[100] Inspruck

Neugestärkt bin ich wach.
Folgen mir der Kindheit Träume nach?
Drüben dort das goldne Dach.
Zwar nur klein, doch spiegelnd blank.
Alte Bilder in der Halle,
Die der Regen schon verlöscht.
Dein gedenk' ich hier mit neuer Liebe,
Maximilian, edler, deutscher Mann,
Tugendhafter Kaiser, frommer Sinn,
Und dein Jugendleben,
Dein Scherzen mit Gefahr und Tod,
Malt sich lebendig an allen diesen Felsenmauern.
Wer kennt in deutscher Zunge
[101]
Die schöne Mähr nicht von der Martinswand?
Hier ist es mir vergönnt
In treuer deutscher Kunst
Dein Grabmal anzuschaun.
Mit süßem Schmerz besuch' ich dort
Das Bild der Welserinn,
Und mit staunender Freude
Alle die erznen großen Gestalten.
Ja, dies ist ein heilger Dom
Von alten Landessagen,
Und an der Religion Heiligkeit
Lehnt sich vertraut die Geschichte,
Des Volkes Liebe, der Vorzeit Herrlichkeit,
Und Lust wie Schmerz des Lebens.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Tieck, Ludwig. Gedichte. Gedichte. Dritter Teil. Reisegedichte eines Kranken. Inspruck. Inspruck. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-542C-0