[27] An Platens Schatten

Einmal nur den Göttern nah' sein
Möcht' ich, du Verklärter! Lichter!
Einmal nur, fürs ganze Dasein,
Möcht' ich sein ein großer Dichter;
Riesenharfen wollt' ich schüttern,
Daß die Sterne sollten beben,
Und auf Pindars Klanggewittern
Solltest du gen Himmel schweben.
Nicht mit Hellas stolzen Rhythmen
Kann ich prunken vielgestaltig;
Dir dies schwache Lied zu widmen,
Treibt der Schmerz mich allgewaltig;
An der Saite bebt der Finger,
Und kein Ton mehr will sich melden,
Denn der Dichtkunst jüngster Jünger
Tritt zum Grabe eines Helden;
Eines Helden, der wie Keiner
Für das Reich der Kunst gestritten,
Eines Martyrs, der wie Keiner
Für das Reich der Kunst gelitten,
Dem das Wort, ein Frühlingswetter,
Von den Lippen rauschte, rollte,
Dem der Zorn, wie Zorn der Götter,
Die olymp'sche Stirn umgrollte.
Sieh, dein Volk, es zürnt nicht länger,
Das dich einst so schwer verkannte;
Aber du, verklärter Sänger,
Weilst im Paradies des Dante,
Wo die Sonnen reiner brennen,
Und die Monde voller schimmern;
Unser Kennen und Verkennen
Wird dich schwerlich mehr bekümmern.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Strachwitz, Moritz von. Gedichte. Lieder eines Erwachenden. Vermischte Gedichte. An Platens Schatten. An Platens Schatten. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-2096-A