468. Das Haus.

Während man bei großen öffentlichen Bauten die Wichtigkeit des Unternehmens zu feiern pflegt bei der Grundsteinlegung, wird bei dem Bau gewöhnlicher Häuser die Festlichkeit nach Aufrichtung des Sparrenwerks verlegt; die schwierigste und kunstreichste Arbeit ist getan; das Haus ist, wenn auch kein fertiges, doch ein Haus. Oben am Dachstuhl hängt eine bunt bebänderte Laubkrone oder ist wenigstens ein grüner Maibaum befestigt, und von oben herab hält der erste der Zimmergesellen eine gereimte Rede, in welcher er dem Hause und seinen künftigen Bewohnern Glück und Gedeihen wünscht. Zum Schlusse trinkt er auf das Wohl des Bauherrn und wirft Glas oder Kanne hinter sich, und die Art des Falles ist vorbedeutend: 116. Darnach folgt eine mehr oder minder reichliche Bewirtung aller Bauarbeiter. Ein Unglück beim Hausbau bedeutet weiteres Unglück: 29. Der Bau eines Hauses kann vorspuken: 161. Ein ungeheures Haus wird nach einem Märchen in Wien gebaut: 616. – Im Amte Wildeshausen wird, wenn die Haushebung zu Ende, ein pyramidenförmiges, mit Laub und Bändern umwickeltes Gestell, in dessen Innern eine Flasche mit Inhalt und ein Tuch, in welches ein Geldstück eingewickelt ist, versteckt worden, oben auf der Giebelspitze befestigt. Darauf hält der Altgesell eine gereimte Rede, nach deren Schluß er aus der Flasche trinkt und diese herunterwirft. Das Geldstück wird unter die Bauleute verteilt. – In Lindern im Amte Cloppenburg wird oben am zuletzt aufgerichteten Sparren ein Tannenzweig befestigt, darunter ein Kranz und unter dem Kranz eine Flasche nebst Schinken. – In der Marsch wird, wenn der letzte Sparren gerichtet ist, nebst dem Kranze oder der Krone eine Flasche mit Trinkglas heraufgezogen. Nach Ende der Rede trinkt der Altgesell aus dem Glase, schlägt dieses an der Flasche kaput und zertrümmert darauf mit einem Hammer die Flasche. – In Visbek erhalten beim Richtfest der Bauherr, der Bauleiter und die beteiligten Bauhandwerker von der weiblichen Jugend aus der Nachbarschaft je eine mit Tabak gestopfte lange Tonpfeife, die mit einem farbigen Bändchen verziert ist. – Im Münsterlande wurde früher zu einer Haushebung (eines Bauern) die ganze Bauerschaft eingeladen. Männer, [221] Frauen und Kinder. Jede Familie hatte ein Huhn, eine Schlage Butter und einen halben Schweinskopf als Geschenk mitzubringen. Im Nachbarhause bereiteten die Frauen das Festmahl, die Mädchen wanden den Kranz und die Krone. Später begann der Tanz. Für den Hausherrn und die Zimmerleute lagen auf einem Tische in der Küche ein Dutzend irdene Pfeifen mit langen Stielen, verziert mit roten Bändchen, daneben auf einem Teller lag der Tabak. Nach Ende der Haushebung wurden die Pfeifen gestopft und geschmaucht. Je fröhlicher die Feier, je besser sie zu Ende ging, desto besser für die Bewohner des neuen Hauses (Amt Vechta). – Das Flaschenzertrümmern ist noch im ganzen Lande Sitte. Im Kirchs. Ankum an der oldenb. Grenze wurde verschiedentlich eine Puppe in den Kranz befestigt, die mitunter nach der Hebung von den »Börders« mit Knütteln entzwei geworfen wurde.

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TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. Sagen. Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg. Zweiter Band. Zweites Buch. Fünfter Abschnitt. C. Das leblose Eigentum des Menschen. 468. Das Haus. 468. Das Haus. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-3751-2