaft in Paris, endlich von der Tribüne der Nationalversammlung herab seinen Ausdruck. Ein Beschluß vom 9. Februar 1791 empfahl dem König, ein oder mehrere Schiffe zur Aufsuchung Laporouse's auszurüsten. Wenn man annahm, daß ein stattgefundener Schiffbruch die Expedition unterbrochen habe, so war es doch möglich, daß vielleicht noch die größte Mehrzahl der Theilnehmer am Leben war; ihnen mußte jedenfalls so schnell als möglich Hilfe gebracht werden.
Gelehrte, Naturforscher und Maler sollten diese Expedition begleiten, um dieselbe gleichzeitig für Schifffahrt, Handel, Geographie, Künste und Wissenschaften nutzbringend zu machen. So lautet der im Vorhergehenden erwähnte Beschluß der Versammlung.
Das Commando der Geschwaders wurde dem Contre-Admiral Bruny d'Entrecasteaux anvertraut. Auf diesen Officier war die Aufmerksamkeit des Ministers durch dessen vielbesprochene Fahrt gegen den Mousson im Indischen Ocean gelenkt worden. Man übergab ihm die beiden Fluten, die »Recherche« und die »Esperance«, die letztere unter Führung des Schiffskapitäns Huon de Kermadec. Das Officierscorps der beiden Fahrzeuge zählte viele Männer, welche später zu hohem militärischen Rang gelangen sollten, wie Rossel, Villauney, Trobriand, La Grandiore, Laignel und Jurien. Als Gelehrte und Fachmänner betheiligten sich: der Naturforscher La Billardière, die Astronomen Bertrand und Pierson, die Naturkundigen Ventrecal und Riche, der Hydrograph Beautemps-Beaupro und der Ingenieur Jouvency.
Die Schiffe nahmen eine reiche Auswahl von Tauschgegenständen und für achtzehn Monate Lebensmittel mit. Am 28. September verließen sie Brest und kamen am 13. October nach Teneriffa. Zu jener Zeit galt die Besteigung des berühmten Pic für eine unumgängliche Pflicht jedes Reisenden. La Billardière sah hier eine Erscheinung wieder, die er schon früher in Kleinasien beobachtet [340] hatte: auf der unter ihm und der Sonne gegenüberliegenden Seite zeigte sich sein Bild in den schönsten Farben des Regenbogens.
Am 23. October, das heißt nach Wiederersetzung der bis dahin verbrauchten Nahrungsmittel, wurde der Anker wiederum gelichtet, um nach dem Cap zu steuern. Während dieser Ueberfahrt machte La Billardière eine interessante Erfahrung und entdeckte, daß das Leuchten des Meeres von kleinen kugelförmigen Thierchen herzuleiten sei, die im Wasser schwimmen. Die Reise bis zum Cap, wo die Schiffe am 18. Januar vor Anker gingen, wurde durch nichts unterbrochen als durch die Begegnung einer ungeheuren Menge Breit- und anderer Fische, eines kleinen Lecks, das leicht verstopft wurde, nicht zu gedenken.
Am Cap fand d'Entrecasteaux einen Brief von Saint-Felix, dem Befehlshaber der französischen Streitkräfte in Indien, der beinahe den ganzen Plan seiner Reise umgeändert und sehr ungünstig auf die Erreichung des einmal vorgesteckten Zieles gewirkt hätte. Der darin enthaltenen Mittheilung nach, sollten zwei französische Schiffskapitäne, welche von Batavia kamen, berichtet haben, daß der Commodore Hunter, der Befehlshaber der englischen Fregatte »Syrius«, in der Nähe der Admiralitäts-Inseln im Südmeere mit europäischen Stoffen und vorzüglich mit Anzügen, die er für französische Uniformen hielt, bekleidete Leute gesehen habe. »Sie ersehen hieraus, schrieb Saint-Felix, daß der Commodore darin Ueberreste von dem Schiffbruch Lapérouse's erkannt zu haben glaubt...«
Hunter befand sich zur Zeit der Ankunft d'Entrecasteaux' zufällig auf der Rhede des Caps, lichtete aber zwei Stunden nach dem Eintreffen der französischen Fahrzeuge schon die Anker. Dieses Verfahren erschien, gelinde gesagt, etwas auffallend. Der Commodore hatte gewiß gehört, daß das die zur Aufsuchung Lapérouse's ausgesendete Expedition sei, und ließ es sich doch nicht beikommen, dem Commandanten derselben über einen so wichtigen Punkt irgend eine Mittheilung zu machen. Später hörte man freilich, daß Hunter selbst von den durch Saint-Felix hierher verbreiteten Gerüchten auch nicht das Geringste gewußt habe. Sollte man wirklich annehmen, daß der Bericht des französischen Commandanten gänzlich aller Unterlage entbehrt habe? D'Entrecasteaux konnte das nicht glauben, so wahrscheinlich ihm das Ganze auch erschien.
Die Gelehrten hatten den Aufenthalt am Cap wohl auszunützen verstanden, indem sie die Umgebung der Stadt nach allen Seiten durchstreiften, vor Allem La Billardière, der, soweit es das kurze Verweilen der beiden Schiffe erlaubte, möglichst tief in das Innere vorgedrungen war.
[341] Am 16. Februar lichtete man wieder die Anker. D'Entrecasteaux beschloß, das Van-Diemen-Cap zu umschiffen, um in die Südsee zu gelangen, und schlug deshalb einen Weg ein, der ihn zwischen den Inseln St. Paul und Amsterdam hindurchführen sollte. Die letzteren, welche Kapitän Valming 1696 entdeckte, wurden von Cook bei seiner letzten Reise wieder aufgefunden. Die Insel St. Paul, in deren unmittelbarer Nähe die »Recherche« und »Esperance« vorüberkamen, zeigte sich in dicke Rauchwolken gehüllt, über welche noch Berge emporragten. Jene Wolken rührten übrigens von brennenden Wäldern her.
Am 21. April fuhren die beiden Fluten in eine Bai von Van-Diemens-Land ein, die man für die Aven ture-Bai hielt, während sie wirklich die Bai der Stürme hieß. Der Grund derselben wurde »d'Entrecasteaux-Hafen« genannt. Holz war hier leicht zu beschaffen und Fische gab es in Ueberfluß. Unter den schönen Bäumen dieses Ortes erwähnt La Billardière vorzüglich mehrere Eukalyptus-Arten, deren vielfältige nützliche Eigenschaften damals noch nicht bekannt waren. Die Jagdzüge, an denen er theilnahm, lieferten mehrfache Exemplare von schwarzen Schweinen und Känguruhs; letztere damals noch eine große Seltenheit.
Am 16. April verließen die beiden Schiffe wieder diesen Hafen, und wandten sich nach einer Meerenge, welche d'Entrecasteaux zu passiren gedachte und die seitdem seinen Namen trägt.
»Zahlreiche, unsern vom Ufer wahrgenommene Feuer, so lautet der Bericht, veranlaßten Crétin und Auribeau an's Land zu gehen; kaum in den Wald gelangt, fanden sie vier Eingeborne damit beschäftigt, drei kleine Feuer zu unterhalten, neben denen sie saßen. Die Wilden entflohen auf der Stelle, trotz aller Zeichen von friedlicher Gesinnung, die man ihnen machte, und ließen Hummern und andere Muscheln, welche sie auf glühenden Kohlen rösten wollten, im Stich. Ganz in der Nähe sah man auch eine entsprechende Anzahl Hütten...
Ein sehr großer und muskelkräftiger Wilder hatte einen kleinen, mit Feuersteinen gefüllten Korb vergessen, er scheute sich nicht, denselben zu holen, und kam dabei ganz nahe an Crétin heran, da er sich im Gefühle seiner Körperkraft offenbar sicher wähnte. Einige der Wilden gingen völlig nackt, Andere trugen Känguruhfelle um die Schultern. Ihre Hautfarbe war nicht eben tiefschwarz; Bart und Haare ließen sie wachsen.«
Von der d'Entrecasteaux-Meerenge aus wandten sich die beiden Schiffe nach der Südwestküste von Neu-Caledonien, welche Lapérouse hatte besuchen[342] wollen. Der erste in Sicht kommende Punkt war ein Theil der Pinien-Insel im Süden jener großen Insel. Die »Recherche« wäre auf den madreporischen Rissen, welche das Ufer umschließen und zwischen sich und dem Lande nur einen Kanal von fünf bis sechs Kilometern frei lassen, bald zugrunde gegangen. Am nördlichen Ende beobachtete man noch einige bergige Inseln und einzelne Felsen, welche die Fahrt in diesen Gewässern äußerst gefährlich machen. Sie haben von den Männern, die sie zuerst wahrnahmen, die Bezeichnung d'Entrecasteau-Riffe und Huons-Inseln erhalten. Die in Anbetracht einer so unzugänglichen Küste sehr schwierige Untersuchung dauerte vom 16. Juni bis 3. Juli. Den Geographen und Seeleuten wurde damit ein hochwichtiger Dienst geleistet, obwohl dieselbe die undankbarste Aufgabe der ganzen Fahrt bildet.
Bei dem Herannahen der günstigeren Jahreszeit beschloß d'Entrecasteaux das zuerst von Surville entdeckte und einige Jahre später von Shortland besuchte Land der Arsaciden anzulaufen, das der Letztere, in der Meinung, eine neue Entdeckung gemacht zu haben, als Neu-Georgien bezeichnete.
»Am 9. Juli, sagt La Billardière, erblickten wir um vier und ein halb Uhr Nachmittags in der Entfernung von etwa anderthalb Myriameter den Felsen Eddy-Stone; von Weitem hielten wir ihn, wie Shortland, für ein Schiff unter Segel. Die Täuschung war um so vollständiger, da er auch die Farbe von Schiffssegeln hat; seinen Gipfel krönen einige wenige Büsche. Das diesem Felsen gegenüberliegende Land der Arsaciden ist von Bergen erfüllt und bis zu deren Spitze hinauf mit Bäumen bedeckt.«
Nachdem er die Lage der Eddy-Stone-Felsen berichtigt und die der fünf Inseln des Schatzes, welche so dicht bei einander liegen, daß Bougainville sie für ein einziges Land angesehen hatte, festgestellt, fuhr d'Entrecasteaux längs der Insel Bougainville's dahin. Nur eine schmale Straße trennte diese von der Insel Bouka, welche letztere sehr baumreich und stark bevölkert ist. Man tauschte zwar mehrere Gegenstände mit den Eingebornen dieser Insel, konnte sie aber doch nicht dazu bewegen, an Bord zu kommen.
»Ihre Hautfarbe, sagt La Billardière, ist nicht tiefschwarz. Diese Wilden sind von Mittelgröße, gehen vollständig unbekleidet und ihre wohlausgebildeten Muskeln verrathen große Körperstärke. Das Gesicht derselben ist nichts weniger als angenehm, doch nicht ohne Ausdruck. Sie haben dabei einen dicken Kopf, eine sehr breite Stirne, wie das ganze Gesicht, das sehr stark abgeplattet erscheint, vorzüglich unterhalb der Nase, ein mächtiges Kinn, wenig hervorspringende [343] Wangen, platte Nase und einen breiten großen Mund mit dünnen Lippen. Der Betel, der ihren Mund blutroth färbt, erhöht nur noch das Abschreckende ihrer Erscheinung. Diese Wilden scheinen treffliche Bogenschützen zu sein. Einer derselben hatte an Bord der ›Esperance‹ einen von ihm erlegten Tölpel (aus der Gattung Sula) gebracht; am Bauche des Vogels sah man das Loch des Pfeils, der ihn getödtet hatte.
Die ganze Industrie der Eingebornen scheint sich auf die Herstellung der Waffen und Jagdgeräthe zu beschränken, welche mit großer Sorgfalt gearbeitet werden. Wir bewunderten vorzüglich die Geschicklichkeit, wie sie die Sehne ihres Bogens mit Harz zu imprägniren verstehen, daß dieselbe wirklich einer Darmsaite gleicht; in der Mitte wird sie mit der Rinde von Palmenrieth versehen, um sich durch das Fortschnellen der Pfeile nicht so schnell abzunützen.«
Am 15. Juli wurde die Untersuchung der Westseite der beiden Inseln vollendet, deren Ostseite Bougainville erforscht hatte.
Am nächsten Tage kamen die von Carteret Sir Charles Hardy genannte Insel und die südöstlichste Spitze von Neu-Holland den französischen Seefahrern in Sicht.
Die beiden Schiffe gingen im Carteret-Hafen vor Anker und die Mannschaften richteten sich auf der Cocos-Insel ein, die mit immergrünen, üppig gedeihenden großen Bäumen besetzt ist, obwohl sich zwischen den kalkigen Steinen des Bodens nur wenig fruchtbare Erde fand. Nur mit Mühe vermochte man sich hier Cocosnüsse zu beschaffen, von deren angeblich sehr reichlichem Vorkommen dieses Land doch früher seinen Namen erhielt. Dafür lieferte es den Naturforschern wenigstens eine reiche Beute an Insecten und Pflanzen, deren große Verschiedenheit an Arten La Billardière ungemein erfreute.
Immer fiel während des Aufenthaltes hierselbst reichlicher Regen, oder vielmehr ein ganzer Strom warmen Wassers, der sich aus den Wolken ergoß.
Nach der Einnahme des nöthigen Holzes und Wassers verließen die »Recherche« und die »Esperance« am 24. Juli 1792 wieder den Carteret-Hafen, wobei die »Esperance« einen Anker verlor, dessen Kabel durch scharfe Korallenriffe zerschnitten wurde. Die beiden Schiffe drangen nun in den St. Georgs-Kanal ein, der an seinem südlichen Ende sechs bis sieben Myriameter, das heißt etwa die halbe Breite von der hat, die Carteret ihm zuschrieb. Von raschen Strömungen fortgerissen, kamen sie an den Inseln Man und Sandwichs vorüber, ohne daselbst halten zu können.
[344]Nach Bestimmung der Lage der Portlands-Inseln – sieben flache Eilande, die unter 20°39'44" südlicher Breite und 147°15' östlicher Länge zu suchen sind – setzte d'Entrecasteaux seine Fahrt nach den Admiralitäts-Inseln fort, die er zu besuchen gedachte. Nach den dem Commodore Hunter zugekommenen Berichten, sollten auf der östlichen derselben Einwohner in französischer Marine-Uniform gesehen worden sein.
»Von Wilden kam hier eine große Anzahl zum Vorschein, lautet der Bericht. Die Einen liefen längs des Gestades auf und ab. Andere starrten [345] unsere Schiffe an und luden uns durch Zeichen ein, an's Land zu kommen; ihr Geschrei drückte offenbar die Empfindung von Freude aus... Um eineinhalb Uhr wurde beigelegt, und man entsandte von jedem Schiffe ein Boot mit mancherlei Gegenständen, welche unter die Bewohner als Geschenke vertheilt werden sollten. Während die Boote so nahe als möglich an den Strand heranruderten, hielten sich die Fluten wenigstens in Schußweite, um jenen im Falle eines unerwarteten Angriffes seitens der Wilden Hilfe leisten zu können, denn die hinterlistige Falschheit der Bewohner der südlichen Admiralitäts-Inseln gegenüber Carteret hielt doch stets einige Besorgniß wegen unserer Leute wach.«
Die Küste war voller Risse. Die Boote konnten sich nur bis auf hundert Meter von derselben nähern. Am Ufer stand eine große Menge Eingeborner und winkte den Franzosen unaufhörlich, an's Land zu kommen.
»Ein Wilder, der sich vor den Anderen durch eine doppelte Kette von kleinen Muscheln als Stirnschmuck auszeichnete, schien bei denselben in besonderem Ansehen zu stehen. Er befahl einem der Eingebornen, in das Wasser zu springen und uns etliche Cocosnüsse zu bringen. Aus Furcht, sich zu völlig unbekannten Leuten schwimmend und gänzlich wehrlos zu begeben, zögerte der Insulaner einen Augenblick. Der Häuptling aber, offenbar nicht gewohnt, gegen seinen Willen Widerspruch zu dulden, machte seinem Besinnen bald ein Eude; er schlug mit seinem Stocke auf den Menschen los und zwang ihn dadurch zum Gehorsam.... Als er nach der Insel zurückkehrte, umringten ihn die anderen Alle voller Neugier, Jeder wollte von unseren Geschenken einen Theil haben. Jetzt setzte man gleich mehrere Piroguen in's Meer. Viele Eingeborne kamen schwimmend heran, und bald herrschte ein wahres Gedränge rings um unsere Boote. Wir erstaunten wirklich, daß weder die Kraft der Brandung, noch der Wogenschlag auf den Rissen jene zurückzuhalten vermochte.«
Was die Indianer im Stande waren, hätten die Franzosen wohl auch zuwege gebracht. Es scheint aber nicht so, als ob sie sich bei jenen nach einem stattgefundenen Schiffbruche größerer oder vielleicht eines kleineren Fahrzeuges erkundigt hätten.
Sie machten nur die eine Beobachtung, daß die Wilden das Eisen kannten und auf dieses Metall mehr Werth legten als auf alles Andere.
D'Entrecasteaux untersuchte noch den nördlichen Theil des Archipels, trieb auch mit den Einwohnern einige Tauschgeschäfte, landete aber an keinem Punkte und scheint überhaupt dem eigentlichen Zwecke seiner Mission mit weniger [346] Sorgfalt nachgegangen zu sein, als man wohl von ihm erwarten durfte. Die »Recherche« und die »Esperance« besuchten hierauf die von der spanischen Fregatte »La Princesa« im Jahre 1781 entdeckte Hermiten-Insel. Wie überall zeigten die Eingebornen auch hier das lebhafteste Verlangen, die Fremden an ihrer Insel landen zu sehen, ohne diese dazu bestimmen zu können. Später sah man nach einander Bougainville's Inseln des Schachbrettes mehrere niedrige unbekannte Eilande mit üppiger Vegetation, die Insel Schouten's und die Küste von Neu-Guinea, in dessen Innern sich eine Bergkette erhob, deren höchste Gipfel wohl fünfzehnhundert Meter zu erreichen schienen. Nachdem sie dem Ufer dieser großen Insel in möglichster Nähe gefolgt, segelten die »Recherche« und die »Esperance« in die Meerenge von Pitt ein, um nach den Molukken zu gelangen.
Zu ihrer großen Befriedigung gingen die Franzosen am 5. September 1792 auf der Rhede von Amboine vor Anker. An Bord befand sich eine ziemliche Anzahl Scorbutkranker, und alle, Officiere wie Matrosen, sehnten sich nach einer längeren Rast, um einmal wieder zu Kräften zu kommen. Die Naturforscher, Astronomen und anderen Gelehrten gingen sofort an's Land und richteten sich bequem ein, um ihre Untersuchungen und gewöhnlichen Beobachtungen zu beginnen. Vorzüglich die Arbeit der Naturforscher wurde reichlich belohnt. La Billardière läßt sich mit Wohlgefallen über die Mannigfaltigkeit von Pflanzen und Thieren aus, die er hier zu sammeln vermochte.
»Auf dem Ufer stehend, sagt er, hörte ich gewisse Windinstrumente, unter deren meist ganz richtige Accorde sich auch Dissonanzen mischten, welche doch das Ohr nicht verletzten. Diese lang gezogenen, sehr harmonischen Töne schienen mir aus der Ferne zu kommen, und ich glaubte eine Zeitlang, die Naturforscher machten jenseits der Rhede, etwa ein Myriameter von meinem Standpunkt, Musik. Das war aber eine Täuschung, denn das betreffende Instrument befand sich kaum hundert Meter von mir entfernt. Es war das ein mindestens zwanzig Meter hoher Bambus, den man am Gestade senkrecht aufgerichtet hatte. An jedem Knoten desselben war ein drei Centimeter langer und gegen einundeinhalb Centimeter breiter Spalt angebracht; diese Spalte bildeten ebensoviele Oeffnungen, welche beim Eindringen des Windes jene angenehmen, wechselreichen Töne erzeugten. Da der Bambusstamm sehr viele Knoten besaß, hatte man die Einschnitte an verschiedenen Seiten gemacht, so daß der Wind, er mochte nun wehen von welcher Seite er wollte, immer einige derselben treffen mußte. Ich kann diese Töne nicht besser als mit denen einer Harmonika vergleichen.«
[347] Während dieses langen, über einen Monat dauernden Aufenthaltes wurden die Schiffe frisch kalfatert, die Takelage aufmerksam untersucht und überhaupt alle bei einer solchen Reise in heißen und feuchten Klimaten nothwendigen Vorsichtsmaßregeln getroffen.
Einzelne Mittheilungen über die Rhede von Amboine und die Sitten und Gebräuche der eingebornen Bevölkerung sind nicht ohne Interesse.
»Die Rhede von Amboine, sagt La Billardière, bildet einen Kanal von etwa zwei Myriameter Länge bei einer mittleren Breite von zwei Drittel Myriameter. Seine Ufer bieten, bis auf einige korallenreiche Stellen, meist recht guten Ankergrund.
Das Fort daselbst, de la Victoire mit Namen, ist aus Backsteinen erbaut; der Gouverneur und einige Mitglieder des Raths haben hier ihre Wohnung. Schon damals neigte es sehr dem Verfalle zu und jeder Kanonenschuß, der von dessen Wällen abgefeuert wurde, verursachte irgend eine weitere Beschädigung.
Die Garnison bestand aus etwa zweihundert Mann, der Mehrzahl nach Eingeborne, nur wenige aus Europa gekommene Soldaten und ein schwaches Detachement des Regiments Württemberg befand sich darunter...
Da nur wenige Soldaten den längeren Aufenthalt in Indien vertragen, so schätzt man Diejenigen, welche schon einige Jahre ausgehalten haben, um desto höher; die holländische Compagnie erfüllt auch nur selten ihre Versprechungen, dieselben nach Europa zurückzubefördern, wenn ihre Dienstzeit abgelaufen ist.... Ich traf wiederholt solche unglückliche Leute, die man über zwanzig Jahre hier zurückhielt, obwohl sie schon lange hätten frei sein sollen...
Die Einwohner von Amboine sprechen malayisch, eine sehr sanfte, musikalische Sprache. Die Erzeugnisse des Landes bestehen in Gewürzen, Kaffee, der aber minder gut ist als das Product von Reunion, und vorzüglich Sago, die Hauptculturpflanze aller sumpfigen Gegenden.
Der Reis, den man in Amboine verzehrt, ist kein Erzeugniß der Insel, obwohl er in deren Niederungen gewiß vortrefflich gedeihen müßte. Die holländische Regierung verbietet aber dessen Anbau, weil sie durch den Verkauf desselben ein Mittel an der Hand hat, den Eingebornen das baare Geld wieder abzunehmen, das sie ihnen für die gelieferten Gewürznelken zu zahlen verpflichtet ist. Sie verhindert dadurch die Ansammlung des Geldes und hält die Frucht der Arbeit der Eingebornen stets auf dem niedrigsten Preise. Auf diese Weise erstickt das Gouvernement, während es nur seine eigenen Interessen verfolgt, [348] unter dem Volke die industrielle Thätigkeit ganz und gar und zwingt dasselbe, von jeder anderen Ausnutzung des Bodens als der durch den Anbau der Gewürznelken und Muscatnüsse abzusehen.
Die Holländer bemühen sich auch, die Erzeugung dieser Gewürze zu beschränken, um nicht über den gewöhnlichen Bedarf hinaus zu produciren. Ein solches Verfahren, welches nur der Trägheit Vorschub leistet, entspricht übrigens ganz dem sorglosen Charakter dieser Völker.«
Am 23. des Weinmonats im Jahre 1, um in dem von La Billardière beliebten neuen Styl zu reden, verließen die beiden Schiffe Amboine, wieder reichlich versehen mit Proviant an Hühnern, Enten, Guinea-Gänsen, Schweinen, Ziegen, Pataten, Yamswurzeln, Bananen und Kürbissen. Fleischspeisen besaß man damit immerhin nur wenig; das Mehl war von schlechter Beschaffenheit; an den Sago, den man zum Ersatz desselben mitnahm, konnten sich die Leute niemals recht gewöhnen. In der langen Liste von Provisionen, welche man von hier mitführte, haben wir nur noch den Bambus, die eingemachten Gewürznelken und den Arrac zu erwähnen.
»Junge, in Stücken zerschnittene und in Essig eingelegte Bambussprossen, sagt La Billardière, bilden einen ausgezeichneten Proviant für längere Reisen; wir nahmen davon auch reichliche Vorräthe mit. Die jungen Sprossen sind im Allgemeinen sehr zart. Man sammelt sie beizeiten ein und verkauft sie auf dem Markte gleich Gemüse, das sie auch recht gut ersetzen. Meist sind sie ein Meter lang und ein Drittel Centimeter dick.
Diese jungen Sprößlinge sind sehr beliebt bei den Chinesen, welche sie um ihres, an den des Spargels erinnernden Geschmackes willen besonders hochschätzen.
Wir waren auch reichlich versehen mit in Zucker eingemachten Gewürznelken und Muscatnüssen. Als Speise kommt hierbei übrigens nur die grüne Schale der letzteren in Betracht; leider hatten die Leute, welche das Einmachen besorgten, in ihrer Unkenntniß zu reife Muscatnüsse gewählt. Die Gewürznelken, in der Größe von mittleren Oliven, schmeckten gar zu aromatisch, um ein angenehmes Gericht zu bilden; man muß eben einen Indianergaumen haben, um an solchen Leckerbissen Geschmack zu finden; dasselbe gilt von dem Ingwer, den wir in eingemachtem Zustand mit uns führten.
Der einzige spirituöse Liqueur, den man hier erhalten konnte, war der Arrac, von dem mehrere Fässer gekauft wurden. Einige Reisende rühmen [349] denselben zwar außerordentlich, doch erreicht er an Güte kaum einen mittelmäßigen Cognac.«
Von Amboine aus steuerte die Expedition nach der Südwestküste Australiens. Nach und nach sah man, ohne sich daselbst aufzuhalten, die Insel Kisser, die Nordküste von Timor, die Insel Batu, das reizend gelegene Savu, und am 16. Frimaire endlich den westlichsten Punkt der Südwestküste von Neu-Holland, der im Jahre 1622 von Louvin entdeckt worden war.
Das Gestade zeigte nichts als sandige Dünen und zwischen denselben schroffe Felsen, Alles in Allem das Bild der trostlosesten Dürre.
Die Schifffahrt an dieser schutzlosen Küste war ziemlich gefährlich. Das Meer ging hoch, der Wind wehte stark und man mußte mitten zwischen Klippen hinsegeln. Die »Esperance« wäre in Folge eines heftigen Windstoßes fast auf das Ufer geworfen worden, als ein Officier, Namens Legrand, von der Höhe des Großmastes aus noch rechtzeitig eine geschütztere Stellung entdeckte, wo die Schiffe seiner Meinung nach in Sicherheit sein mußten.
»Die Rettung der beiden Fahrzeuge, heißt es in dem Berichte, hing jetzt von der Auffindung derselben ab, denn die ›Recherche‹, welche schon die ganze Nacht über zwischen den gefährlichen Klippen gekreuzt und so gut als möglich gegen den schweren Sturm in der Hoffnung angekämpft hatte, daß eine Drehung des Windes ihr gestatten würde, das offene Meer zu gewinnen, wäre sonst unzweifelhaft verloren gewesen. Die Bai, welche den Namen des Bürgers Legrand erhielt, wird für alle Zeiten an den Dienst erinnern, den jener geschickte Seemann unserer Expedition damals leistete.«
Die Seefahrer untersuchten nur die Eilande in der Nähe der Küste. Einer derselben, der Ingenieur-Geograph der »Recherche«, Namens Riche, war auch auf das Festland gegangen, um dort Beobachtungen anzustellen, verirrte sich aber dabei und konnte sein Schiff erst zwei Tage nachher, von Anstrengung erschöpft und sterbend vor Hunger, wieder erreichen.
Der kleine Archipel, von dem wir hier sprechen, bezeichnet den Endpunkt der Entdeckungen de Nuyts'.
»Wir verwunderten uns, sagt La Billardière, über die Genauigkeit, mit der jener Seemann seine Position bestimmt hatte, und das zu einer Zeit, wo die Instrumente noch sehr unvollkommen waren. Dieselbe Anerkennung verdient übrigens auch Louvin bezüglich seiner Aufnahmen dieses Landes.«
[350] Am 15. Nivôse, als man sich unter 31°52' der Breite und 129°10' östlicher Länge befand, meldete Kapitän Huon de Kermadec an d'Entrecasteaux, daß sein Steuerruder beschädigt sei, daß man auf seinem Schiffe auf drei Viertel Flasche Wasser als tägliche Ration beschränkt sei, daß er von der weiteren Vertheilung anti-scorbutischer Getränke habe absehen müssen und daß er nur noch dreißig Fäßchen Wasser besitze. Auf der »Recherche« sah es nicht viel besser aus. D'Entrecasteaux schlug in Folge dessen den Kurs nach dem Cap Diemen ein, nachdem er hundertsechzig Myriameter weit längs dieser außerordentlich mageren Küste hingesegelt war, welche nicht einmal zu interessanten Beobachtungen Gelegenheit gab.
Am 3. Pluviôse ankerten die Fahrzeuge in der Bai der Felsen, einer besonderen Einbuchtung der Bai der Stürme, die sie schon im vorigen Jahre aufgefunden hatten.
»Die Station erwies sich als besonders ergiebig in Aufschlüssen aller Art. Entzückt von der Verschiedenartigkeit der Erzeugnisse dieses Winkels von Diemens-Land, konnte La Billardière gar nicht müde werden, die endlosen Wälder gigantischer Bäume, das üppige, dichte Gebüsch unbekannter Pflanzen zu bewundern, durch die er sich mühsam einen Weg bahnen mußte. Bei einem der zahlreichen Ausflüge in die Nachbarschaft der Bai fand er schöne Stücke bronzerothen Hämatit, und weiterhin rothe Ockererde, welche auf die Gegenwart von Eisen schließen ließ. Er traf auch bald mit einigen Eingebornen zusammen, und seine Mittheilungen über diese jetzt verschwundene Race sind interessant genug, um hier eine Stelle zu verdienen. Sie vervollständigen übrigens nach manchen Seiten die, welche wir Cook's Reisen verdanken.
Es waren zweiundvierzig Wilde, darunter sieben erwachsene Männer und acht Frauen, die anderen schienen deren Kinder zu sein, und unter ihnen auch verschiedene schon heiratsfähige Mädchen, welche noch mangelhafter gekleidet gingen als ihre Mütter... Die Eingebornen haben wollige Haare und lassen den Bart wachsen. Bei den Kindern überragt die obere Kinnlade die untere ziemlich bedeutend, sie schwindet indeß mit zunehmendem Alter mehr und mehr, so daß der frühere Unterschied bei den Erwachsenen fast vollkommen ausgeglichen wird. Ihre Haut ist nicht tief schwarz; unzweifelhaft gilt es bei diesen Völkern aber für eine besondere Schönheit, recht schwarz zu sein, und um das zu erreichen, überpudern sie sich, vorzüglich gern den Oberkörper, mit Kohlenstaub. Auf ihrer Haut, besonders auf der Brust und auf den Schultern, bemerkt man symmetrisch [351] angeordnete kleine Erhöhungen, welche manchmal Linien von einem Decimeter Länge, manchmal in verschiedenen Entfernungen von einander angebrachte Punkte darstellen... Der Gebrauch, sich zwei der oberen Schneidezähne auszureißen, den man nach dem Berichte mehrerer Reisenden unter diesen Völkerschaften für allgemein verbreitet hielt, herrscht unter ihnen bestimmt nicht, denn wir sahen kein Individuum, dem dieselben in der oberen Kinnlade gefehlt hätten, im Gegentheil hatten Alle sehr schöne volle Zähne. Leider strotzten diese Menschen von Ungeziefer. Wir bewunderten wirklich die Geduld einer Frau, welche lange Zeit damit beschäftigt war, eines ihrer Kinder davon zu befreien; dagegen sahen wir auch mit Entsetzen, daß dieselbe jene widerlichen Insecten erst mit den Fingern tödtete und dann auf der Stelle verzehrte.«
Bekanntlich haben die Affen dieselbe Gewohnheit.
»Die kleinen Kinder zeigten das größte Verlangen nach allem Glänzenden; sie vergaßen sich dabei soweit, daß sie die Metallknöpfe unserer Röcke abzureißen versuchten. Ich darf hierbei auch nicht die Schelmerei einer jungen Wilden gegenüber einem unserer Matrosen übergehen. Letzterer hatte am Fuße eines Felsens einen Sack mit Muscheln niedergelegt. Sofort schaffte das Mädchen den Sack weg und ließ den Mann lange Zeit vergeblich danach suchen; dann brachte sie ihn selbst wieder an seine alte Stelle und freute sich gewaltig des Streiches, den sie dem Manne gespielt hatte.«
Am 26. Pluviôse lichteten die beiden Fahrzeuge mit Tagesanbruch die Anker, segelten in die d'Entrecasteaux-Straße ein und erreichten am 5. Ventôse die Bai Aventure. Nach fünftägigem Aufenthalt in dieser Bai, den man zu verschiedenen Beobachtungen benutzte, steuerte d'Entrecasteaux auf Neu-Seeland zu, an dessen Nordspitze er anlegte.
Nach einem Zusammentreffen mit Eingebornen, das freilich zu kurz war, um weitere Auskunft zu liefern, als wir schon von Kapitän Cook über dieselben besitzen, segelte d'Entrecasteaux nach dem Archipel der Freunde, den Laporouse hatte besuchen wollen, und ankerte hier auf der Rhede von Tonga-Tabu. Gleich sahen sich die Schiffe von einer Menge Piroguen umringt, aus denen viele Eingeborne dieselben buchstäblich erstürmten, um Schweine und Früchte jeder Art zu verkaufen.
Einer der Söhne Poulao's, des Königs, den auch Cook schon kennen lernte, empfing die Seefahrer sehr wohlwollend und überwachte gewissenhaft die Tauschgeschäfte mit den Eingebornen. Es war das keine leichte Aufgabe, denn [352] diese entwickelten eine erstaunliche Fertigkeit, Alles zu stehlen, was sie erlangen konnten.
La Billardière erzählt einen Streich, dessen Opfer er selbst wurde. In das Zelt, in dem der Proviant lag, waren ihm zwei Eingeborne gefolgt, die er für Häuptlinge ansah.
»Einer derselben, erzählt er, ließ es sich besonders angelegen sein, mir die schönsten Früchte auszuwählen. Ich hatte meinen Hut auf die Erde gelegt, da [353] ich ihn hier für sicher hielt, doch die beiden Spitzbuben verstanden ihr Handwerk. Der Andere, der sich hinter mir befand, verbarg meinen Hut geschickt unter seiner Kleidung und ging davon, bevor ich etwas gemerkt hatte; der Erstere folgte ihm bald nach. Ich versah mich dieses Gaunerstreiches umsoweniger, weil ich nie geglaubt hätte, daß sie es wagen würden, einen so umfangreichen Gegenstand in der Umzäunung, in welche wir sie eingelassen hatten, auf die Gefahr hin zu stehlen, daß sie dabei erwischt würden; gerade ein Hut konnte unmöglich für Leute einen besonderen Werth haben, welche stets gewöhnt sind, baarhäuptig zu gehen. Die Gewandtheit, welche sie bei diesem Diebstahl an den Tag legten, überzeugte mich auch, daß das nicht ihr erster Versuch war.«
Die Franzosen standen mit einem Häuptling in Beziehung, den sie Finau nennen. Allem Anschein nach ist das derselbe, von dem schon gelegentlich der Reise Cook's unter dem Namen Finaon die Rede ist, und welcher den englischen Seefahrer Tute nannte. Dieser war jedoch nur ein Unterhäuptling. Der König, der erste Häuptling von Tonga-Tabu, Vavao und Annamooka, hieß Toubau. Er besuchte ebenfalls die Schiffe und brachte dabei ein Gewehr wieder zurück, das einem Wachtposten wenige Tage vorher abgenommen worden war. Er beschenkte d'Entrecasteaux mit zwei Stücken Stoff aus Maulbeerbaum-Rinde, jedes so groß, daß es, völlig aufgerollt, bequem zum Bedecken des ganzen Schiffes hingereicht hätte; ferner mit geflochtenen Matten und Schweinen, wogegen man ihm tauschweise eine hübsche Axt und einen rothen Generalsrock überließ, den er sofort anzog.
Zwei Tage später ließ sich eine wohlbeleibte, mindestens fünfzig Jahre alte Frau, der die Eingebornen die höchste Ehrerbietung bezeugten, an Bord führen. Das war die Königin Tine. Sie kostete von allen ihr vorgesetzten Gerichten, schien aber den eingemachten Bananen vor allen den Vorzug zu geben. Der Küchenmeister blieb hinter ihr stehen, um wieder abzuräumen, sie enthob ihn aber dieser Mühe, indem sie Teller und Serviette gleich selbst einsteckte.
König Toubau wollte d'Entrecasteaux einmal ein Fest geben. Der Admiral wurde an dem betreffenden Tage am Ufer von zwei Häuptlingen, Finau und Omalat, empfangen, die ihn nach einem geräumigen freien Platze führten. Dort fand sich auch Toubau in Begleitung seiner beiden Töchter ein; letztere hatten das Haar überreichlich mit Cocosöl eingesalbt und trugen jede ein hübsches Halsband von den Kernen desAbrus precatorius.
[354] »Die Insulaner, heißt es in dem Berichte, liefen bei dieser Gelegenheit in großen Massen zusammen; wir schätzten ihre Anzahl auf mindestens viertausend.
Der Ehrenplatz befand sich ohne Zweifel zur Linken des Königs, denn dieser lud den General ein, sich daselbst zu setzen. Letzterer ließ nun erst die für Toubau bestimmten Geschenke bringen, wofür sich dieser sehr erkenntlich zeigte. Nichts erregte aber die Bewunderung der zahlreichen Versammlung mehr als ein Stück carmoisinrother Damast, über dessen lebhafte Farbe entzückt alle Anwesenden: Eho! Eho! riefen und das lange Zeit als Ausdruck ihrer Verwunderung wiederholten. Dieselben Ausrufe ertönten von Neuem, als wir eine Rolle Band, in der auch die rothe Farbe vorherrschte, aufwickelten. Außerdem schenkte der General dem Könige eine tragende Ziege, einen Bock und ein Kaninchenpärchen. Der König versicherte, denselben alle Sorgfalt widmen zu wollen, um sie auf der Insel zu vermehren.
Auch Omalaï, den Toubau als seinen Sohn bezeichnete, erhielt einige Geschenke, ebenso wie mehrere andere Häuptlinge.
Zu unserer Rechten, nach Nordosten hin, saßen dreizehn Musikanten im Schatten eines mit köstlichen Früchten beladenen Brotbaumes und sangen zusammen oder in einzelnen Abtheilungen. Vier derselben hielten einen ein bis anderthalb Meter langen Bambusstengel in der Hand, mit dem sie wie zur Angabe des Tactes auf die Erde stießen. Diese Instrumente ließen dabei einen Ton, etwa wie ein Tambourin, vernehmen und waren offenbar der Harmonie wegen von verschiedener Länge. Die beiden mittellangen Bambusstangen gaben ein und denselben Ton; die längste erklang anderthalb Ton tiefer, die kürzeste zweieinhalb Ton höher als jene. Den Musiker, welcher Alt sang, hörte man unter allen Anderen heraus, obgleich seine Stimme ein wenig rauh war; er begleitete seinen Gesang auch selbst, indem er mit zwei kleinen Casuaria-Zweigen auf einen sechs Meter langen und von oben bis unten gespaltenen Bambusstengel schlug.
Drei von den anderen sitzenden Musikanten bemühten sich, den Inhalt der Gesänge durch allerlei Gesten noch verständlicher zu machen, und hatten diese recht gut eingeübt, denn sie wiederholten sie stets gleichförmig und genau mit einander. Von Zeit zu Zeit drehten sie den Kopf nach dem Könige zu und machten dabei Armbewegungen, welche gar nicht ungraziös aussahen; dann senkten sie wieder den Kopf sehr schnell bis auf die Brust und bewegten ihn mehrmals hin und her.
[355] Inzwischen bot Toubau auch dem General einige Stücke Stoff aus der Rinde des Papier-Maulbeerbaumes an, die er mit großer Ostentation ausbreiten ließ, um uns den Werth seiner Geschenke vor Augen zu führen.
Der zu seiner Rechten sitzende Beamte befahl nun, den ›Kava‹ zuzubereiten, und bald brachte man ein ovales, etwa ein Meter langes Holzgefäß herbei.
Die Musiker scheinen für diesen Moment ihre gewähltesten Stücke aufgespart zu haben, denn bei jeder Pause, die jene machten, hörten wir von allen Seiten: ›Mali! Mali!‹ rufen, und die fortwährenden Beifallsbezeugungen der Einwohner ließen uns erkennen, daß diese Musik auf sie einen ebenso tiefen als angenehmen Eindruck hervorbrachte.
Der ›Kava‹ wurde durch den, der seine Zubereitung angeordnet hatte, an die verschiedenen Häuptlinge vertheilt...«
Dieses Concert blieb, wie man sieht, weit hinter den Festlichkeiten zurück, die ehemals zu dem Empfange Cook's veranstaltet wurden.
Später gab die Königin Tine einen großen Ball mit vorausgehendem Concert, zu dem ungeheuer viel Eingeborne zusammengelaufen waren, unter denen sich freilich nicht wenig Diebe mit eingeschlichen hatten, deren Unverschämtheit und Habgier endlich so weit gingen, daß sie sich mit Gewalt ein Messer raubten. Von dem Schmied der »Recherche« muthig verfolgt, hielten sie, als sie denselben allein sahen, im Laufe ein, fielen über ihn her und spalteten ihm den Schädel. Leider wurde dieser Streit von der »Esperance« aus zu spät bemerkt, doch feuerte man noch einen Kanonenschuß ab, der die Mörder vertrieb. Von der Hand der Officiere und Matrosen fielen bei dieser Gelegenheit noch mehrere Insulaner, ohne daß jene noch recht wußten, was geschehen sei, aber in jedem, ihnen in den Weg kommenden Einwohner einen Feind zu sehen meinten.
Nichtsdestoweniger traten bald wieder bessere Beziehungen ein, welche im Augenblick der Abfahrt so herzlich wurden, daß verschiedene Eingeborne die Bitte aussprachen, sich mit einschiffen und nach Frankreich gehen zu dürfen.
»Die Mittheilungen, welche uns die Eingebornen über die Schiffe machten, die diesen Archipel besucht hatten, heißt es in dem Berichte, überzeugten uns, daß Lapérouse an keiner dieser Inseln hier gelandet sei... Sie erinnerten sich genau der Zeit, wo sie Kapitän Cook gesehen, und um das klar zu machen, zählten sie die Ernten von Yamswurzeln, wobei sie je zwei auf ein Jahr rechneten.«
[356] Diese Nachricht bezüglich Laporouse's steht allerdings in directem Widerspruch zu der Auskunft, welche Dumont-Durville, freilich fünfunddreißig Jahre später, von der zur Zeit herrschenden Königin Tamaha erhielt.
»Ich wollte darüber klar werden, sagt er, ob zwischen Cook und d'Entrecasteaux nicht noch andere Europäer nach Tonga gekommen seien. Nach kurzer Ueberlegung erklärte sie mir sehr klar und bestimmt, daß einige Jahre vor dem Eintreffen d'Entrecasteaux', zwei den seinigen ähnliche große Schiffe mit Kanonen und vielen Europäern bei Annamooka geankert hätten, wo sie zehn Tage lang geblieben wären. Ihre Flagge war ganz weiß und glich der der Engländer sicherlich nicht. Die Fremden wären gegen die Eingebornen sehr freundlich gewesen und man habe ihnen auf dem Lande ein Haus zum Betreiben des Tauschhandels eingeräumt. Ein Eingeborner, der einem Officier ein Messer gegen ein Kissen eingetauscht hatte, wurde von diesem durch eine Kugel getödtet, weil er mit seiner Waare nach Empfang des Preises davonlaufen wollte. Uebrigens verursachte das keine Störung des Friedens, weil der Eingeborne in diesem Falle im Unrecht gewesen war.
Die Ehrenhaftigkeit Dumont-Durvilles überhebt ihn jeden Verdachtes einer Fälschung, und man muß unwillkürlich anerkennen, daß Mehreres aus jener Darlegung offenbar den Stempel der Wahrheit trägt. Vorzüglich beweisend ist hierbei die Anführung der weißen, von der der Engländer verschiedenen Flagge. Sollen wir aber deshalb glauben, daß d'Entrecasteaux in seinen Nachforschungen nachlässig verfahren sei? Das wäre wohl etwas vorschnell. Doch kommen wir im Nächstfolgenden auf zwei Umstände zu sprechen, die ihm diesen Vorwurf zuzuziehen scheinen.
Die Eingebornen sahen die französischen Fregatten am 21. Germinal mit lebhaftem Bedauern scheiden. Sechs Tage später signalisirte die ›Esperance‹ Erronan, die östlichste der Inseln des heiligen Geistes, die von Quiros im Jahre 1666 entdeckt wurde; dann begegnete man nacheinander Annatom, Tanna mit sei nem unablässig thätigen Vulkan, und andere bis nach den Inseln Beautemps-Beaupró. Von Strömungen entführt, bekamen die Fregatten bald die Berge von Neu-Caledonien in Sicht und liefen in den Hafen von Balade ein, wo Cook im Jahre 1774 geankert hatte.
Die Wilden kannten zwar das Eisen, schätzten es aber nicht so hoch wie andere Völker, wahrscheinlich weil die Steine, deren sie sich bedienten, sehr hart waren und ihnen den Mangel desselben weniger fühlbar machten. Mit den [357] ersten Worten, nachdem sie an Bord gestiegen, verlangten sie zu essen, und zeigten sich in dieser Hinsicht keineswegs wählerisch, sondern wiesen nur auf ihren Leib, der allerdings stark eingefallen erschien. Ihre Piroguen hatten nicht dieselbe kunstreiche Construction wie die auf den Inseln der Freunde, auch ruderten und steuerten sie dieselben ziemlich schlecht, eine Beobachtung, welche mit einer früheren von Cook vollkommen übereinstimmt. Die meisten dieser Insulaner, mit Wollhaar und fast ebenso schwarzer Hautfarbe wie die Eingebornen von Van-Diemen, waren mit Zagaien und Keulen bewaffnet und trugen im Gürtel außerdem einen Sack mit eiförmigen Steinen, die sie mit Schleudern warfen.
Nach einem Spaziergang auf dem Lande, während sie die bienenkorbähnlichen Hütten der Einwohner untersuchten, wollten mehrere Officiere und Naturforscher nach den Schiffen zurückkehren.
Beim Landungsplatz angekommen, meldet der Bericht, fanden wir etwa siebenhundert von allen Seiten zusammengelaufene Wilde vor. Sie suchten von uns im Austausch gegen ihre Habseligkeiten Webstoffe und Eisen zu erhalten, bald kennzeichneten sich aber einzelne unter diesen als die unverschämtesten Langfinger. Von den verschiedenen Gaunerstreichen, die sie verübten, erwähne ich hier einen, den mir selbst zwei dieser Spitzbuben spielten. Einer derselben bot mir einen kleinen Sack mit ovalen Steinen an, den er am Gürtel trug. Wir einigten uns über den Preis und er knüpfte denselben mit der einen Hand los, während er die andere zum Empfang meiner Gegengabe ausstreckte. Da stieß ein anderer hinter mir stehender Wilder einen lauten Schrei aus, um mich zu verleiten, den Kopf umzuwenden, und der erste Schurke entwich bei dieser Gelegenheit sofort mit seinem Sacke und dem dafür erhaltenen Preise und verbarg sich unter der Menge. Trotzdem, daß wir Alle bewaffnet waren, ließen wir ihn doch ungestraft laufen. Freilich war zu befürchten, daß eine solche Nachsicht von Leuten dieses Schlages nur als Schwäche angesehen und sie noch unverschämter machen würde. Die Bestätigung dieser Vermuthung ließ nicht lange auf sich warten. Mehrere derselben erlaubten sich die Frechheit, nach einem kaum zweihundert Schritte weit entfernten Officier mit Steinen zu werfen. Noch immer zögerten wir, gegen sie mit Strenge einzuschreiten, denn Forster's Bericht über sie lautete so günstig, daß es noch weiterer Beweise bedurfte, um unsere gute Meinung von der Sanftmuth ihres Charakters zu zerstören; bald sollten wir aber von dem Gegentheil überzeugt werden.
[358] Einer von ihnen hatte ein Stück frisch geröstetes Bein und verzehrte den Rest des noch am Knochen haftenden Fleisches, als er sich dem Bürger Piron näherte und ihn einlud, an dieser Mahlzeit theilzunehmen; in der Meinung, der Wilde biete ihm ein Stück Braten von einem Thiere an, nahm dieser den Knochen, an dem nur noch einzelne sehnige Theile saßen, und zeigte ihn mir, wobei ich sofort erkannte, daß er dem Becken eines Kindes von vierzehn bis fünfzehn Jahren angehörte. Wie zur Bestätigung deuteten uns andere in der Nähe befindliche Wilde an einem Kinde die Stelle, wo der Knochen herrührte, an und sagten ganz einstimmig aus, daß derselbe unzweifelhaft einen Theil der Mahlzeit eines Wilden gebildet habe und von ihnen als Leckerbissen betrachtet werde....
Die meisten unserer Gefährten, welche während dieses Spazierganges an Bord zurückgeblieben waren, wollten unserem Bericht über den barbarischen Geschmack der Wilden keinen Glauben beimessen und konnten sich gar nicht überreden, daß Völkerschaften, von denen Cook und Forster ein so vortheilhaftes Bild entworfen, bis zu solch' abscheulichen Lastern herabgesunken wären; doch wurde es nicht schwer, auch die Ungläubigsten zu überzeugen. Ich hatte den ziemlich abgenagten Knochen mitgebracht, den unser Wundarzt ohne Besinnen für den eines Kindes erklärte, und zeigte ihn den an Bord anwesenden Eingebornen; sofort ergriff ihn gierig Einer derselben und riß mit den Zähnen die Sehnen und Knorpel ab, welche etwa noch daran hingen; ich gab ihn nachher einem Kameraden desselben, der auch noch etwas davon abzubeißen fand.«
Die an Bord gekommenen Wilden hatten nun aber so viel Gegenstände und mit einer solchen Unverschämtheit gestohlen, daß wir sie uns vom Halse schaffen mußten. Am nächsten Tage waren die Franzosen kaum an's Land gekommen, als sie wiederum Wilde bei einer Mahlzeit trafen.
Diese boten ihnen frisch geröstetes Fleisch an, das man leicht als Menschenfleisch erkannte.
Mehrere traten sogar an die Franzosen heran und »betasteten ihnen die muskulösesten Theile der Arme und Beine, wobei sie mit dem Ausdrucke der Bewunderung und des Verlangens das Wort ›Karapek‹ aussprachen, was natürlich nicht dazu beitrug, uns hier geheuer zu fühlen.«
Mehrere Officiere wurden angefallen und mit beispielloser Frechheit beraubt, die letzten Absichten der Eingebornen konnten nun nicht mehr zweifelhaft sein; sie suchten sich auch der Aexte mehrerer Matrosen zu bemächtigen, die um Holz [359] zu fällen an's Land gegangen waren, und man mußte sich entschließen, auf sie zu feuern, um sie sich vom Halse zu halten.
Solche Vorfälle wiederholten sich öfter und endigten natürlich stets mit der Flucht der Eingebornen, welche dabei schon mehrere Todte und Verwundete verloren hatten. Der Mißerfolg ihrer Versuche hinderte sie aber keineswegs an der Wiederaufnahme derselben, sobald ihnen die Gelegenheit dazu günstig erschien.
La Billardière war auch Zeuge eines schon mehrfach beobachteten Vorganges, den man lange Zeit für unmöglich gehalten hatte. Er sah nämlich die [360] Eingebornen Speckstein verzehren. Diese Erdsubstanz dient dazu »das Gefühl des Hungers zu unterdrücken, indem sie den Magen füllt und die Eingeweide in der Nähe des Zwergfelles hält; obwohl ihr jeder eigentliche Nahrungswerth abgeht, ist sie doch sehr gebräuchlich bei jenen Völkern, die oft lange Zeit einem empfindlichen Mangel an Nahrung ausgesetzt sind, weil sie zu träge scheinen, ihre übrigens ziemlich unfruchtbaren Ländereien zu bebauen.... Man würde gewiß nie geglaubt haben, daß Menschenfresser zu solchen Auskunftsmitteln greifen, wenn sie der Hunger quält.«
[361] Es glückte den Seefahrern nicht, über Lapérouse während dieses Aufenthaltes in Neu-Caledonien irgend einen Aufschluß zu erhalten. Einer von Jules Garnier zuerst bekannt gemachten Sage nach, sollen sich jedoch bald nach der Anwesenheit Cook's zwei große Schiffe der Nordspitze der Pinien-Insel genähert und nach dieser Boote ausgeschickt haben.
»Nach Ueberwindung des ersten Schreckens, sagt Jules Garnier in einer den Jahrbüchern der Gesellschaft für Geographie vom November 1869 einverleibten Abhandlung, kamen die Eingebornen näher an die Fremdlinge heran und verkehrten friedlich mit ihnen; sie erstaunten über deren Schätze aller Art nicht wenig, die Habgier veranlaßte sie später, sich mit Gewalt der Wiederabfahrt der französischen Seeleute zu widersetzen; durch ein wohlgezieltes Gewehrfeuer, das mehrere Eingeborne zu Boden streckte, wußten diese aber jenem Verlangen entgegenzutreten. Wenig befriedigt von einem solchen ungastlichen Empfang, entfernten sich die beiden Schiffe von hier, nach dem großen Lande zu und lösten noch einen Kanonenschuß, den die Wilden für einen Donnerschlag hielten.«
Es erscheint auffallend, daß d'Entrecasteaux bei seinem Verkehr mit den Einwohnern der Pinien-Inseln von diesen Vorfällen gar nichts gehört habe. Die Jaseln haben nur einen sehr beschränkten Umfang und wenig zahlreiche Bevölkerung. Die Einwohner müßten denn absichtlich ihr Zusammentreffen mit Laporouse geheim gehalten haben.
Hätte d'Entrecasteaux auf seiner Fahrt längs des madreporischen Riffgürtels, der den Ansturm des Wassers von der Westküste Neu-Caledoniens abhält, einen der zahlreichen Durchgänge durch jene aufgefunden, so würde er auch dort Spuren von der Anwesenheit Lapérouse's bemerkt haben, jenes aufmerksamen und kühnen Seemannes, des Wettbewerbers Cook's, der an mehreren Punkten dieser Küstenstrecke gelandet war. Ein Walfischfänger, dessen Aussagen Rienzi veröffentlichte, behauptet, in den Händen der Neu-Caledonier von der französischen Expedition, her Medaillen und ein Ludwigskreuz gesehen zu haben.
Jilles Garnier fand noch im März 1865, bei einer Reise von Numea nach Canala, im Besitz eines Eingebornen seines Gefolges einen alten verrosteten und wie im vorigen Jahrhundert gebräuchlich, ausgefransten Degen, der am Stichblatt Lilien zeigte.
Von dem Eigenthümer desselben konnte man leider nichts Anderes darüber erfahren, als daß er schon lange in dessen Besitz sei. Es ist wohl kaum anzunehmen, daß irgend ein Mitglied der Expedition den Wilden diesen Degen, und [362] noch weniger das Ludwigskreuz geschenkt habe. Wahrscheinlich erlag ein Officier bei einem Kampfe mit jenen, und so mögen diese Gegenstände in die Hände der Wilden gelangt sein.
Diese Hypothese hat wenigstens den Vorzug der Uebereinstimmung mit der von Garnier gegebenen Erklärung der offenbaren Widersprüche, welche man in der Cook'schen und d'Entrecasteaux'schen Charakterschilderung der Einwohner von Balade findet. Nach dem Ersteren besitzen dieselben alle guten Eigenschaften und sind sanft, offenherzig und friedliebend; nach dem Anderen verunzieren sie alle Fehler und sind sie Diebe, Verräther und Menschenfresser.
Sollten nicht, wie das auch Garnier annimmt, irgend welche außerordentliche Ereignisse das Verhalten dieser Wilden zwischen jenen beiden Besuchen verändert haben? Sollte es nicht zu einem Streite gekommen sein, bei dem die Europäer gezwungen wurden, von den Waffen Gebrauch zu machen? Sollten sie nicht die Anpflanzungen derselben zerstört, ihre Hütten durch Feuer vernichtet haben? Mußte man den feindseligen Empfang, den d'Entrecasteaux hier fand, nicht einem derartigen Vorfalle zuschreiben?
La Billardière sagt bei Gelegenheit der Erzählung eines Ausfluges, den er in die, die Wasserscheide der Nordspitze Neu-Caledoniens bildenden Berge machte, von denen aus man das Meer zu beiden Seiten erblickte, unter Anderem:
»Es folgten uns nur drei Eingeborne, die uns offenbar im Jahre vorher gesehen hatten, als wir längs der Westküste ihrer Insel hinsegelten, denn bevor sie uns verließen, sprachen sie noch von zwei Schiffen, die sie an jener Küste beobachtet hätten.«
La Billardière beging den Fehler, jene hierüber nicht weiter auszufragen. Jetzt weiß man nicht, ob das die Schiffe Lapérouse's oder d'Entrecasteaux' gewesen sind, welche die Wilden wahrnahmen, und ob das wirklich »ein Jahr vorher« der Fall war.
Man erkennt hieraus, wie bedauerlich es ist, daß d'Entrecasteaux seine Nachforschungen nicht mit mehr Eifer betrieb, da er sonst unbedingt die Reste seiner Landsleute auffinden mußte. Wir werden bald sehen, daß er sie hier, wenn nicht Alle, so doch einen Theil derselben lebend aufgefunden hätte.
Während dieses Aufenthaltes war Huon de Kermadec den Anfällen eines zehrenden Fiebers unterlegen, das ihn schon mehrere Monate quälte. Im Commando der »Esperance« ersetzte ihn Hesmivy d'Auribeau. Von Neu-Caledonien am 21. Floréal abgesegelt, kam d'Entrecasteaux nach und nach an den Inseln [363] Moulin, Huon und der von Neu-Jersey nur durch einen Kanal getrennten Insel Santa Cruz de Mendana vorbei, in welchem Kanal die französischen Schiffe angegriffen wurden.
Im Südosten kam eine Insel in Sicht, welche d'Entrecasteaux die »Insel de la Recherche« nannte, und welche er die »Insel de la Découverte« hätte taufen können, wenn es ihm eingefallen wäre, sich ihr weiter zu nähern. Es war das die Insel Vanikoro, das von madreporischen Klippen umschlossene Eiland, an dem Lapérouse's Fahrzeuge seinerzeit Schiffbruch litten und das damals aller Wahrscheinlichkeit nach noch ein Theil der unglücklichen Seeleute bewohnte. Unseliges Verhängniß! So nah' am Ziel zu sein und es doch zu verfehlen! Aber der Schleier, der das Los der Genossen Lapérouse's verhüllte, sollte erst nach sehr langer Zeit zerrissen werden.
Nachdem er das südliche Ende von Vera-Cruz eingehend untersucht, ohne die geringste Hindeutung auf sein ersehntes Ziel zu finden, begab d'Entrecasteaux sich nach Surville's Land der Arsaciden, dessen Südspitze er anlief; dann steuerte er nach den Küsten der Louisiaden, welche Lapérouse vom Salomons-Archipel aus hatte besuchen wollen, und nahm am 7. Prairial die Lage des Cap Délivrance auf. Dieses Cap gehört nicht zu Neu-Guinea, wie Bougainville einst annahm; es bildet vielmehr den Ausläufer einer Insel, die nach dem Namen eines der Officiere, der später der Hauptberichterstatter der Expedition werden sollte, »Insel Rossel« getauft wurde.
Nachdem er lange Zeit hindurch eine Reihe niedriger, felsiger Inseln und Untiefen, welche die Namen seiner ersten Officiere erhielten, überschifft, kreuzten die beiden Fregatten das Gestade von Neu-Guinea, in der Höhe des Cap König Wilhelm; dann wendeten sie, um in die Dampier-Meerenge einzulaufen. Nun folgte man der Nordküste Neu-Britanniens, wo man noch weiter im Norden verschiedene kleine, sehr bergige, bisher unbekannte Inseln entdeckte. Am 17. Juli befand man sich in Sicht einer kleinen Insel in der Nachbarschaft der Anachoreten.
Lange Zeit schon von Dysenterie und Scorbut ergriffen, war d'Entrecasteaux nun dem Auslöschen nahe. Erst auf die dringenden Bitten seiner Officiere entschloß er sich aber, die »Esperance« zu verlassen, um schneller nach Waigiu gelangen zu können. Bald darauf, am 20. Juli, gab er nach langem qualvollen Leiden den Geist auf.
Nach einiger Rast in Waigiu und in Bourou, wo der Resident die Franzosen sehr freundlich empfing und einzelne Einwohner noch die Erinnerung an [364] Bougainville bewahrt hatten, segelte die Expedition, erst unter Führung d'Auribeau's, der auch bald erkrankte, und dann unter der Rossel's durch die Straße von Bouton, ferner durch die von Salayer und langte am 19. October vor Surabaya an.
Hier erhielten die Theilnehmer der Expedition sehr ernste Nachrichten. Ludwig XVI. war enthauptet worden und Frankreich befand sich im Kriegszustand mit Holland und allen Mächten Europas. Obwohl die »Recherche« und die »Esperance« sehr nothwendiger Reparaturen bedurften und der Gesundheitszustand der Mannschaften eine längere Rast wünschenswerth machte, traf d'Auribeau doch alle Maßregeln, um nach Isle de France zurückzukehren, als er von der holländischen Regierung aufgehalten wurde. Die Mißhelligkeiten, welche unter den Mitgliedern der Expedition zutage traten, da dieselben sehr verschiedenen politischen Anschauungen huldigten, ließen den Gouverneur befürchten, daß es in seiner Kolonie zu unruhigen Auftritten kommen könne, und er unterwarf seine »Gefangenen« deshalb einer wirklich erniedrigenden Behandlung. Die gespannten Verhältnisse kamen zum Ausbruch, als d'Auribeau sich bemüssigt sah, die weiße Flagge zu hissen. Dem widersetzten sich La Billardière und die meisten Officiere und Gelehrten hartnäckig, worauf die holländische Behörde sie verhaften und nach verschiedenen Häfen der Kolonie vertheilen ließ.
Bei dem am 21. August 1794 erfolgten Tode d'Auribeau's wurde Rossel der Anführer der Expedition. Er bemühte sich, die während der Fahrt angesammelten Documente jeder Art nach Frankreich zu befördern; aber von einer englischen Fregatte gefangen, wurde er entgegen allem Völkerrecht beraubt, und als Frankreich endlich in Besitz der ihm gestohlenen naturwissenschaftlichen Schätze gelangte – gestohlen ist hier kein zu hartes Wort, wenn man sich der Instruction erinnert, welche die französische Regierung betreffs des Kapitäns Cook gab – waren sie in so traurigem Zustande, daß man den davon erwarteten Nutzen nicht mehr daraus ziehen konnte.
So endete diese unglückliche Fahrt. Wenn ihr Hauptziel vollständig verfehlt wurde, so hatten ihre Theilnehmer doch einige geographische Entdeckungen gemacht oder solche anderer Seefahrer vervollständigt und berichtigt, und brachten eine reiche Ernte von Erfahrungen, Beobachtungen und neuen naturwissenschaftlichen Kenntnissen, die man meist dem Gelehrten La Billardière verdankte, mit nach der Heimat zurück.
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