Der alte Pojaz spricht

Mein Kind, ich bin schon lange fern der Schminke,
gern denk ich dran, das war die bunte Zeit!
Ich gab dem Personal die letzten Winke,
dann trat ich auf; zwei Meter zwanzig breit,
auf meinem Hut sang ein Kanaripärchen,
auf Rollen zog ich nach ein kleines Licht . . .
Und doch: betracht ich mir die letzten Jährchen –
Nein! solche Purzelbäume schlug ich nicht!
Ich war gewiß mal eine dolle Nummer,
trieb meinen besten Freunden Nägel in den Bauch
und sang mir häufig meinen Liebeskummer
in einen präparierten Gartenschlauch.
Nun bin ich alt und bürgerlich geworden,
ich seh mich um, was hier zu Hause ficht,
seh mir die Leute an mit Titeln und mit Orden –
Nein! solche Purzelbäume schlug ich nicht!
Wenn ich die Ausschußpolitik betrachte,
dies Reklamiertenmundwerk – bin ich starr.
Denn, was ich auch in meiner Jugend machte:
ich war ein Clown, doch war ich niemals Narr.
Ich ließ die Pritsche und Pistole krachen,
ich tanzte manchen Wackelpolkaschritt . . .
Doch was die neuen Clowns für Sprünge machen:
Grüß Gott, mein Kind, da kann ich nicht mehr mit!

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Tucholsky, Kurt. Werke. 1916. Der alte Pojaz spricht. Der alte Pojaz spricht. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-6A9C-E