293.

Die Zeit von Weihnachten bis heilige drei Könige heißt die Zwölften: sie war schon für unsere Vorfahren eine heilige Zeit. Da feierten sie das Jul- oder Sonnenfest, denn Jul, engl. wheel, plattdeutsch weil, bedeutet Rad, das Bild der Sonne. Man hielt Umzüge; Umzüge, wie sie, freilich mit verändertem Charakter noch heute im Süden Deutschlands gehalten werden (vgl. Simrocks Mythologie). Da durfte kein Rad umgehen, aus Ehrfurcht vor der Sonne welche in dieser Zeit stille stand. Wer die Sitte nicht beobachtete, wurde am Vieh bestraft; was in dieser Zeit gesponnen wurde, verzehrten die Motten usw. Urheber dieser Strafen war Wodan, der auf seinem Schimmel mit nachfolgender Meute in den Zwölften durch die Lüfte stürmte und alle Verstöße unnachsichtlich ahndete.[36] Der Glaube, daß in den Zwölften nichts rundum gehen darf, hat sich bei uns bis auf den heutigen Tag erhalten. Weil nichts rundum gehen darf, darf nicht gefahren werden, weder mit Wagen noch mit Schiebkarren (249g), man darf nicht dreschen, nicht nähen, denn beim Dreschen beschreibt der Klöppel, beim Nähen die Nadel einen Kreis. Aus dem Garn, das in dieser Zeit gesponnen wird, dreht der Teufel Ketten (199), oder es werden verwirrte ineinander gezauste Wülste daraus. (Saterland.) Wenn auch nur Flachs auf dem Rocken sitzt, gedeiht im nächsten Jahre der Flachs nicht. (Brake). Im Cloppenburgischen läßt man in den Zwölften nicht bloß Wagen, Karren, Spinnrad und Haspel stehen, man hält überdies für unheilbringend, den Dünger aus den Ställen zu schaffen, oder den Dünger in den Ställen zu verteilen um Unebenheiten desselben zu beseitigen, oder vermittelst Besen die Tenne zu reinigen, dem Vieh das Futter zuzukehren. In Vechta hielt man es für unerlaubt, in den Zwölften die Pferdeschwänze in Knoten zu schlagen. Bekanntlich war es vor 50 Jahren Sitte, die Pferdeschwänze zusammenzuknoten. Der Grund, weshalb zwischen Weihnachten und Dreikönigen nichts rundum gehen darf, ist dem Volke mit der Zeit abhanden gekommen. Während einige glauben, der wilde Jäger (Wodan), der in den Zwölften durch die Lüfte ziehe, leide nicht, daß irgend etwas rundum gehe und bestrafe diejenigen, die Wagen und Karren in Bewegung setzten, sagen andere, der wilde Jäger habe mit dem Rundumgehen nichts zu tun, wissen aber auch für das Verbot des Rundumgehens nichts vorzubringen. Sie setzen einen Brauch einfach fort, der ihnen von ihren Vorfahren überliefert ist. – Das christliche Weihnachten leitet sich sprachlich her von den 12 geweihten Nächten der germanischen Sonnenwendfeier, doch ist das Fest nicht daraus entstanden. Die Sonnenwendfeier war schon Jahrhunderte alt, als das Christentum in Deutschland verkündigt wurde. – Im Münsterlande hatten früher die Schulkinder während der Zwölften Ferien; es ruhte überhaupt jede Arbeit. Vgl. 249.

Die Regel, daß nichts umgehen darf, heißt in Teilen des Ammerlandes das römische Recht, und scheint dort, wie im Münsterlande nicht in allen, sondern nur in einigen Bauernhäusern, gleichsam wie eine auf den Landstellen ruhende Verpflichtung, beobachtet zu werden. Wer sie bricht, dem stirbt alles Vieh, das nachher im Hause geboren wird (Ammerld.), [37] oder die beste Kuh stirbt; und wenn der Hausherr hartnäckig bleibt, so brennt zuletzt das Haus ab. (Ammerld.) Im Saterlande soll früher nicht nur jede drehende, sondern überhaupt alle Tätigkeit verboten gewesen sein, so daß die Zwölften in allen öffentlichen wie privaten Angelegenheiten die strengste Ruhezeit bildeten. In dem Artlande (Kreis Berssenbrück) wird auf verschiedenen Höfen, namentlich im Badbergischen Bier gebraut, wovon sämtliche Bewohner in den Zwölften nach Herzenslust trinken dürfen. Anstatt Schwarzbrot essen die Hausgenossen in dieser Zeit nur Weißbrot (Stuten), am Thomastage gebacken. In der Mitte der Zwölften, am Sylvesterabend wird »Stutensoppen« bereitet, d.i. in Würfel geschnittenes Weißbrot, übergossen mit Halbschweinskopfbrühe. In den protestantischen Landesteilen unsers Herzogtums tritt an Stelle der Zwölften, vermutlich weil das Dreikönigsfest nicht mehr gefeiert wird, häufig die Woche von Weihnachten bis Neujahr. Daher die Bezeichnung Neunten statt Zwölften. In Schweiburg und Umgegend darf zwischen Weihnachten und Neujahr keine Wäsche stattfinden. Zwischen Weihnachten und Neujahr dürfen die Kühe nicht brüllen im Stall, sonst kommt der Teufel ins Haus (199). Wenn zwischen Weihnachten und Neujahr Wäsche auf der Leine hängt, wird bald eine Leiche im Hause sein. (Butjadingen)

Vgl. 21.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Rechtsinhaber*in
TextGrid

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. Sagen. Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg. Zweiter Band. Zweites Buch. Zweiter Abschnitt. C. Die großen Feste. 1. Weihnachten und die Zwölften. 293. [Die Zeit von Weihnachten bis heilige drei Könige heißt die Zwölften]. 293. [Die Zeit von Weihnachten bis heilige drei Könige heißt die Zwölften]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-22FE-3