[234] [279]Gajus Cäsar Galigula.

22. Soweit vom Fürsten; nun muß ich vom Ungeheuer erzählen. Er hatte bereits mehrere Beinamen angenommen – er ließ sich nämlich der »Fromme«, der »Lagersohn«, der »Armeevater«, der »beste und größte Cäsar« nennen –, als er mehrere Könige, die, um ihm aufzuwarten, nach Rom gekommen waren, bei Tafel in seinem Palaste über den Adel ihrer Abkunft streiten hörte. Sofort rief er auf griechisch mit Homers Worten aus:


Einer sei Herrscher! Einer König!


und nicht viel fehlte, daß er sofort das Diadem anlegte und die äußeren Zeichen des Prinzipats (d.i. der Fürstengewalt) in aller Form mit denen des Königtums vertauschte. Als [279] man ihm aber bemerklich machte, daß er ja bereits hoch über allen Fürsten sowohl als Königen stehe, nahm er daraus Veranlassung, sich göttliche Majestät beizulegen. So gab er denn Auftrag, die durch religiöses Ansehen und Kunstwert ausgezeichnetsten Götterbilder, unter ihnen auch das des Olympischen Jupiter, aus Griechenland nach Rom zu bringen, um denselben die Köpfe abzunehmen und den seinen daraufsetzen zu lassen. Er rückte ferner einen Teil des Palatiums bis an das Forum vor, verwandelte dabei den Tempel des Kastor und Pollux in die Eingangshalle des Kaiserpalastes und stellte sich zuweilen in die Mitte, zwischen den Brudergottheiten, hin, wo er sich von den andächtig Nahenden anbeten ließ. Und in der Tat gab es manche, die ihn mit dem Namen Jupiter Latiaris begrüßten. Sogar einen eigenen Tempel stiftete er seiner Gottheit nebst Priestern und spitzfindig ausgeklügelten Opferungen. In dem Tempel stand sein goldnes Porträtstandbild von natürlicher Größe, das täglich mit einem gleichen Anzuge bekleidet wurde, wie er selbst ihn trug. Um die Vorsteherschaft bei dem Priesterkollegium bewarben sich die reichsten Leute abwechselnd mit höchstem Ehrgeize und höchster Geldverschwendung. Die Opfertiere waren Flamingos, Pfauen, Auerhähne, numidische Hühner, Meleagriden und Fasanen, welche täglich klassenweise geopfert werden mußten. In den Nächten, wo Luna in vollem Lichte glänzte, lud er sie regelmäßig zu Umarmung und Beilager ein, bei Tag dagegen hielt er heimliche Unterredungen mit dem Kapitolinischen Jupiter, bald ihm ins Ohr flüsternd, bald wieder ihm sein Ohr hinhaltend, zuweilen sprach er laut und zankte sogar. Denn einmal hörte man ihn drohend auf griechisch die Worte ausstoßen:


Hebe du mich oder ich dich! –


[280] bis er endlich von dem Gotte, wie er zu erzählen pflegte, sich erbitten ließ und demselben den Wunsch, mit ihm zusammenzuwohnen, dadurch gewährte, daß er Palatium und Kapitol durch eine über den Tempel des göttlichen Augustus geschlagene Brücke verband. Bald darauf ließ er, um noch näher zu sein, auf der Höhenfläche des Kapitols den Grund zu einem neuen Palaste legen.

23. Als Agrippas Enkel wollte er wegen dessen geringer Geburt weder gelten noch benannt werden und geriet in heftigen Zorn, wenn jemand denselben, sei es in Prosa oder in Versen, in die kaiserliche Familie einreihte. Statt dessen rechnete er es seiner Mutter zum Ruhme an, daß sie einem Incest, den Augustus mit seiner Tochter Julia begangen, ihr Dasein verdanke. Noch nicht zufrieden mit dieser Beschimpfung Augustus', verbot er, die Siege von Actium und Sizilien ferner mit Festen zu feiern, »da sie für das römische Volk trauervoll und unheilbringend gewesen«. Der Livia Augusta, seiner Urgroßmutter, die er zum öftern einen »Ulysses im Unterrocke« nannte, erlaubte er sich sogar in einem Briefe an den Senat niedrige Geburt vorzuwerfen, indem er behauptete, ihr mütterlicher Großvater sei Bürgermeister (Decurio) in Fundi gewesen, während doch aus [281] öffentlichen Urkunden feststeht, daß er zu Rom Ehrenstellen bekleidet hat. Seiner Großmutter Antonia, die um eine geheime Audienz bat, schlug er dieselbe ab, falls sie sich nicht gefallen lassen wollte, daß Macro, der Oberste der Leibwache, zugegen sei, und wurde durch solche Unwürdigkeiten und kränkende Ärgernisse Ursache ihres Todes, den er jedoch, wie einige glauben, noch durch Verabreichung von Gift befördern half. Auch erwies er ihr, als sie gestorben war, nicht die geringste Ehre und sah aus dem Speisezimmer ihrem in der Ferne brennenden Scheiterhaufen zu. Seinen Bruder Tiberius ließ er unvorbereitet durch einen zu ihm gesandten Kriegstribunen ums Leben bringen; desgleichen brachte er seinen Schwiegervater Silanus dahin, sich mit einem Rasiermesser die Kehle abzuschneiden. Als Vorwand in beiden Fällen diente ihm, gegen den letzteren: derselbe habe ihn, als er bei stürmischem Wetter zur See ging, nicht begleiten mögen, sondern sei in der Hoffnung zurückgeblieben, sich, falls ihm (dem Caligula) in dem Sturmwetter ein Unheil passiere, Roms zu bemächtigen; gegen den ersteren: derselbe habe, wie der Geruch verraten, ein Gegengift genommen und dadurch zu verstehen gegeben, daß er von ihm vergiftet zu werden gefürchtet habe. Und doch hatte Silanus nur die ihm unerträgliche Seekrankheit und die Beschwerlichkeit der Seefahrt zu vermeiden gesucht und Tiberius nur gegen einen anhaltenden und sich verschlimmernden Husten Medizin eingenommen! Was aber seinen Vatersbruder Claudius betrifft, so ließ er ihn nur am Leben, um seinen Spott mit ihm treiben zu können.

24. Mit allen seinen Schwestern lebte er in unzüchtigem Verkehr und ließ sie öffentlich an der Tafel eine um die andere neben sich unterhalb (zur Linken) Platz nehmen, während seine Gattin oberhalb (zu seiner Rechten) lag.

[282] Die eine derselben, die Drusilla, soll er als junges Mädchen, während er selbst noch das Knabenkleid trug, geschändet haben und sogar einmal im Beischlaf mit ihr von seiner Großmutter Antonia, bei welcher er mit ihr zusammen erzogen wurde, ertappt worden sein. Später, als er sie mit dem Konsularen Lucius Cassius Longinus vermählt hatte, entführte er sie demselben und behandelte sie offen als seine rechtmäßige Ehefrau. Er setzte sie sogar, als er krank wurde, zur Erbin seines Vermögens und des Reiches ein. Als sie starb, verordnete er einen allgemeinen Gerichtsstillstand, während dessen es als todeswürdiges Verbrechen behandelt ward, wenn jemand gelacht, gebadet, mit Eltern oder Gattin und Kindern zu Nacht gespeist hatte. Er selbst entwich, von seinem Schmerze überwältigt, plötzlich aus Rom, durchflog Kampanien und ging nach Syrakus, von wo er wieder ebenso eilig zurückkehrte und mit langem Bart und Haupthaar in Rom einzog. Auch schwor er im ganzen Verlaufe seines späteren Lebens bei den wichtigsten Fällen, ja selbst wenn er zum Volke oder zu den Soldaten sprach, nie anders als: »bei der Gottheit der Drusilla!« Seine anderen Schwestern liebte und verehrte er nicht mit ähnlicher Leidenschaft; gab er sie doch mehrmals sogar seinen Lieblingen preis. Desto leichter ward es ihm, sie im Prozesse des Ämilius Lepidus wegen Ehebruchs und Mitwissenschaft um eine Verschwörung gegen ihn zu verurteilen. Auch veröffentlichte er nicht nur die eigenhändigen Briefe aller (Verschworenen), die er sich durch alle Künste des Betrugs und der Verführung zu verschaffen bemüht gewesen war, sondern weihte auch drei zu seiner Ermordung bestimmte Dolche dem rächenden Mars mit einer Inschrift.

[283] 25. Was seine Ehebündnisse betrifft, so ist es schwer zu entscheiden, was schimpflicher war, die Art, wie er sie schloß und fortführte, oder wie er sie auflöste. Als die Livia Orestilla mit dem Gajus Piso Hochzeit machte, wobei er selbst zur Trauungszeremonie erschien, befahl er, sie in seinen Palast zu führen, verließ sie dann wieder nach einigen Tagen und strafte sie zwei Jahre später mit Landesverweisung, weil sie in der Zwischenzeit den Umgang mit ihrem früheren Ehemanne wieder angeknüpft zu haben schien. Eine andere Erzählung lautet, er habe beim Hochzeitsmahle, zu dem er eingeladen war, dem ihm gegenüberliegenden Piso die Weisung gesendet: »Laß dir nicht einfallen, meine Frau zu belästigen!« worauf er sie sofort von der Tafel weggeführt und am folgenden Tage durch Edikt bekanntgemacht habe: »er habe sich eine Frau geholt in der Weise, wie Romulus und Augustus getan«. Die Lollia Paullina, Gattin des Konsularen Gajus Memmius, der ein Armeekommando hatte, ließ er, als einmal die Rede darauf kam, ihre Großmutter sei einst die schönste Frau gewesen, sofort aus der Provinz zu sich entbieten, entführte sie ihrem Gatten und heiratete sie, ließ sie aber nach kurzer Zeit wieder von sich, indem er ihr für immer verbot, je wieder bei einem Manne zu schlafen. Die Cäsonia, die weder schön noch auch mehr jung war und schon von einem anderen Manne drei Töchter hatte, aber eine Frau von bodenloser Üppigkeit und Liederlichkeit war, liebte er nicht nur feuriger, sondern auch dauernder. Er ließ sie oft mit Kriegsmantel, Helm und Schild ihm zur Seite reiten und zeigte sie so den Soldaten, seinen Freunden sogar nackt. Nach ihrer Entbindung beehrte er sie mit dem Titel seiner Gemahlin, indem er sich an einem und demselben Tage zu ihrem Gatten und zum Vater des von ihr geborenen Kindes erklärte. Das Kind aber, daß er Julia Drusilla nannte, ließ er zu den Tempeln [284] aller Göttinnen umhertragen, setzte es dann der Minerva auf den Schoß und empfahl es derselben zur Ernährung und Erziehung. Und nichts verbürgte ihm so, daß es sein Fleisch und Blut sei, als die Wildheit des Kindes, bei welchem dieselbe schon in diesem zarten Alter so groß war, daß es mit den Fingern Gesicht und Augen der mit ihm spielenden Kinder zerkratzte.

26. Unbedeutend und uninteressant dürfte es sein, hiernach noch weiter zu erzählen, auf welche Weise er seine Verwandten und Freunde behandelt hat, wie z.B. den Ptolemäus, König Jubas Sohn, seinen Vetter – denn auch Ptolemäus war ein Enkel Mark Antons von dessen Tochter Selene –, und vor allen selbst den Macro und die Ennia, die ihm zum Throne verholfen hatten und denen allen er statt dessen, was sie als Verwandte zu fordern oder wegen ihrer Verdienste um ihn zu erwarten berechtigt waren, mit grausamem Tode lohnte. Nicht achtungsvoller oder milder behandelte er den Senat. Senatoren, welche die höchsten Ehrenstellen bekleidet hatten, ließ er in der Toga mehrere tausend Schritte neben seinem Wagen herlaufen oder, wenn er tafelte, hinter seinem Polster oder zu seinen Füßen wie Sklaven im linnenen Schurz aufwarten; andere, die er heimlich hatte umbringen lassen, ließ er dessenungeachtet, als ob sie noch am Leben wären, weiter einladen und trat dann nach einigen Tagen mit der Lüge vor: sie hätten durch Selbstmord geendet. Die Konsuln, welche versäumt hatten, seinen Geburtstag durch ein Edikt anzusagen, entsetzte er ihres Amtes, und drei Tage lang war so der Staat ohne seine höchsten Behörden. Seinen Quästor, dessen Name in einer Verschwörung mitgenannt worden war, ließ er geißeln, nachdem er ihm die Kleider hatte vom Leibe reißen und dieselben [285] selben den geißelnden Soldaten unter die Füße breiten lassen, damit sie beim Schwingen der Geißel einen gehörig festen Stand hätten. Mit gleicher Übermütigkeit und Vergewaltigung behandelte er die übrigen Stände. Als einmal das Geräusch der Leute, welche schon um Mitternacht die Freiplätze im Zirkus besetzten, seine Ruhe störte, ließ er sie sämtlich mit Knütteln fortjagen. Es erstickten bei diesem Gedränge zwanzig und mehr römische Ritter und ebenso viele edle Frauen, nebst einer ungezählten Menge anderer Personen geringeren Standes. Um Volk und Ritterstand in Zank zu verhetzen, pflegte er bei den Theatervorstellungen die Freiplatzmarken ganz früh auszuteilen, damit die Ritterplätze von möglichst gemeinem Volke eingenommen würden. Wenn er ein Gladiatorenspiel gab, so ließ er zuweilen, wenn die Sonne am heißesten brannte, die Sonnendecken zurückziehen, während niemand aus dem Theater gelassen wurde; oder er ließ auch wohl die ordentlichen Zurüstungen (zu solchen Spielen) beseitigen und stellte statt derselben halbtote wilde Tiere, ganz elende altersschwache Fechter, sowie auch pegmatische Gladiatoren, bekannte rechtliche Familienväter, [286] die aber irgendein körperliches Gebrechen hatten, zur Schau. Ja, zuweilen schloß er die Kornspeicher und kündigte dem Volke an, daß es hungern müsse.

27. Die Grausamkeit seiner Natur bekundete er vorzüglich durch folgende Handlungen. Als einmal das Fleisch zur Fütterung der für ein Tiergefecht angeschafften wilden Bestien sehr teuer im Preise kam, bezeichnete er unter den gefangen sitzenden Missetätern diejenigen, welche den wilden Tieren zum Zerfleischen vorgeworfen werden sollten. Bei der Musterung, welche er deshalb in allen Gefängnissen nach der Reihe vornahm, warf er bei keinem einzigen der Gefangenen auch nur einen Blick auf dessen Elogium, sondern blieb eben nur mitten in der Halle stehen und befahl: die Gefangenen »von einem Kahlkopfe bis zum anderen abzuführen«. Den Mann, der für seine Errettung aus schwerer Krankheit gelobt hatte, als Gladiator aufzutreten, zwang er, sein Gelübde zu erfüllen. Er selbst schaute zu, wie er den Schwertkampf bestand, und ließ ihn erst, nachdem er gesiegt, auf vielfältiges Bitten vom Schauplatz abtreten. Einen zweiten, der aus gleicher Ursache gelobt hatte, er wolle sterben, wenn der Kaiser wieder genese, und der jetzt zögerte, sein Gelöbnis zu erfüllen, übergab er seinen Sklaven, die ihn, mit einem Kranze von Opferkraut und mit der Opferbinde geschmückt, durch die Straßen führen und zur Erfüllung seines Gelübdes auffordern mußten, bis man ihn endlich vom Wall hinabstürzte. Viele [287] Männer achtbaren Standes ließ er brandmarken und verurteilte sie dann in die Bergwerke oder zum Straßenbau oder zum Kampf mit wilden Tieren oder sperrte sie selbst wie wilde Tiere in Käfige ein, wo sie gezwungen waren, auf allen vieren zu kriechen, oder ließ sie mitten voneinander sägen. Und das alles keineswegs immer wegen schwerer Vergehen, sondern nur, »weil sie etwa über ein von ihm gegebenes Fechterspiel geringschätzend sich geäußert« oder »weil sie nie bei seinem Genius geschworen hätten«. Die Väter zwang er, der Hinrichtung ihrer Kinder beizuwohnen, und einem, der sich mit Krankheit entschuldigte, schickte er eine Sänfte, einen anderen lud er unmittelbar von der Richtstätte des Sohnes zur Tafel und forderte ihn mit aller möglichen Freundlichkeit zu Heiterkeit und Scherzen auf. Einen Aufseher der Fechterspiele und Tierhetzen ließ er mehrere Tage hintereinander vor seinen Augen mit Ketten peitschen und tötete ihn nicht eher, als bis ihm der Geruch des in Fäulnis übergegangenen Gehirns lästig ward. Den Dichter einer Atellanenkomödie verbrannte er wegen eines einzigen Verses, der eine zweideutige Anspielung enthielt, mitten in der Arena des Amphitheaters. Einen römischen Ritter, der den wilden Tieren vorgeworfen war und wiederholt seine Unschuld laut beteuerte, ließ er aus dem Amphitheater führen, ihm die Zunge ausschneiden und ihn so wieder in dasselbe zurückführen.

28. Einmal fragte er einen Mann, der aus langem Exil zurückgerufen worden war: was er im Exil gewöhnlich getan habe? Da dieser nun aus Schmeichelei antwortete: Ich habe immer zu den Göttern gebetet, daß, wie auch geschehen, Tiberius sterben und du Kaiser werden möchtest!, [288] schickte er, in der Meinung, daß auch ihm die von ihm Verbannten den Tod anwünschten, nach allen Inseln Leute ab, welche sie samt und sonders niedermachen mußten. Als er einmal sehnlich wünschte, einen Senator in Stücke gerissen zu sehen, stiftete er Menschen an, welche denselben, als er in die Kurie trat, plötzlich mit dem Zurufe: Feind des Kaisers! angreifen und, nachdem sie ihn mit ihren Schreibgriffeln durchbohrt, den übrigen zum Zerreißen geben mußten. Auch gab er sich nicht eher zufrieden, bis er die zerstückelten, durch die Straßen geschleiften Glieder und Eingeweide vor sich zusammengeschleppt sah.

29. Die Unmenschlichkeit seiner Handlungen erhöhte er noch durch die grause Wildheit seiner Reden. Häufig hörte man ihn sagen: nichts lobe und preise er an seinem Naturell so sehr als – um seinen eigenen Ausdruck zu brauchen – »seine Adiatrepsie«. Seiner Großmutter Antonia, die ihm Vorstellungen machte, gab er, als sei es noch nicht genug, daß er denselben nicht Folge leistete, zur Antwort: Bedenke, daß mir alles und gegen alle zu tun erlaubt ist! Als er seinen Bruder ermorden zu lassen beabsichtigte, den er im Verdacht hatte, sich aus Furcht vor Vergiftung durch Nehmen von Gegengift zu schützen, rief er aus: Gegengift gegen Cäsar! Seinen Schwestern, die er verbannt hatte, drohte er: er habe nicht bloß Inseln, sondern auch Schwerter! Einen Mann prätorischen Ranges, der sich seiner Gesundheit wegen nach Anticyra begeben hatte und von dort aus mehrmals um Urlaubsverlängerung nachsuchte, befahl er zu töten, indem er hinzufügte: es sei ein Aderlaß nötig, da die Nieswurz schon so lange nichts helfen wolle. Sooft er alle zehn Tage die Liste der hinzurichtenden Gefangenen [289] unterschrieb, pflegte er zu sagen: er bringe seine Rechnung ins reine. Als er einmal eine Anzahl Gallier und Griechen zu einer und derselben Zeit verurteilt hatte, rühmte er sich wiederholentlich: er habe Gallogräcien unterworfen.

30. Nicht leicht ließ er jemand anders als mit vielen schwachen Streichen hinrichten, wobei seine jedesmalige und schon bekannte Mahnung an den Henker lautete: »Triff ihn so, daß er das Sterben fühlt!« Als einmal aus Verwechselung des Namens ein anderer als der von ihm Bestimmte hingerichtet worden war, sagte er: Auch der hat dasselbe verdient! Häufig zitierte er prahlend jenen bekannten Ausspruch des tragischen Dichters:


Laßt sie hassen, wenn sie nur fürchten!


Häufig fuhr er gegen sämtliche Senatoren auf gleiche Weise los, indem er sie Klienten Sejans und Angeber seiner Mutter und Brüder nannte, wobei er die Schriftstücke zum Vorschein brachte, welche er früher scheinbar verbrannt hatte, und die Grausamkeit Tibers als notwendig rechtfertigte, da er so vielen Anschuldigern doch habe Glauben schenken müssen. Den Ritterstand riß er über seine Leidenschaft für Theater und Arena beständig herunter. Im Grimm über das Publikum, das einmal beim Wettrennen eine andere Partei als er begünstigte, rief er aus: O wenn das römische Volk nur einen Hals hätte! Als das Volk den Straßenräuber Tetrinius auf dem Kampfplatze zu sehen forderte, sagte er: auch die, welche nach ihm rufen, seien alle Tetriniusse! Fünf Netzfechter in der Tunika, die abteilungsweise mit eben so viel Sekutoren fochten, waren denselben fast ohne allen Kampf erlegen. Als der Befehl erteilt wurde, [290] ihnen den Garaus zu machen, nahm einer derselben seinen Gabelspeer wieder auf und tötete sämtliche Sieger. Diesen Vorfall beklagte er nicht nur als eine höchst grausame Metzelei in einem Edikte, sondern gab auch allen denen, die es hätten über sich gewinnen können, demselben zuzuschauen, seinen Fluch.

31. Er pflegte sich sogar offen zu beklagen über die Ungunst seiner Zeit, daß dieselbe durch keine großen öffentlichen Unglücksfälle ausgezeichnet würde. Augustus' Regierung sei durch die Niederlage des Varus, die des Tiberius durch den Einsturz der Schaubühne bei Fidenä denkwürdig geworden; die seine drohe in Vergessenheit zu geraten durch das überall herrschende Wohlergehen. Und so wünschte er denn wiederholentlich Niederlagen der Heere, Hungersnot, Pest, Feuersbrünste oder irgendein Erdbeben herbei.

32. Selbst in den Stunden der Erholung, des Spieles und des Mahles verließ ihn diese Grausamkeit der Reden und Handlungen nicht. Oft wurden, wenn er frühstückte oder ein Gelage hielt, unter seinen Augen ernsthafte peinliche Verhöre mit Anwendung der Folter angestellt oder mußte ein Soldat, der im Köpfen Meister war, irgend welchen Gefangenen die Köpfe abschlagen. Zu Puteoli, bei der Einweihung jener von ihm, wie wir erzählt haben, ausgedachten Brücke, lud er viele Zuschauer, die am Ufer standen, zu sich ein und ließ sie dann plötzlich ins Meer stürzen; einige, welche sich an die Steuerruder anklammerten, ließ er mit Stangen und Rudern ins Wasser zurückstoßen. Zu Rom übergab er bei einem öffentlichen Gastmahle einen Sklaven, der eine Silberplatte von einem der Sofagestelle entwendet hatte, sofort den Henker, der ihm die Hände abhauen und um den Hals auf die Brust hängen und ihn so [291] unter Vorantragung einer Tafel, auf welcher die Ursache seiner Bestrafung geschrieben stand, an den Tischen der Schmausenden umherführen mußte. Einen Mirmillo aus der Fechtschule, der mit Holzrapieren Fechtübungen mit ihm hielt und sich freiwillig niederstoßen ließ, durchbohrte er mit einem wirklichen Eisendolche und stolzierte nach Weise der Sieger mit einem Palmenzweige umher. Einmal, als das Opfertier bereits am Altare stand, erschien er als Opferschlächter aufgeschürzt, schwang die Opferaxt hoch in die Luft und – schlug den Opferstecher tot! Als er einmal bei einem fröhlichen Mahle plötzlich in wildes Gelächter ausbrach und die beiden Konsuln, welche neben ihm lagen, ihn sehr zuvorkommend fragten, weshalb er denn lache, erwiderte er: »Worüber sonst, als daß es nur eines Winkes von mir bedarf, um euch allen beiden auf der Stelle die Kehle abschneiden zu lassen?«

33. Zu seinen verschiedenen Späßen gehört auch, daß er vor einer Statue des Jupiter einmal den tragischen Schauspieler Apelles fragte, wer ihm größer scheine, und, als derselbe einen Augenblick mit der Antwort zögerte, ihn mit Geißelhieben zerfleischte, wo er von Zeit zu Zeit der Stimme des um Gnade Flehenden das Lob erteilte, sie sei selbst im Wehklagen noch sehr lieblich. Sooft er seiner Gemahlin oder seiner Geliebten den Hals küßte, pflegte er immer hinzuzufügen: Ein so schöner Nacken wird doch, sobald ich befehle, durchschnitten werden! Ja, zuweilen vermaß er sich [292] sogar: er wolle von seiner Cäsonia, und wäre es durch die Folter, herausbringen, warum er sie so sehr liebe!

34. Ebenso neidisch und boshaft, als übermütig und grausam, wütete er fast gegen die Menschen aller Zeiten. Die Statuen berühmter Männer, welche Augustus vom Kapitolplatze wegen der Enge desselben auf das Marsfeld versetzt hatte, ließ er umstürzen und so verstümmeln, daß man später nicht imstande gewesen ist, sie mit den richtigen Inschriften wiederherzustellen. Auch verbot er, künftig irgendeinem Lebenden eine Statue oder eine Büste zu setzen, ohne ihn vorher gefragt und seine Genehmigung erhalten zu haben. Er dachte sogar daran, die Homerischen Gesänge zu vernichten; denn warum, sagte er, solle ihm nicht erlaubt sein, was sich Plato erlaubt habe, der den Homer aus seinem Staate hinausgeworfen? Auch fehlte nicht viel, daß er die Schriften und Büsten des Virgil und des Titus Livius aus allen Bibliotheken entfernen ließ, von denen er den ersteren »einen Menschen ohne alles Genie und von geringem Wissen«, den letzteren »einen nachlässigen historischen Schwätzer« zu schelten pflegte. Auch in betreff der Rechtsgelehrten, deren Wissenschaft er in der Praxis völlig abzuschaffen Miene machte, vermaß er sich oft: er werde es, beim Herkules, dahin bringen, daß es keinen Juristen, an den man sich wenden könne, mehr gebe, außer ihm.

35. Den vornehmsten Adligen nahm er die alten Abzeichen ihrer Familien: einem Torquatus die Halskette, einem Cincinnatus die Haarlocke, einem Cnejus Pompejus von dem alten Stamme der Pompejer den Beinamen Magnus (der Große). Den Ptolemäus, dessen ich oben gedacht [293] und den er aus seinem Königreiche zu sich nach Rom entboten und freundlich aufgenommen hatte, ließ er ganz unvermutet aus keiner anderen Ursache umbringen, als weil er sah, daß derselbe bei seinem Eintritt in das Amphitheater, wo Caligula ein Gladiatorenspiel gab, die Augen aller Zuschauer durch den Glanz seines prächtigen Purpurmantels auf sich zog. Schöne Menschen mit ausgezeichnetem Haarwuchs verschimpfierte er, so oft ihm dergleichen in den Weg kamen, indem er ihnen den Hinterkopf rasieren ließ. Es war damals ein gewisser Esius Proculus, Sohn eines Oberoffiziers, der wegen seiner ausgezeichneten Körpergröße und Schönheit Kolosseros hieß. Den ließ er plötzlich von seinem Sitze unter den Zuschauern wegreißen und auf die Arena führen, wo er ihn erst einem thrakischen Fechter und dann einem Hoplomachos als Kämpfer gegenüberstellte; und als er beide Male Sieger blieb, ließ er ihn auf der Stelle binden und mit Lumpen bekleidet durch die Straßen führen, den Weibern zeigen und dann erwürgen. Überhaupt gab es keinen Menschen noch so niedrigen Standes oder noch so armseliger Lage, den er nicht irgendwie zu schädigen suchte. Gegen den Königpriester im Dianenhain bei Aricia hetzte er, weil derselbe sehr viele Jahre lang die Priesterstellung innehatte, einen Menschen, der stärker war als sein Gegner. Als beim Fechterspiel ein Wagenfechter namens Porius seinem Sklaven wegen des glücklich bestandenen Kampfes die Freiheit schenkte und das Volk ihm dafür sehr lebhaft Beifall klatschte, stürzte er mit solcher Heftigkeit aus dem Amphitheater fort, daß er auf den Rand seiner Toga tretend kopfüber die Treppenstufen hinabfiel, indem er voll Wut wiederholt ausrief: dies Volk, der souveräne [294] Herr aller Völker, bezeige wegen einer ganz unbedeutenden Sache einem Gladiator mehr Ehre als den vergötterten Fürsten oder ihm selbst, der es mit seiner Gegenwart beehre!

36. Was die Keuschheit anlangt, so schonte er weder die seine noch die eines anderen. Mit Marcus Lepidus, mit dem Pantomimenschauspieler Mnester und mit einigen als Geiseln in Rom lebenden Fürsten soll er in gegenseitiger Unzucht gelebt haben. Valerius Catullus, ein Jüngling von konsularischer Familie, hat es sogar in aller Welt ausgeschrien, daß er von ihm entehrt und durch seine Unzucht krank gemacht worden sei. Außer dem Inzest mit seinen Schwestern und seiner weltbekannten Liebschaft mit der Hure Pyrallis war auch sonst nicht leicht irgendeine vornehme Frau vor ihm sicher. Gemeiniglich lud er die letzteren mit ihren Männern zur Tafel, wo er sie dann, wenn sie an seinen Füßen vorübergingen, sorgfältig und langsam, wie ein Sklavenhändler, beaugenscheinigte, ihnen auch wohl das Gesicht am Kinne aufrichtete, wenn etwa eine aus Verschämtheit es niederschlug. Sooft es ihm dann beliebte, verließ er den Tafelsaal, ließ die, welche ihm am besten gefallen hatte, zu sich rufen, und wenn er dann bald darauf mit den noch sichtbaren Spuren seiner Ausschweifung zurückkehrte, so lobte er sie entweder oder tadelte sie auch wohl vor aller Welt, indem er die einzelnen Vorzüge oder Mängel ihres Körpers und ihres Behabens beim Genusse herzählte. Einigen schickte er im Namen ihrer abwesenden Ehemänner den Scheidebrief und ließ diese Ehescheidungen so in den Staatsanzeigen bekanntmachen.

37. An üppigem Aufwande übertraf er das Genie aller Verschwender. Er ersann ganz neue Arten von Bädern und die unsinnigsten Gerichte und Mahlzeiten, badete z.B. in warmen oder kalten wohlriechenden Essenzen, trank die kostbarsten in Essig aufgelösten Perlen, setzte seinen Tischgästen Brot und Speisen von Gold vor, wobei sein beständiges Wort war: man müsse entweder ein sparsamer [295] Hausvater sein oder ein Cäsar! Ja, er warf sogar mehrere Tage lang eine nicht geringe Summe geprägten Geldes vom Giebel der Julischen Basilika unter das Volk aus. Auch ließ er Liburnische Jachten bauen, an denen die Hinterteile mit edlen Steinen besetzt waren, die Segel in bunten Farben schillerten und in deren weiten Räumen nicht nur warme Bäder, Portiken und Speisesäle, sondern auch die mannigfachsten Weinstöcke und Fruchtbäume sich befanden. Auf diesen Schiffen lag er vom frühen Nachmittage an bei Tafel und fuhr unter Chortänzen und Musik die Küsten Kampaniens entlang. In den Bauten von Lustschlössern und Villen war sein sehnlichstes Verlangen stets darauf gerichtet, mit Hintansetzung aller gesunden Vernunft vor allen Dingen das möglich zu machen, was als durchaus unmöglich bezeichnet wurde. So wurden denn gerade da, wo das Meer unruhig und tief war, Dämme gelegt, Felsen des härtesten Gesteins ausgehauen, Ebenen zu Bergen umgeschaffen, Bergeshöhen durch Abtragung geebnet und alles in größter Geschwindigkeit, da jede Schuld der Verzögerung mit dem Kopfe gebüßt ward. Und um nichts einzelnes aufzuzählen – so hatte er unermessene Schätze und die ganzen zweitausendsiebenhundert Millionen Tiberius Cäsars, ehe noch ein ein Jahr um war, durchgebracht.

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TextGrid Repository (2012). Suetonius Tranquillus, Gaius. Biographien. Die zwölf Caesaren. Gajus Cäsar Galigula. Gajus Cäsar Galigula. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-399C-A