163.

Einem jeden kann es gelegentlich vorkommen, daß er Vorspuk von einer der verschiedenen Arten wahrnimmt, aber es gibt auch eine besondere Gabe, Vorspuk zu sehen, Schicht to kieken, wie der plattdeutsche Ausdruck lautet. Allgemein findet sich diese Gabe bei gewissen Tieren. Der Hund ist spuksichtig und sieht jeden Leichenzug im voraus. Dann setzt er sich hin, blickt dorthin, woher der spukende Leichenzug kommt, und fängt an zu heulen. Wer darauf achtet, weiß daher, ob und aus welcher Gegend ein Leichenzug zu erwarten ist. Besonders gern setzt sich ein spuksichtiger Hund auf Kreuzwegen. Die gleiche Gabe hat das Pferd; es sieht Leichen- aber auch Hochzeitszüge. Wenn das Pferd seine Nüstern aufbläst, die Mähne sträubt, den Kopf hin- und herwirft, die Ohren spitzt und schnaubt und wiehert, dann ist es nicht richtig; es sieht einen Leichenzug. Wenn es mit den Ohren klappt, so kommt es an einen Hochzeitswagen; wenn es sich im Geschirre schüttelt, an einen Leichenwagen (Visbek). Wenn es an einer Person im Hause nicht vorbei will, so wird jene Person oder ein Bewohner des Hauses bald sterben. Wenn es am Weihnachtsmorgen im Stall schwitzt, ohne doch Arbeit getan zu haben, so kommt es bald an einen Leichenwagen. Auch Eulen, Elstern, Krähen und andere Vögel scheinen Spuk sehen zu können; indessen neigt sich der allgemeine Glaube mehr und mehr dahin, bei diesen Vögeln nicht sowohl Vorspuksgesichte anzunehmen, sondern mehr eine überaus scharfe Witterung, die an kranken und selbst gesunden Menschen den [168] künftigen Leichengeruch bereits spürt. In gewissem Maße gilt dies freilich auch von Hunden und Pferden, und wir haben alle spuksehenden Tiere daher auch bei den Vorbedeutungen, wo lediglich aus dem Benehmen der Tiere auf die Zukunft geschlossen wird, ohne ihnen eigentliche Weissagung beizulegen, bereits aufgeführt.


Vgl. 5 und 11.

a.

Der Wirt in Ganderkesee hatte einen Hund, welcher als »Totenhund« gefürchtet war. In welchem Hause jemand schwer krank lag, erschien kurz vor dessen Tode jener Hund, kam bis an den Feuerherd oder sah, wenn die Stubentür offen stand, in dieselbe hinein und ging dann schweigend wieder weg. – Vor reichlich 50 Jahren bemerkte man in Cloppenburg, daß ein Hund wiederholt auf eine Brücke ging, sich dort setzte und furchtbar zu heulen anfing. Man versuchte vergeblich, ihn von dort zu vertreiben, aber selbst dem Eigentümer des Hundes war dies unmöglich, er mochte anfangen, was er wollte. Acht Tage lang mochte der Hund ab und zu und immer in derselben Stellung dort sich aufgehalten haben, als der Apotheker der Stadt starb. Von da an war der Hund ruhig. (6).

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. Sagen. Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg. Erster Band. Erstes Buch. Vierter Abschnitt. Vorgeschichten. 163. [Einem jeden kann es gelegentlich vorkommen, daß er Vorspuk von]. a. [Der Wirt in Ganderkesee hatte einen Hund, welcher als »Totenhund]. a. [Der Wirt in Ganderkesee hatte einen Hund, welcher als »Totenhund]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-312C-2