So verschieden ist es im menschlichen Leben!

Ich reiste im Traum nach Kottbus und ließ dortselbst meine Handtasche stehen. Jetzt muß ich zurückträumen und sie holen.

Willst du eine reizende Damenbekanntschaft machen? Vergiß, dich zu rasieren.

Die Militaristen irren. Es ist gar nicht die Aufgabe der Pazifisten, sie zu überzeugen – sie sollen vielmehr in einem Kampf, der kein Krieg ist, besiegt, nämlich daran gehindert werden, über fremdes, ihnen nicht gehöriges Leben zu verfügen. Man mache sie unschädlich; einzusehen brauchen sie gar nichts. Ich bin für militaristischen Pazifismus.

Die meisten berliner Theater- und Kabarett-Abende gehören dem einen oder dem andern Typus an: jüdische Hochzeit oder münchner Atelierfest.

Die Apologetik der katholischen Kirche –: das ist wie ein Luftschiff auf Rädern.

»Wozu noch Lust? Ich liebe ihn doch!« Da war sie neunzehn Jahre. »Wozu noch Liebe? Sie belustigt mich doch!« Da war er vierzig Jahre. Als sie fünfzig wurden, kam er in die zweite Jugend und liebte, wieder. Sie hatte nie aufgehört, zu lieben.

Ein boxender Buchhändler, der mäßige Vorträge über Plato hält –: kein Mensch hörte danach hin. Zieht sich aber derselbe Mann einen Kaplansrock an: dann bibbert das Publikum. Bei den Männern tauchen die alten Kinderideen von der Größe der Kirche auf, und die Damen denken: »Darf er? Er darf nicht. Tut ers? Wenn ja, mit wem? Und warum nicht mit mir?«

Wie interessant kann doch Plato sein!


Solch ein friedliches Land –! Da tragen die Polizisten noch Säbel.

Welche Hochachtung hat doch der Franzose vor der Sprache! »Il a trouvé ce mot . . . « Das Wort war vorher da, der Autor hat es nur gefunden.

Es gibt Auslandskorrespondenten, die wollen die fremden Völker, zu denen man sie geschickt hat, nicht erkennen. Sie wollen sie durchschauen.

[212] Manche Schriftsteller sammeln große Männer. »Haben Sie schon Mussolini? Ich habe ihn doppelt!«
Sie sprach so viel, daß ihre Zuhörer davon heiser wurden.
Nie geraten die Deutschen so außer sich, wie wenn sie zu sich kommen wollen.
Er besuchte alle Premieren – nicht aus Liebe zur Kunst, sondern um als erster Nein sagen zu können.
Lungenhaschee . . . das sieht aus wie: »Haben Sie das gegessen, oder werden Sie das essen?«
Zwei Kriegsminister: Churchill kann Trotzki nur verhöhnen. Aber Trotzki kann Churchill mitdenken.
Gott schuf Kluge, Dumme, ganz Dumme und Geschäftsführer der SPD-Presse.

Die Engländer werden mit ihren Arbeitslosen nicht fertig; die Franzosen quälen ihre Strafgefangenen, die männlichen in Guayana und die weiblichen in Rennes, daß es einen Hund jammern kann; die Jugoslawen quetschen mißliebigen Politikern die Fingernägel ab, die Ungarn den ihren die Hoden, und die Rumänen befassen sich liebevoll mit den gefangenen Frauen – alle, alle aber sind sich darin einig, daß das Sowjetsystem ein verrottetes System sei. So verschieden ist es im menschlichen Leben!


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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Tucholsky, Kurt. Werke. 1931. So verschieden ist es im menschlichen Leben! [2]. So verschieden ist es im menschlichen Leben! [2]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-5F04-E