Ludwig Tieck
Prinz Zerbino
oder
Die Reise nach dem guten Geschmack
Ein deutsches Lustspiel in sechs Akten
1. Akt
1. Szene
Erste Szene
Man sagt, es sei alles nur die Anstellung eines bösen Geistes, der diesem Reiche seine Macht und Größe neidet, er will den Glanz unsres Hofes verdunkeln und auf diese Art das Oberste zuunterst kehren.
Ich mag ihr gar keinen Namen geben, denn ich mag nichts zu verantworten haben. Es ist die Krankheit, die der Größe so oft zu folgen pflegt, von der man lieber gar nicht spricht, die sich nicht beschreiben und noch weniger beurteilen läßt.
Ihro Königliche Hoheit sind jetzt damit beschäftiget, ein wenig zu ruhen. Es kann wohl bald besser werden.
Zu große Anspannung der Gehirnnerven. Wenn man den menschlichen Geist mit einer Springfeder vergleichen dürfte, so möcht' ich wohl sagen, daß die gute Königliche [309] Hoheit seinem Witze zuviel geboten hat und daß nunmehro die Elastizität darunter gelitten.
Er hätte es nicht tun sollen; es gereicht ihm zum Ruhm, sie zu beschützen, aber gleichsam aus seinem Palaste in die Philosophie und Literatur hineinzuziehn, daraus mußte sich notwendig ein solcher kläglicher Fall ergeben.
Nein, ich denke, daß wir dem wohl aus dem Wege gehn werden, daß wir umhin können. Die Diät muß das beste tun.
Sie tun noch immer zuviel mit Lesen, besonders der angreifenden Sachen. Ich habe Journale verordnet, auch einige Musenkalender, aber sie gehn mir zu sehr auf die schwere Kost, als da gibt es manche Dichter, die die Phantasie beschäftigen, das taugt nach den Umständen nun und nimmermehr.
Ja, es muß sich nunmehro bald zur Tollheit oder zur ordinären Vernunft entscheiden, so in der Schwebe hält sich's unmöglich lange mehr. Der hohe Patient fragten mich heute, welches ich für die beste Regierungsform hielte; ich merkte mir das Symptom und verspürte auch augenblicklich am Pulse eine merkliche Veränderung. Wir müssen jetzt nur in Geduld den neunten Tag abwarten.
Ja, meine Herren, er wird in diesem Augenblick abscheiden und uns und das Reich in trostlose Waisen verwandeln. Wir kriegen einen so hoffnungsvollen Kronprinzen nicht wieder, und wenn wir alle mit den Raben um die Wette lebten.
[310]Werter Herr Selinus, er hielt mich für den Herrn Hofgelehrten Leander, und das war schon gleich kein gutes Zeichen, darauf hustete er etlichemal und behauptete, die Welt sei ewig, denn die Masse wäre unvergänglich. Ich erschrak und führte ihm zu Gemüt, daß der Jüngste Tag die schönste Widerlegung sei, um ihn nur wieder auf den rechten Weg zu lenken, da warf er mir aber ein, daß der Ätna viel leichter den ganzen Philosophen Empedokles habe verdauen können als dessen Schuhe, und darauf wußt' ich denn freilich nichts zu antworten.
Wenn Sie sonst nichts schuldig blieben, Herr Kammerherr, so könnten Sie immer noch der angesehenste Mann bei Hofe sein, aber ich sprach letzthin einige Kaufleute, die mir sagten, daß Sie ihnen keine einzige ihrer Fragen gehörig beantwortet hätten, sondern immer im Vordersatze wären steckengeblieben.
Ich behaupte in meinem Leben nicht das mindeste, es müßte denn etwa der Satz sein, daß die Aufklärung der Menschheit ungemein zuträglich sei.
O mit Passion. Ob ich sie liebe? Wer wär' ich, wenn ich mich nicht für die Aufklärung totschlagen ließe? Nein, ich habe einen wahren Narren daran gefressen, um mich populär, verständlich und zugleich sprichwörtlich auszudrücken.
O mein Herr, man sucht manchmal nicht in den Leuten, was in ihnen steckt, es kommt auch an unsereins die Reihe, ich bin ja auch ein Mitglied in Ihrem Lesezirkel.
Ach lieber Freund, da fassen Sie mich bei meiner schwachen Seite. Herzlich gern mag ich all das Zeug durcheinander leiden.
Nun ja, da haben wir die Bescherung. Die Königliche Hoheit ist mit genauer Not dem Tode entgangen, und daran sind bloß Sie schuld, Herr Hofrat.
Läßt sich mit dem Patienten in einen tiefsinnigen philosophischen Diskurs ein und macht meine ganze Kur beinahe wieder zunichte.
Soll er denn aber gar nicht vernünftig sprechen dürfen? So wär' es ja fast besser, er würde gar nicht kuriert.
Durchaus nicht, auch nicht an die Schwärmerei, an nichts von der Art, derowegen les' ich ihm auch oft aus der blauen Monatsschrift vor.
Keine Wirklichkeit? Nun hören Sie einmal, meine Herren! Keine Wirklichkeit? O so müßte ja der Donner dreinschlagen, wenn es nicht einmal eine Wirklichkeit geben sollte? Und was wär' denn ich und diese Herren und der König und der Hof und der Hofgelehrte und unsre königliche Bibliothek und der Teufel und seine Großmutter?
Sie mögen selbst ein Phantast sein. O mein Herr Hofrat, erlauben Sie mir wohl, daß ich Ihnen meine aufrichtige Meinung als ein Freund, als Ihr Verwandter und Schwager sagen darf?
Man sieht es Ihnen, dünkt mich, immer noch an, daß Sie ehemals als ein Narr gedient haben. Der alte Spruch hat wohl recht, der da sagt: Und wenn du den Narren in einem [312] Mörser zerstießest, ja, wenn du ihn zum Hofrat machtest, so ließe er doch von seiner Narrheit nicht.
Mein Herr Doktor, ich muß die Ehre haben, Ihnen zu sagen, daß ich das äußerst übelnehme. Sonst bin ich nicht empfindlich, aber in dem Punkt kommen Sie mir an die Seele. Ich bin ein Narr gewesen, das ist wahr, aber die Zeiten sind gottlob vorbei. Sehen Sie dieses graue Haupt, sehen Sie dies Kreuz, das mir des Königs Gnade hat zukommen lassen; sehen Sie in mir den ehrwürdigen deutschen Hausvater einer zahlreichen Familie vor sich, und dann unterstehen Sie sich noch zu sagen, daß ich ein Narr bin! Mein Herr, ein Mann, der dreimal das hitzige Fieber überstanden hat; mein Herr, ein Mann, der mit dem Könige so vertraut ist – der ein Narr! Das Wort sollen Sie mir teuer bezahlen. Des Königs Majestät hat mich zum Stande eines Hofrats erhoben und dadurch gleichsam bestimmt ausgedrückt: Der Mann hier soll, so weit meine Länder reichen, durchaus für keinen Narren gehalten werden! Auswärts mag man von ihm denken, was man will. – So weit werden sich hoffentlich die Regalien eines Throns noch erstrecken, Narren zu kreieren, Ihnen zum Trotz, und wenn Sie der ausgemachteste Demokrat wären.
Und Injurien gegen mich. – Nun, ich hoffe, die Revolution soll noch zur rechten Zeit entdeckt werden.
Ich habe hier ein Buch geschrieben, das ich ihm dedizieren und vorlesen möchte. Es ist ganz eigen für seinen Zustand eingerichtet.
GRUNDSÄTZE DER KRITIK und ist in zwei Bänden abgefaßt. Es soll dazu dienen, die gespannte Phantasie wieder etwas herabzustimmen, den Verstand aufzuklären, indem wir das Unförmliche einsehn, und uns so in der Poesie unvermerkt zum Klassischen und Vollendeten zu führen.
Man sollte den Prinzen schnell aufwecken, damit man ihn in den Schlaf lesen könnte, so kam' er doch zur Ruhe.
Aber in der Tat, wenn diese Grundsätze offizinell abgefaßt sind, so könnten sie vielleicht von einigem Nutzen sein.
Es ist alles sehr schön eingeteilt, und schon das zerstreut nach meiner Meinung das Gemüt außerordentlich.
Die Vorrede, den Hechtkopf, in dem sich Kreuz und Schwert und Dornenkrone befinden, lese ich von keinem Buche, ebensowenig das Mittelstück oder das eigentliche Buch, aber eine unbeschreibliche Freude macht es mir, wenn ich das Schwanzstück genieße und eine so schone Anzahl von Wörtern alphabetisch rangiert antreffe.
Er weiß im Grunde nicht, was Wirkung und Beobachten auf sich haben. Wie leichtsinnig die Menschen gemeinhin mit den schönsten Wörtern umgehn! Es fehlt nicht [314] viel, so gehe ich auch hinein, um einen Zuhörer abzugeben; denn was hab' ich jetzt gerade Besseres zu tun? Man sollte wahrhaftig daran zweifeln lernen, ob die Sprache auch für uns Menschen erfunden sei, denn aus dem schönen Lomber machen sie ein ungeschicktes Hasardspiel, von den Schikanen wissen die meisten gar nichts, und die Bêtes wachsen unter ihren plumpen Fingern so an, daß sie am Ende Verstand und Scharfsinn unbesehen in den Kauf geben müssen, um nicht völlig insolvent zu sein. Und darum glaub' ich auch, daß das sogenannte Sprechen ein schönes Ding unter vornehmern Wesen war und daß die Menschen nur einige ihrer Redensarten im Auskehricht gefunden haben. Dieser Hofgelehrte ist eine Art von Gelehrten, und er war ein ganz guter Mann, als er noch etwas dummer war, aber der verderbliche Scharfsinn hat ihn nun gänzlich hingeopfert, denn er kann nun nicht drei mal drei zusammenrechnen, ohne an die neun Musen, ein Spiel Kegel und die vollkommenste Zahl des Pythagoras zu denken, und weil ihm alles zugleich einfällt, so ist er des Glaubens, diese Begebenheit müßte auch in sich selbst zusammenhängen.
Oh, Sie sind allzugütig. Hanswurst ab. Es muß untersucht werden, ehe es noch ärger wird. Warum sollt' ich mit einem Schaden behaftet sein und nicht lieber in Zeiten dazutun als gelassen zusehn, wie das Übel immer weiter um sich greift? Die Vernunft, sehe ich wohl, rät mir selber zu diesem Schritt, und darum will ich mich auch nicht dagegen sträuben.
Ich bin des Prinzen Bedienter, ich bin viel um ihn, und mir ist immer, als wenn ich schon so etwas Ähnliches spüre.
Gestern, Herr Doktor, wollte mir die Zeitung gar nicht gefallen, ich weiß nicht, wie es kam, ans meiner frühen Jugend fielen mir allerhand Sachen ein, und eh' ich mich versah, hatt' ich wieder den alten Respekt vor dem Epaminondas, ja sogar vor dem römischen Brutus.
Noch mehr; ich fing an mit einer gewissen poetischen Ehrfurcht an meine Unsterblichkeit zu denken, und als ich Sie um dieselbe Zeit beweisen hörte, daß alle moralischen Gebrechen und großen Tugenden nur physische Krankheit und Gesundheit zu nennen wären, so kam mir das dumm und abgeschmackt vor.
Ei, mein Freund, wo hat Er denn diesen gefährlichen Wahnsinn aufgegriffen? Zeig Er einmal seinen Puls.
Hier, Ihnen aufzuwarten. – Nun, sehn Sie, Herr Doktor, fürchte ich immer, könnte es gar so weit mit mir kommen, daß ich die Verachtung gegen Cäsar und Alexander den Großen verlöre, oder ich geriete vielleicht gar ins Delirium und liebte die Religion – und, Herr Doktor, dann getrauete ich mir doch nicht mehr gegen einen ehrlichen Mann die Augen aufzuschlagen.
Er hat recht, mein Freund, dem muß eiligst vorgebaut werden, sonst geht Er drauf. – Wenn es wirklich eine ansteckende Seuche wäre! Ich habe seit einiger Zeit einige Debilitäten an meiner eigenen Vernunft bemerkt, dann der Hofrat; – komm Er, mein Freund, ich will Ihm eiligst etwas verschreiben. Es wäre doch schade um diesen angenehmen Hof. Sie gehn.
2. Szene
[316] Zweite Szene
Willst du denn gern die Schwerenot kriegen, Kerl, daß dir der Hut nie ordentlich sitzt? – Er schlägt ihn.
Nein, versteht mich, Gevatter, das Dingsda muß sein, wenn die Staaten in ihrer gehörigen Ordnung bestehn bleiben sollen.
Ja, wie Ihr's versteht. Wenn Euch der Stock so zwischen den Rippen präludierte, würdet Ihr's schon anders meinen.
Aber, Gevatter, so seid doch nur in Henkers Namen ein Patriot und besinnt Euch, daß es nicht anders sein kann.
Wer ein rechtschaffener Patriot ist, seht Ihr, der muß das zugeben, das hängt alles mit dem großen Gleichgewicht zusammen.
Ich habe verwichene Nacht daran gedacht, ob man nicht lieber an der Mütze noch einen Püschel befestigte?
Nun, das ist mir lieb, ich hab's gern, wenn meine Regierung hübsch in der Ordnung bleibt. – Jetzt die Parole.
Die Parole ist gleichsam, – nun, als wenn Ihr so sagen wolltet; – Ihr müßt mich nur recht verstehn, – wenn ich nun die Parole – – nun, dummer Teufel, stellt Euch nicht so an, Ihr werdet ja wohl wissen, was die Parole ist.
Gut und unentbehrlich! – Das ganze Land wird dadurch glücklich, – die Sicherheit, – wenn Ihr wißt, was Ordnung heißt. –
Nun, und warum soll ich denn da mit meinem Wagen nicht heranfahren? Darf denn der arme Bauerstand nichts davon abkriegen?
Beileibe nicht, denn das ist ganz allein für die Soldaten. Der Soldatenstand, seht Ihr, lebt davon fast ganz allein.
Delikat; seht, ihr Herren, bei mir werden sie überaus sehr gebaut, da wir nichts von der Parole genießen, müssen wir uns auf die Rüben legen. – Kauft Rüben! Rüben!
3. Szene
Dritte Szene
Kein Wort mehr, kein Wort mehr; – das ist ärger als Arsenik. Diese Einteilungen, die wie mit Schießpulver gesprengt sind, verrücken mir erst ganz den Kopf.
Das ist denn was anders. Freilich ist die Gewohnheit wie ein überwachter Gelehrter, der bei seiner Öllampe gar nicht bemerkt, wenn der herrliche Morgen wieder heranbricht.
Warum wollen Sie einer armen Metapher nicht die Wahrheit gönnen? Es ist ja das wenigste, was sie haben kann.
Das Leben eines solchen poetischen Bildes ist ein armes, sehr kurzes Leben, mit dem man etwas mehr Mitleid haben sollte. Es entsteht und vergeht, ohne gewürdigt, ja fast ohne bemerkt zu werden, man rangiert es höchstens wie die Blumen in Register, wie auch unser Herr Leander hier getan hat, und doch, mein Prinz, ist eine einzige Blume mehr wert, als zwanzig, ja hundert solcher Register.
Weil ich den Grundsätzen und dem Zusammenhange zu Gefallen die Lücken mit Abgeschmacktheiten würde füllen müssen, und da dergleichen gegen meine Grundsätze läuft, so nenne ich es eine Sünde gegen die Grundsätze.
Wie man's nimmt, aber es kommt mir auf keinen einzigen Namen an, und darum will ich mich auch gegen diesen nicht wehren.
So sind wir beide auf die Art die einzigen Klugen; du, indem du vernünftig bist, ich, indem ich das Geschick habe, deine Vernunft zu bemerken.
Weil – indem – wenn es mir erlaubt wäre, wollte ich mich doch erst auf einige Zeit nach Hause verfügen, um da zu Papier meine wichtigsten Einwürfe zu verfassen und nachher das Konzept ins reine zu schreiben. –
Die Natur hat ihn wie seinesgleichen, selbst nur so aufs Konzept hingeworfen; er ist eins von den falschen Worten, das sie auszustreichen vergessen hat, und darum zerbrechen wir uns nun über dem Zusammenhang unnützerweise den Kopf.
Hahaha! – O das könnte einen so gesund wie einen Fisch machen, wenn man immer in dem Humor bleiben könnte.
Wenn man nur immer die Courage behielte, aber so läßt man sich gar zu leicht von der Altklugheit, dieser französischen Mamsell herausweisen und läuft der Dummheit in die Arme, um bei den Dummen nur für verständig zu gelten.
Ein Wesen, das allenthalben und nirgends [320] wohnt, weil, wenn die Nachfrage umgeht, jeder Wirt diesen Mietsmann verleugnet. In der Putzstube wird er gepflegt und gehätschelt, in den Armen des Richters, des Fürsten, des Ministers, des Schulmeisters, des Tabakrauchers liegt er wie Johannes zärtlich am Herzen, und keiner ließe ihn sich nehmen, eher das Leben. Mit Bändern wird er aufgeputzt, in Saffian eingebunden und in die Bibliotheken gestellt, für die Geliebte, oft für den Sohn ausgegeben, selten oder nie gegen den Verstand ausgetauscht.
Die Ursache ist ganz simpel folgende. Als die Erde fertig war, sagten die Engel untereinander: Aber, lieber Himmel, was soll nun das arme Menschengeschlecht anfangen? Da es sterben muß, wird es sich ewig vor dem Tode fürchten, da Krankheiten, Plagen und Schmerzen tausend offne Tore am Körper finden, werden sie keine Minute ruhig sein, nun haben sie gar vom Baum des Erkenntnisses genascht, die Augen sind ihnen so sehr aufgegangen, daß sie ihnen übergingen, sie haben die unglückselige Vernunft erwischt, sind aus dem Paradiese gejagt und laufen nun in ihren Pelzen hin und her und wissen nicht, wie sie sich die Zeit vertreiben sollen, dieselbe Zeit, die sie gerne festhalten möchten, um spät und immer später dem unvermeidlichen Grabe überliefert zu werden. – Da die Engel sich so unterredeten und alles überlegten, fingen die meisten vor Mitleid an zu weinen. – Einer unter ihnen, der der weichherzigste war, verfiel endlich auf ein Mittel.
Im Paradiese lag eine Art von Küchengarten hinter dem eigentlichen Park, der bloß für die Tiere angelegt war. Denn hier wuchs unter ändern Kräutern auf mancherlei Art die Dummheit, die diese unschuldigen Erdbürger so liebenswürdig macht. Hierher verfügte sich der Engel mit seiner Frau, denn alles stand in der schönsten Blüte; sie sammelten die Frucht, die wie Baumwolle wuchs, und drehten sie zu einer niedlichen Puppe zusammen. Diese nahm der gutherzige Engel unter seinen Mantel und ging damit zu den Menschen. Sie saßen gerade bei Tische und erzählten sich bei der Suppe ihren kläglichen Fall. »Seid ruhig«, rief der Engel aus, »denn ich bringe hier euren Trost. Was ihr gegessen habt, war ein Apfel, der Baumflecke hatte, und darum seid ihr dumm geworden und haltet das in der Verblendung [321] für euren Verstand. Seht, hier bring' ich euch den wahren Verstand, die tugendreiche Weisheit«, indem er den Wulst mit Feierlichkeit hervornahm, »hebt den Schatz gut auf, denn nur dadurch seid ihr die edelste Kreatur auf Erden. Glaubt alles, was dieser Prophet euch sagen wird.«- Die Wirkung des Geschenks äußerte sich bald, denn die Menschen glaubten dem Engel. – »Hütet euch«, fuhr der himmlische Gesandtschafter fort, »daß ihr euch diese vortreffliche Baumwolle nicht wieder ablocken laßt, denn unter allerhand Gestalten werden Spione herumgehn, besonders wird man den Kniff gebrauchen und euch weismachen wollen, dies Wesen sei die Dummheit; aber glaubt keinem, der umgeht und nach der Dummheit fragt, denn er sucht nur die Weisheit.« – Der Engel ging fort. – Und daher kommen die seltsamen Antworten, wenn, man in aller Unschuld einen guten Freund fragt: »Freund, wohnt hier nicht Dummheit?« – Sogleich ertönt es: »Herr, für wen seht Ihr mich an? Wollt Ihr einen Esel aus mir machen? – Ihr mögt wohl selbst dumm sein.« – Und auf die Art ist die sonst unbegreifliche Verleugnung entstanden.
Herr Doktor, durch den Hofrat wird das Übel immer ärger; er trägt orientalischen Schwulst vor und vermehrt dadurch den Krankheitsstoff.
Mein Herr, es ist nichts weiter, als daß mich der Prinz angesteckt hat, und darum habe ich mich zu beklagen.
Du bist noch immer krank? – Es ist hart, wenn man die Regierungssorgen hat und noch obendrein einen kranken Sohn. – Aber seht doch die Schliffel von Hofleuten, die da im Winkel sitzen und schlafen. – Er zieht sie nach der Reihe bei den Ohren. Heißt das Hofdienst haben, ihr Schlafmützen ihr? Seid ihr dazu Kammerjunker?
[322]Nun, so lies auch vor, das ist der kürzeste Weg. Hier, mein Sohn, hab' ich einen fremden Doktor mitgebracht; nun, ich denke, es soll denn doch bald besser mit dir werden.
Ihren Puls, mein Prinz. – Schlimm, sehr schlimm, – es kann alles noch gut werden. – Ei, ei, – so schlimm hätt' ich's mir nicht gedacht. – Nun, es hat bei alledem nicht viel zu bedeuten.
Ich habe ihn zur Vernunft zurückbringen wollen, und deshalb, mein König, trage ich darauf an, daß der Hofrat von ihm entfernt werde, denn der erhitzt seine Phantasie immer mehr.
Gerade umgekehrt, denn seine Phantasie soll und muß erhitzt werden; man muß der Natur, die sich zur Tollheit neigt, nachhelfen, damit die Materia peccans zum Durchbruche komme. Gesundheit und Verstand sind nichts als das Gleichgewicht im Körper und in der Seele; man muß das Übel austoben lassen, so stellt sich das Gleichgewicht von selbst wieder her. Darum sollen der Herr Hofrat Ihre Gesellschaft bleiben, mein Prinz, und die übrigen vernünftigen Leute sich von Ihnen entfernen.
Und genieren Sie sich nur nicht, mein Prinz, wenn Sie den Anfall kriegen, denn da hilft doch kein Sperren; sein Sie nicht zu sparsam mit Rasen, denn es kann nun doch nicht anders werden, und Sie Herr Hofrat; – nur immer zugeschürt und nachgeschoben – darum bitte ich inständigst. –
Das lernt sich ebenso schnell wie Mäusefangen, es liegt uns in der Natur. Er ist bei alledem immer ein würdiger alter Mann. – Komm, wir wollen in dem Garten spazierengehn. – Sie gehn ab.
Man kennt seine Frau und Kinder nicht, man weiß nicht, wieviel Geld er verzehrt, man hat gleich mehr Zutrauen zu ihm.
4. Szene
Vierte Szene
2. Akt
1. Szene
Erste Szene
Es ist nur gut dabei, daß er's selbst bei Zeiten merkte und die Regierung seinem großen Sohne oder Schwiegersohne, unserm allergnädigsten Gottlieb, überließ.
Es war die höchste Zeit, es war schon so weit mit ihm gekommen, daß er alles lesen wollte, was er unterschreiben mußte.
Die alte Beschäftigung: Ihre Majestät geruhen, noch immer auf mancherlei Weise mit diesen bleiernen Soldaten zu spielen.
Aber was soll denn daraus werden? Ich kann es doch nicht begreifen, daß er dessen nicht überdrüssig wird.
Es wird im Gegenteil mit jedem Tage schlimmer; bald zählt er sie ab, bald müssen die Regimenter wechseln, bald wirft er mit kleinen Kugeln darunter und freut sich, wenn diejenigen umfallen, die er nicht leiden kann. So hat er auch wieder einige, die seine Lieblinge sind, diese zieht er bei allen Gelegenheiten vor und setzt sie über die ändern; er hat ein ganz besonderes Vertrauen zu ihnen.
Nun, der Kerl sieht hübsch genug aus, das ist wohl wahr, aber darum sollte ein alter Mann doch nicht so kindisch sein.
Ansehnliche Leute dienen darunter, lieber Herr Sohn, Leute, vor denen ich eine ordentliche Ehrfurcht habe.
Ei wieso? Wer kann gleich sagen, warum, aus welcher Ursache mau Ehrfurcht vor jemand hat! Man hat gewöhnlich Ehrfurcht ohne alle Gründe, denn verstehn Sie mich, es wär' sonst gar nicht die wahre Ehrfurcht mehr.
Wie man's nimmt, Herr Sohn. Jedes Spiel ist eigentlich ein Kinderspiel, und was treiben wir denn wohl ernsthaft?
Es ist schade um den schönen Verstand, den er sonst wohl hatte; jetzt spricht er nichts als wunderliches Zeug.
Wenn ich für die Armee hier ernsthaft sorge, so ist es kein Spiel mehr, denn so denk' ich mir mehr hinzu, als man bei einem Spiele zu tun pflegt.
Seht ihr, Leute, so werden doch endlich alle Kabalen zuschanden gemacht, das Verdienst steigt, wenn auch noch so spät, es muß nur die Geduld nicht verlieren.
Ich vergaß mich selbst. – Ja, es ist wirklich schlimm, daß ich jetzt niemals meine Gedanken bemeistern kann; das Alter hat meinem Geiste übel mitgespielt, alle meine Seelenfähigkeiten sind vom Roste angefressen. Nun, man kann nicht immer jung bleiben.
Als Er so mit den Zahlen und Planeten – ja, jetzt bin ich für solche ernsthafte Kost zu schwach. – Ich habe leider den Wissenschaften ganz entsagen müssen.
Ihr müßt Geduld mit mir haben, meine Freunde, denn es läßt sich nun einmal nicht ändern, da es die kindische Schwäche meines Alters ist. – Nun wollen wir also die Generäle zusammenstellen und ein Schicksal machen.
Ja, ich zähle immer fünfzehn ab, und wen die Zahl fünfzehn trifft, bei dem bedeutet's, daß er tot ist, und sodann immer weiter.
Das könntest du aber auch bei jeder andern Zahl fragen. – Zählt. Zwölf, dreizehn, vierzehn, fünfzehn – hier, dieser Husar ist tot; fahr fort, Leander.
Ich weiß nicht, ich habe heut einen sehr schlimmen Tag. – Fahrt fort zu zählen und spielt das Schicksal weiter, wir wollen sehn, wer zuletzt übrigbleibt.
2. Szene
Zweite Szene
Gottlob, mir fehlt eben nichts. – Die Geschäfte dienen manchmal sehr zur Verbesserung unsres Leibes- und Seelenzustandes.
Warum das, lieber Hofrat? Ich glaube, ein jeder Mensch müsse seine gehörigen Geschäfte haben, so würden wir alle zufrieden sein.
Das wahre Unglück ist, daß er ein Prinz ist, denn für einen Untertan wäre diese Krankheit fast gar nicht schädlich.
Als Untertan würde er irgendeine Beschäftigung suchen, in die er seine Tollheit einwickelte, so daß ihm, auf diese Art amalgamiert oder verquickt, weder Tollheit noch Beschäftigung sonderlichen Schaden brächte.
Er würde vielleicht ein Gelehrter werden und sonderliche Sachen in sich entdecken, von denen er dann eine Landkarte herausgäbe, um auch andere von diesem Amerika zu überzeugen.
Dann wäre ihm Terra incognita eine wahre Terra incognita, und er wäre glücklich; denn wenn auch Neu-Holland und der ganze fünfte Weltteil mangelten, so würde er doch darauf schwören, den heiligsten Eid, den man auf der Bibel nur ableisten kann, daß es der Erde nicht möglich sei, mehr Erde zu haben.
Eine sehr wahre und ebenso feine Bemerkung! – Nun geht er also als Prinz darauf aus, Verstand zu haben, statt daß es ihm wie dem Cyrus oder Kyrus, Cores in einem ähnlichen Falle genügen sollte, Leute zu beherrschen, die Verstand hätten.
Nein, im Ernst, diese Belesenheit, diese – wie soll ich sagen –, diese Geschicklichkeit, die Gesinnungen des andern zu erraten – nein, in der Tat, ich bin jederzeit charmiert davon.
Man verwöhnt sich nur in der Welt, daß man so viel mit sich allein sprechen muß, und darunter habe ich auch gelitten.
Ich muß wohl; wenn man viel in Gesellschaften ist und geht mit Leuten freundschaftlich um, so währt's nicht lange, so wollen alle etwas haben, und das ist mir äußerst fatal. Ich habe noch keinen uninteressierten Freund gefunden.
Die Menschen, lieber Hofrat, sind alle Egoisten, glauben Sie mir auf mein Wort. Darum liebe ich die Einsamkeit ungemein. Und dann bin ich in Gesellschaften immer etwas geniert.
Warum das? Sie haben doch mehr Geld, mehr Jahre und mehr Titel als die meisten? Sie tragen einen Orden und sind überdies noch ziemlich korpulent.
Alle diese meine Gaben und himmlischen Geschenke wollen demungeachtet nichts verfangen. Sehn Sie, es ist schon eine geraume Zeit her, daß ich meinen ehemaligen niedrigen Stand verlassen habe, – aber doch –
Doch ergreift mich manchmal eine gewisse Blödigkeit, die ich Ihnen gar nicht beschreiben kann. Es ist wahr, ich bin durch meine Tugenden gestiegen, aber es ist zuweilen ordentlich, als wenn ich mich meines Adels schämte. Und dann die verteufelte naturhistorische Merkwürdigkeit, die ich in mir habe –
Ich meine das verzweifelte sogenannte Spinnen, jenes Knurren, welches ich bei manchen Gelegenheiten durchaus nicht unterdrücken kann. Zum Exempel, wenn ein schöner Braten aufgetragen wird oder wenn mir jemand eine Schmeichelei sagt und so weiter. Sehn Sie, dann schäm' ich mich so sehr und komme so sehr in Verlegenheit – oh, es ist erstaunlich wahr; Naturam expellas furca, tamen usque recurret.
Ich habe schon viel Medizin dagegen eingenommen, aber es ist ein alter Schaden, der wohl erst mit meinem Tode aufhören wird.
Daß ich nicht zu sagen wüßte; es ist mir im Gegenteil dann sehr wohl in meiner Haut, und ich glaube, gerade so wie ich knurren muß, müssen andre Personen in diesem Zustande Verse machen, und so ist diese Krankheit bei mir nichts weiter als ein Gedicht beim Hasenbraten, das nur aus dem Pelze nicht heraus kann.
Mäßigen Sie sich, mein Lieber, in Ihrer etwas freien Denkungsart. – Unter uns hat es freilich nichts zu bedeuten, es könnte aber doch, wenn andre zugegen wären –
Mir wird wahrlich den ganzen Abend nichts anders einfallen als die Zahl Fünfzehn, so erbärmlich ist mir zumute.
Ich kann, glaub' ich, nicht mehr in gehöriger Ordnung bis fünfzehn zählen, so oft hab' ich's tun müssen.
Und dabei die verfluchten Namen; – der eine Kerl heißt Maximilian, der andre Sebastian; – und das alles muß man behalten, wenn man mit ihm spielt.
Wir wollen uns immer setzen, die Gesellschaft wird bald versammelt sein. – Da ist ja auch unser witziger Kopf.
Nun, meine Herren? – Wohl, meine Herren; – ich hoffe, nun ist schon Gelehrsamkeit genug hier, um eine gelehrte Gesellschaft formieren zu dürfen.
Exzellent! In der Tat exzellent. – Aber wissen Sie wohl, meine Herren, daß heute der Stiftungstag ist?
O ja, und darum sollte man auch Gedichte ablesen und dem Herrn Minister zu Ehren Feuerwerke abbrennen, [336] weil er den ersten Grundstein zu dieser Gesellschaft legte, ich meine, die erste Idee dazu hergab.
Guten Abend, allerseits hochzuverehrende Herren; ich wundere mich darüber, daß die Lichter noch nicht brennen.
So ist Ihre Überzeugung ein geschliffenes Schwert, das Sie nicht so oft aus der Scheide ziehen sollten.
O dürften nur gewisse Scherzreden in der gesitteten Welt abgeschafft werden, so wie man beim Niesen nicht mehr Gott hilf! sagt. – Es war eine gute Zeit, als Noah unter seinen Söhnen zuerst diesen Familienspaß beim Lichteranzünden am Sabbatabend erfand, da war es noch wohlfeil, neu zu sein, aber nun haben sich von den Zeitaltern die goldnen und silbernen Tressen abgetragen, und die Fäden des Tuchs sind gar zu leicht zu sehn.
[337]Warum sind Sie nicht traurig? – Es ist alles freilich nur, daß wir etwas sprechen; indessen befördert das doch immer die gelehrte Gesellschaft, und diese Gesellschaft trägt wieder zur allgemeinen Bildung bei.
Aber setzen wir uns doch, meine Herren. Alle setzen sich. Herr Hofrat, Sie sind ja wohl für diesen Monat unser Präsident oder Befehlshaber.
Es wurde neulich die Frage aufgeworfen, wodurch der Mensch wohl am gewissesten zum Glücke gelangen könne, und ich antwortete hierauf, ohne mich lange zu besinnen: durch die Tugend. – Denn es scheint mir einleuchtend zu sein, daß die Tugend bloß dazu da sei, den Menschen vollkommen glücklich zu machen, weil wir sonst an einer großen und weisen Vorsehung zu zweifeln Ursach' fänden. Es wäre gleichsam ein Widerspruch, wenn wir diesen unwiderstehlichen Trieb zur Tugend in uns spürten und die Tugend uns demungeachtet nicht glücklicher machte.
Ei, mein lieber Hofrat, so wären Sie eine Ausnahme von der ganzen menschlichen Natur, und das will ich doch nicht hoffen.
Nein, Hofrat, ich zweifle gern selber manchmal in müßigen Stunden, aber da geht Ihr denn doch zu weit. Nein, die Tugend müßt Ihr stehnlassen, denn Ihr müßt wissen, die Tugend ist kein leerer Name, ein Satz, den sogar schon die Heiden zugegeben haben.
An der Wirklichkeit? – Laßt mich das Ding mal etwas näher besehn, – an der ordentlichen, – zweckmäßigen, – an der eigentlichen Wirklichkeit?
Nein, Freund, ernsthaft gesprochen, das ist exzentrisch, das geht zu weit. Es gibt so tausend Dinge, über die man sich wohl einmal einen artigen Zweifel erlauben darf, aber bei dem allerausgemachtesten –
Es tut mir ordentlich am Herzen weh, wenn man mir das wegleugnen will, was mir das Liebste auf der Welt ist.
Alles wird zerstört. – Jeder ist in Lebensgefahr. – Die Religion hält dann nicht mehr Stich. – Alles wird Aufruhr, und Staaten und Throne fallen von selbst um. – Die Ordnung stirbt.
War nicht viel Größe in den Gesinnungen, meine Herren? – Gewiß! – Aber ich empfehle mich, denn es ist schon spät. Geht.
Das Gedicht war erbärmlich, denn Gründlichkeit in den Bildern und Allusionen fehlten gänzlich. Die Diktion war nicht korrekt genug, und es hatte dem Himmel auch nicht gefallen, daß sich alle Reime mit dem Verstande reimen sollten. Ab.
Ennuyant ist der Minister, aber sonst ein guter Herr. Sein Witz spielt etwas ins Erbärmliche, aber seine Art, sich auszudrücken, hat immer etwas Gutmütiges. Geht.
Mir scheint Herr Lysippus jetzt an einem Katarrh zu laborieren, der ihm in die Lebensgeister zurückgetreten ist. Ab.
Erbärmliche Sitten und Lebensarten hat doch so ein Arzt; ich empfehle mich Ihrer Gewogenheit, Herr Simonides. Ab.
In acht Tagen ist wieder die Sitzung, ich bin recht begierig darauf. Wenn sich nur das Hofgeschmeiß nicht unter gebildete Menschen eindrängen wollte. Ab.
Und die Rosen wollen auch nicht viel bedeuten. – Aber, Caspar, warum kriechst du denn da unter dem Tisch herum?
O Narr, das Kartenspielen kommt nunmehr unter vernünftigen Leuten aus der Mode, jetzt ist man gebildet und vertreibt sich mit Vernunft die Zeit und die Grillen. – Höchstens wirst du da unten ein paar philosophische Ideen erjagen.
Damit wäre mir nun durchaus nicht gedient. Er steht auf. Was kratzt denn da so an der Tür? – Ei, sieh da, Stallmeister!
Auf dem Stuhl da hat gewiß der Kater gesessen. – Wenn er Minister ist, warum sollt' ich nicht irgendeinmal Hofmarschall werden können? – Mein Herr, der Prinz, ist krank und klug; das ganze Reich kommt durch zuviel Witz in Verwirrung. – Ich will mich hier auf dem Sofa niederlegen und recht bequem bis morgen ausschlafen. –
3. Szene
Dritte Szene
4. Szene
Vierte Szene
Ich weiß nicht, – ob ich mich irre, – aber ich höre schon seit so langem ein Gepolter im Saale, – ob Sie wohl gestern abend ein gelehrtes Mitglied sollten eingesperrt haben? – Da geht's schon wieder los. Er sucht den Schlüssel. – Gleich, gleich, mein hochgeehrter Herr – gleich. Er schließt auf, Stallmeister springt heraus. – Sieh da, wo kommst du denn her?
5. Szene
Fünfte Szene
So kann man noch zugleich in die freie Landschaft hineinsehn. – O wie wohl tut einem der ruhige Abend. –
Das Rädchen
Dreht munter
Das Fädchen
Hinunter:
Wo weilst du,
O Lieber,
[346] Was eilst du
Fernüber?
Und sinn' ich tagelang,
Und spinn' ich wochenlang.
Bist du mein einz'ger Gedank'. –
Bald seh' ich Seen,
Wenn's Rädchen surrt.
So wie es schnurrt,
Erscheinen Feen.
Und er geleitet,
Ist unter ihnen:
Wie stolz er schreitet!
Ihm Geister dienen.
Dann fliegt er fröhlich
Durch Abendröte,
Es tönt so selig
Die Schäferflöte:
Dann wünsch' ich Schwingen,
Zu ihm zu fliegen,
Aufwärts zu springen,
In Wolken die Flügel zu wiegen.
Ja, wer das könnte! – O Seligkeit der Lerchen, wie oft hab' ich euch schon um eure Luft beneidet! Wir müssen langsam einen Fuß nach dem andern setzen, so machen wir Schritte und kommen doch nicht weit. – O Cleon, daß ich immer an dich denke. – Oft schäm' ich mich, und werde doch böse, wenn ich es einmal lassen will.
Ihr seid arm, wie ich vermute, wenigstens nicht reich, ich habe mehr, als ich brauche; – nehmt und laßt mich in dieser stillen friedlichen Gegend, in Eurer lieben Nähe wohnen. Ich bin ein Mensch, dem alles in der Welt mißlungen ist, der keinen Freund gefunden hat: Seid Ihr mein Freund. – Was sagt Ihr? Ich will Euch nicht beschwerlich sein, ich will mich in Eure Lebensart einlernen.
Nur bis Cleon zurückkommt. – Seht, ich will Euch wohl aufnehmen, Herr, aber nur auf kurze Zeit. Ich habe hier noch ein kleines eingerichtetes Haus, das künftig meiner Tochter und ihrem Manne gehören sollte, wenn Euch das recht ist, so mögt Ihr hineinziehn. Aber, wie gesagt, auf lange kann ich Euch vielleicht nicht beherbergen. – Wollt Ihr's in Augenschein nehmen? Sie gehn ab.
6. Szene
[350] Sechste Szene
Je, nämlich durch mich, ich hin expreß dazu ausgesucht unter vielen andern, die nicht den Verstand hatten, einen Expressen vorzustellen. Da der Vorspann nicht gerade bei mir an der Reihe war, so wurd' ich, die Wahrheit zu reden, expreß dazu gepreßt. Und somit übergeb' ich denn nun den Brief.
Vom benachbarten König, Herr König, eine gute Art von Mensch, wahrhaftig, außer daß er die Bauern etwas schiert.
Ja, aber das muß ich sagen, wertgeschätzte Frau Königin, so wie man da in Euer Land hineingerät, werden die Wege verflucht unsicher.
Ja, das weiß ich selber nicht, und wozu es ist, kann ich auch nicht absehn. – Die Chaussee geht erstens aus, und dann sind die Wege oft so unendlich breit, daß man sich, wenn man aus dem Fuhrweg in Gedanken herausfällt, fast eine Meile umgehn kann. So ein alter abgelebter Waldbruder hat mich noch zurecht gewiesen. – Sagt mir einmal, warum wird denn das Land nicht mehr angebaut?
Euer
gleichfalls ein König
Pindarus
Welch ein wetterwendisches Ding doch unsre menschliche Sprache ist! – Bei uns heißt das Dingsda gar nicht Dank.
Nun seid Ihr auf dem rechten Wege, fahrt so in Euren Bemühungen fort, und es soll Euch bald gelingen, unsre Sprache wie Eure Muttersprache zu reden. – Sie gehn ab.
7. Szene
Siebte Szene
Was? – Wahrhaftig nichts anders als meine gesunde Vernunft. Das kann ich nimmermehr glauben, daß Ihre Grundsätze der Kritik mehr wert wären als alle Dichter, die Sie darin loben oder tadeln.
Dahin, – dahin, – versteh, wenn die Menschheit erst ganz vollkommen ist, – daß man am Ende gar keine Gedichte mehr braucht.
Das greift auf die Art um sich. – Nun, habt nur Geduld, Leute, wir wollen uns einen Zauberer, einen Mann mit Eselsohren verschreiben, der soll Euch alle kurieren. – Schnell ab.
Sollte es so weit kommen? – O Himmel! So danke ich dir auf den Knien, daß ich kein großer Hexenmeister bin. Ab.
Er wird nun öffentlich müssen Abbitte tun, daß Ei dumm gewesen ist. Eine Kirchenbuße, die Ihm gar nicht schadet. Geht ab.
In. meinem Kopfe ist mir seit heute früh ganz anders zumute, das ist wahr, aber warum das nicht ebensogut soll Verstand sein können, begreife ich nicht. Ab.
8. Szene
[354] Achte Szene
So ist der Mann nach meiner Meinung nicht gänzlich zu verachten, der solche Wunderkuren vorzunehmen imstande ist. –
Geht also Ihr, unser getreuer Lysippus, mit unumschränkter Vollmacht, und nehmt den Simonides als Euern Legationssekretär mit Euch. – Eure Bemühungen seien gesegnet. Lysippus und Simonides ab. Und nun ist die Sitzung aufgehoben. Sie gehn ab.
3. Akt
1. Szene
Erste Szene
2. Szene
Zweite Szene
3. Szene
Dritte Szene
Zum Henker noch einmal, wir werden wie die Narren herumgeschickt und haben nicht einmal freie Post bekommen.
Ach, was kann er verdienen! Wir sind ausgebildete Menschen und vollendet; es ist aber noch ungewiß, was trotz aller Zauberei, trotz unsrer Aufopferung aus ihm wird.
Wenn wir nur einen Kompaß mitgenommen hätten, daß wir wüßten, in welcher Weltgegend wir uns befänden.
So könnten wir bei der Gelegenheit eine neue Straße Davis entdecken. Glaubst du denn auch, daß die Pole eingedrückt sind?
Ich bin ein Gesandter, ein Abgesandter, wenn Ihr die Bedeutung dieses Wortes und meine Würde versteht; – hier, seht Ihr, ist die königliche Vollmacht – eigenhändig unterschrieben, Gottlieb simpel weg – hier das Petschaft; – [359] nun seht's nur an, denn so was kommt Euch selten in die Augen.
Habt Ihr Euch genug verwundert, Ihr guter unschuldiger Waldbruder? – Ja, und nicht wahr, Ihr findet doch, daß ich so ziemlich herablassend bin?
Die Sitten, seht Ihr, Herr Waldbruder, verfeinern sich in unserer großen Welt von Tage zu Tage, das ist keine Übertreibung, wir bringen es in der Menschenliebe schon ziemlich weit, und werden alle Tage neue Sätze selbst von hoher Hand genehmigt, die vor zehn Jahren die ärgste Ketzerei waren, und darum habe ich auch mit Euch und Eurem Stande ein gewisses Mitleid. Aufgeklärt bin ich so ziemlich, um Euren Rosenkranz da gehörig zu verachten, aber Ihr seid ja auch ein Mensch und könnt nicht dafür, daß Ihr nicht mehr erleuchtet seid.
Nicht viel. Wißt Ihr vielleicht, wo wohnt denn der Zauberer; – Sekretär, wie ist der verwünschte Name?
Nimmermehr komm' ich ihm nahe. – Muß sich ein Kerl unterstehn, sich zu verwandeln, wenn man ihm des Königs Brief und Siegel zeigt?
Ei was Pflicht? – Wenn mich der Riese auffrißt, so haben mein Leben und meine Pflicht zugleich ein Ende.
Aber er hat einen Höcker und schielt, dabei trägt er Strümpfe von zweierlei Farbe. Ganz gewiß ein Sonderling.
Warum nicht? – O Gott, mich besuchen viele Leute, Leute aus allen Ständen; nach meinem Herrn wüßt' ich keinen, der hier in der Wildnis so viel gälte.
Ihr kennt meinen Herrn nicht? Oh, da seid Ihr übel dran. – Kennt Ihr den großen Mann, den größten Mann, den Polykomikus nicht?
O welches Glück, daß wir uns also angetroffen haben, denn ich bin sein Türsteher, sein armer unwürdiger Bedienter, sein Aufwärter, einer, der Schüssel und Teller für ihn abwäscht, der die Stuben ausfegt und seine Schriften abschreibt, sie ihm auch zuweilen erklärt, wenn er sie wieder vergessen hat. Des Sonntags halte ich ihm eine Predigt, damit ich ihm doch auch für seine Seele nützlich bin, ich singe aber den Kanzelvers selber vorher, damit er nicht den Aufwand mit einem Küster zu bestreiten hat, denn Sparsamkeit ist doch die erste Tugend in der Welt.
Außerdem hab' ich auch das Türstehen aus dem Grunde studiert, und so leicht einem diese Wissenschaft im Anfange vorkommt, so viele und große Schwierigkeiten zeigen sich doch hernach; man kann nachher kaum an die Bescheidenheit mehr zurückdenken, wenn man es erst weit gebracht hat.
Verrückt nun wohl eben nicht, denn dazu müßten wir noch mehr psychologische Merkmale sammeln. – Von welcher Art ist denn dein Herr?
Nun ja, so wird die Tugend gelästert: glaubt keine Silbe davon, ihr meine verehrungswürdigen Herren; selbst der Satan spricht von meinem Herrn Gutes, also laßt euch dadurch nicht irremachen.
Kohlenbrenner? Ihr rast, ich spreche schon eine halbe Stunde mit euch, und ihr habt mich ja gebeten, euch zum Polykomikus zu führen, der euch fressen will, da ihr den Weg nicht wüßtet.
Ei, schwören Sie doch nicht, es gibt gar keine Eulenkönige. Ich bin Ihnen nicht von der Seite gegangen. Sehn Sie nur zu, es wird spät. Sie gehn, er verwandelt sich in einen großen Affen. Hallu! Hallu!
Ich bin sein Haushofmeister, – Aff', Gras – Grasaff', sonst auch genannt Grasmücke, sing' liebliche Lieder; nehnehm sich vor dem Kohlenbrenner in acht: er ist ein Verräter!
La – la – la – lacht doch,
Wa – wa – wa – wacht ihr noch?
Tu – tu – tu – tummle dich,
Verstand, – o – sa – sa – sammle dich.
4. Szene
Vierte Szene
Jeremias! – Ich bin so müde, denn – meine Schriften; – eine gewisse Langeweile ist doch wahrlich immer mit geistreicher Gründlichkeit verbunden. – Ich habe heut in meinem besten Buche zu viel und mit zu großer Freude gelesen. – Jeremias!
5. Szene
Fünfte Szene
Ich kann Euch nicht lieben, ich kann nicht; was quält Ihr mich und Euch? – Soll ich von Cleon lassen? Ihr seid rasend, wenn Ihr es fordert; ich bin schlecht, wenn ich ihn vergesse. Soll ich schlecht, wollt Ihr wahnsinnig sein?
[367]Und was soll ich ihr nun sagen? – Ich kann nicht Tort, ich kann nicht bleiben. Mein Herz will im Busen zerspringen, und doch hat sie recht. – O ja, aber es ist Unsinn, Raserei, hier von Recht und Unrecht zu sprechen, nur daran zu denken. – Ich will in den tiefsten Wald gehn und mich vor meinen Gedanken verbergen oder sie recht liebevoll um mich her versammeln; der Krieg der widerstreitenden Gefühle wird von neuem beginnen. – Ich wollte, ich wäre tot, dann würde Lila meinen Verlust und meine Liebe fühlen. Geht ab.
6. Szene
Sechste Szene
Du kehrst dich ganz um, mein lieber Freund, du wirst mir gor zu fromm, ein wenig kann der Heuchelei wegen nicht schaden, und das tu ich wohl selber, aber zuviel davon ist ungesund.
Wie man es nimmt, hochzuverehrender Herr Satan, nachdem man es genießt. Und warum sollen wir denn immer so ruchlos in den Tag hineinleben? Dabei kommt doch auch nicht viel heraus.
Der Verstand kommt einem erst mit den Jahren, das ist einmal so im Laufe der Natur, und es ist nicht zu ändern. Sehn Sie, unbegreiflich ergötzen mich diese Morgenbetrachtungen, der Aufgang der Sonne und das Entzücken [368] und Erwachen der Natur ist recht poetisch beschrieben, und so sitz' ich nun hier und vergleiche so, wie die Sonne höher steigt, Zug für Zug die Kopie mit dem Original. Ich lerne daraus ganz klar, auf welche Art man nimmermehr den Morgen beschreiben sollte, und damit ist doch bei alle dem schon vieles gewonnen.
Im Grunde besagt es nur der Titel so, denn wenn man es religiös liest, freilich so ist es, dann sind aber auch alle Bücher religiös.
Ach, gnädiger Herr Satan, man sucht doch seine Seele auf alle mögliche Art auszubilden. – Wie geht es denn sonst mit Ihren Projekten?
Ich habe sie ganz und gar aufgegeben und lebe nun nur so in den Tag hinein; solange man noch nicht über die Pläne hinaus ist, ist man noch nicht weit gekommen.
Den ersten Tragödiendichter in der Welt, hochzuverehrender Herr. An Dero Plänen ist vielleicht nur das auszusetzen, daß sie alle zu sehr aufs Gräßliche hinauslaufen. Es fehlt hin und wieder die schöne Simplizität der griechischen Tragödie.
Sie fangen es mit einem Worte zu teufelsmäßig an, zu satanisch, zu höllenbrändisch. Freilich macht es Effekt, aber, bester Herr, Sie geraten zu oft ins Manierierte. Die reine Schönheit, Herr Satan, die reine Schönheit, das ist's, wonach wir ein Trachten empfinden.
Es wird mir wohl um's Herz tun, ihn nach so langer Zeit wiederzusehn. Er klingelt. Polykomikus mit der Nachtmütze aus dem Fenster.
Nun, wie geht's, du alter Kalmäuser? Du Stubensitzer? Was für neue Gedanken hast du mit deinem Kopfe herausgebracht.
Mein Werter, ich hatte erst die Absicht, Sie mit Humanität zu überwältigen; aber ich sehe wohl, daß das die Perlen vor die Säue werfen hieße; Sie werden es also nicht ungütig nehmen, wenn ich nunmehr das Rauhe herauskehre.
Ja, niemand anders als Ihnen, gerade Ihnen, weil Sie es sind. Ich wollte unsern ehemaligen Umgang auf eine höfliche Art abbrechen, aber jetzt seh' ich mich genötigt, Ihnen ohne weitere Umstände mein Haus zu verbieten.
O mein Lieber, wenn Er ohne den Satan leben kann, so ist das gut für ihn, deswegen braucht er noch nicht so den Renommisten zu spielen.
Wenn man sich auf die Moral appliziert, so wie ich gegenwärtig tue, so kann man Sie füglich entbehren. Mein bester Herr Satan, ich muß Ihnen gestehn, daß alle Leute von Ihnen sagen, Sie wären ein unmoralischer Bursche. Was für Teufeleien fangen Sie in unserm Jahrhundert an! Mit einem Wort, ich will nichts mit Ihnen zu schaffen haben. Er wirft das Fenster zu.
Ich habe ihm Vorschub in allen Wissenschaften geleistet, ich habe das Schulgeld für ihn bezahlt, ich habe so viel an ihn gewandt, – und nun begegnet er mir so?
Wird der alte Kerl nicht ganz kindisch? Wenn der Teufel erst die Sachen so ernsthaft nimmt, so ist wenig Freude mehr in der Welt zu hoffen. – Der Mann ist gar nicht mehr, was er in der Jugend war. So gar verdrießlich habe ich ihn noch nie gesehn. – – Aber da hat er mich nun in den Morgenbetrachtungen unterbrochen. Er fängt wieder an zu lesen.
Hahaha! – Ja, wenn Sie nur wenigstens Ihren Witz unterdrücken wollten. Hahaha! Ich komme um vor Lachen, hahaha!
[371]Was gibt's denn hier zu lärmen und zu lachen? Ich kann da drinnen keinen Gedanken beisammen behalten!
Meine wertesten Freunde, mein Herr ist gewiß böse, daß er so still wieder ins Haus geht. Mäßigen Sie sich ja, sonst könnte Ihnen ein Unglück begegnen.
Wie, ihr unverschämten, leichtsinnigen Buben, wollt ihr euch unterstehn, mir mein mühseliges Fegen so zu vergelten? Sieh, Jeremias, die Frechheit! Er überreicht mir ein Blatt der LITE RATURZEITUNG, worin mein neuestes Werk rezensiert ist. – Jeremias, lies; ich bitte dich um Himmels willen: Ich hätte keinen Witz!
In alle vier Winde hinein. – Allergnädigster, die Bosheit rührt bei meiner Ehre von dem Eulenkönige her. Der besah unsre Vollmacht und hat uns das schlechte Ding da gewiß untergeschoben. Hier ist aber die ursprüngliche Beglaubigung.
Ich sehe aus diesem allergnädigsten Handschreiben, daß man meine Hilfe für den jungen Kronprinzen erwartet.
Jeremias, ich muß wieder in die Welt hinein. – Da, bewahre den Besen wohl, gib acht auf das Haus, studiere indessen in meinem Namen, halte dich an den Wissenschaften fest, und schlafe nicht soviel.
Wenn er dringend ist, sonst nicht. Aber dann nimm auch alle fünf Sinne zusammen. Wenn es ein wichtiger Fall ist, mußt du meine Rückkehr erwarten. Kommen Sie, meine Herren Abgesandte.
7. Szene
Siebte Szene
8. Szene
Achte Szene
Wir haben leider wahrgenommen, daß keine Medizin bei unserm Sohne etwas anschlagen will, weder die einheimische noch die fremde Arzneikunst sind imstande, ihn wiederherzustellen; wir haben uns daher genötigt gesehn, zu übernatürlichen Mitteln unsre Zuflucht zu nehmen, und erwarten nun mit größter Ungeduld den weltberühmten Zauberer. Euch, Doktores, ist es vergönnt, euch untertänigst zu beurlauben, denn wir können eure hilflose Hilfe nunmehr täglich entbehren.
Wie wird er aussehn? Wie jeder andre Mensch, wie jeder von uns; das Außerordentliche, mein bester Herr Vater steckt in ihm, auf das Äußere muß man nie etwas geben.
Ja, das ist ein ander Ding, das ist so ein eignes charakteristisches Merkmal, vielleicht ein Muttermal oder sonst dergleichen. – Aber unsre Gesandten bleiben sehr lange.
Kann man denn keinen Hofmann in eine Wüste schicken, ohne daß er gleich Sitten aus fremden Ländern mitbringen muß?
Nun wird das fremde Laster bald am ganzen Hofe einreißen. So wetterwendisch ist der Verstand des Menschen.
[377]Hahaha! – Ihro Majestät, wir sind gefegt und alles, aber, hahaha, das Lachen ist uns doch nicht vergangen.
Er spricht sehr verständig, er hat ein gewisses Je-ne-sçai-quoi an sich, das ihn äußerst liebenswürdig macht. – Mein lieber Getreuer, Sie möchten mal zaubern. – Hol doch einer den Prinzen! Sicamber ab.
Nun, warum haben Sie mir das nicht gleich gesagt, so hätt' ich mir nicht so viele unnütze Mühe gegeben.
Sprich mit größerer Ehrerbietung von diesem Manne, mein unglückseliger Sohn. – Sie nehmen's ihm wohl nicht übel, das sind so seine Abwesenheiten.
Kleinigkeit für mich, der unterdrückten Natur nachzuhelfen! – Kommen Sie näher, mein junger, liebenswürdiger Prinz.
[378]Ungemein naseweise Antworten, wie sie mir schon je zuweilen in dergleichen Fällen vorgekommen sind. Die Krankheit ist noch gar nicht eine der schlimmsten, und ich denke, mit einem bißchen Hexerei wollen wir schon den Sieg davontragen. – Haben Sie guten Appetit?
O junger Mann, kommt nur erst in mein Alter und lernt die Gaben Gottes gehörig würdigen. – Ich habe nun das Ganze ergründet, seine Krankheit, diese seltsamen Zufälle, alles rührt vom Satan her, das ist so einer von seinen verfluchten Streichen.
Ich könnte eben nicht sagen, daß sein Geschmack der vorzüglichste wäre. Was nun solch wildes Volk gewöhnlich für einen Geschmack hat: ausschweifend, phantastisch, barock, eigensinnig, kurz: äußerst abgeschmackt.
Durchaus nicht, das ist ja eben die Ursach', warum ich allen Umgang mit ihm abgebrochen habe; in seiner Gesellschaft gerät man in Gefahr, auch unmoralisch zu werden.
Das glaub' ich, lieber Mann. – Es ist doch bei alledem eine närrische Einrichtung mit der Welt und dem Firmament und so weiter, daß wir einen Satan haben müssen.
Von diesem Satan, diesem bösen Feinde, rührt diese Krankheit her, um mir in der Welt Abbruch zu tun, und darum hat man sich an mich, als an den rechten Mann, gewendet, um das Übel zu beheben. – Aber wir wollen vor allen Dingen den Zaubersegen sprechen. Mit fürchterlichen Gebärden.
Laß dich nicht vom bösen Feind betören,
Klug zu sein auf deine eigne Hand,
Deine Klugheit möchte dich versehren
Wie ein wild erglühnder Feuerbrand.
Horche immer auf der Mehrheit Stimme,
Lebst du stets in goldner Sicherheit,
Und entfliehst des Feindes gift'gem Grimme,
Des vielköpf'gen großen Tieres Neid.
Sprich, ist es denn nicht ungleich bequemer,
Das zu glauben, was dein Vater glaubt?
O gewiß, bei weitem angenehmer,
Daß kein Zweifel dir die Ruhe raubt.
Sieh, es winken dir die Blumenpfade,
Die manch edler Fuß vor dir betrat:
Schenkt der Himmel nunmehr seine Gnade,
Wird zur Besserung wohl baldigst Rat.
Nun, meine Herren, allerseits achtgegeben! – Nunmehr wird die merkwürdige Verwandlung des Prinzen vor sich gehn! Er schwenkt den Stab.
Ich danke der gütigen Nachfrage, mein gnädigster Vater, vollkommen wohl, Ihnen gehorsamst aufzuwarten.
Der Zauber des verruchten Satans ist aber noch nicht vollkommen gelöst; der Prinz muß reisen, so lange, bis er den guten Geschmack antrifft, dann ist er außer aller Gefahr.
Lassen Sie mich, geliebtester Vater, wenn ich dadurch meinem Mißgeschick aus dem Wege gehe, so will ich mich sehr gerne dieser mühseligen Reise unterziehn.
Ich komme dann zurück, mit Kenntnissen ausgerüstet, um Ihnen in Ihrem Alter desto mehr Freude zu machen.
Glauben Sie mir, daß mein Herz auch bei diesem Abschied von Ihnen leidet; ich habe meinen vormaligen Leichtsinn ganz beiseite gelegt und sehe nun alle Dinge von ihrem wahren Gesichtspunkte an. Wie gereut mich der Kummer, den ich Ihnen bisher verursacht habe, aber ich will gewiß in der Zukunft alles vergüten! Der ganze Hof weint.
Ich muß aber vielleicht lange reisen, ehe ich in unserm so verderbten Zeitalter den Geschmack antreffe. O wäre mir ein solches Schicksal doch vor vierzig oder fünfzig Jahren beschieden gewesen!
Mein gnädigster Prinz, vielleicht können Ihnen meine GRUNDSÄTZE DER KRITIK als eine Art von Wegweiser dienen; wenn ich also so frei sein darf, sie Ihnen hiermit anzubieten –
Ich nehme sie mit dem allergrößten Danke an und werde mich fleißig bemühen, den tiefen Sinn und Ihre weltbekannte gründliche Gelehrsamkeit darin zu erforschen.
Herr Hofrat, es tut mir sehr leid, daß ich nicht das Vergnügen haben kann; aber ich habe mich entschlossen, meine Reise ohne Gesellschaft anzutreten. Ich dürfte auch vielleicht außerdem nicht der angenehmste Gesellschafter für Sie sein, da ich Ihren ausschweifenden Humor kenne und Sie gar zu gerne die wahre Gründlichkeit verachten, deren ich mich künftig mehr befleißigen werde.
O mein Sohn, sieh die großen scharenweisen Freudentränen, die mir deiner Vortrefflichkeit halber aus den Augen laufen.
Ja, Herr Zauberer, hier bin ich, ich will mich schon dazu bequemen, da es bei meinem gnädigen Herrn so vortrefflich [381] angeschlagen hat. Helfen Sie mir von dem fatalen Rasen ab, Herr Zauberer.
O wie einem doch gleich anders zumute ist, wenn man in einer vernünftigen Haut steckt! Ja, das ist freilich ein anders Wesen. O nun geschwind was zu denken, was zu meinen oder zu urteilen her, damit die Talente nicht ungebraucht in mir verderben!
Nur Geduld, mein lieber Nestor, wir werden auf unsrer Reise mannigfaltige Gelegenheit haben, scharfsinnige Beobachtungen anzustellen.
Nein! Eher soll man mir das Leben nehmen! – Ihr werdet doch nicht Gewalt brauchen? – Wenn ich denn durchaus etwas Närrisches tun soll, so komm her, Zerbino, und ich will dir meinen Segen geben.
Es ist schade um den Prinzen. Ich weiß mich überhaupt in alle die Sachen nicht recht zu finden, die ich seit einiger Zeit erlebt habe.
9. Szene
[384] Neunte Szene
4. Akt
1. Szene
Erste Szene
Was kommt dabei heraus, mein Freund, wenn Ihr [388] die Dinge auch so erhaltet, wie Ihr wünscht? Es wäre wohl dienlicher, sie verständiger anzusehn.
Einbildung! Man sagt zwar: Der und der habe das Feld der Wissenschaften umgepflügt, damit es neue und schönere Früchte trage; aber, mein bester Freund, das ist ja nur allegorisch zu verstehn.
Ja, da kommt Ihr gut an; laßt Euch doch ja nicht durch den Ausdruck: nach der Wahrheit graben verleiten, das ist ja wieder nur allegorisch. Ihr seid wohl gar imstande und glaubt an eine Ernte.
Also, wenn einer Ruhm oder Unsterblichkeit oder [389] dergleichen eingeerntet hat, so meint Ihr. O es ist ja albern! Ihr seid aberwitzig.
Gleichviel; anfangs geht den Menschen die Wahrheit schwer ein, aber mau muß sich dadurch nicht abschrecken lassen. – Ich will Euch noch ein Exempel aus der Physik geben. Kennt Ihr den Stein, den man Höllenstein nennt?
Nun das ist doch erstaunlich, daß Ihr auch hier die Allegorie nicht gewahr werdet! Geht, Ihr seid ein verlorner Mensch; eine Allegorie, die einen so schönen, edlen, moralischen Satz in sich schließt, nicht zu begreifen! Ihr meint auch wohl, wenn von den gediegenen Gedanken in kritischen Blättern die Rede ist, daß die Gedanken alsdann wirklich gediegen sind? – O geht, es ist unter meiner Würde, mich mit Euch abzugeben.
Eure Dummheit ist Euch Acker und Pflug genug; – was Ihr nun hier einmal buchstäblich nehmen möget, weil das vielleicht unter Millionen Fällen der einzige ist, wo es paßt.
Hier, Gesellen, habt ihr so einen schlichten, bäurischen Verstand gesehn, der sich in kein Ding zu finden weiß? – Jetzt wollen wir wieder an die Arbeit gehn und das Eisen schmieden, weil es heiß ist. –
2. Szene
Zweite Szene
Wir haben schon mancherlei Gegenden durchreist, mein getreuer Bedienter Nestor, allein, wo sollen wir den guten Geschmack antreffen.
Ich gebe es gänzlich auf, ihn zu finden. Immer mehr vortreffliche Leute sterben ab, andre, die am ersten eine [390] Stimme haben könnten, verhalten sich still und ruhig, und überhaupt ist es eine Lage der Dinge jetzt in der Welt, bei der ein gutdenkender Dilettant verzweifeln möchte.
Wir wollen aber darum doch nicht verzweifeln, sondern im Gegenteil unsern Mut desto mehr zusammenfassen. Jetzt gereut es mich, daß ich den Herrn Leander nicht mit auf meine Reise genommen habe, er könnte mir von überschwenglichem Nutzen sein.
Ei bewahre! Da müßten wir ja noch einmal von vorne lesen! – Er setzt sich nieder. Hier ist eine gute Aussicht, wie es mir scheint.
Der Schein ist bei einer Aussicht überhaupt das meiste, denn wenn man gründlicher geht, so bleiben oft nur wenige Reize übrig.
Es scheint wohl vornehmlich mit daher zu rühren, weil mit der Ferne immer eine gewisse Abwesenheit der Nähe verbunden zu sein pflegt.
Allerdings läßt sich dieser Grund hören; ich will ihn doch auch sogleich in unser Taschenbuch eintragen. – Zieht ein großes Buch hervor. Jedoch könnte man dabei vielleicht noch einige Einschränkungen machen.
Wenn wir uns an die Ausarbeitung begeben, wollen wir schon noch geziemend einschränken; jetzt ist weder Zeit noch Gelegenheit, die Feile gehörig anzuwenden. – Die Mühle da unten liegt sehr malerisch, und abseits am Ende des Dorfes die Schmiede macht einen unvergleichlichen Prospekt!
Das ist aber noch nicht hinlänglich, ich wünschte auch, vor einer Monatsschrift in Kupfer gestochen zu werden.
Der Hund ist ein gemeiner Kerl, er nimmt an nichts Anteil; so wie wir in ein Wirtshaus kommen, schnuppert er so lange herum, bis er die Küche gefunden hat. Da ist kein Drang, die interessanten Menschen zu sehn oder Bemerkungen über die Eigenheiten der Einwohner zu machen.
Ruht hier mit uns aus, unsre Wege sind verschieden, denn wir kommen von jenseits des Wassers herüber, und Ihr kommt dort von dem Tale herauf.
Ich wollte mich unten schon in jener Schmiede zurechtfragen, aber man gab mir auch Antworten, die ich nicht brauchen konnte.
Ich habe mich auch den Gang dorthin nicht verdrießen lassen, aber die Menschen hier herum scheinen meine Sprache gar nicht zu verstehn. – Hier ruht sich's gut, und die Aussicht ist lieblich.
Passabel. Sie drückt gleichsam, wie Ihr auch sehn könnt, eine mannigfaltige Gegend aus, mit Bäumen, Häusern, Dörfern und Mühlen versehn, Wasser, um darauf zu fahren, lind mit menschlichen Figuren, um Leben hineinzubringen. Wir viere dienen jetzt ebenfalls dazu.
Das habe ich auch schon gesagt. Ein zartfühlendes Herz wird gewiß nicht seinen Hund und Freund so an einem Stricke mit sich führen; man muß auch für Tiere fein empfinden, wenn man den Vorsatz hat, die Leiter der echten Humanität hinaufzuklettern.
Nun, so will ich ihm denn in Gottes Namen den Strick abnehmen. – Sieh, Stallmeister, ich behandle dich nunmehr wie ein vernünftiges Wesen, aber ich rechne auch darauf, daß du es erkennen wirst. –
Wenn ihn der eine nicht trifft, so stößt nun vielleicht der andre darauf. – Lebt wohl, ich muß meine Reise fortsetzen. Geht ab.
Ja, ich habe mich sehr darüber verwundert; einem Verliebten ist dergleichen Schwärmerei nicht übelzunehmen, aber Ihnen, mein Prinz, hätte ich es nimmermehr zugetraut.
Allerdings. – Es ist schon Abend, und diese Nacht denke ich dort in der Mühle zuzubringen; wenn du den Hund also heute noch findest, so triffst du mich dort. – Adieu indessen. – Geht ab.
3. Szene
Dritte Szene
Ach, ach, ach! – Ich merke, mein Bester, daß Sie gern Kammerherr werden wollen, aber das geschieht jetzt doch nicht.
Ich habe nicht gelacht, es war eine gewisse konvulsivische Erschütterung des Zwerchfells, wel che die übermäßigen Schmerzen verursacht haben.
Gebt euch ein wenig zur Ruhe, ihr guten Kinder, [395] ich habe auch meine väterlichen Tränen, das wißt Ihr alle, vergossen, aber man muß in jeglichem Dinge maßhalten.
Aber auch im Maßhalten, mein gnädigster König; sie und wir alle tun nichts, als was die Pflicht von jedem redlichen Untertan fordert.
Alle Arbeit liegt, die Gewerbe feiern, jedermann denkt nur darauf, wie er am bequemsten seinem Schmerze nachhängen will.
Wir wollen doch so gleichsam eine Denkmünze oder Medaille schlagen lassen, worauf das alles abgebildet ist.
Ihro Majestät, es gibt aber dennoch Leute, sogar am Hofe, die sich unterfangen, in ein ausgelassenes Gelächter auszubreiten.
Mein gnädigster König, es gefällt dem Herrn Selinus, eine Unwahrheit zu sagen, weil er sich auf die Kammerherrnwürde Rechnung machte. Ich bin gewiß trotzdem über die Abreise des Prinzen im höchsten Jammer, da saß ich soeben von den tiefsten Schmerzen befangen und wußte mich nicht mehr zu lassen, und da mochte mein ungemeines Schluchzen leicht einem Manne, der kein echter Kenner vom Weinen ist, wie ein Lachen vorkommen.
Ich kein Kenner von Weinen? – Ungemein schluchzend und weinend. Nun überlasse ich es den eigenen hohen Einsichten meiner Majestät, meine Talente gehörig zu würdigen.
Ich habe jetzt mehr zu tun; ich muß an die Hoftrauer [396] denken und die Livreen meiner Bedienten arrangieren. Ab mit Gefolge.
Mein Allerbester, – Sie verzeihen, daß ich mich nicht gerade auf Ihren wertesten Namen besinnen kann, – ach Gott, man hat so gar viel zu denken! Mein Gedächtnis läuft mir oft von den vielen Merkwürdigkeiten über, die ich aufbehalten möchte, und darunter gehört auch diesmal Ihr Name; – aber Sie haben nur über Ihren ergebensten Diener zu gebieten; worin ich Ihnen irgend nützlich sein kann, befehlen Sie dreist, und Sie werden sehn, wie bereitwillig ich bin, alle Ihre Wünsche zu erfüllen. Geht ab.
So geht es am Hofe, das ist das Schicksal aller Menschen, die ihr Leben dem Fürsten aufopfern! – O Undankbarkeit!
Gib dich zufrieden, denn wenn du dich darüber ärgerst, so hat gerade dein Kamerad Selinus seinen höchsten Endzweck erreicht.
Wenn Ihro Majestät, unser gnädigster Gottlieb, zuweilen mit unsereinem spricht, so glaubt man oft, das größte Glück könnte einem gar nicht entgehn, – und nachher ist es doch immer nichts.
Das ist ein neuer Stil, der bei Hofe eingeführt ist, worein sich jeder Unterteil billigerweise finden muß.
Ja, das ist wahr, zu meinen Zeiten war hier eine andre Lebensweise, aber mein Schwiegersohn hat das alles abgeändert. Ich habe allen Einfluß auf meinen Sohn verloren: Doch scheint es mir wahr, daß man sich jetzt zu eifrig in der ganzen Welt einer gewissen Humanität befleißigt, die am Ende wieder sehr inhuman ist; die Mode beherrscht auch Höfe und Regenten, und darum prophezeie ich, daß diese bei Gelegenheit wieder wechseln wird.
Ihr habt doch ohne Zweifel auch von den sogenannten Idealen gehört, von denen in der Welt schon so vielfach die Rede gewesen ist –
Ich habe jetzt ein Ideal im Kopfe, das mich weder bei Tage noch in der Nacht ruhig schlafen läßt und das mich vor der Zeit in die Erde bringen wird, wenn nicht baldmöglichst dagegen etwas getan wird.
Ja, ja, so wie jeder Mensch sein Ideal im Kopfe hat, der eine, um zu heiraten, der andre, um ein Buch zu schreiben, der dritte, um ein Gemälde zu machen, so trage ich auch das meinige mit mir herum.
O ja, Ihre Majestät, ich habe sie oft genug aufstellen müssen; es sind die beiden würdigen Männer aus Blei.
Richtig. Seit der Abreise des Prinzen liegt es mir unaufhörlich im Sinne, wie ich so gerne diesen Sebastian irgendeinmal lebendig und als einen ändern ordentlichen Menschen antreffen möchte.
Warum unmöglich? Warum soll ein Künstler nicht aus seiner Imagination ein Bild dieses Herrn Sebastians haben machen können und zugleich ein Mann leben, der diesem Bilde entspricht? Es ist ja nichts weiter als eine gewisse Sympathie zwischen der Natur und dem Künstler, der ja auch ein Sohn seiner Mutter Natur ist und auch leicht seinen Bruder in Blei und Farben abkonterfeien kann, ohne ihn jemals gesehn zu haben; nun kommt der dritte Bruder, Ihro Königliche Majestät, hinzu und wünscht beide Exemplare miteinander vergleichen zu können, weil er ahnet, daß dieser Mann zugleich lebendig existieren müsse. Das finde ich alles ganz natürlich.
Hat es sich nicht oftmals zugetragen, daß ein Dichter aus seiner Imagination eine Schilderung entwarf, die die übrigen Menschen als unpassend und übertrieben nicht wollten gelten lassen, und daß sich zwei-, dreihundert Jahre nachher ein Subjekt vorfand, das, ohne von diesem Dichter und seiner Schilderung etwas zu wissen, so genau in dieselbe hineinwuchs, daß sie wie gegossen auf ihn paßte? Das war sonst möglich und geschah, und darum wo en wir hoffen, daß wir auch jetzt in einem Zeitalter leben, in dem [398] sich dergleichen anscheinende Wunderwerke zutragen können.
Nun bin ich getröstet und will also die Erfüllung meines Ideals erwarten, ohne über die Verzögerung zu murren. Komm, mein Freund! Sie gehn ab.
4. Szene
Vierte Szene
Eine Nacht wie diese habe ich bisher noch nicht erlebt. Keine Minute Ruhe, die Mühle hat immerfort geklappert, und wenn sie dann auch einmal einen Augenblick stillschwieg, so machte die verfluchte Schmiede nebenan gleich desto mehr Lärm. Es war zusammen ein Konzert, um des Teufels zu werden!
Wird weit und breit verschickt. Die Mühle mahlt zugleich Graupen und türkischen Mais und alles mögliche.
Ich bin ein großer Freund von Technologie und Nützlichkeit; habt doch die Güte, mir den Bau und die Einrichtung Eurer Mühle ein wenig zu beschreiben; ich denke überdies meine Reise in den Druck zu geben, und durch dergleichen Merkwürdigkeiten würde sie auf eine besondere Weise geziert werden.
Herzlich gern will ich Ihnen darin dienstlich sein; – doch muß ich Ihnen dazu meine Gesellen hereinrufen. – Hallo! Burschen! Tretet mal einen Augenblick herein.
Das muß ein höchlich zu verehrender Mann sein; seilt, so wie ich hier stehe, habe ich ihm alles zu verdanken, er hat mich von einer Krankheit geheilt, die unheilbar schien.
Aber dem großen Manne gelang es, mich völlig zu kurieren; doch ist immer noch ein Rest des Übels innerlich im Kerne meines Kopfes zurückgeblieben, der sich zwar in meinen Reden und Handlungen, wie Ihr bemerken werdet, nicht äußert, doch aber mit der Zeit wieder sein altes Spiel treiben könnte: Und deshalb muß ich jetzt auf Reisen sein und den guten Geschmack aufsuchen, und wenn ich ihn gefunden habe, dann ist kein Rückfall mehr zu befürchten.
Ei, das trifft sich ja recht glücklich! Denn eben jetzt stehn Sie mit Ihren beiden angenehmen Füßen in der Mitte des guten Geschmacks.
Ich schätze mich unendlich glücklich, Sie, meine Herren, so unverhoffterweise kennenzulernen, es hätte mir nichts Angenehmeres begegnen können, und ich bin um so mehr erfreut, da ich auf diesen unvorhergesehenen Zufall gar nicht gerechnet hatte.
Ach. mein Wertester! Sie sprechen beinah, als wenn Sie zu uns gehörten. Sie sehn auch wahrhaftig schon so aus.
[400]Ja, wir sind die weiße Brüdergemeinde, aber kein heimlicher Orden, sondern wir treiben unser Handwerk sehr öffentlich.
Er ist in der Tat sehr klar, ich kann auf dem Grunde jeden Kiesel sehn, kein Sandkorn ist mir verborgen, und dabei scheint er keinen Mangel an Wasser zu haben.
Es ist erstaunlich, so müssen Sie sich nur in acht nehmen, daß Ihnen diese Quelle nicht einmal abgeleitet wird.
Ich glaub' es, es ist jetzt leider eine Zeit, wo jedermann seine Kalender machen muß. – Aber Ihre werten Gesellen?
Das ist sehr wahr, wenn wir uns daran begnügen müßten, so könnte es uns gar begegnen, selber gewissermaßen alt zu werden.
Eine ganz unvergleichliche Einrichtung! Oh, ich bitte, sehn Sie doch die Häuslichkeit, die Bürgertugend, die Menge von so überaus zarten Familienverhältnissen!
Da sind Sie also Ihrer Sache sehr gewiß? Das, mein Freund, ist die wahre Art, ein Handwerk in Kamst zu verwandeln, und es kann kommen, daß Sie selbst mit der Zeit die englischen Fabriken übertreffen.
Es wäre schade, wenn der Verkauf litte, Ihre Mühlknappen würden auch niemals wieder ein so gutes Unterkommen finden.
Ja, ich glaube jetzt der Mühle von eben dem Nutzen zu sein wie die Quelle, das sagen auch alle Leute, ja einige wollen mich noch vorziehn. Ich kann ein Mehl zubereiten, daß einem das Herz im Leibe lacht, und die Milchbrote und Semmelein, die daraus gebacken werden, sind so zart, daß gewiß etliche Dutzend dem Magen nicht beschwerlich fallen.
Ja, ich bezwinge sie so ziemlich; wenn ich einen solchen Welteroberer in etlichen Bänden eingefaßt habe, so ist er so matt, daß man gar kein Leben mehr in ihm verspürt.
5. Szene
Fünfte Szene
Ich bin lange herumgetrabt und bin nun so müde, daß ich mich genötigt sehe, einzukehren. Wenn ich es nur dahin bringen könnte, mich als einen ordentlichen Reisenden anzustellen, damit die Leute auf keinen Verdacht verfielen! – Die Knechtschaft, in der ich lebte, ward mir endlich gar zu unerträglich, und darum habe ich ihr auch ein Ende gemacht. Meine beiden Herren hielten sich für gar zu klug und traktierten mich beinah wie einen Hund; wenn sie durch die reizende Natur gingen, führte mich der Bediente Nestor wie einen Verbrecher am Stricke; auf mich wurde gar nicht geachtet, wenn ich mich noch einmal umsehn oder im Wirtshause bleiben wollte; – weshalb ich nun auch den Zustand der Freiheit ergriffen habe und als mein eigner Herr durch die Dörfer wandre. – Ich muß nur anklopfen.
Nehmt Euch in acht, daß Euch die Werber nicht wegnehmen, es wird hier herum ein neues Regiment errichtet.
6. Szene
[405] Sechste Szene
Schade! Ich habe sonst gute Kontrebande im Hause, die ich Euch um ein Billiges ablassen wollte. Ich treibe neben her einen kleinen Handel. Ihr glaubt nicht, wie schwer es dem Menschen gemacht wird, sich redlich durch die Welt zu bringen.
Jawohl, jawohl; so, wie Ihr mich hier seht, habe ich etliche Jahr, weil ich nicht an ders ankommen konnte, als Hund dienen müssen.
Ja, was hilft's? Bauer wollte ich nicht werden, die Tabaksfirmen waren aufgehoben, da, ohne Konnexionen, wie ich war, mußte ich mich schon darein finden, Hund zu werden.
Wär' ich doch darauf verfallen, als ich vor acht Jahren aus Desperation unter die Soldaten ging! Der gemeine Mann ist in unsern Zeiten übel dran.
Nein, wir sind froh, wenn wir nur überhaupt was zu essen haben, da bekümmern wir uns um den Geschmack nicht sonderlich.
Vielleicht das Not- und Hilfsbüchlein? Da habe ich aber keinen Geschmack dran finden können. Es ist nicht zu Hilfe, [406] ja kaum zur Not zu gebrauchen. Mir scheint, der Eulenspiegel, den ich da hinten liegen habe, ein ganz andres Werk.
Ihr seid in der Aufklärung zurück, wie es mir scheint. Ihr müßt wissen, daß die Menschheit bisher noch solche Bücher gar nicht, besessen hat, weil sie dazu noch nicht reif gewesen.
Allerdings, für den Landmann, für den Bürgerstand fangen sieh nun erst an, die Federn in Bewegung zu setzen.
Bis dato noch nicht, weil ich dazu noch nicht würdig gewesen bin, aber ich will mich nächstens in die Lehre begeben, weil ich überdies jetzt außer Dienst bin.
Es muß nutzen, da wird nicht lange gefragt: Der Nutzen und alles muß sich nach den Leuten bequemen, die in dem Fache arbeiten.
O ja, nur her damit, jetzt ist eine interessante Epoche. – Hier ist ja eine kuriose Nachricht: Ein Spitzhund, mit gelben Ohren und Füßen namens Stallmeister hat sich verlaufen, wer von diesem Vagabunden im Zeitungskontor Nachricht geben kann, erhält fünf Taler zur Belohnung. Ihm selbst aber, wenn ihm dies Blatt zu Gesichte kommen sollte, wird gemeldet, daß er sich, ohne irgendeine Strafe zu fürchten, zu seinen Angehörigen zurückbegeben könne. – Ja, es ist erstaunlich, es laufen jetzt viele Hunde weg. – Für sich. Daß ich doch ein Narr wäre! Ich bin froh, daß ich so von ihnen gekommen bin, und wenn Sie mich wiederhaben wollen, so können sie mich ebensogut aufsuchen. – Herr Wirt, Ihr seid ja eingeschlafen. –
7. Szene
[407] Siebte Szene
8. Szene
Achte Szene
Mein Herr Polykomikus führt ein sehr beschwerliches und langweiliges Amt, das kann ich nun wohl aus Erfahrung sagen; da kommt Volk von allen Altern und Ständen, um sich bei mir über tausend Nichtswürdigkeiten Rat zu holen, und da muß man ihnen moralische Antworten geben und vernünftig sprechen und dabei so unaussprechlich dumm sein, daß ein ehrlicher Mensch darüber in Verzweiflung fallen möchte.
Die Nützlichkeit, zu der ich jetzt genutzt werde, geht mir etwas zu weit. – Mein Herr ist nicht zu Hause, der ist noch vom Hofe nicht zurückgekommen, wohin man ihn verschrieben hatte.
Wißt ihr was, meine Freunde? Damit sich keiner von uns zu beschweren habe, wollen wir das Nützliche ein wenig mit dem Angenehmen verbinden.
Nun, da werden wir bald gute Freunde werden. Hört, meine Besten, ich denke wir errichten hier in dem Felsen so ganz für uns ein kleines moralisches und menschheitsschwächenverbesserndes Theater!
Nun, wie ihr es wollt. Also, damit wir unser Nationaltheater einrichten, werd' ich hier den großen Besen nehmen, die Bühne sauber abfegen und dabei will ich bei dieser feierlichen Gelegenheit einen rührenden Prologus halten, der euch gewiß allen gefallen soll.
Fangt nur an, und macht dann, daß ich durch Euer und der Kunst Hilfe ein bißchen besser werde, denn ich muß Euch sagen, ich bin ein ganz, verruchter Kerl!
Sogleich werd' ich die Ehre haben, meine gehorsamste Aufwartung mit allen Sorten von Moralien zu machen. Er nimmt den Besen und fegt das Fenster im Felsen ganz rein.
Nun, meine wertesten Herren, wohl aufgeschaut,
Damit ihr euch alle gut erbaut
Und euren ganzen Lebenswandel bessert,
Wonach euch allen der Mund doch wässert.
Hier kommt es nicht, euch zu belust'gen, an.
Weil das jedweder Harlekin kann,
Aber mit Vernunft und wehmüt'ger Rührung erlustieren,
Das ist's, was den edlen Poeten muß zieren.
Und danach wollen wir Sinnen, Trachten und Dichten
Mit allen Leibeskräften richten.
Nein, die meinen's ganz gut und greifen sich auch an; – aber das Ding selbst ist nicht den Teufel wert.
Das ist uns allen zu unnatürlich, daß sich die Worte immer reimen und zusammenpassen, wenn einer seine Gesinnungen von sich gibt.
[413]Gleich, meine Herren; wir wollen uns also fürs erste in die bürgerliche Tragödie begehen, aber ich fürchte, daß es Ihnen darin auch nicht sonderlich gefallen wird.
In welchem Elende befindet sich nun unsre arme, unglückliche Vaterstadt! Und in welchem Jammer wir vor allen andern Menschen!
Nein, denn ich will reden, weil ich muß. – Du wagst es noch zu klagen? Du, der sich zuerst mit dem Feinde einließ, der zuerst den Vorschlag tat, ihm die Tore zu eröffnen? Sieh nun hier auf dem Markte die Leichen deiner Brüder, sieh diese rauchenden Häuser, die zerstörten Tempel, und dann sage dir: Alles dies ist mein Werk!
Nein, du erwachst jetzt von deiner Raserei, du erschrickst jetzt vor dem Elende, das du erregt hast, es fällt dich wie ein Sturmwind an, und Verzweiflung, Selbstmord wird alles endigen.
Voran sollst du sterben, dann ich, dir will ich heulend in die Unterwelt hinabfolgen, zu der du mir den Weg zeigen sollst. – Er schwingt seinen Dolch, die Frau entflieht, er verfolgt sie. – Mehrere Zuschauer drängen sich in der Wüste hinzu, unter diesen auch Satan.
Liebe Leute, es ist nicht rührend genug, ihr versteht den Henker von dramatischer Kunst, und darum wißt ihr auch nicht, wo dieser Darstellung der Schuh drückt.
Ich bin sein Vater nicht, am wenigsten sein Herr Vater! Er untersteht sich, Bösewicht, ein fühlendes väterliches Herz, das Sorgen und Gram die ganze Nacht hindurch zernagt haben, mit Herr Vater anzureden?
Oh, wenn ich auch davon überzeugt sein müßte, so hätten sich jetzt unsre vier Augen zum letzten Male gesehn! Ich würde Ihn kalten, herzlosen, nichtswürdigen, undeutschen Schuft zum Hause hinauswerfen!
Ich will mich ereifern! Sieht Er, ich will mich durchaus ereifern! Ich bin voller Eifer! Feuer und Flamme.
Aber schonen Sie doch, mir zuliebe, Ihre Gesundheit, Ihre teure Gesundheit. Ist es nicht genug, daß ich so früh schon meine Mutter habe verlieren müssen, wollen Sie mir auch noch den Vater rauben?
Nein, mein lieber Sohn, er soll dir nicht geraubt werden. – Ach, du traute, verewigte Catharine! – O mein Sohn, bei ihrem Andenken beschwöre ich dich, gib deine törichte Liebe, deine unnützen vornehmen Freundschaften auf, und mache deinem Vater in seinem Alter freudige Stunden. Wenn du mich gerne hier bei dir siehst, so beweise es mir durch deine Veränderung. Sieh, die jetzige Not deines Vaterlandes, die Feinde, die in die Stadt eingedrungen sind, schreiben so starke Kontributionen aus, achten göttliche und menschliche Rechte so wenig, daß wir bald durchaus verarmt sein werden. – O bedenke deine eigne Wohlfahrt, mein Sohn, denn von der meinigen kann bei diesen grauen Haaren nicht mehr die Rede sein. Geht weinend ab.
Mein Vater ist ein edler Mann, ganz nach der alten biedern deutschen Sitte, rauh und auffahrend, aber innerlich im Kerne ganz vortrefflich. – Ach, und dennoch kann ich seinem guten Rate keine Folge leisten! – Liebe, du allmächtige [415] Liebe List es, die die festesten Bande der Natur zertrennt.
Meine Herren, Sie sind ebenfalls gerührt, und dieser harte hölzerne Bösewicht will doch nicht in sich gehn, sollen wir das dulden?
Das Schicksal, das unerbittliche Schicksal hat mich gewaltig ergriffen. – O gütiges Geschick, laß mich doch wenigstens meine Rolle zu Ende spielen, so wirst du sehn, wie ich im fünften Akte ein ganz andrer Mensch werde.
So? Im fünften Akt? Ei charmant! Das gäbe für alle armen Sünder ein treffliches Beispiel! Alle verlassen sich auf den fünften Akt, und nichts in der Welt verdirbt deshalb die Menschen so sehr wie eben dieser fünfte Akt, weswegen man ihn lieber gar als einen Sittenstörer gänzlich abschaffen sollte.
Wie soll ich mich denn so schnell ändern? Habt Ihr, Schicksal, denn gar keine Kritik studiert? Das wäre ja anstößig, unnatürlich, und wenn ich also in der Moral was gutmachte, so schösse ich dafür in der sogenannten Ästhetik einen desto ärgern Bock.
Der Kerl hat List und Überredungsgabe, aber wir wollen uns dadurch nicht hintergehn lassen. – Hinunter mit dir vom Theater! Du unmoralischer Flegel!
O Menschheit, lachst du, wenn du siehst, wie ein grausam unerbittliches Schicksal mit einem Mitbruder spielt?
Lachen? Es ist fürchterlich, dies Geständnis hören zu müssen! O Menschheit, so will ich dich denn also verlassen, wenn du keine Tränen mehr für einen Unglücklichen hast, in eine Wüste will ich ziehn –
Nun, so will ich aus Verzweiflung nach der Stadt gehn, auf den ersten Feuerherd springen, den ich antreffe, mich [416] selbst in das Feuer setzen und zu Asche verbrennen! Geht wütend ab.
Er war doch immer ein undankbarer Sohn, wenn wir ihn beim Lichte besehn, und darum ist es gut, daß wir ihn fortgeschafft haben. – Aber was fangen wir nun an? Er ist in der Desperation in die weite Welt hineingegangen, und wir müssen an einen neuen Zeitvertreib denken. – Nunmehr soll etwas recht Wunderbares kommen, aber damit es mir nicht so sauer wird mit den Fäden, nehmt ihr's wohl nicht übel, wenn ihr manchmal meine Fäuste ein bißchen gewahr werdet?
Bringt die Gefangenen in die Gefängnisse, dann wollen wir sehn, was mit ihnen anzufangen ist. – Aber wo ist Artemisius, der uns diese Stadt zuerst verriet?
So scheint ihn also seine Tat zu reuen? Wenn man ihn antrifft, schleppe man ihn ebenfalls ins Gefängnis.
Oh, wo finde ich meinen Sohn? Meinen Sohn, dem ich noch heute so gute Lehren gab? Er ist auf und davon!
Ganz gehorsamster! Allein, ich kann meine geringe Wohnung allbereits mit den Augen erreichen, inkommodieren Sie sich also nicht mehr. – Aber was werde ich denn da gewahr?
Gefällt euch, ihr unkritischen Esel? Eine persönliche Satire auf angesehene Leute, von meinem undankbaren Bedienten euch vor die Augen geführt! O du höchst verblendeter Pöbel!
Nun ist es genug. – Da habt Ihr Euren Besen, und zugleich kündige ich Euch meine Dienste auf. – Kommt, Herr Satan! Geht mit Satan ab.
So etwas ist mir bis dahin noch niemals begegnet. Nimmt den Besen und geht gedankenvoll in die Höhle. Der Vorhang fällt.
9. Szene
Neunte Szene
5. Akt
1. Szene
Erste Szene
Das muß wahr sein, daß man auf Reisen seinen Verstand ganz ungeheuer erweitert; nur finde ich es schlimm, daß man an seinen Bemerkungen nachher so schwer zu tragen hat, denn die Manuskripte, die ich mit mir führe, kosten mich manchen Schweißtropfen. Er setzt sich nieder. Es ist eine sehr unartige Gewohnheit, daß ich die Zunge so herausstrecke, wenn ich echauffiert bin, aber alle meine Bildung und Bemühung hilft nichts dagegen.
Mannigfaltig, denn bald werden meine Kenntnisse erweitert, bald wird mein Herz durch die Pracht der Natur auf eine gelinde Art erwärmt, dann beobachte ich wieder die Menschen und ihre Gesinnungen, dann kehre ich mal in den Wirtshäusern ein, in summa, das Reisen macht mir tausendfältigen Spaß.
Ich glaube gar, der Kerl ist ein Hund. – Richtig! Das ist ja eine interessante Bekanntschaft. – Braucht Ihr vielleicht einen Bedienten?
Da Ihr solche Gesinnungen führt, will ich Euch ganz ohne Lohn dienen, denn mir ist es nur um einen Herrn zu tun.
So ein bißchen für die Menschheit; es geht alles so ein klein wenig ins Große, jetzt sorge ich für das Gesinde.
Auch diese Menschenklasse muß gebildet werden. Die Kindererziehung ist eigentlich meine Hauptstärke, und über den Unterricht der Jugend habe ich am allermeisten nachgedacht.
Niemals, außer unter der Anleitung des Polykomikus. Ich kann mich aber in alle erdenklichen Tiere verwandeln.
2. Szene
Zweite Szene
Allerdings! Es steht ja auch draußen an meiner Klingel angeschrieben, damit die Leute mich gleich finden können, wenn sie des Nachts zu mir kommen.
Oh, so bin ich ja beglückt und dreifach beglückt, und ich möchte mich vor Freuden kreuzigen und segnen, wie man zu sagen pflegt.
Sagt es lieber nicht, denn das ist eine Redensart, wodurch Ihr mir sonst verdächtig würdet, und Ihr scheint übrigens ein sehr verständiger und interessanter Mann zu sein.
Ich tue wenigstens mein möglichstes, und wenn es nachher doch nicht gerät, so liegt die Schuld am Schicksal und nicht an mir.
Unendlich vielen, denn ich bin ein junger Mann, der nunmehr in die Welt einzutreten gedenkt, um. zu wirken und auf sich wirken zu lassen.
3. Szene
Dritte Szene
Ach, das ist ein wetterwendisches Ding, ein launenhaftiges Wesen, das nimmermehr weiß, was es will, und zum Überfluß ziemlich publique ist.
Es ist keinem recht getreu, bald liebt es diesen, bald zieht es jenen vor, bald verlangt es wieder nach einem andern.
Ei, der Tausend! Doch, mit Erlaubnis, daß ich weiterfrage, mit wem hab' ich eigentlich die Ehre, mich gegenwärtig zu unterhalten?
Wir sind dermalen auf der Wanderschaft, sonst aber unserm eigentlichen Charakter nach große Männer; was man so allgemein große Männer nennt.
Ich verstehe vollkommen, was Sie meinen; die Zeit, die Mode bringt es einmal so mit sich, daß man auch diese Schwachheit mitmacht. Indessen wird doch auch zuweilen aus großen Männern noch was Rechtliches, wenn sie sich nur erst die wilden Hörner des Genies abgestoßen haben, wie man im Sprichwort zu sagen pflegt. – Darf ich mir nicht die Namen von den Wertgeschätzten allerseits ausbitten? Ich pflege mir gerne alles Merkwürdige, das mir aufstößt, zu notieren und habe das schon von meinem dritten Jahr an so gehalten.
[433]Habe nicht die Ehre, aber ein überschwenglicher Dilettant von allem Großen und Schönen. Wenn ich so gleichsam einen neuen Fortschritt der Menschheit gewahr werde, so läuft mir vor Freude das Wasser im Munde zusammen, und nicht selten überfällt mich's so, daß ich mich genötigt sehe, einen Strom von Freudentränen zu vergießen.
Und auch mich drängt's, dich, biedere Seele, in mein deutsches Herz zu schließen. O du guter deutscher Boden, welche Tatkraft, welche edle Mannigfaltigkeit bringst du doch immer noch hervor!
Ihnen zu dienen mit dem edlen altdeutschen Namen Veit, meinem Gewerbe nach ein Weber. Aber ach mein neustes Schicksal ist –nackt und bloß!
Ach, wie Sie mich dauern! Aber ich habe geglaubt, daß Sie sich sehr gut ständen, ich meinte immer, es könne Ihnen nicht fehlen, einen Humpen nach dem ändern auszuleeren.
Das sind, mein Bester, Sagen der Vorzeit. Alles ist vergänglich, jener dort hat mir den meisten Schaden getan.
Ja, er soll wahrlich an den Spieß sein lebelang denken. Ich komme in aller Unschuld daher und treffe mein allerliebstes Publikum in seine Narrheiten vernarrt; mein Ehrenwerter, wenn ich den guten Geschmack retten wollte, mußte ich mich keine Unkosten und keine Mühe verdrießen lassen; Millionen Gespenster und Hexen, Luft- und Wassergeister habe ich dahinterherschicken müssen, um nur seine Humpen und Turniere und altdeutsche Blitz-Wurzel-Wörter nebst ihren etymologischen Erklärungen zu verdrängen.
Nicht wahr? Es ist mir denn auch mit Gottes Hilfe so ziemlich gelungen. Ja, wo nichts helfen will, da muß der Spieß dreinschlagen. Aber, apropos, wollen Sie sich vielleicht bei mir vermieten? Ich brauche jetzt gerade einen Kettenträger.
Ich. bedaure, daß ich nicht so glücklich sein kann, denn ich bin schon in Diensten bei einem andern würdigen Herrn.
Könnten sonst auch ein Elementsregent werden, ich brauche auch dazu ein Modell. Wenn ich mich recht [434] besinne, so gemahnen Sie mich fast wie das Petermännchen, dazu müßten Sie sich unvergleichlich schicken.
Kommen Sie zu mir, Bester, bin ein brav Kerl, werden bei mir in einem krautkräftigen Dialog geschrieben, sollen wohl gar der kluge Alte werden, wenn's Glück will, oder können mir auch als Jägermädchen oder Harfnermädchen dienen, müssen aber dazu eine extra edle Seele im Leibe spüren.
Ein Hauptdeutscher, ein Originalschriftsteller, ein Teufelskerl, bin ungemein im Gemeinen, so kräftiglich im Darstellen, daß nur die Stücke so davonfliegen, daß die Nerven krachen –
Nun sehn Sie, Herr unbekannter Dilettant, dergleichen Leute haben mir beim deutschen Publikum im Lichte gestanden.
Aus zwei hauptsächlichen: Erstens, weil in allen Lehrbüchern und auch anderswo die Klage geführt wird, daß die Deutschen die Satire noch am wenigsten angebaut hätten.
Lassen Sie mich weiterreden, und zweitens reimt sich mein Name gar herrlich auf Schalk; und wer wollte nicht gern schalkhaft sein!
Ei, so seh' ich ja also körperlich den Mann vor mir, in dem sich nach einer Weiland- Tradition acht oder neun feine und erhabene Geister verkörpert haben sollen.
Welche lateinischen, griechischen und englischen Autoren waren es doch gleich, die sich samt und sonders in Ihnen verkörpert haben?
Ich weiß es so eigentlich selbst nicht, denn da [435] ich sie innerlich besitze, kümmern sie mich äußerlich nicht sonderlich.
Sie wurden ein wenig eilig so durch die Bank aufgehascht, daß Sie sich gewiß selber verwundert haben. Spüren Sie aber von diesen heterogenen Geistern nicht einige Beklemmungen?
So wenig, als ob ich keinen einzigen in mir hätte. Seit ich mein Privilegium habe, treibe ich mit der größten Gelassenheit meinen Witz vor mir her.
Haben Sie nicht vielleicht etwas geschrieben, das ich nachahmen könnte? Es fehlt mir an Stoff zu meinem künftigen Taschenbuche.
Teilen Sie mir diese immer gefälligst mit, vielleicht daß ich doch auch meine Rechnung dabei finde; Sie glauben gar nicht, wie herrlichen Stoff ich oft in Büchern erfinde, auf die kein andrer kommen würde. Vielleicht schildre ich, wenn Sie ein paar Wochen mit mir umgehn wollten, das Leben eines Bedienten recht nach der Natur.
Sorgen Sie nicht, man könnte ihn vielleicht kaum wiederkennen. Unter uns, er wehrt sich manchmal mit allen vieren und hantiert, daß es zum Erbarmen ist; aber ich denke, wir wollen ihn schon mit einem guten Lexikon zwingen.
Ich will sie Ihnen jetzt etwas frei übersetzen, denn ich weiß, daß Sie die freien Übersetzungen lieben.
»Oft sehn wir weiß Papier, nennt sich satirisch,
Ist Luftgestalt, doch tut's wie Löw' und Bär,
Heißt Helden, Menschen, heil'ge Gräber, und
Die leere Luftgestalt erscheint der Welt
Und gibt vor Lesern sich ein Air. –
Die Taschenbücher mit den Pferden vorn,
Bald werden sie ohn' Spur auf immer schwinden:
Sei auf Autorität nicht gar zu keck ein Prasser,
Wie Land scheint manches dir und ist nur Wasser in Wasser.«
Meine Herren, ich rate Ihnen allerseits, sich nach der Mühle dorthin zu verfügen; ich zweifle gar nicht, daß Sie dort ein gutes Unterkommen finden werden.
4. Szene
Vierte Szene
Nirgends weder Prinz noch Hund noch Geschmack. O du verderbtes Zeitalter. Wie kann die Welt nur so fertig werden! Nur an Schuh und Stiefeln, die ich der Menschheit zu Gefallen mir ablaufe, ist jetzt schon eine ansehnliche Rechnung zusammengekommen. Ich habe es auf alle Arten versucht, aber es will in keiner einzigen gelingen; die Menschheit ist zu unverschämt zurückgegangen. Der Prinz wird in seiner Krankheit sterben, und wir werden zehn Jahre unnütz herumirren. – Ich bin der Possen satt und müde. Da ist an keine schöne Ruhe, an kein häusliches Glück, an keine ausgewählte Lektüre zu denken, wenn man als Treibjäger für den guten Geschmack angestellt ist. – O du angenehmes Landleben, wie gelüstet mich nach dir, im Schoß einer wohlerzogenen Familie, am Busen der Freundschaft und Liebe, an der Seite des HAMBURGER CORRESPONDENTEN mit seinen Beilagen, wie würde ich da meine mir zukommende Wonne und Seligkeit genießen! Aber das sind, ich merke es schon, Träume einer überspannten idealisierenden Phantasie, die sich niemals realisieren werden! – Wahrlich, da geht ein Schäfer, oder was es sonst für eine Kreatur sein mag. – Ich bin nicht für die Schäfer, sie haben das mit der Revolution gemein, daß sie gar zu schlimme Folgen veranlaßt haben, denn alle die übertriebenen Idyllen und ländlichen Gemälde und Unwahrscheinlichkeiten sind durch die Schäfer entstanden und haben immer eine Art von Entschuldigung für sich, daß es denn doch am Ende wirklich in der Welt einige Schäfer gibt.
Ich weiß nicht, – es wird mir hier so sonderbar zumute. – Mir ist es, als hinge ein neuer Himmel über mir, als wehten hier andre Lüfte, – kaum, daß ich mich enthalten kann, ein Lied zu singen.
[438]Ich fürchte, mein Seel', meinen Verstand von neuem zu verlieren. Aber was in aller Welt ficht mich denn hier an?
Ah! Sieh da! – Ein Schäfer? Nun ja, das fehlte mir noch. Wie könnt Ihr Euch so was unterstehn! – Nein, mein Freund, ich bin, Gott sei Dank, ein Reisender, der sich, wenn er erst wieder zu Hause sitzt, zum Range eines Reisebeschreibers emporschwingen wird.
Haha! Nun brauch' ich nur über Euch und alle Eure Poesie zu lachen. Das nenn' ich mir eine herzstärkende Prosa! Ich habe fast nur ein wenig daran gerochen, und schon ist der ganze Schwindel weg, gerade wie man auch am trocknen Brote riechen muß, wenn einem der Senf die Nase zu sehr begeistert. Seht Ihr wohl, die Verse sind wie weggeblasen.
Gar recht, vollends wenn Ihr noch hinzusetzt, ein schlechter. – Gehabt Euch wohl, Herr Rasender. Geht ab.
5. Szene
Fünfte Szene
Hab' ich in meinem Leben so was gesehn! Was das hier für eine Einrichtung ist! Kein Garten, sondern eine Wildnis. Ich glaube, wenn ich mich lange hier aufhielte, könnte ich in der Tat unsinnig werden. Und warum nicht? Ist es wohl ändern ehrbaren Leuten aus wohlfeilem Ursachen begegnet. – Blumen, so hoch wie kleine Bäume, Lilien, die höher sind als ich, mit einem Blumenstern, den man nicht umspannen kann, große Rosen an Rosen zwischen himmelhohen Eichen, Baumgänge, die so hoch sind, daß der Blick sie kaum erreichen kann, – und alles in solchem Überfluß, alles so gedrängt aneinander, daß der ganze Garten wie ein einziger dicht geflochtner Blumenkranz aussieht. Und alles brummt und singt und hat ordentlich Einfälle! Ich möchte manchmal lachen, wenn ich nicht um meinen Verstand so sehr besorgt sein müßte.
Ist das nun nicht eine ganz verfluchte Art zu rauschen? Ich habe doch nun, solange ich denken kann, schon manchen Wald gesehn, aber dergleichen ist mir noch nicht arriviert.
Sei. frei von Sorgen! Eben euer verdammtes Geschwätz, das beinahe an das Vernünftige grenzt, macht mir die meisten Sorgen. – Das tollste ist, wenn sie nun alle zusammen musizieren und zwitschern; wenn es nicht um die Merkwürdigkeit wäre, so wär' ich schon längst wieder weggelaufen.
Sieh da, sieh da, predigt meiner Seele die Toleranz trotz dem Besten unter uns. Nur ein bißchen konfus, Idee und Sprache etwas verworren; übrigens aber möchte man doch des Teufels darüber werden.
Das glaub' ich ungeschworen. Welche seltsame Reden! Drum hab' ich auch immer nicht gewußt, warum mir die Lilien so absonderlich vorgekommen sind.
Ich merke, die Tulpe spielt den Freigeist unter den Blumen und macht gewissermaßen Satiren auf die Lilien.
Es geht zu weit; – ich vergesse mich selbst; – immer und ewig allein zu stehn und doch ein unaufhörliches Geschwätz anhören zu müssen, das ist zu toll. – Wer kommt denn da? Ein Weib, dem Anscheine nach. Sie ist schön gewachsen, aber doch zu groß, gar zu groß. Das scheint hier der allgemeine Fehler.
Ich? Aufzuwarten, ein Reisender, im gegenwärtigen Augenblicke halb unsinnig, weil ich nicht weiß, ob ich verraten oder verkauft bin.
Mit Eurer Erlaubnis, daß ich ein wenig zweifeln darf. Poesie? Der Garten der Poesie? Hm! Ihr wollt meinen Geschmack und gesunden Menschenverstand wohl nur ein wenig auf die Probe stellen.
Die Poesie müßte nach meinem Bedünken, nach meinen schwachen Einsichten wohl eine etwas andere Gestalt haben. Das ist ja gleichsam hier wie in einem Narrenhause.
Weil ich in meinem Leben schon gar zu viele Blumen gesehn habe. Ja, wenn ich nicht die erstaunliche Erfahrung hätte, so könnte ich mir vielleicht eher eine Nase drehen lassen. Meine Eltern haben ja selbst einen Garten hinter dem Hause gehabt, und da hab' ich die Blumen selber oft gepflanzt und an die Stöcke gebunden.
Ich halte sie für Narren, denn etwas anders können sie auch wohl schwerlich sein, ehrliche Blumen sind sie wenigstens nicht. Seht sie doch nur an, sie scheinen ja wahre Ungeheuer. Nein, ich muß die Ehre haben, Euch zu sagen, das Wesentliche an einer Blume ist eine gewisse Kleinheit und Niedlichkeit. Und dann nicht solche übertriebene Menge; ich mag sonst wohl Blumen, und sie geben uns eine gewisse Erquickung und Ergötzlichkeit, aber das muß sich mit diesen Dingen in Schranken halten und beileibe nicht so ins Exzentrische gehn.
Nun ja, das ist die rechte Höhe, so machen es diese Idealisten immer; wenn man an ihre Hirngespinste nicht glauben will, so wollen sie einem gar weismachen, daß dies die rechte und wahre Art sei, wie eigentlich alles übrige in der Welt sein müsse. Und wenn ich auch alles andre vertragen könnte, so ist mir das ewige Singen und Sprechen dieser Dinge äußerst fatal.
Haha! Für wen seht Ihr mich denn an? Die Blumen sollten gut angekommen sein, die sich dergleichen Ungezogenheiten unterfangen hätten.
Ich stelle einen Märtyrer vor, ich gehe für die allgemeine Wohlfahrt zugrunde. Ich bin auf der Reise, und mein Prinz kann nicht eher seine vollständige Gesundheit erhalten, bis wir den guten Geschmack angetroffen haben.
Ich will es Euch schon anvertrauen, weil Ihr mir ziemlich lernbegierig scheint. Seht, der Geschmack, – als wenn ich sagen wollte, ein Gedicht, – nun müßt Ihr aber recht begreifen, denn ich strenge mich pur so an, um Euch die Sache recht klar und deutlich zu machen, – also, wenn Ihr Euch ein klassisches vollendetes Gedicht denkt, – klassisch [452] nämlich, was, – nun, das ergibt sich von selbst, – oder so ein Epigramm, ein Heldengedicht, eine Tragödie, worin alle Regeln observiert, niemals verwandelt –
Nun ja, es wird ungefähr so zutreffen. Wenn Ihr die Klassiker gelesen hättet, da würdet Ihr mich schon sehr verstehn. Hätt' ich doch nur meine Grundsätze der Kritik bei mir!
Hierher? Wahrhaftig, das fehlte ihm noch, um in die alte Raserei zurückzuverfallen. Ihr habt große Vorstellungen von Euch und Eurem Garten, ich sehe ja auch nicht einmal einen einzigen Dichter.
Man muß sich ein bißchen mit dergleichen Behauptungen in acht nehmen. Seht nur, wie sie unhöflich sind, sie kümmern sich gar nicht um midi, und doch bin ich hier fremd.
Nun, das ist noch von allen Dingen das unnatürlichste und unwahrscheinlichste. Nein, das wird Euch nimmermehr ein einziger Mensch glauben; seht, meine liebe Frau, ein solcher Garten ist bisher noch gar nicht erhört gewesen. Da kommen die Dichter auf uns zu, nun will ich Ihnen doch mit Eurer Erlaubnis ein wenig auf den Zahn fühlen.
Dante? Dante? Ach, jetzt besinn' ich mich, er hat so eine Komödie, gleichsam ein Gedicht über die Hölle geschrieben.
Nu, nur nicht so böse, ich bin ein Freund von dir und von euch allen, denn ich liebe die Dichtkunst und bringe oft meine müßigen Stunden mit euren Schnurrpfeifereien hin.
Hahaha! Er kennt die Schnurrpfeifereien nicht und hat selbst welche gemacht. Das bedeutet so Euer dummes Zeug, Eure lustigen Lappalien, was Ihr gemacht habt und womit man die Zeit ganz artig vertrödeln kann.
Seid stille, sag ich Euch, und laßt uns einmal ernsthaft sprechen. Seid Ihr denn in der Tat jemals ein Dichter gewesen?
Nun, nun, die Zeiten haben sich seitdem gewaltig geändert, damals, ja damals, – aber jetzt seid Ihr zu schwer zu lesen, und auch außerdem noch ennuyant.
Ein hitziger Kopf! – Nun, damals will ich nur sagen, war es erstaunlich leicht, ein Dichter zu sein, weil, wie ich gelesen habe, vor Euch in neuerer Zeit eben keine Poeten existiert hatten; darum müßt Ihr nur Euer Glück anerkennen, denn im Grunde wäre doch jeder andre damals ebenso wie Ihr berühmt und bewundert worden.
Natürlich, ja was noch mehr ist, ich denke es sogar in unserm Zeitalter, wo es doch tausendmal schwerer ist, dahin zu bringen. Erst fang' ich so sachte, sachte mit Abhandlungen für Monatsschriften an, in denen ich meinen aufgeklärten Kopf entdecke und irgendeinen Schwärmer oder Pietisten [454] ganz artig und sauber in seiner Blöße darstelle, dann schreib' ich gegen Gespenster, dann einen Roman gegen Euch und alles, was mir nicht in den Kopf will, dann lass' ich mir merken, daß mir im Grunde gar nichts in der Welt recht ist, bis ich am Ende immer höher, immer höher komme, anfange zu rumorieren und zu ennuyieren, was man nur leisten kann, bis mich die Leute endlich aus Langeweile für den ersten Menschen in der Welt halten. – Aber dergleichen Zeug, wie Eure sogenannte Komödie, hätte ich doch auch meiner Seele nicht in jenem unaufgeklärten Zeitalter geschrieben. Hölle und Paradies! Und alles so umständlich, wie ich mir habe sagen lassen. Pfui, schämt Euch, ein alter erwachsener Mann, und solche Kinderpossen in den Tag hinein zu dichten.
Nu, das ist es ja eben, wovon wir reden. Die katholische Religion, das ist mir und uns übrigen vernünftigen Leuten gerade der Stein des Anstoßes.
Verflucht hitzig vor der Stirn! – Was man sich dabei denken soll, weiß bei uns jedes Kind, daher es auch ein Sprichwort, sogar bei den gemeinen Leuten, geworden ist, daß wenn man etwas recht Tolles, Unvernünftiges oder auch Langweiliges hört, man zu sagen pflegt: Ei, darüber könnte man katholisch werden.
Aha! Mit Euch bin ich schon ein wenig mehr bekannt, seid auch amüsanter als jener Brummbär, aber verteufelt unmoralisch. Mensch, Mensch, wie habt Ihr so manches beim Durchfeilen können stehnlassen?
Lacht nicht, lacht nicht, um Gottes willen, wenn ich [455] nicht gänzlich an Eurem Herzen verzweifeln soll. Aus Liebe zur Menschheit, aus Liebe zur Tugend, hättet Ihr manche von den argen Possen durchaus nicht niederschreiben sollen.
Die Menschheit, – mich wundert's, daß Ihr davon nichts wißt, – seht, das ist so die Welt en gros. Jetzt steigt übrigens die Menschheit erstaunlich, man hat sogar Erwerbschulen angelegt, man prügelt die Soldaten ein bißchen weniger, man – nu, seht Ihr, das nennen wir so Menschheit.
Wo denkt Ihr denn hin? Nun ja, da sieht man Euch das rohe Zeitalter recht an, rührend ist's, zum Weinen, alles voller Prediger und Prinzen und Bösewichter und hoher edler Menschen.
So wie's kommt, manche halten gar viel von Euch, im Grunde aber hat man jetzt mit seiner Veredlung so viel zu tun, daß einem zum Spaß nicht viel Zeit übrigbleibt, mich etwa und andre dergleichen Dichterfreunde abgerechnet. Wir haben nun einmal die Schwachheit.
Wie Ihr's verstellt! Nein, mein Bester, das zu beurteilen ist für Euch wohl zu hoch. Dergleichen Not- und Hilfsbücher, dergleichen zarte vortreffliche Regenten, Taubstummen-Institute, Kabinettsordern, Lesebibliotheken, wohltätige Journale, Pockennot und Akazienbäume habt Ihr in Eurem Leben gewiß nicht vernommen.
Und schöne Weiblichkeit und zuckersüße Häuslichkeit und wahre Menschenempfindung und Wohlwollen und Mitleiden einer mit dem andern –
Unentbehrlich. Ja, Ihr solltet nur jetzt leben. Man wäre im Stande, und verböte Euch zu existieren, wo Ihr Euch nur blicken ließet.
Übrigens kann man jetzt Euer Gedicht noch aus andern [456] Rücksichten entbehren, denn der größte deutsche Poet hat so ungefähr das Beste aus Eurer Manier genommen und in seinem herrlichen OBERON trefflich verschönert; dabei hat er auch den sogenannten Stanzen eine schöne Originalität beigebracht, indem er sie freier, unkünstlicher, liebenswürdiger entstanzt und umgestanzt hat.
Ich habe also die Ehre ein sehr verliebtes Gemüt kennenzulernen. Ihr werdet auch zu Zeiten übersetzt, das heißt, ein oder zwei von Euren Sonetten, denn viel von dem Zeuge ist über die Gebühr langweilig. Sagt mir nur, wie Ihr der Dinge nicht überdrüssig geworden seid?
Ach, lieber Gott, was ist da sonderlich zu verstehn, immer Liebe und immer wieder Liebe, dergleichen ist für mich nicht. – Ich möchte fast darauf wetten, daß Ihr der bekannte Tasso seid.
Ja, Ihr habt's auch gut gemeint, das kann man gar nicht leugnen. – Wer ist der freundliche Mann dort?
Je Possenreißer, Possenreißer, komm doch vor und sei nicht so blöde, dich mag ich erstaunlich gern leiden, denn du bist ein lustiger Geselle.
Das sag Er nicht, mein Bester, denn erstens hat das Buch andre, viel bessere veranlaßt, zum Beispiel den DON SYLVIO VON ROSALVO, also ist das schon ein gewisser beträchtlicher Nutzen, und dann ist es ja zum Totlachen, es ist keiner unter uns, der das dumme Zeug nicht gelesen hätte, nein, sei Er nur ruhig. Schade, daß Er nicht jetzt lebt, aus Ihm hätte was werden können.
Bin ich, der ich in meinem Leben schon so viel Schlimmes erfuhr, nach meinem Tode so tief heruntergesunken, [457] daß der Pöbel mich für seinen Gesellen und Bruder erkennt?
Sei Er nicht betrübt, von ganz reputierlichen Leuten wird er gelesen, und in den Übersetzungen läßt man seine Gedichte und dergleichen, was nicht zur Sache gehört, aus, da hat das Ding denn ein recht feines Ansehn.
Also der Teufelskerl ist auch hier? Eine kuriose Gesellschaft! Es gibt doch auch nicht einen einzigen klassischen und korrekten Menschen hier, an dem man sein Gemüt auf eine verständige Weise erquicken könnte. Und das soll der Garten der Poesie sein? Der Schwärmerei, der Phantasterei, das will ich eher zugeben.
Da hat doch nun, nur ein schlechtes Beispiel zu geben, die deutsche Nation schon längst ihr goldnes Zeitalter der Poesie gehabt, und ich suche unter diesen Blumen und altfränkischen Dichtern vergebens einen Hageborn, Gellert, Geßner, Kleist, Bodmer, – ich sehe keinen einzigen Deutschen.
O geht mir doch mit dergleichen, ich selbst habe erst neulich HERMANN UND DOROTHEA, der Genius der Zeit forderte [458] das, so rezensiert, daß man ja blind sein müßte, wenn man den Verfasser noch länger für einen Dichter halten wollte.
Was muß ich vom Dante hören? Ihr verschmäht es nicht, diesen Lästerer hier in diesem reinen Aufenthalt zu dulden?
Ich mag nichts mit ihm zu tun haben. Laßt einige Genien kommen, ihn fortführen und ihm dann etwas Speise reichen.
Ihro Gnaden sind ja ein Grieche, ich habe ja einen großen Respekt vor Ihnen – nur sind, wie man sagt, Ihre Chöre etwas schwer; – so übel wird einem Freunde der Dichtkunst mitgespielt! –
6. Szene
Sechste Szene
Das geht über alle Beschreibung, über allen Glauben hinaus. Wird ein reisender Mensch, ein gebildeter Kenner so in der Fremde behandelt? Der ganze Garten ist voller [459] Menschen, und alle sehn mich als ein lächerliches Wundertier an; der Grieche, der doch in der Tat mehr Manieren haben sollte, läßt mich endlich gar fortbringen, um mir Essen reichen zu lassen, – und doch seh' ich hier nichts.
Schönen Dank! – Daß es aber nur gute und ordentliche Eßwaren sind und nicht so phantastischer Narrenkram, wie die Reden draußen in der freien Luft vorfielen.
Das ist es, was ich sagen wollte, Herr Genie. – Der Boccac lief mir noch nach, um über mich zu lachen, und ein gewisser Benjamin Jonson schrie mir unaufhörlich lateinische Satiren nach. – Ist denn das wahr, daß der eine Träumer in dem dunkeln Gange der berüchtigte Jakob Böhme war?
Ja, ich sage aber auch, daß euer Garten der Poesie dann ein Garten für Schlingel und Bärenhäuter ist.
O wie glücklich ist die Kreatur zu preisen, die endlich zur Erkenntnis kommt und statt müßig zu sein, nützlich ist.
Ich freue mich, daß nun das Essen bald auf meine Oberfläche wird gesetzt werden, dann nimmst du meinen Bruder, den Stuhl, setzest dich vertraulich und lächelnd zu mir heran, und ich bin dir eine unnütze Bequemlichkeit.
Wie freuen wir uns, daß wir nicht mehr draußen als elende grüne Bäume im Freien stehn und rauschen und uns schütteln, was keinem frommt. Hier sind wir zu einem nützlichen Zwecke umgearbeitet und erzogen.
[460]Wir Möbel können uns nur noch dunkel unsers rohen, grünen, unkultivierten Zustandes erinnern, aber die wilden Tage unsrer unnützen Jugend sind dahin, wir wuchsen und gediehen und wurden hernach ein trefflich dürres Holz, so daß wir uns auch gar nicht einmal geworfen haben; wer es nicht wüßte, würde es uns gar nicht ansehn, daß wir sonst einmal Bäume waren.
Ei der Tausend! Ei der Tausend! Wo soll ich verwundernswürdige Verwunderung genug hernehmen, um mich auf die gehörige Art zu verwundern? – Ja, ich bin bei mir selber, ja, ich bekenne es mir dreist, daß dieser Tisch und dieser Stuhl die edelsten, die vernunftreichsten Kreaturen sind, die ich noch, mich selber ausgenommen, bisher auf Erden angetroffen habe. Daß nicht, wie es doch sogar bei den meisten Menschen der Fall ist, Hände aus diesen verehrungswürdigen Personen heraushängen, damit man sie ihnen mit Achtung und Biederherzigkeit drücken könnte! Ja, was soll ich tun, was, um meine Erkenntlichkeit zu bezeugen? Es bleibt mir nichts übrig, als mich in dich, o allerliebenswürdigster Stuhl, hineinzusetzen.
Herrlich, herrlich, du Edler. Nun rücken wir zum Tisch und machen die angenehmste Gesellschaft; – und nun fehlt zu meinem häuslichen Glücke nichts weiter, als daß man rasch das Essen hereinbringe.
Auch ich bin ein brauchbares Mitglied, in mir werden die Servietten und Tischtücher aufbewahrt, auch ich bin, ein ehemaliger Baum, zur Vernunft gekommen.
Ihre Gesundheit, Herr Schrank, daß noch lange die verfluchten Holzwürmer Ihrer nützlichen Existenz kein Ende machen mögen!
Es ist wahr. – O Menschen, Menschen! Wenn ich euch doch nur einmal vor diesen beschämenden Spiegel führen könnte. Wie wenige Vortreffliche unter euch können sich doch mit diesen messen!
Gleich. – Ach, wie schön bin ich, wie geistreich seh' [461] ich aus! Kann man mehr Feuer im Auge besitzen? – Schönen Dank, liebwertester Spiegel, daß Sie mir diesen köstlichen Genuß haben gönnen wollen.
Sie vergessen mich, Herr Nestor, Ihren Freund, ich glühe, Ihnen zu schmecken und Vergnügen zu machen.
Wie soll ich so viel Edelmut vergelten? Ich erliege der Last der Dankbarkeit. – Aufopferung, nichts als Aufopferung! O ihr hohen Geister! – Mein Herz, meine Kinnbacken, mein Magen – alles, alles ist euch auf ewig zugetan. – Wie zweckmäßig ist doch die Einrichtung der schönen Welt! – O du, mein wackrer Freund, der mir dies Büchlein mitgab, hier würdest auch du Anker werfen und nicht mehr über Idealismus winseln. Hier würdest du deine goldenen Träume in Erfüllung sehn.
Nicht wahr, ich halte die Schüsseln recht fest, eine brave starke Person, steh' ich auf kräftig tüchtigen Füßen.
Unvergleichlich, Biedrer, Starker, ich rutsche vor Entzücken hin und her, mehr kann ich nicht tun. – Nun, Genien, sprecht doch nur dergleichen, – die Lumpenkerls haben sich sachte fortgeschlichen; nun, ich brauche euch auch nicht, denn ich bin in guter Gesellschaft.
Ach großmütiges Herz, Sie rutschen allzu lebhaft, meine Konstitution ist etwas zarter als die des Bruders Tisch, das können meine eleganten Beine nicht aushalten.
Um Vergebung, bitte tausendmal um Vergebung, wenn das Herz recht voll ist, so regiert man sich oft nicht mäßig genug.
Als ich noch im grünen Holze steckte, hatt' ich wie ein echter Vagabund meine Freude an Luft und Sonne, seit ich meine Bestimmung erfüllt habe, sind mir beide verhaßt.
Und mit Recht, mein Freund, sie sind den Möbeln schädlich. – Jetzt bin ich gesättigt, jetzt werde ich mich wieder fortbewegen.
Bin wahrhaftig nicht imstande. – Ei, da hängen ja eine ganze Menge musikalischer Instrumente an der Wand. – Eine Geige! Ich bin ein ganz artiger Violinspieler; ich will doch einmal versuchen, die Sonate zu spielen, die ein guter Freund ganz besonders für mich komponiert hat. Er spielt.
[462]Um Gottes willen, schweige doch nur, denn du bist mir das fatalste von allen diesen Instrumenten. Da ist ein Buch kürzlich herausgekommen, mich dünkt STERN BALDS WANDERUNGEN, da ist bei jedem dritten Wort vom Waldhorn die Rede und immer wieder Waldhorn. Seitdem bin ich deiner gänzlich satt. – Ich muß jetzt gehn. – Noch ein Glas Wein! Adieu, Herr Tisch und Stuhl und ihr alle meine Freunde, mein Herz wird euch niemals vergessen.
7. Szene
Siebte Szene
Verirrt wandr' ich umher und kann aus diesen Felsen, aus diesen Labyrinthen den Rückweg nicht finden. – Wunderbare Gedanken kommen in meine Seele, Gefühle, die ich noch nie empfand. – Die Natur liegt groß und unermeßlich vor mir, Stürme brausen durch den nahen Wald, die Quellen rauschen. Wie nichtig und klein erscheint mir hier meine Existenz, die mir immer so groß dünkte, wie lächerlich der Zweck, um dessentwillen ich mich hier befinde. Warum ängstigen wir uns fast alle ohne Not so ab und genießen nicht lieber die gegenwärtig schönen Stunden in Ruhe und Zufriedenheit? Alles um mich her erhält bedeutende Gestalt und Umriß; wenn ich hier länger weile, so bilde ich mir bald halbtrunken ein, die Bäche hier, die Bäume führen in sich Zung' und Sprache, wie mit Geistesgestalt schaut es mich aus diesen hohen Bergen an.
Was vernehm' ich? Ist es nicht, als wollte sich das unverständliche Rieseln freiwillig in Worte auflösen; in dunkeln Gedanken ordnet sich die rätselhafte Sprache, mein Blut erstarrt, meine Sinne schwindeln vor Schrecken und Erstaunen.
Ist es ein Traum? Bin ich wahnsinnig? – Wie bin ich heute würdig, daß mir der Schleier vom Antlitz hinwegfällt und die Natur sich mir offenbart?
Wohin soll ich mich retten? Ich trage es nicht länger, ich vermag mich selber nicht mehr zu fassen, es überwältigt mich von allen Seiten, sie steigen heraus die Riesengeister aus der Unsichtbarkeit, die sie bis jetzt noch gefangenhält.
Ich versinke, unerträglich ist mir die Last dieser Gedanken, mir ist's, die Berge liegen schon auf mir, und über mir wandelt dahin die wildbelebte Schar der Wälder und Ströme und Gebirge. So trennt sich einst gewaltsam am letzten Tage die Natur aus allen festverbundnen Fugen. – Aber welche göttliche Gestalt bewegt sich dort vom Gipfel herunter? Wie ruhig ist sein Gang, wie göttlich und wie menschlich sein Ansehn! Mit ruhiger Unbefangenheit wirft er einen sinnenden Blick in die große Natur: Er kann keiner von den Sterblichen sein.Die Gestalt steigt herunter.
Shakespeare? – Ei, wie sehr freu' ich mich, dich zu sehen, auf Erden ist unter uns die Rede oft von dir. – Mich verwundert, wie du bei diesen Stimmen und Geistergesängen so ruhig und unbefangen bleibst.
Mich hat dies so erschüttert, daß ich kaum noch weiß, wo ich bin, der Schrecken hat mich fast wahnsinnig gemacht.
Du mußt es wie ein schönes Spiel genießen, denn als ich auch noch lebte, hat mich dergleichen nie erschreckt.
Nun, man hält dich also für einen wilden, erhabenen Geist, der bloß die Natur studiert hat, sich ganz seiner Furie und Begeisterung überläßt und nun darauf los dichtet, was es gibt, gut und schlecht, erhaben und gemein durcheinander.
Dennoch irren sie, aber es tut nichts. Verkünde ihnen, daß die Kunst immer meine Göttin war, die ich anbete.
Weil du es selbst nicht glaubst. – Komm mit mir, du hast dich hier in der wilden erhabnen und großen Natur verirrt, ich will dich wieder herausführen und auf deinen geraden Weg bringen.
Ich gehe doch den Weg nach Hause. Vor dem Garten der Poesie nehmen wir dann Abschied, denn du wirst weiter wollen.
8. Szene
[468] Achte Szene
Das muß ein erstaunlicher Mann sein, in dessen Lobeserhebungen sich der Verehrungswürdige Polykomikus so umständlich ergießt.
Das Volk, die Menschheit wird allerdings viel gewinnen, wenn wir ihn hier auf eine vorteilhafte Art anzustellen suchen.
Ich würde mich unendlich glücklich schätzen, wenn ich meine wenigen Talente in den Diensten von Ihrer huldreichsten Majestät aufbrauchen könnte.
Richtig. Nun sieht Er, getreuer Aufgeklärter, das soll auch am Ende unter den Untertanen hübsch um sich greifen, daß sie nicht mehr stockdumm wie die Ochsen oder ungebildet sein möchten, denn dann ist das Regieren wahrhaftig keine Freude.
Man muß also fürs erste alle Vorurteile von ihnen abwaschen, damit sie nachher der neuen Vernunft fähig werden; in dieser Rücksicht wäre es dienlich, gleichsam ein Journal für Aufklärung herauszugeben.
Nun, Er hat ein gutes, ehrliches Gesicht, ich will mich auf Ihn verlassen. Wenn Er nur nicht selbst eine Art von Schwärmer ist; mich dünkt, Er hat so einen melancholischen Zug ums Auge.
Das rührt vielleicht, mit Ihrer Majestät Erlaubnis, daher, daß ich zuweilen einige wenige Verse mache.
In diesem Journale oder Wochenblatt würd' ich [469] immer bestmöglichst für die Bedürfnisse der Menschheit sorgen und ein Licht anzünden, das weit leuchten soll: Anfangs wollen wir's nur aus Stroh machen, vielleicht, daß sich nachher bessere Materialien finden. Alsdann muß ich mir die Gnade ausbitten, im Lande herumzureisen, um nachzusuchen, wo irgend Schwärmer stecken, damit ich diese ausstellen, beschreiben und weitläufig in allen ihren Blößen darstellen kann.
Mir ist zum Beispiel für den ersten Anfang ein Mann bekannt, ein Korbmacher, der durchaus ein Prophet werden will.
Je, da ist ja unter andern die alte Majestät, mein Schwiegervater, der besitzt einen zinnernen Mann aus Blei, mit Namen Sebastian, und glaubt dabei, daß er diesen Sebastian, ganz wie er in Blei leibt und lebt, nächstens einmal lebendiger menschlicherweise antreffen wird. Wenn es mit der gehörigen Mäßigung, Schonung und Namensverschweigung abgehandelt würde, so könnte Er ihn auch als einen Beitrag für Sein Buch nehmen.
Ich kann keine Worte finden, um für diese unbedingte Huld hinreichend zu danken oder diese unbeschränkte Liebe zur wohltätigen, menschheitbeglückenden Aufklärung auf die genügende Art zu erheben.
Wir wollen aber dabei Ihre schwiegerväterliche Majestät in Kupfer stechen lassen, in punktierter Manier.
Das wäre ein Punkt. Das meiste aber könnte vielleicht dadurch bewirkt werden, wenn man die ganze bisherige Erziehung durchaus umarbeitet.
Fern sei von Ihrem untertänigsten Knecht dergleichen frevelhafter Gedanke. Ich wollte mich unterstehen, eine Schule anzulegen, in der die jetzige gegenwärtige Jugend [470] zu ganz unbegreiflich großen Menschen sich ausbilden und heranwachsen sollte.
Es sei Ihm zugestanden; ja, Er soll mir alle Schulen im ganzen Lande reformieren und alleroberster privilegierter Schulmeister sein.
Geht auch die königliche Güte nicht vielleicht weit? – Dieser Mann hat etwas in seiner Physiognomie –
Ich verstehe Euch, Minister, Ihr habt Euch bisher so ein bißchen mit der Aufklärung in meinem Lande abgegeben, nur es soll Euer Schade nicht sein, nur laßt den Handwerksneid, laßt doch den Mann in Ruhe klären und schulmeistern, es ist Euch erlaubt, sein Patron zu sein.
Nun ist es gut, Er soll seine Bestallung haben; jetzt bin ich müde, mehr zu reden. Geht mit Gefolge ab. – Jeremias tritt ein.
Vollkommen, ich werde die Schulen durchaus reformieren, ich werde eine Wochenschrift herausgeben, alles, alles; der Kater ist mein Patron.
Ich will dir die ersten machen, damit du es einsehn lernst. Zweitens mußt du dich in acht nehmen, daß du nicht in die Torheit fällst und selbst an die Narrheiten glaubst, die wir miteinander abgeredet haben.
Gar nicht, wenn du das Ding nur recht angreifst. Am besten, wir erfinden eine ganze Sekte, eine große Gesellschaft [471] von Verfinstrern und Missetätern, die dem Lichte der Aufklärung im Wege stehn, diese suchen wir allenthalben zu entlarven, zu stürzen, finden tausend Spuren und sind grob. Das zieht sich der eine und andre zu Gemüte, sogleich wird er für einen solchen Bösewicht ausgegeben, man schreibt und schreibt, und die Leute lesen und lesen, so vergeht die Zeit, das Geld kommt ein, und du bist auf dem lieblichsten und anmutigsten Wege berühmt geworden.
Davon laß dir nur nichts merken, denn die Zeiten sind jetzt vorüber. Gibt es einen oder den ändern Klugen, der es dir anmerken möchte, so geh ihm aus dem Wege.
Bei ihm war es nur Instinkt, aber nicht Verstand. – Wieder auf unser voriges Gespräch zu kommen, so wird es sich gewiß fügen, daß der und jener auch einmal, nachdem du es lange verdient hast, recht grob gegen dich ist, und dann mußt du dich freuen.
Nicht anders, denn dann giltst du bei den Dummköpfen gar für einen Märtyrer der Wahrheit, für einen Mann, der sich den Fortschritten des Jahrhunderts aufopfert, und da alle wirklich großen Männer immer Feinde gehabt haben, so mußt du das benutzen und dich sachte mit zu ihnen stellen, dabei immer zu zeigen suchen, wie schlecht das Herz deiner Gegner sei, von ihrem Verstande und von dir weislich schweigen und sie immer nur für Feinde deiner ausgemacht guten Sache ausgeben.
Natürlich, aber bist du gestellt, die Vernunft zu predigen? Und würde dich das zum Landoberschulmeister machen?
9. Szene
[472] Neunte Szene
Im ganzen gewiß, nur ist immer noch die Frage, ob man den Shakespeare aufs neue und so gar getreu hätte übersetzen sollen.
Ich schmeichle mir, diesen Dichter ein wenig genauer zu kennen, aber er ist wirklich nicht für uns gebaut, er führt uns nur in die Irre.
Ich freue mich, die Ehre zu haben, Sie allerseits kennenzulernen; ich werde dieses Glück in meiner Reisebeschreibung nicht vergessen.
[473]So bleiben Sie bei uns, hier kann Ihnen vielleicht abgeholfen werden; wir haben in dieser Stadt so viele wackre Männer, die sich insgesamt beeifern und sich eine Ehre daraus machen werden, Ihnen ein weniges vom Geschmack beizubringen. Ich selbst kann vielleicht aushelfen, ich bin in Italien gewesen, ich habe alle schönen Denkmäler der Kunst besucht, Sie sollen mein Tagebuch lesen.
10. Szene
Zehnte Szene
6. Akt
1. Szene
Erste Szene
Nun steht ja die Aufklärung schon in schönster Blüte, man kann wahrlich von den guten Menschen nicht mehr verlangen, sie saugen Vernunft und Veredlung in sich wie die Bienen.
Das macht, es fehlt dir an Erfindung, du bist zu einseitig auf das Gute und Verehrungswürdige erpicht, und ich fürchte, es währt nicht lange, so glaubst du selbst daran.
Ja, du, der du kein Herz in dir fühlst, der du die himmlische Wahrheit nur als ein Mittel betrachtest, um dir Lebensmittel zu erwerben, ja, du darfst in Gottes Namen aus den Wolken fallen.
Die Stimme der echten Begeisterung hörst du, und sie soll sich wahrlich für die Menschheit nicht unter drücken lassen. Und wenn es mir manchmal an Stoff gebricht, so geschieht es nur darum, weil mein Enthusiasmus zu wahr und zu aufrichtig ist.
Ich steige, immer steig' ich, ich habe nun die erhabenen Sprossen der Menschheit erreicht, und kein Bösewicht soll mich meiner Tugend wieder abwendig machen.
Ich schweige, ich bin stumm, du siehst so einfältig dabei aus, daß ich dir wohl glauben muß, es sei dein Ernst. Aber ich will gehn und dir einen Menschen vorstellen, der dir für deine Schriften ganz unentbehrlich ist. Geht ab.
Der Kerl ist doch nicht so klug, wie ich anfangs glaubte; es gelingt mir wirklich, ihn zu übertölpeln, er darf, nun er sieht, daß es mir Ernst wird, nicht mehr so den Herrn und Gebieter über mich spielen. Man kann doch alle betrügen, wenn man ihnen nur Dummheit genug zutraut.
Ja, mein Herr Schulmeister, mir wird die Zeit oft sehr lang, und da habe ich mich zum Spaß auf eine neue Art von Amüsement appliziert.
Ja, es ist sehr nötig, denn ich bin des Wesens überdrüssig; ich will zur Abwechslung einmal zum Satan gehn.
Was Sie wollen, denn ich bin zu allen Dingen nütze; ich teile dann meine Zeit angenehm zwischen Ihnen und der alten kindischen Majestät.
Eigentlich ist es so nicht gemeint, sondern ich will Ihnen mittelbar nützlich sein. – Sehn Sie, um mich kurz zu fassen, ich war vormals ein Narr.
Und ich muß Ihnen gestehn, daß mir diese Beschäftigung so ungemein wohlgefallen hat, daß es mir nachher leid tat, das Werk aufgeben zu müssen. Seitdem ist nun Tag und Nacht mein Sinnen und Trachten gewesen, wieder in meinen alten Beruf hineinzukommen, und so weiß ich nun kein besser Mittel, als Ihnen, mein Bester, eine Dienste[477] anzubieten, damit doch auch die Welt und Menschheit noch etwas davon genießt und ich nachher mit dem Tröste sterben kann, nicht umsonst gelebt zu haben.
Sogleich werd' ich mir die Freiheit nehmen, Ihnen die Sache in die Augen springen zu lassen. – Sie sind nämlich gesonnen, alle Vorurteile auszurotten und sich nebenher einen unsterblichen Namen zu machen, da ist mir eingefallen, daß Ihnen der Stoff gar bald ausgehn müßte oder daß Sie endlich gar in die üble Lage kämen, immer dasselbe zu wiederholen, was Ihnen zwar nicht unangenehm sein, den Lesern aber doch auf die Dauer lästig fallen möchte.
Nun, geruhen Sie, meine Großmut anzuerkennen. Ich habe nämlich nach einigem Besinnen den großen Entschluß gefaßt, Ihnen bei Ihrer Menschenveredlung als ewiges Modell zu sitzen.
Ei behüte! Wie könnte meine Bescheidenheit zugeben, Ihnen das so gerade ins Gesicht zu sagen? – Ich komme nunmehr meiner Absicht noch näher. Ich will nämlich umgekehrt immer Albernheiten, Abgeschmacktheiten und schwärmerische Possen erfinden, die Sie nachher widerlegen können.
Sie mögen dann erst den Aberglauben oder Paroxysmus oder die Schwärmerei, die ich erfinde, anführen, dann alle vernünftigen Beweise dagegen loslassen und die Narrheit so derb züchtigen, daß die Menschen sogar fast so klug werden, wie Sie selber und meine irrige Meinung keine Anhänger findet. Ich erlaube Ihnen dabei noch, mich, sooft Sie wollen, namentlich aufzuführen.
Diese Seelengröße spielt ins Ungeheure! – Und wie oft engagieren Sie sich, eine Narrheit fertig zu haben?
Zuviel, Sie sind allzu gütig; wenn Sie mir nur wöchentlich eine liefern wollen, so bin ich im höchsten Grade zufriedengestellt.
Der Himmel segne Euer edles Bündnis, die Nachwelt [478] nenne Eure Namen mit Ehrerbietung; ich beurlaube mich, Ihr großherzigen Freunde, um den alten Satan aufzusuchen. Sie gehn ab.
2. Szene
Zweite Szene
Das ich nicht sagen könnte; meinen Augen dünkt die Aussicht ganz angenehm, man weiß hier so bestimmt, woran man ist.
Ich war auf meiner Reise in einem Dinge, das man für den Garten der Poesie ausgeben wollte, da sah es nicht den zehnten Teil so korrekt aus wie hier.
Ah, guten Tag, wertgeschätzte Freunde, Sie kommen recht erwünscht; ich arbeite eben an einem Gedicht, und da ist es recht gut, wenn man ein bißchen gestört wird.
Ei, weil man sonst wider Wissen und Gewissen, trotz der besten Vorsätze gar zu leicht ins Unnatürliche verfallen kann. Sehn Sie, ich nehme mich gewaltig in acht und kenne gewiß meine Natur, aber doch ist es mir sonst wohl begegnet, ehe ich mich versehe – bauz – ein Ausdruck, der, möchte man sagen, beinahe ans Poetische grenzt.
Das ist ein Mann! Das ist ein Mann! Bester, Teuerster, lassen Sie sich umarmen, Sie verdienen mein ganzes Herz.
Das wollte ich meinen. Sehn Sie, darum betrachte ich den Sand hier, die Kiesel, von denen ich überhaupt einige mitnehmen will, diese Dornensträuche so gar genau, damit ich es auch ordentlich der Natur gemäß beschreiben kann; denn was hat sonst der Leser nachher davon, wenn er mit [479] meinem Gedichte hinausgeht unter Gottes freien Himmel und will die Sache mit der Nachahmung selber vergleichen.
Es ist wahr. Wie wird man oft vexiert, wenn man darauf kommt, die prächtigen Dinge aufzusuchen, die man in so manchen schwülstigen Gedichten beschrieben findet.
Dann denk' ich auch immer, daß für unsre menschliche Seele eigentlich solche Gegend wie die hiesige die angenehmste ist; man sieht nicht viel, aber die paar kleinen wilden Blumen, die hier so kümmerlich wachsen, bemerkt und schätzt man um so aufrichtiger, und das ist gerade die Weise, wie ich die Blumen mag.
Oh, du Priester der Grazien und Musen! Wie sprichst du aus meiner Seele! – Ja, herzerquickend fühl' ich es, wie weit dieses Land, das holdselige, vom Garten der Poesie entfernt liegt.
Ohne allen Zweifel, o man schätzt hier solche Gemüter. Hier ist alles so weise, so liebreizend eingerichtet und angestellt, so jeder in seinem Wirkungskreise tätig und beglückt. – Ach, mein Teuerster! Sie sollten nur lesen, wieviel darüber geschrieben wird. Man belohnt die Talente, man beschützt die echte Kunst, weit und breit finden Sie dergleichen von geschmackvollen Rüben nicht, wie in diesen Gegenden wachsen.
Man steigt dabei auch alle Tage höher, und man erwirbt und spart – und dichtet und trachtet, – bemerken Sie das Sprichwort, – unsre Dichter nämlich dichten niemals, ohne zugleich nach irgendwas zu trachten – und das unterscheidet sie hauptsächlich von den alten Poeten. – Ach, sehn Sie diesen schönen Sandhügel, worauf die beiden Grashalme so liebreich stehn, oh, wie wohl wird einem dabei! Das ist hier kein Opernhaus, das ist kein erleuchteter Ballsaal, sehn Sie, dort geht ein Bauer im Dreck, aber gottlob, er hat keine Tressen auf dem Kleide.
Das heißt Natur, worin wir uns gegenwärtig befinden. Nun muß ich mir noch die Taschen voll Kiesel stecken, meine Kinder spielen damit so gerne.
[480]Damit könnt' ich Ihnen bald helfen; denn wenn Sie nicht, wie ich nicht hoffe, das Gezwungene und Unnatürliche lieben, so erhalten Sie ihn von mir aus der ersten Hand. Der Mannigfaltigkeit wegen aber können Sie sich nach unsrer Residenz begeben, wo es Ihnen an dem, was Sie begehren, gewiß nicht gebrechen wird.
Sehn Sie, des liebreichen, nachgiebigen Sandbodens wegen; die Wege hier herum begnügen sich nicht damit, sich auf ihrer Oberfläche betreten zu lassen, man wird gleichsam mit Gewalt tief mit den Beinen hinabgezogen, das zeigt vom Erdboden eine gewisse Gastfreundlichkeit an, beweist die vis centripeta und hindert außerdem, daß man nicht gar zu flüchtig den reizenden Landschaften vorübergeht.
Zum Erstaunen. Wenn Sie eine Viertelmeile weiter hinunterkommen, so finden Sie besonders einen Strauch, der so romantisch und merkwürdig ist, daß ich nicht genug da von zu sagen weiß. Was wollen Sie? Wenn der Staub nicht zu unmäßig ist, bleibt er fast den ganzen Sommer hindurch grün. Oh, wenn Sie dort vorbeikommen, Sie werden die herrliche Aussicht nicht genug genießen können.
Himmel! Ist Ihnen das noch nicht genug? – Oh, dann sind Sie unersättlich und taugen für die hiesige Poesie und Lebensweise nicht.
So begeben Sie sich also nach der Residenz. Allenthalben – doch, daß ich im Patriotismus nicht zu weit gehe –, fast allenthalben werden Sie bei den Poeten, Philosophen, Gelehrten, Geschäftsmännern im guten Ton, in der Geselligkeit, in summa hoch von oben herab bis unten zum gemeinen Mann hinunter ein Bild von meiner huldreichen Poesie antreffen. Philosophen für die Welt, Aufklärung, Gesangbücher, [481] Predigten, Romane, alles, alles atmet den schönen Sinn der Humanität und Toleranz; alles wird mit Maß getrieben, keiner übernimmt sich, das Herz wird Ihnen lachen, wenn Sie die Vollendung dieser Menschheit gewahr werden.
Einen ganz gehorsamsten Dank, allerholdseligster Dichter. – Nun lassen Sie uns eilen, mein Prinz. Sie gehn ab.
3. Szene
Dritte Szene
4. Szene
Vierte Szene
Um Himmels willen, geben Sie sich zur Ruhe, lassen Sie es gut sein, auch dieser Zustand wird vorübergehn.
Niemals, niemals; ich bin verloren, ich finde keinen [483] Geschmack, ich finde keinen, und mein zeitliches Wohl ist auf ewig dahin.
Ich kann es nicht, es ist gegen meine Gemütsverfassung, der Verderbtheit des Zeitalters so gelassen zuzusehn.
Torentrost! Wahnsinnshoffnung! – Würde sich dann die Raserei meiner so bemeistern, wie sie doch gegenwärtig tut?
Ja, ich will sterben, denn wenn ich dir aufrichtig meine Meinung gestehn soll, so bin ich meiner Existenz schon lange überdrüssig.
Nehmen Sie ein Beispiel an meiner großen Seele, wie ich mich in alle Widerwärtigkeiten zu finden weiß.
O weh mir! Weh mir Unglückseligen, daß ich geboren ward! Oh, warum ließ ich mich jemals gelüsten, das Licht dieses Tages anzuschauen! – Geschmack! Geschmack! Wohin hast du dich verborgen, daß du mir auf allen Wegen entfliehst? Wo ich dich immer suchen mag, nirgends bist du; denk' ich manchmal, hier werd' ich dich erhaschen, so ist es immer wieder eine trügerische Gestalt. – Nun will ich mir auch plötzlich ebene Bahn machen, daß die Welt sich verwundern soll. Durchdringen will ich durch alle Szenen dieses Stücks, sie sollen brechen und zerreißen, so daß ich entweder in diesem gegenwärtigen Schauspiele, den guten Geschmack antreffe oder wenigstens mich und das ganze Schauspiel so vernichte, daß auch nicht eine Szene übrigbleibt. – Darum, mein getreuer Nestor, hilf mit, Hand anlegen, wir wollen uns beide durch alle Wörter und Redensarten bis zum ersten Chor oder Prolog durchdrängen, damit so unsre mühselige Existenz aufhöre und das Gedicht, das uns elend macht, wie Spreu in die Lüfte verfliege.
Nun denn, die Hände, die Arme frisch dran, drängen [484] Sie die Maschine mit aller Gewalt zurück und immer zurück, so erreichen wir vielleicht unsern Endzweck. –
Was ist denn das? – Das Stück geht ja wieder zurück. – Verwandelt sich in das vorige Feld, Helikanus und der Waldbruder treten verwundert herein.
Ich merke, dieses Stück läßt sich ohne sonderlichen Nachteil wie eine gute Uhr vor- und rückwärtsstellen.
Mir geht es nicht anders, ich bin schon längst wieder hinter dem Gedanken, mir das Grab zu wünschen, zurück. – Die Kerls drängen immer gewaltsamer, Lila kommt schon mit frischer Kraft in meine Phantasie zurück.
Gehorsamer Diener. – Helikanus, wollen wir von der andern Seite drehen, damit es ihnen doch nicht gelingt?
Es ist eine Schande, statt daß das Stück nun sänftlich zu Ende gehn sollte, müssen die Zuschauer das sogar noch zum zweiten Male hören und sehn, was ihnen schon beim ersten Male zuwider war.
Wir unglückseligen Poetischen; die beiden prosaischen Hauptpersonen sind toll im Kopfe geworden und schrauben nun mit aller Macht das Stück wieder zurück.
Mein lieber Zerbino, – wie kommen Sie darauf? Das hätt' ich in Ihnen nimmermehr gesucht, dazu wurden Sie gar nicht angelegt.
Ich kann mir nicht anders helfen, denn ich bin meines Lebens überdrüssig. – Schraub, getreuer Nestor, schraub mit Eifer alles los.
Hier, meine Freunde, seht ein ganz neues Schauspiel: Der Held meiner Tragödie ist unbändig geworden; er meint, das ganze Stück soll wieder in sein Nichts zurückkehren.
Greifen Sie den Unsinnigen nur dreist an, Herr Verfasser, daß er wieder zu seiner alten Schuldigkeit zurückkommt.
Sie sind zu zaghaft, Herr Verfasser, ich bin das Gräßliche gewohnt, ich will auf ihn zugehn. – Er soll sich geben, damit man nachher weiß, wie es geworden ist; da wäre es ja schlimmer als ein abgebrochener erster Teil.
[486]Wenn auch nicht, das geht Ihn nichts an, Er muß sich doch so was nicht unterstehn. Bedenk' Er nur, wenn das alle so anfingen!
Schließt ihn von allen Seiten ein, – Herr Setzer, Herr Helikanus, andächtiger Waldbruder, treten Sie alle heran. – O Unglück, wenn der Held dem Verfasser über den Kopf wächst!
Herr Nestor, Herr Nestor, ich bin bisher immer so sehr Eurer Meinung gewesen, warum tut Ihr mir nunmehr den Schabernack?
Was wollt Ihr, Kritiker? Hat Euch denn das Schauspiel bisher so sehr gefallen, daß Ihr mich wider meinen Willen drin behalten wollt?
Mitnichten, ich denke den Aberwitz gehörig zu züchtigen, aber darum dürft Ihr doch nicht ein so ärgerliches Beispiel geben.
Herr Kritiker, lassen Sie ihn nicht entrinnen, und wenn wir ihn erst wiederhaben, so gedenken Sie ihm doch in Ihrem Blatte diesen Streich.
Helfen Sie mir doch und hören Sie nur eine kleine Anmerkung, die ich bei dieser Gelegenheit machen will.
Ich habe keine Zeit, ich muß dem Helden nach; die Rasenden pflegen gar interessant zu sein.Schnell ab.
Sie wissen ja am besten, woher meine Verse [487] kommen, und wenn Sie selber lahm sind, getraue ich mir keine Silbe auszusprechen.
Wollen sie mich nicht aus dem Stücke herauslassen, so will ich wenigstens dem Verfasser eine solche Ohrfeige reichen, daß er zeit seines Lebens an mich denken soll.
Ich werde genug an dich denken, aber darum mußt du doch nicht glauben, daß ich mich vor dir fürchten sollte. – Heran! Heran! Ich halte dich für einen Lumpenhund!
Viktoria! Viktoria! – Herr Leser, Herr Setzer, hier haben wir den unnatürlichen Bösewicht, der sich gegen mein Schauspiel verschworen hatte. Bringt Stricke her! – So! – Willst du nun artig sein?
Adieu, meine Herren! – Dem Himmel sei Dank, daß es noch so abgelaufen ist. – Jetzt soll auch sogleich das Ganze seine baldige Endschaft erreichen, eh' er zum zweitenmal auf solche Streiche fällt, denn die Verzweiflung wirkt oft wunderbar. Geht ab.
5. Szene
Fünfte Szene
Es ist zu spät, wieder umzukehren. – All mein voriger Glanz, meine Talente, mein Ansehn unter den achtungswürdigen Bürgern, alles ist dahin, als wär' es nie gewesen. – Soeben war mir, als wollte meine alte Herrlichkeit [488] zu mir zurückkommen, ein neues Licht ging in meiner Seele auf; – aber alles verflog wieder wie ein Traum. – Ich komme fast auf den Gedanken, daß ich zu meinem Heil die alte. Freundschaft wieder aufrichten und eine Aussöhnung mit dem Satan suchen möchte.
Das könnte leicht kommen, denn meine Talente sind im vollen Wachsen, die Ihrigen im Abnehmen; die Welt denkt besser, und was das vorzüglichste ist, ich bin jetzt in Satans Diensten.
Mancherlei: rezensieren, aufklären, Rat erteilen, verleumden, Sachen verdrehen und in ein schiefes Licht stellen –
Ich tu dergleichen aber nur aus Verstellung und Zeitvertreib. – Jetzt machen mir besonders Journale mit Kupfern viel zu tun, so daß ich mich kaum ein halbes Stündchen abmüßigen kann, meine ehemalige Wüste wieder zu besuchen und mit Ihnen gegenwärtigen Diskurs zu führen.
Gehorsamer Diener. – Ich will dir etwas aus ehemaliger Freundschaft vertrauen: Es geht mir jetzt miserabel.
Ganz gewiß, ich gebe dir mein Ehrenwort darauf; Ansehn, Kenntnisse, Vorurteile für mich, alles hat im buchstäblichsten Sinne der Teufel geholt. Ich sehe nunmehr [489] ein, ich kann ohne seine Hilfe und seinen Schutz nicht fertig werden.
Jeremias, ich will dir etwas sagen. – Sieh hier mein neustes Werk, das will ich dir dedizieren, wenn du die alte Eintracht unter uns wiederherstellen kannst.
Ich will mir alle Mühe geben; ich habe immer geglaubt, daß Sie beide eigentlich füreinander geschaffen wären.
Adieu, mein Guter. Verlaß Er sich auf mich, daß ich alles tun werde, was nur in meinen Kräften steht. Sie gehn ab.
6. Szene
Sechste Szene
Tröste dich, geliebte Gattin, ich weiß aus meinen bisherigen Beobachtungen, daß es die Zeit in der Art hat, daß sie vergeht.
Dazu bleibt es noch immer früh genug. Aber eine frohe Ahnung sagt mir im Gegenteil, daß wir ihn bald mit unsern Augen wieder erblicken werden.
Freu dich doch lieber, statt so zu klagen, des herrlichen Wohlstandes in unserm Lande; sieh umher, wie die Wissenschaften blühen, der Handel floriert, wie die Jugend erzogen wird. Der neuangekommene Gelehrte hat ungeheure Verdienste um den Staat.
Stille, sag ich; was nicht zu ändern steht, dabei [490] muß man sich den Bart wischen und seine Seele in Ergebenheit fassen.
Sieh, da kommen die Kindischen, mach dir an ihrem Unverstande eine kleine Zerstreuung. Ich bewundre darin die Weisheit der Vorsehung, daß sie solche Geschöpfe in der Welt geschaffen, damit wir ändern uns beständig unsrer höhern Gaben erinnern und freuen mögen. – Wie geht's, Ihro Majestät?
Sieh, mein Kind, das ist so ein gewisser merkwürdiger Grad von Seelenverstimmung; der Oberschulmeister hat darüber auch einen äußerst liebenswürdigen Aufsatz geschrieben, worin diese Erscheinung zur allgemeinen Zufriedenheit erklärt wird.
Ganz richtig, Ihro Majestät, es ist nämlich nichts als eine psychologische Verkettung, ein Wiederklang in der Seele, eine Verwechslung von Begriffen nebst einer heimlichen Taschenspielerei der Imagination und dergleichen mehr.
Ja, ja, meine allerliebste Gemahlin, es ist auf Ehre ein ganz verteufelter Zustand; man glaubt manchmal, man hat eine ganz simple Narrheit am Leibe, aber da gehört in unsern Zeiten mehr zu, da hängt alles so kunterbunt zusammen, das dient alles, eine Wissenschaft, die Psychologie (ich möchte fast den Hut abnehmen, wenn ich das Wort nur nenne) zu befördern, daß man sich doch um Gottes willen in acht nehmen soll, irgendeinen Menschen so schlechtweg einen Narren zu nennen.
Recht so, ich möchte auch immer mit Feuer und Schwert dreinschlagen, wenn ich einen solchen Intoleranten gleichsam nur gewahr werde. Oh, keine größere Freude für mich, als wenn mir so recht viel und recht was Tüchtiges zu [491] tolerieren vor die Hände kommt, alle Arten Glaubensgenossen, Schwärmer, Heiden und Türken, Taschenspieler, Leute, die mit Kunstpferden herumziehn, Teufelsbanner, andre, die an die Religion oder Kunst glauben, Poeten: Alles in der Welt, nur um Gottes willen nicht das Reelle angetastet, denn da hat meine Geduld ein Ende. So weißt du, wie letzthin der Fremde sogleich auf ewig aus dem Lande verbannt wurde, der sich über meine Wachtparade lustig gemacht hatte, ja, der Schelm hätte wohl noch was Schlimmeres verdient.
Er konnte von Gnade sagen, denn man müßte für dergleichen Attentate weit in die Augen fallendere Beispiele aufstellen.
Es hat mich auch nachher genug gereut, daß ich es nicht getan habe. Nun, vielleicht kommt er bei Gelegenheit mal ins Land zurück.
Aber Ihr seid doch bis dahin erträglich verständig gewesen, wovon seid Ihr! denn nun plötzlich übergeschnappt?
Oh, setzt Euch nichts in den Kopf, und entschuldigt nicht damit Eure Narrheiten an Euch selber; Ihr seid ein Phantast, bessert Euch.
Mein Bester, Sie konsumieren sie etwas zu schnell, ich hatte gemeint, die letzte derbe würde noch auf lange vorhalten.
[492]Halt! Halt! Herr Vater! Er steht unter meinem unmittelbaren Schütze. Dafür ist die Denkfreiheit in meinem Lande.
Nein, so weit darf die Denkfreiheit nicht gehn. – Er ist kindisch, Herr Schulmeister, Ihr müßt ihm dergleichen schon vergeben.
Keine Duelle, keinen Zweikampf, wenn ich bitten darf, das läuft der Sittlichkeit und der Aufklärung gerade zu entgegen.
In den neuern Aufklärungsschriften wird ein wenig zu sehr über die Schnur gehauen; man versäumt fast keine Gelegenheit, wo sich nur irgendeine Stichelei auf mich anbringen ließe.
Noch in dem letzten Stücke ist eine große Abhandlung über die Elektrizität der Katzen, ja, der Hofrat hat sich neulich sogar unterstehn wollen, eine Flasche an mir zu füllen.
Es soll aber doch nicht sein, alles soll mit Maß getrieben werden, und die Personalsatire duld' ich nun einmal nicht. Seht, alle Poesie, alle Wissenschaft soll uns weich, soll uns menschlich machen; – aber der Teufel soll das schlechte Herz holen, das zur persönlichen Satire und vollends gegen angesehene Männer überneigt.
Eben als wenn man mich vexieren wollte! – Kein Mensch ist am Ende mehr sicher. Selinus springt herein.
Der Sonnenschein des Glücks ist zurückgekommen, – aus dem Fenster hab' ich eben gesehn, – und da sah ich unsern allergnädigsten Kronprinzen ankommen!
Mit Eurer Erlaubnis, gnädiger Herr, wir sind im ganzen so ziemlich kuriert, es fehlt gleichsam nur die letzte Appretur, die wir vielleicht hier auch ohne Geschmack erlangen.
Wir kommen um vieles klüger zurück, wir haben unterwegs wohl tausend Vorurteile abgelegt, neue Ideen angenommen, uns selbst und die Menschheit kennengelernt, in summa, wir sind gar vortrefflich.
Schlage in Gottes Namen vor, was du willst, denn meine Vaterschmerzen lassen keine vernünftige Überlegung zu.
Mich dünkt, man sieht es ihnen beiden hinlänglich an, daß sie überflüssig gebildet sind, und das Reich darf sich in Zukunft noch mannigfaltigen Nutzen von ihnen versprechen; nur sind sie dem Anscheine mach von der Reise und ihrer Vortrefflichkeit noch so voll, daß sie alles Einheimische verachten; dieses ist in ihnen zuviel Selbstgefühl wie gleichsam sans comparaison bei den jungen Studenten; dieser überflüssige Geist des Übermuts muß bei Ihnen verdunsten, und sie werden nachher die köstlichsten Staatsbürger. Mein unmaßgeblicher Rat wäre also, man führte sie beide in ein tiefes Gefängnis und ließe sie bei der gehörigen Langeweile und Wasser und Brot so lange fasten, bis sie sich bekehrt haben; auch könnte man dem Nestor, doch ohne seiner Ehre dadurch zu nahe zu treten, täglich einige Schläge zuzählen.
Der Vorschlag ist herrlich, man kann es nicht besser aussinnen. – Sie wollen, die Verbrecher, sich ohne Geschmack behelfen und geben die nützlichsten, anmutigsten, Leute für Hunde aus. –
Man könnte ungefähr nach einem Monate eine Kommission ernennen, um die armen Sünder zu examinieren, ob sie in sich gegangen sind, und nach deren Befinden möchten sie dann vielleicht wieder auf freien Fuß gestellt werden.
So soll's sein, und nun nicht mehr viel darüber gesprochen. – Komm, meine Gemahlin, unsre Freude ist uns garstig versalzen.
Laßt es gut sein, mein König, Ihr habt eben ein Beispiel gesehn, wie man dergleichen anstößige Denkungsart zu bestrafen sucht.
Kommoder hat man's damit. – Nur, daß man wieder andern damit unrecht tut, die wir im Herzen hochachten, wenn wir solche nicht verachten. – Es ist eine konfuse Wirtschaft mit der Humanität.
Ich will es auch, denn betrachte nur bei seinem sonstigen Übermut sein knechtisches Wesen, das ihm noch vom Hunde her anhängt. Und welche erbärmliche Sorte von Vernunft er verbreiten will! Man hört Trompeten.
Erinnern Sie sich nicht Ihres alten Freundes, der einst Ihr Schwiegersohn werden wollte, des Prinzen Nathanael von Malsinki? Der große Gottlieb hat nachher das Kleinod davongetragen nach welchem ich trachtete.
O welche Freude! Laß dich an mein Herz drücken, o du mein vielgeliebter, so langersehnter, so herzlich erwünschter, so wunderbar überraschender Sebastian! – Aber nun darfst du mich auch nicht wieder verlassen.
Nimmermehr, denn ich habe alle meine Länder verkauft, um künftig in Ruhe und ohne Sorgen zu leben, [497] und um dieses gehörig auszurichten, habe ich mir deine Gesellschaft erwählt.
So wollen wir also recht vergnügt, sein; aber um gänzlich zu harmonisieren, mußt du mir vor allen Dingen den Gefallen tun und kindisch werden.
Ich meine den Verstand verlieren. Solange ich diese Gabe an mir hatte, war ich eine höchst unglückselige Kreatur, aber seitdem ich kindisch bin. befinde ich mich erstaunlich wohl.
Dann sind wir beide und auch der Hofrat da ein Leib und eine Seele. Er hat von je an darauf resigniert, verständig zu sein.
Mein König, nun können wir recht genau diesen Herrn Sebastian mit jenem ändern vergleichen, den wir aus Blei besitzen.
Nein, mein Freund, beileibe nicht, das könnte mir eine unerwartete Störung machen, nun ich diesen hier besitze, will ich jenen mit keinem Auge wieder ansehn; im Gegenteile, teuerster Hofrat, nimm ihn sogleich und wirf ihn ins Feuer, damit er schmelze und kein Gebein von ihm übrigbleibe, so ist nachher gar kein Vergleich möglich. –
Wenn du kindisch sein willst, mußt du dich über dergleichen niemals verwundern. Sie gehn Arm in Arm ab.
7. Szene
Siebte Szene
8. Szene
[504] Achte Szene
Wir sitzen nun hier schon seit vier Wochen, bloß weil die Leute gar zu trefflich und verständig sind.
Ich habe meinen vorigen Mut verloren, sonst würd' ich wieder aus Verzweiflung auf den Gedanken kommen, das Stück rückwärtszudrehen – aber dazu sind wir auch hier zu eng eingeschlossen.
Mein Prinz, wir sind als Kommission niedergesetzt, Ihre Verstandeskräfte zu untersuchen, ob Sie nunmehr beide zu Staatsbürgern tauglich oder nicht.
Mein erstes Geschäft soll sein, meine an mir selbst gemachten Erfahrungen getreulich niederzuschreiben.
Ich will meinen Herrn Vater um irgendeine Stelle ersuchen, damit ich meinen Trieb zur Tätigkeit in Ausübung bringen könne.
Wenn ich, Herr Oberschulmeister, würdig gefunden würde, unter Ihrer Leitung und Aufsicht eine Schul- und Erziehungswürde zu bekleiden, so würde ich mich überaus glücklich schätzen.
So kommen Sie also, meine teuren Freunde; nun werden Ihre Einsichten dem Staate nicht mehr gefährlich sein. Sie gehn ab.
9. Szene
Neunte Szene
10. Szene
[508] Zehnte Szene
Epilog
- Rechtsinhaber*in
- TextGrid
- Zitationsvorschlag für dieses Objekt
- TextGrid Repository (2012). Tieck, Ludwig. Dramen. Prinz Zerbino oder die Reise nach dem guten Geschmack. Prinz Zerbino oder die Reise nach dem guten Geschmack. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-53DD-8