[179] Dämmerung

(Nach Henri de Régnier)


Der Tag verdämmert wie ein seliger Traum.
Wie klar im Abendgold die Lüfte beben!
Und vor der Stunde leisem Fingerheben
zaudert der Tag und blaßt das Leuchten kaum ...
Laß tief der Stunde Zauber in dir leben!
Aus Quellen steigen blaue Nymphen auf,
der Esche Leib erschwillt von dunklen Faunen,
im Flimmerlaub raschelt des Windes Raunen,
wie hastige Schritte schlürft der Bäche Lauf –
und schallend tief erwacht der Wald mit Staunen.
Doch uns, uns glänzt in dieser Wundernacht,
die unsern Fuß umschmiegt und uns umzieht,
mein Waldgott (nicht mit) meiner Quelle Lied.
Uns schreckt ihr Schatten, und von ihrer Macht
droht uns ein Schlaf,
den Rausch und Schönheit flieht ...

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Stadler, Ernst. Gedichte. Verstreute Gedichte aus den Jahren 1902 bis 1904. Dämmerung [1]. Dämmerung [1]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-153D-B