Erster Akt.
Scene: Eine Schlucht zwischen eisbedeckten Felsen im indischen Kaukasus. – Prometheus, an einen Felsen geschmiedet über dem Abgrund. Panthea und Jone sitzen zu seinen Füßen. – Nacht. – Während der Scene bricht allmälig der Morgen an.
PROMETHEUS.
Beherrscher du der Götter und Dämonen
Und – bis auf einen – jener Geister all,
Die sich auf glanzerfüllten Welten drängen,
Die du und ich, von allen Lebenden
Allein, mit schlaflos off'nen Augen sehn!
Die Erde sieh von deinen Sklaven wimmeln,
Die für Gebet und preisende Verehrung,
Für Noth und Drangsal du mit Furcht belohnst,
Mit Selbstverachtung und mit eitlem Hoffen,
Dieweil du mich, der ich ein Feind dir bin,
In augenlosem Hasse ließest herrschen
Und, deiner spottend, triumphiren über
Mein Elend und die Ohnmacht deiner Rache!
Dreitausend Jahre schlafgefloh'ner Stunden
Und jeder Augenblick von scharfer Pein
Gezerrt zum Jahr – Tortur und Einsamkeit,
Spott und Verzweiflung – diese sind mein Reich!
Glorreicher ist's, als jenes, über welchem
Du unbeneidet thronst, o mächt'ger Gott!
Allmächtig – hätt' ich's nicht verschmäht zu theilen
Die Schande deiner Tyrannei und hienge
Ich hier nicht festgenagelt an den Wall
Des stolzen Berges, der den Adler höhnt,
[3] Schwarz, wintrig, todt und unermessen, ohne
Gras, noch Insekt, noch and'res Thier, noch was
Ans Leben mahnte in Gestalt und Klang.
O weh' mir! wehe! – Pein für ewig! ewig!
Kein Wechsel, keine Ruhe, keine Hoffnung!
Doch ich ertrag's! – Die Erde frag' ich, ob
Die Berge meine Qualen nicht gefühlt?
Den Himmel frag' ich, ob die gold'ne Sonne,
Die Alles schauende, sie nicht gesehn?
Ich frag' die See, in Sturm und Ruh' hier unten
Des Himmels ewig wechselnd Schattenbild,
Ob ihre tauben Wellen sie nicht hörten?
O weh' mir, wehe! – Pein für ewig, ewig!
Die Gletscher hier durchbohren mich mit ihren
Krystall'nen Nadeln, die im Mondlicht frieren,
Die blanken Ketten hier mit ihrer Kälte,
Sie fressen brennend sich in mein Gebein;
Des Himmels schwarzbeschwingter Hund, deß Schnabel
An deinen Lippen sich mit Gift getränkt,
Das nicht sein Eigen, nagt an meinem Herzen
Und formlos narrt, in wandelnden Gesichten,
Gespenstisch Volk mich aus dem Reich des Traums. –
Den Geistern, die die Erde rütteln, ist
Befohlen, aufzureißen meine Wunden,
Die kaum verharschten, wenn die starren Felsen
Sich jählings spalten und dann wieder schließen,
Dieweil sich heulend ihrem Schlund entringen
Die Genien des Sturmes, die zur Wuth
Den Wirbelwind entfachen und den Hagel
In scharfen Schlossen schleudern wider mich.
Und dennoch sind mir Tag und Nacht willkommen,
Ob nun der eine bricht das Nebelgrau
Des frost'gen Morgens, ob die and're leise
Im Sternenmantel steigt am Horizont.
Denn beide führen vorwärts sie die Stunden,
Die flügellosen, kriechenden, und eine
Wird d'runter sein, grausamer König du,
[4] Die, – wie der finst're Götzenpriester zerrt
Sein widerstrebend Opfer zum Altar, –
Herbei dich schleppen wird, zu küssen hier
Das Blut von diesen bleichen Füßen, die
Dich treten mögen, wenn sie's nicht verachten,
Den Sklaven, der im Staube liegt, zu treten! –
Verachten? nein! du dauerst mich! – Wie wird
Dein Sturz dich wehrlos durch den Himmel jagen,
Und deine Seele schreckgespalten gähnen,
Gleich einer Hölle d'rin! – Bekümmert sag' ich's
Und nicht in Leidenschaft! – Ich hasse nimmer,
Wie damals, eh' mich Elend weise machte.
Den Fluch, den einst ich gegen dich geschleudert,
Ich widerrief' ihn gern! – Ihr Berge, deren
Vielzüngig Echo donnernd jenen Spruch
Einst durch der Katarakte Nebel trug!
Ihr eis'gen Quellen, starrend hier im Frost,
Die ihr mich bebend hörtet und dann schaudernd
Durch Indien krocht! – Du reinster Aether, den
Die glüh'nde Sonne strahlenlos durchwandelt!
Ihr Wirbelwinde, die mit lahmen Schwingen
Ihr stumm und reglos über'm Abgrund hiengt,
Als Donner, lauter wie der eu're noch,
Den Erdball schütterte mit seinem Schlag!
O hatten damals meine Worte Kraft –
Obgleich ich also nun verwandelt bin,
Daß jeder böse Wunsch in mir erstarb
Und an den Haß selbst das Erinnern schwand –
Laßt ihre Macht nun nicht verloren sein!
Wie war der Fluch? – Ihr Alle hörtet ihn!
ERSTE STIMME
die der Berge.
Dreimal dreimalhunderttausend
Jahr' auf diesem Feuerball,
Oft wie Menschen, furchtergrausend,
Zitterten wir Berge all. –
ZWEITE STIMME
die der Quellen.
Donner machten uns versiegen,
Bitt'res Blut sollt' uns beflecken,
[5] Dennoch rannen wir verschwiegen
Durch des Schlachtfeld's wilde Schrecken,
Städte durch und öde Strecken. –
DRITTE STIMME
die der Luft.
Seit der Erdball einst erstanden,
Lieh' ich Farben seinen Landen!
Meine heit're Ruhe störte
Mancher Seufzer, den ich hörte. –
VIERTE STIMME
die der Wirbelwinde.
Hoch um dieser Berge Kronen
Weh'n wir rastlos seit Aeonen!
Nicht des Donners wilder Zorn,
Des Vulkanes Flammenborn,
Keine Macht hier ringsherum,
Macht' uns je vor Staunen stumm. –
ERSTE STIMME.
Aber unser Haupt voll Schnee,
Beugt' sich erst vor deinem Weh'!
ZWEITE STIMME.
Nie zu Indiens Meer bislang
Trugen wir noch solchen Klang!
Ein Pilot, der schlief zur See,
Sprang vom Deck in Todeskrampf,
Hört's und sterbend rief er: »Weh!« –
Toll wie's Meer in Sturmeskampf.
DRITTE STIMME.
Nie zum Himmel noch zuvor
Stieg solch Schreckenswort empor,
Das mein stilles Reich zerriß!
Als die Wunde sich geschlossen,
Hatte sich wie Blut ergossen
Ueber'n Tag die Finsterniß!
VIERTE STIMME.
Und wir flüchteten uns bang
In die frost'gen Höhlenräume,
[6] Uns verfolgten schwere Träume
Von Ruin und Untergang, –
Hießen schweigen uns zumal,
Ob auch Schweigen Höllenqual.
DIE ERDE.
Der Klippenhügel zungenlose Höhlen
Schrie'n Wehe! dann, der hohle Himmel gab
Zur Antwort: Weh! – Die purpurschäum'ge Welle
Des Oceans, das Land erklimmend, heult'
Es zu den Winden, die die See gepeitscht,
Und bleiche Völker hörten's bebend: Weh'!
PROMETHEUS.
Ich hör' den Klang von Stimmen, – nicht die Stimme,
Die ich erhob! – O Mutter, deine Söhne
Und du – ihr zürnt ihm, ohne dessen Willen,
Der Alles trägt, ihr unter Jovis Allmacht
Vergangen wär't gleich dünnen Nebelwolken,
Vom Morgenwind entrollt! – Kennt ihr mich nicht?
Mich, den Titanen nicht, der seine Pein
Zum stolzen Wall gemacht gen euren Feind,
Der sonst das ganze All eroberte? –
Ihr grünen Matten an der Felsenbrust!
Ihr Ströme, von der Milch des Schnee's genährt,
Durch frost'ge Nebel unten tief zu schau'n,
Von Wäldern überschattet, die ich einst
Mit Asia durchwandert, Leben trinkend
Ihr vom geliebten Aug': Was zürnt der Geist,
Der euch gebeut mit mir jetzt zu verkehren?
Mit mir, der ich allein gewagt zu hemmen, –
Gleich Einem, der da hemmen wollte ein
Von Furien gezogenes Gefährt' –
Die Falschheit und die Macht deß, der allein
Regiert und mit den Seufzern seiner Sklaven
Euch eure Schluchten füllt und Wasserwüsten? –
Warum gebt ihr mir noch nicht Antwort, Brüder?
DIE ERDE.
Sie dürfen nicht!
[7]PROMETHEUS.
Wer darf's? O sprich! wer darf's?
Denn wieder hören möcht' ich jenen Fluch!
Ha! welch unheimliches Geflüster dort?
Kaum ist's ein Laut: Es prickelt nur im Ohr,
Dem Blitze gleich, der knistert, eh' er schlägt.
Sprich, Geist! denn deine körperlose Stimme
Verräth allein mir, daß du webst um mich.
So sprich! wie flucht' ich ihm?
DIE ERDE.
Wie kannst du hören,
Da du die Sprache nicht der Todten kennst?
PROMETHEUS.
Du bist ein Geist, der lebt – als solcher sprich!
DIE ERDE.
Ich darf nicht sprechen, wie das Leben spricht,
Denn wenn's des Himmels grauser König hört,
So bindet er mich an ein Marterrad,
Noch folternder, als das auf dem ich rolle! –
Ja, du bist klug und gut und ob die Götter
Nicht hören diese Stimme, – du bist mehr
Als Gott, da du so weise bist, als gut!
So höre denn!
PROMETHEUS.
Entsetzliche Gedanken,
Gleich düster'n Schatten jagen durch mein Hirn!
Die Sinne schwinden mir, gleich einem, den
Die Liebe hält umstrickt mit ihrem Taumel
Und dennoch ist's nicht Lust!
DIE ERDE.
Du kannst nicht hören!
Du bist unsterblich! – Diese Sprache kennen
Nur die, die sterben!
PROMETHEUS.
Was bist du, o Stimme,
So trauervoll?
[8]DIE ERDE.
Die Erde! deine Mutter,
Durch deren Steingeäder bis hinauf
Zur letzten Fiber noch des höchsten Baums,
Deß dünne Blätter zittern in der Luft,
Die Freude rann, wie Blut durch einen Leib,
Als du gleich einer Ruhmeswolke dich
Von ihrem Busen hobst – ein Geist des Heil's!
Bei deiner Stimme hoben ihre Söhne
Die qualgebeugten Stirnen aus dem Staub,
Und unser allgewaltiger Tyrann
Ward bleich, – bis dich sein Donner hier gekettet!
Dann – sieh hier die Millionen Welten brennen
Und rollen rings um uns! – dann sahen die,
Die sie bewohnen wohl, mein Sphärenlicht
Im weiten Aether flackernd fast vergehn;
Die See heult' auf, vom Sturm gepeitscht, und Feuer
Vom Scheitel schneeiger Vulkane sträubte
Sein Furienhaar bis an des Himmels Stirn.
Die Fluren trafen Blitz und Ueberschwemmung
Und blaue Disteln sproßten auf in Städten,
Wo Kröten, die nach Futter suchten, krochen
Durch Zimmer, d'rin die Ueppigkeit gehaust.
Denn Seuche war und Hungersnoth gefallen
Auf Mensch und Thier, bis auf den Wurm herab,
Und schwarzer Mehlthau lag auf Gras und Baum.
Im Korn, im Weinland, unter'm Wiesengras
Wuchs giftig Unkraut, das nicht auszurotten,
Ihr Wachsthum hemmend, auf – denn meine Brust
War ausgedorrt von Kummer und mein Athem,
Die dünne Luft, vom Pesthauch angesteckt,
Den einer Mutter Haß auf ihres Kindes
Vernichter einst gehaucht. – Und deinen Fluch?
Ja wohl! ich hört' ihn! – wenn du selber auch
Dich seiner Worte nicht entsinnen kannst,
Nun, meine ungezählten See'n und Ströme,
Die Berge, Höhlen, Winde und die Luft
Und auch der Todten unvernehmbar Volk
Bewahren ihn als einen Zauberspruch.
[9] Wir brüten in geheimer Freud' und Hoffnung
Ob jenen Schreckensworten, doch wir wagen
Sie auszusprechen nicht!
PROMETHEUS.
Ehrwürd'ge Mutter!
Sieh! Alle, die da leben hier und leiden,
Sie nehmen irgend ein Geschenk von dir!
Sei's Blum' und Frucht, sei's holder Töne Klang,
Sei's Liebe, ob sie flüchtig auch – auf all'
Dies laß' mich hier verzichten. – Eins nur bitt' ich:
Die eig'nen Worte weigere mir nicht!
DIE ERDE.
Du hörst sie noch! – Eh' Babylon ward Staub,
Begegnete mein schon verstorb'ner Sohn,
Der große Magus Zoroaster einst,
Im Garten wandelnd seinem eig'nen Bild!
Und die Erscheinung sah nur er allein.
Denn wisse, daß es zwei der Welten gibt,
Des Lebens und des Tod's: Die eine siehst du,
Die and're aber, die liegt unterm Grab.
Es hausen d'rin die Schatten all' der Körper,
Die leben hier und denken, bis der Tod
Sie all' vereinigt hat auf Nimmerscheiden;
Die Träume all', der Menschen Lichtgedanken,
Und was der Glaube schafft, die Liebe wünscht,
Entsetzliche und seltsam fremde, – doch
Erhab'ne auch und herrliche Gebilde!
Dort bist auch du, ein schmerzgekrümmter Schatten,
Der zwischen eis'gen Bergen hängt, umbraust
Von Stürmen. – All' die Götter wohnen dort
Und all' die Mächte namenloser Welten,
Phantome, riesig, mit dem Herrscherstab,
Heroen, Menschen, wilde Bestien
Und Demogorgon, der so finster blickt
Und endlich er, der oberste Tyrann,
Auf seinem Thron von Flammengold. – Mein Sohn,
Von diesen Einer wiederholt den Fluch,
Der Allen noch erinnerlich! – So ruf'
[10] Denn deinen eig'nen Geist, – ruf' Jupitern,
Ruf Hades oder Typhon, oder wer
Von mächt'gern Göttern, die das Uebel zeugte,
Seit deinem Untergange meine Söhne
Getreten und gequält. – So mag die Rache
Des Allgewalt'gen weh'n durch hohle Schatten,
Wie Regenwind durch die verlass'nen Thore
Verfallener Paläste.
PROMETHEUS.
Mutter laß
Nicht wieder Böses über meine Lippen,
Noch über jene meines Gleichen kommen. –
Phantom des Jupiter, ersteh'! erscheine!
JONE.
Die Ohren decken meine Flügel,
Die Flügel auch die Augen mir,
Doch steigt durch ihre Federhügel,
Durch ihre Silberschatten hier
Ein Bild und Töne klingen.
Du voll Wunden – festgebunden –
Mög's dir nicht Uebles bringen,
Den uns'rer süßen Schwester willen
Wir treu behüten hier im Stillen.
PANTHEA.
Es klingt, wie Wirbelwinde wild,
Wenn Feu'r und Erdstoß Berge spalten!
Der Ton ist schrecklich, wie das Bild
In sterndurchwob'nen Purpurfalten.
Sein Scepter blassen Gold's,
Im Wolkenflor dort hoch empor
Hebt seine Hand es stolz
Und grausam blickt er, unbewegt,
Wie wer da Leiden schafft, nicht trägt!
PHANTOM DES JUPITER.
Geheime Mächte dieser fremden Welt!
Was habt ihr mich, ein wesenloses Schemen,
Auf grausen Stürmen denn hieher getrieben?
[11] Welch' ungewohnte Töne sind's, die beben
Auf meinen Lippen, ungleich jener Stimme,
Mit der da unser bleich Geschlecht im Finstern
Die geisterhafte Unterredung hält?
Und du, o stolzer Dulder, wer bist du?
PROMETHEUS.
Entsetzlich Bild! – Wie du bist, muß er sein,
Deß Schatten du uns zeigst! – Ich bin sein Feind,
Bin der Titan! – Die Worte sag', die ich
Vernehmen will – ist deine hohle Stimme
Auch nur gedankenloser Wiederhall!
DIE ERDE.
Horcht auf! und muß auch euer Echo schweigen,
Ihr grauen Berge, alten Wälder dort,
Ihr Zauberquellen, ihr prophet'schen Höhlen
Und inselreichen Ströme, freuet euch
Zu hören nun, was ihr nicht sprechen dürft!
PHANTOM.
Ein Geist erfaßt mich und er spricht in mir:
Wie Feuer durch die Donnerwolke zuckt,
So zuckt es nun durch mich!
PANTHEA.
Seht nur, wie er
Die mächt'gen Blicke hebt! – Der Himmel oben
Verfinstert sich!
JONE.
Er spricht – o schützet mich!
PROMETHEUS.
Es ist der Fluch! – ich seh's an den Geberden,
So stolz und kalt – an Blicken voll von Trotz
Und stillem Haß, – an der Verzweiflung seh' ich's,
Die da mit Lächeln spottet ihrer selbst,
Das so zum Grinsen wird. – Doch sprich! o sprich!
[12]PHANTOM.
»Du böser Feind, ich trotze dir in Ruh'!
Was du vermagst, heiß' ich dich bieten mir!
Tyrann der Götter und der Menschheit du,
Ein einzig Wesen beugt sich nicht vor dir!
Laß deine Qualen auf mich regnen,
Laß Krankheit, Furcht und Raserei,
Laß Frost und Feuer sich begegnen
Zu meiner Pein, – dein Zürnen sei
Der Blitz, der Hagel, sei'n die Furienschaaren,
Die durch die Welt einher auf wilden Stürmen fahren!
Dein Schlimmstes thu'! – die Allmacht ist ja dein!
Bis auf dich selbst und meine Willenskraft,
Ob allen Dingen räumt' ich sie dir ein,
So sende denn, was Menschen Leiden schafft:
Dein böser Geist mit Qual umstricke
Sie alle, die mir theuer sind,
Auf mich und auf die Meinen schicke
Das Aergste, was dein Haß nur spinnt.
Und also weih' ich dieses Haupt, erhoben,
Schlafloser Pein, dieweil du herrschen mußt dort oben!«
»Du aber, der ein Gott und Herr du bist,
Mit deinem Geist erfüllst die Welt voll Weh, –
Vor dem, was Himmels und der Erden ist,
In Furcht und Ehrfurcht ich sich beugen seh'!
Fluch dir! – des Dulders Fluch mit Beben,
Hör', Folt'rer, gleich Gewissensleid,
Vergiftet Sterben sei dein Leben,
Die Ewigkeit dein Sterbekleid!
Und deine Allmacht sei die Marterkrone,
Die, brennend Gold, dein schmelzend Hirn umringt zum, Hohne!«
Kraft dieses Fluch's häuf' Uebelthaten auf
Und Gutes sei zu schau'n verdammt zumal,
Da beides ewig, wie der Welten Lauf,
Wie du und deine Einsamkeit voll Qual!
Und scheinst du auch das Bild der reinen,
Erhaben ruh'gen Macht zur Frist,
[13] Die Stunde kommt, da du mußt scheinen,
Was innerlich von je du bist.
»Verbrechen häuf' denn, die nicht Früchte tragen,
Und ew'ger Spott soll dich durch Raum und Zeit einst jagen!«
PROMETHEUS.
Sind's meine Worte, Mutter?
DIE ERDE.
Es sind deine!
PROMETHEUS.
Mich reu'ts! – Ein eitel Wort ist schnell entschwebt,
Und Kummer oftmals blind – so war der meine!
Zu leiden wünsch' ich keinem Ding, das lebt!
DIE ERDE.
O, weh' mir! weh' mir! weh'!
Daß Zeus dich doch besiegt zuletzt!
Laut heulet, Land und See!
Ihr Wirbelwinde heult entsetzt!
Zerrissen wird der Erde Herz,
Die Antwort tönen euerm Schmerz!
Heult, Geister Lebender und Todter dort,
Gefallen und besiegt ist euer Hort!
ECHO.
Besiegt ist euer Hort!
JONE.
Nein, nein! ein leichter Krampf ist's nur,
Noch unbesiegt ist der Titan!
Doch seht! was kommt durch den Azur?
Ob jenes Hügels schnee'gem Plan,
Den gold'nen Flügelschuh am Fuß,
Dem jeder Wind sich beugen muß,
Von rother Federn Wiederschein
Zart angehaucht, wie Elfenbein,
Das ros'ge Glut durchdringt,
Schwebt die Gestalt herab!
Mit ihrer Rechten schwingt
Sie einen Stab
Um den sich eine Schlange ringt.
[14]PANTHEA.
Der schnelle Bote Jovis ist's – Mercur!
JONE.
Und Jene da mit Hydrahaaren
Und eh'rnen Schwingen auf dem Wind?
Die dort im Zaum gehalten sind
Vom Gott, den zürnen sie gewahren
Und die gleich Dämpfen steigen auf,
Laut schwirrend, ein endloser Hauf?
PANTHEA.
's ist Jovis wilder Hunde Heer,
Das er mit Blut und Seufzern nährt,
Wenn auf der Schwefelwolke er
Aus seines Reiches Grenzen fährt.
JONE.
Führt er hinweg sie von der magern Weide
Des Tod's, zu füttern sie mit neuem Leide?
PANTHEA.
Wie immer, fest, nicht stolz blickt der Titan!
ERSTE FURIE.
Ich witt're Leben, ha!
ZWEITE FURIE.
O laßt mich nur
In seine Augen sehn!
DRITTE FURIE.
Die Hoffnung, ihn
Zu quälen riecht, wie für den Aesergeyer
Ein Haufe Leichen riecht nach einer Schlacht!
ERSTE FURIE.
Du zögerst, Herold? – Auf, ihr Höllenhunde!
Wie wär's, wenn uns der Sohn der Maia bald
Zum Futter diente und zur Jagd? Wer kann
Da lange dem Allmächtigen gefallen?
[15]MERCUR.
Packt euch zurück in eure Eisenzwinger
Und knirscht mit euren futterlosen Zähnen,
Am Strom des Feuers und der Weheklagen!
Geryon auf! und Gorgo und Chimära
Und du auch, Sphinx, du schlaueste der Bösen,
Die du zu Theben einst des Himmels Wein
Kredenztest, den vergifteten: die Liebe,
Zur Unnatur verkehrt und Haß, der noch
Viel unnatürlicher. – Seht! Jene werden
Vollziehen euer Werk!
ERSTE FURIE.
O Gnade! Gnade!
Wir sterben vor Begier: Vertreib' uns nicht!
MERCUR.
So duckt euch denn und schweigt!
Erhab'ner Dulder!
Unwillig, höchst unwillig komm' ich her,
Getrieben von des großen Vaters Willen,
Um neuen Rachespruch hier zu vollziehn! –
Ach! ich beklage dich und hasse mich,
Daß ich nicht mehr vermag! – Ja, kehr' ich heim
Von deinem Anblick, wird für Jahreszeit
Der Himmel mir zur Hölle, so verfolgt
Mit vorwurfsvollem Lächeln Tag und Nacht
Mich die zermarterte Gestalt! – Ja, du
Bist weise, stark und gut und dennoch ständest
Vergebens fürder du allein im Kampf
Gen den Allmächtigen – wie's jene Leuchten,
Die klaren, die die müden Jahre messen
Und theilen sie, von denen keine Zuflucht
Es lang gelehrt und lange lehren werden.
Und sieh! dein Peiniger, er rüstet eben
Mit sond'rer Macht von unerhörter Pein
Die Mächte aus, die in der Hölle unten
Die Todesqual, die langgedehnte sinnen.
Mein Auftrag aber ist, hieher zu führen
Sie, oder was an schlauern oder bösern
[16] Und wildern Geistern noch den Höllenschlund
Bevölkert und ihr grauses Werk sie hier
Vollziehn zu lassen! – Mög' es so nicht sein:
Es ist dir ein Geheimniß ja bekannt, –
Von allen Lebenden nur dir allein –
Das da vermag des weiten Himmels Scepter
Zu übertragen und die Furcht vor ihm
Erfüllt den Allgewaltigen mit Schrecken.
In Worte kleid's und heiß es seinen Thron
Umklammern dann in brünst'gem Fleh'n! – die Seele:
Beug' im Gebet und, einem Bittenden
In stolzem Tempel gleich, laß deinen Willen
Im Herzen knieen, das voll Hochmuth ist.
Denn gute That und Unterwerfung sänft'gen
Den Stolzesten und auch den Mächtigsten.
PROMETHEUS.
Wer bös geartet ist, verwandelt selbst
Das Gute zu der eigenen Natur!
Ich gab ihm Alles, was er hat und er
Zum Danke kettet hier mich fest auf Jahre,
Auf Menschenalter, Nacht und Tag. – Ob nun
Die Sonne mir die ausgedorrte Haut
Zerreißt, ob in der kalten Mondnacht sich
Krystallbeschwingter Schnee ums Haupt mir klebt,
Indeß mein heißgeliebt Geschlecht zu Boden
Getreten wird von jenen Schergen seiner
Gedanken – das ist des Tyrannen Lohn!
's ist recht, denn Gutes mag der Böse nicht
Empfangen und für eine Welt, die ihm
Geschenkt ward, für den Freund, den er verlor,
Vermag er Haß zu fühlen, Furcht und Scham,
Nicht Dankbarkeit! – Bestrafen will er mich
Für Missethaten, die er selbst beging!
Für Solche ist die Güte bitt'rer Vorwurf,
Der durch den leisen Schlummer des Gewissens
Mit scharfen Stacheln fährt. – Und Unterwerfung?
Du weißt es wohl, ich kann sie nicht versuchen,
Denn welches Pfand der Demuth nähm' er an
Und welches and're hätt' ich ihm zu bieten,
[17] Wär's jenes Wort nicht, das verhängnißvolle,
Das Todessiegel aller Sklaverei
Der Menschheit, das ob seiner Krone zittert,
Gleich jenem Schwerte, das am Haare schwebend
Einst über'm Haupt des Sicilianers hing?
Auch will ich's jetzt ihm noch nicht offenbaren!
Laßt And're dem Verbrechen schmeicheln, wo's
In kurzer Allmacht thront; – gesichert sind sie;
Denn triumphirt einst die Gerechtigkeit,
Wird Mitleidszähren sie herniederweinen,
Nicht Strafe ob des Unrechts, das sie litt,
Das nur zu schwer gebüßt durch Jene wird,
Die irre gehn! – So wart' ich, Alles duldend,
Die Stunde der Vergeltung ab, die, seit
Wir sprechen selbst, schon wieder näher ist! –
Doch horch! Die Höllenhunde kläffen dort:
Zu zögern wage nicht, denn sieh', der Himmel
Verfinstert sich, weil schon dein Vater oben
Die Stirne runzelt!
MERCUR.
O wär's uns erspart:
Mir, dich zu peinigen und dir, zu leiden!
Noch einmal antwort' mir: du kennst doch wohl
Den Zeitraum nicht von Jupiters Gewalt?
PROMETHEUS.
Ich weiß nur, daß ihr Ende kommen muß!
MERCUR.
Ach! leider kannst du nicht die Jahre zählen,
Die voll der Qualen kommen über dich!
PROMETHEUS.
So lange dauern sie, als Zeus regiert:
Nicht mehr, noch wen'ger wünsch' ich oder fürcht' ich!
MERCUR.
Halt' ein und tauch' in jene Ewigkeit,
Wo das Gedächtniß aller Zeiten schwindet
Und was in Menschenaltern ihr ersinnt,
[18] Zu einem Punkt, – in deren ew'ger Flucht
Die Seele, die im Kampf ermattet, erst
Die müden Flügel senkt und endlich taumelnd,
Verloren, blind und schutzlos untersinkt:
Vielleicht hat sie die trägen Jahre nicht
Gezählt, die du in Qual verbringen sollst!
PROMETHEUS.
Vielleicht kann kein Gedanke sie ermessen –
Sie werden doch vorübergehn.
MERCUR.
Und könntest
Du mittlerweile wohnen unter Göttern,
In wollustvolle Freude sanft gewiegt?
PROMETHEUS.
Ich würde doch dies graue Thal nicht lassen,
Die Pein nicht fliehen, die mich hier erwartet!
MERCUR.
Bewundern muß ich dich – doch auch beklagen!
PROMETHEUS.
Des Himmels Sklaven, die sich selbst verachten,
Beklage du, – nicht mich, in dessen Seele
Die reinste Freude herrscht, dem Lichte gleich,
Das in der Sonne thront! – Wie eitel doch
Ist das Gespräch! – die bösen Feinde dort
Ruf' auf!
JONE.
O Schwester, sieh nur: Weißes Feuer
Hat jene mächt'ge, schneebelad'ne Ceder
Gespalten tief bis in der Wurzeln Schooß!
Wie fürchterlich rollt Gottes Donner nach!
MERCUR.
Gehorchen muß ich seinem Wort und deinem,
Wie schwere Sorge auch das Herz mir drückt.
Ab.
[19]PANTHEA.
Sieh, wie das Kind des Himmels läuft von dannen,
Der Morgensonne gold'ne Strahlen dort
Zur Seite beugend mit beschwingtem Fuß.
JONE.
O theure Schwester – vor den Augen schließ'
Dein Flügelpaar, daß du nicht siehst und stirbst!
Sie kommen, kommen, die Geburt des Tags
Verfinsternd mit den ungemess'nen Schwingen
Und hohl darunter, wie der Tod.
ERSTE FURIE.
Prometheus!
ZWEITE FURIE.
Unsterblicher Titan!
DRITTE FURIE.
Der du ein Kämpe
Für alles Sklavenvolk des Himmels bist!
PROMETHEUS.
Er, dem dies wüste Rufen gilt, ist hier,
Prometheus, der gefesselte Titan!
Ihr Schreckgestalten, was und wer seid ihr?
Nie kamen solch' entsetzliche Phantome
Noch durch der Hölle scheusalträcht'gen Schooß
Aus Jovis Hirn, d'rin alles Böse keimt.
Mich dünkt, seh' ich solch' gräuliche Gestalt,
Ich werde Jenem gleich, das ich betrachte
Und lach' und stier' in ekler Sympathie!
ERSTE FURIE.
Wir sind die Schergen aller Pein und Furcht,
Des Mißgeschicks, des Mißtrau'ns und des Hasses
Und lastender Verbrechen! – Hunden gleich,
Die ein getroff'nes, athemloses Reh
Durch Wald und See verfolgen, – also sind
Wir hinter jedem Dinge her, das lebt
Und weint und blutet, – wenn der große König
Es unserm Willen schutzlos überläßt.
[20]PROMETHEUS.
O Mannigfalt der schrecklichsten Naturen
In einem Namen hier! – Ich kenne euch
Und jene Seeen dort und Echo's kennen
Das Schwirren eurer schwarzen Flügel wohl!
Allein warum, noch scheußlicher fürwahr,
Als euer grauenhaftes Wesen sonst,
Entsteigt in Schwärmen ihr der Tiefe heut'?
ZWEITE FURIE.
Das wußten wir nicht! – Schwestern, freut euch!
PROMETHEUS.
Kann Ein's ob seiner Häßlichkeit frohlocken?
ZWEITE FURIE.
Die Schönheit der Glückseligkeit verklärt
Die Liebenden, sehn sie einander an:
Und so sind wir! – Wie von der Rose wohl,
Die knieend eine bleiche Priesterin
Für ihren Blumenkranz zum Feste pflückt,
Ein flüchtig Roth auf ihre Wangen fällt,
Umkleidet uns der Schatten jener Qual,
Die uns'res Opfers harrt und gibt uns Form –
Sonst sind gestaltlos wir, wie Mutter Nacht.
PROMETHEUS.
Verächtlich lach' ich eurer Macht und Jenes,
Der euch gesandt! – Kredenzt den Leidensbecher!
ERSTE FURIE.
Du denkst, wir reißen Dir nun Bein von Bein
Und Nerv von Nerv – wie Feuer dich durchwühlend?
PROMETHEUS.
Pein ist mein Element, wie Haß das deine!
Zerreißt mich nun – ich frage nicht darnach!
ZWEITE FURIE.
Du stellst dir vor, daß wir dir blicken werden
Mit Hohngelächter in dein lidlos Aug'?
[21]PROMETHEUS.
Nicht wägen will ich, was ihr Böses thut,
Nur was ihr leidet, da ihr böse seid!
Wie grausam doch war jene Macht, die euch
Ans Licht rief oder Elende gleich euch!
DRITTE FURIE.
Du denkst, wir werden Ein's um's And're leben
In dir, gleich thier'schem Leben, und obwohl
Wir auch die Seele nicht verfinstern können,
Die in dir brennt, – doch wohnen neben ihr,
Der eitlen, lauten Menge gleich, die da
Den Weisesten im Selbstgenügen stört? –
Daß wir als Schreckgedanke dein Gehirn,
Als fauler Wunsch dein Herz erfüllen werden,
Als Blut durch deiner Adern Labyrinth
Gleich Todesqualen kriechen?
PROMETHEUS.
Also seid ihr!
Doch bin ich König über mich und weiß
Der Qualen Aufruhr in mir selbst zu bänd'gen,
Wie Jupiter die Hölle, wenn sie meutert.
CHOR DER FURIEN.
Von den Enden der Erde, – in Nebel geborgen,
Wo die Nacht hat ihr Grab, – seine Wiege der Morgen,
Herbei! herbei! herbei!
Die ihr Berge erschüttert mit Jubelgeschrei,
Wenn die Städte versinken und heulen vor Weh,
Die ihr schwunglosen Fußes stampfet die See,
Die ihr dicht hinter Schiffbruch und Hungersnoth
Schnatternd euch setzt auf's zertrümmerte Boot,
Herbei! herbei! herbei!
Laßt das Bett, das kalt und roth,
Unter einem Volk, das todt;
Laßt den Haß! im Aschenhauf'
Glimmend noch das Feuer währt,
[22] Steigt in blut'gern Flammen auf,
Wenn ihr's schür't, zurückgekehrt!
Eingepflanzt laßt Selbstverachtung
In der Jugend Sinnumnachtung,
Elend laßt, nur kaum entsproßen!
Was geheim in ihren Räumen
Birgt die Hölle – halb erschlossen
Laßt's dem Narr'n in seinen Träumen:
Grausamer als euch das Hassen
Wird die Furcht ihn werden lassen!
Schwarmweis aus der Hölle weitem Thor
Steigen wir wie böser Dampf empor,
Pestgleich schwängern wir der Lüfte Hauch,
Doch vergeblich ist's, kommt ihr nicht auch!
JONE.
Ich hör' den Donner neuer Schwingen, Schwester!
PANTHEA.
Die mächt'gen Berge dröhnen von dem Klang
Und zittern, wie die Luft. – Ihr Schatten hüllt
Den Raum, der zwischen meinen Flügeln liegt,
In Finsterniß, noch schwärzer wie die Nacht!
VIERTE FURIE.
Euer Ruf, ein Flügelwagen,
Hat uns wirbelnd fortgetragen,
Wo sie blut'ge Schlachten schlagen!
FÜNFTE FURIE.
Fort von Städten, voll der Plagen!
SECHSTE FURIE.
Halbgehörten Seufzern nur,
Blut, dem wir erst auf der Spur!
SIEBENTE FURIE.
Aus der Kön'ge Rath, wo kalt
Man das Blut mit Gold bezahlt.
[23]ACHTE FURIE.
Von der Schmelze, weiß und heiß,
Wo man – – –
EINE FURIE.
Sprecht nicht laut, noch leis!
Sagt doch nur, was ich schon weiß!
Sprechen bräch' den Zauberbann,
Der da beugen muß den Mann,
Der, von Hochmuth ganz umnachtet,
Selbst der Hölle Macht verachtet!
EINE FURIE.
Den Schleier zieh!
EINE VON DEN FURIEN.
Ich that es schon – o sieh:
CHORUS.
Des Morgens bleiches Sternenlicht, es starrt
Auf schrecklich Elend, das geboren ward! –
Wirst du nun schwach, du mächtiger Titan?
Wir sehn dich lachend, voll Verachtung an!
Du prahlest mit jenem klaren Erkennen,
Das dein erleuchteter Geist dem Menschen gewann?
Du ließest in ihm den Durst nur entbrennen,
Der jenen versiegenden Quellen entrann!
Den fiebernden Durst der Hoffnung und Liebe,
Des Zweifels, des Wunsches – unseliger Triebe! –
Der den, der begehrt
Für immer verzehrt!
Einer kam mit sanftem Muth,
Lächelnd in die Welt voll Blut,
Doch sein überlebend Wort
Bringt wie süßes Gift Verderben!
Was gedeihen soll, verdorrt:
Wahrheit, Friede, Mitleid sterben!
Sieh, wie in der Runde weit
Manche Stadt, d'rin Millionen
Menschen bei einander wohnen,
[24] Rauch in blaue Lüfte speit!
Hör' den Schmerzensschrei, so wild:
's ist sein Geist, der sanft und mild
Neuen Glauben einst verkündet –
Nun beweint, was er entzündet!
Sieh' auf's Neu': Die Flammen schwinden
Mälig zu des Glühwurms Schein, –
Die sich noch am Leben finden,
Sammeln furchtsam Asche ein!
Freude! Freude! Freude!
Sieh' der Vergangenheit Zeitengewühl:
Jede, versinkend, läßt ihre Spur
Und die Zukunft ist dunkel, – die Gegenwart nur
Für dein schlummerlos Haupt ein dornichter Pfühl!
I. HALBCHOR.
Tropfen blut'ger Todesqual
Rinnen von der Stirne fahl:
Laßt ihn nun ein wenig ruhn!
Sieh': – Ein Volk, vom Banne los,
Springt aus der Verzweiflung Schooß
Und das Licht der Wahrheit nun
Bricht mit einemmal herein!
Freiheit soll die Losung sein
Und ein Band der Brüder mild,
Liebe – – –
II.
HALBCHOR.
's ist ein and'res Bild:
Brüder morden Brüder hin,
Ernte halten Tod und Sünde
Und das Blut schäumt auf darin,
Jungem Wein gleich im Gebünde,
Bis Verzweiflung übermannt
Jene, die im Kampf entbrannt
Und anheim die alte Welt
Sklaven und Tyrannen fällt!
Alle Furien verschwinden bis auf eine.
JONE.
Horch, Schwester! welch' ein Seufzer, leis, doch schreckvoll,
Wühlt des Titanen Herz im Grunde auf,
[25] Wie Sturm der Tiefe, daß der See Gestöhn
Die Thiere hören in des Festlands Höhlen.
Wagst du zu schau'n, wie ihn die Geister martern?
PANTHEA.
Ach! zweimal schaut' ich, doch ich will's nicht mehr!
JONE.
Was sahst du denn?
PANTHEA.
O schmerzliches Gesicht!
Ein Jüngling ist's mit sanft geduld'gen Blicken,
Genagelt an ein Crucifix.
JONE.
Was dann?
PANTHEA.
Des Himmels Runde und die Erde unten
Mit Schatten todter Menschen dicht bevölkert,
Entsetzlich all', von Menschenhand gemordet:
Denn Menschen wurden langsam oft getödtet
Durch Stirngerunzel und durch Lächeln blos.
Und andere Gesichte ziehn vorbei
Zu leben und zu sprechen allzuscheußlich!
Laß' unsern Blick nicht Schlimmeres versuchen,
An solchen Seufzern ist's des Gram's genug!
FURIE.
Merk' ein Symbol: Die für den Menschen Unrecht
Erdulden, Spott und Kettenlast, sie häufen
Vertausendfachtes Weh auf sich und ihn.
PROMETHEUS.
O bann' die Angst aus jenem stieren Blick!
Die bleichen Lippen schließ' und laß die Stirn,
Die dornverwundete nicht überströmen
Vom Blut, – es mengt mit deinen Thränen sich!
Die Augen, die in Schmerzen rollen, laß
In Frieden und im Tode stille stehn; –
So soll dein Krampf den Kreuzesstamm nicht schüttern,
[26] Die blassen Finger sollen so nicht spielen!
O Schrecklicher, ich sprech' nicht deinen Namen, –
Er ward zum Fluch! – Ich seh' den Weisen, Milden,
Seh' den Erhab'nen, den Gerechten, die
Gehaßt von deinen Sklaven, weil dir gleich –
Durch faule Lügen seh' die Einen ich,
Verjagt von ihres Herzens Heim, – dem früh
Gewählten, spätbeklagten Heim –
Wie Hinden fliehn, das Parderthier im Nacken!
Und And're seh' ich, die – lebend'ge Leichen –
In ungesunden Kerkern angeschmiedet; –
Noch And're – hör' ich nicht die Menge lachen? –
Auf Stößen Holzes, d'ran die Flamme leckt!
Und! Inseln gleich, entwurzelt aus der See,
Zu meinen Füßen fluthen mächt'ge Reiche,
Die ihre Söhne sehn, im Blut zerstampft,
Beim rothen Licht, d'rin ihre Wohnstatt flammt!
FURIE.
Blut kannst du sehn und Feuer, – kannst
Auch Seufzer hören, aber schlimm're Dinge
Noch bleiben ungesehn und ungehört.
PROMETHEUS.
Noch schlimmere?
FURIE.
Es überlebt die Furcht
In jedes Menschen Brust den Feind, der ihm
Zur Beute ward. Die Höchsten fürchten stets
Die Wahrheit deß, was sie verschmähn zu denken,
Die Heuchelei und die Gewohnheit machen
Aus ihrem Innern Tempel für so manchen
Nun überlebten Götzendienst. Sie wagen
Auf Gutes für die Menschheit nicht zu sinnen
Und wissen selber nicht, daß sie's nicht wagen.
Den Guten fehlt die Macht – sie können nichts
Als Thränen weinen, die höchst unfruchtbar, –
Den Mächt'gen fehlt's an Güte – was noch schlimmer –
Den Weisen fehlt die Liebe, Jenen aber,
Die lieben, fehlt die Weisheit: So wird stets
[27] Das Beste selbst zum Uebel noch verkehrt.
Und Viele gibt's, die mächtig sind und reich
Und wären gern gerecht, doch leben sie
Inmitten ihrer leiderfüllten Brüder,
Als fühlte Keiner was: So wissen sie
Nicht was sie thun!
PROMETHEUS.
Gleich einer Wolke von
Beschwingten Schlangen sind die Worte dein
Und doch beklag' ich die, die sie nicht quälen.
FURIE.
Beklagst du sie? So hab' ich nichts zu sagen!
Verschwindet.
PROMETHEUS.
O weh! o weh! – Ach Pein für ewig, ewig!
Ich schließe hier die thränenlosen Augen
Und sehe nur so klarer noch dein Werk
In meinem schmerzerleuchteten Gemüth,
Du schlauester Tyrann! – Im Grab ist Frieden!
Das Grab deckt all, was schön ist und was gut!
Ich bin ein Gott und kann's nicht finden dort,
Noch will ich's suchen: denn wie schreckensvoll
Auch deine Rache ist, du stolzer König,
Sie wird zur Niederlage, nicht zum Sieg!
Und die Gesichte all, mit denen du
Mich quälst, umpanzern mir die Seele nur
Mit neuer Kraft, bis jene Stunde kommt,
Wo sie nicht Schatten mehr der Dinge, die da sind.
PANTHEA.
Ach! was hast du gesehn?
PROMETHEUS.
Zwei Qualen gibt's:
Zu sprechen und zu schau'n – erspar' mir eine!
Und Namen gibt es, die geheiligt sind
Als Losungsworte der Natur: Hoch oben
In Glanz und Wappenschmuck sind sie geboren,
[28] Die Völker schaarten sich um sie und schrieen
Laut, wie mit einer Stimme: Wahrheit! Freiheit
Und Liebe! – Aber plötzlich fiel vom Himmel
Verwirrung unter sie und Kämpfe gab's,
Enttäuschung, Furcht, – Tyrannen brachen ein
Und theilten lachend unter sich die Beute:
Dies war der Wahrheit Schatten, den ich sah.
DIE ERDE.
Ich fühlte deine Qualen, Sohn, mit solch'
Gemischter Freud' als Pein und Tugend geben.
Dich zu erquicken hab' ich her entboten
Die Geister, klug und schön, die da bewohnen
Die dunklen Höhlen menschlicher Gedanken,
In deren Aether, der die Welt umfluthet,
Sie gleich den Vögeln hausen, die den Wind
Durchflügeln. – In dem Zwielicht jenes Reiches
Schau'n sie die Zukunft, wie im Spiegelglas:
So mögen Trost sie bringen!
PANTHEA.
Schwester sieh'
Wie eine ganze Schaar von Geistern dort,
Gleich Wolkenflocken in des Frühlings Wetter
Sich in den blauen Lüften drängt!
JONE.
Und sieh'
Es kommen ihrer mehr, gleich Wasserstaub,
Wie ihn der Springquell' sprüht bei stillem Wind.
In aufgelösten Reih'n dort klimmen sie
Die Schlucht herauf und horch! – Ist's die Musik
Der Fichten? Ists der See? Der Wasserfall?
PANTHEA.
's ist trauervoller, süßer als sie all!
CHOR DER GENIEN DER MENSCHENSEELE.
Seit unvordenklich grauer Zeit
Sind wir ein sanft und treu Geleit
[29] Der gottbedrückten Sterblichkeit.
Wir athmen, ohne zu erkranken,
Im Luftkreis menschlicher Gedanken,
Ob er trüb sich decken mag,
Wie ein sturmverlöschter Tag,
Nur durchzuckt von flücht'ger Helle,
Ob er heiter ganz und gar,
Wie der Himmel, wolkenbaar,
Wie der Strom mit glatter Welle,
Still und flüssig, rein und klar. –
Wie im Wind der Vogel fliegt,
Fischlein sich in Wellen wiegt,
Wie sie selber, die Gedanken,
All, was über'm Grab, umranken,
Unser flüchtig Lager schlagen
Dort wir auf, die wir durchjagen,
Wolken gleich am Firmament,
Grenzenloses Element.
Und von dorther heute tragen
Auch die Prophezeiung wir,
Die beginnt und schließt in dir.
JONE.
Noch mehr nun kommen, Einer nach dem Andern,
Und rings um sie erstrahlt die weite Luft,
Dem Aether gleich, der einen Stern umgibt.
ERSTER GEIST.
Schall der Schlachttrompete gell
Trug hieher mich schnell, schnell, schnell,
Mitten durch die Finsterniß!
Von verblich'nen Glaubens Staub,
Der schon längst der Zeiten Raub,
Von Tyrannenbanners Fetzen,
Das der Zeitensturm zerriß
Den Tyrannen zum Entsetzen,
Flog um mich ein bunt Gewimmel,
Dem so mancher Schrei entstieg:
»Freiheit! Hoffnung! Tod! und Sieg!«
Bis sie schwanden durch den Himmel.
[30] Und ein Ton d'rauf leis entschwebte,
Wie aus unsichtbarer Kehle,
Oben, unten, rings erbebte:
Hoffnung war's, der Liebe Seele,
's war die Prophezeiung hier,
Die beginnt und schließt in dir!
ZWEITER GEIST.
Ein Regenbogen, unbewegt,
Stand auf der See, die wild erregt.
Und triumphirend durch den Bogen
Kam der Erob'rer Sturm gezogen.
Die Wolken jagt' er vor sich auf
Zu formlos dunklem, raschem Hauf
Und jede riß ein Blitz entzwei.
Den Donner hört' ich heiser lachen
Und Flotten, wirbelnd, gleich wie Spreu,
Zerstoben in dem Höllenrachen
Des weißen Wasserschaum's. Ich stellt'
Mich auf ein Schiff, vom Blitz zerspellt
Und eilig über's weite Meer
Trug mich ein Seufzer dann hieher,
Den in Verzweiflung Einer hauchte,
Der seinem Feind die Planke gab,
Daran er hing, und dann ins Grab
Der Wellen sterbend untertauchte.
DRITTER GEIST.
Ich saß in eines Weisen Zimmer,
Darin er schlief. Mit rothem Schimmer
Der Lampe Licht den Docht verzehrt,
Den Büchern nah, die ihn genährt.
Da schwebt' mit flammendem Gefieder,
Auf seinen Pfühl ein Traum hernieder
Und er, den ich dort schweben sah,
Derselbe war's, ich wußt es ja,
Der schon vor langer, langer Zeit
Das Mitleid, die Beredsamkeit
Entzündete und auch das Leid.
Den Schatten trug einst diese Welt,
[31] Der da von seinem Glanze fällt.
Er war's, der mich gebracht zur Stell'
Auf Wunsches Flügeln blitzesschnell,
Doch reit' ich ihn zurück vor morgen,
Der Weise sonst erwacht in Sorgen.
VIERTER GEIST.
Auf eines Dichters Lippen schlief
Ich jüngst in süßen Träumen tief, –
Wie träumend ein Verliebter liegt, –
Von seines Athems Hauch gewiegt.
Er sucht nicht irdische Genüsse,
Ihn nähren nur äther'sche Küsse
Der Geister, die durch der Gedanken
Geheimnisvolle Wildniß schwanken.
Er wird vom Tagen bis zum Nachten
Der Sonne Bild im See betrachten,
Von ihrem Strahlengold beschienen
Im Blüthenkelch die gelben Bienen
Und wird's nicht wissen, noch beachten.
Doch wird er d'raus Gestalten weben,
Die wirklicher als Menschenleben,
Die überdauern Raum und Zeit,
Die Kinder der Unsterblichkeit!
Von diesen eines weckte mich
Und dir zu Hilfe eilte ich.
JONE.
Siehst du zwei Geister nah'n von Ost und West,
Zwei Tauben, suchend ein geliebtes Nest?
Ein Zwillingspaar der Luft, die Alles trägt;
Wie schnell und doch geräuschlos, sanft bewegt,
Auf ihrer Schwingen glänzendem Gefieder
Sie gleiten durch den reinen Aether nieder
Und horch! wie süß die trauervollen Stimmen!
Verzweiflung sehn mit Liebe wir verschwimmen,
Und endlich beide aufgelöst in Ton.
PANTHEA.
Kannst du sprechen, Schwester? Schon
Sind die Worte mir entfloh'n!
[32]JONE.
O, ihre Schönheit gibt mir Stimme: Sieh' nur,
Wie sie auf ihren Schwingen niederschweben,
Die tiefgelb und azur auf gold'nem Grund:
Ihr holdes Lächeln leuchtet durch die Luft,
Wie eines Sternes Feuer hell und klar.
CHOR DER GEISTER.
Hast du der Liebe Lichtgestalt gesehn?
FÜNFTER GEIST.
Als über weitem Landgebiet dahin ich zog, hoch oben,
Wie durch der Lüfte Wildniß fliegt die graue Wolke schnell,
Schwebt' sie vorbei, planetbehelmt, auf Schwingen, blitzgewoben,
Und streute reine Lebenslust aus ihren Locken hell.
Sie sä'te Licht, wohin sie trat, doch als ich kam, war's aus,
Verderben gähnte hinterdrein: die Weisen wurden toll,
Geköpfte Patrioten und manch' Jüngling unschuldsvoll,
Der sterben mußt', durchschimmerten die dunkle Nacht voll Graus.
Ich eilte, bis dein Lächeln schuf, o König, du der Trauer,
Zu fröhlichem Erinnern um, was ich gesehn voll Schauer.
SECHSTER GEIST.
Der Dämon der Vernichtung ist ein unfaßbares Ding,
Das weder auf der Erde wallt, noch in den Lüften schwebt,
Doch tödtet er mit seinem Fuß und facht mit seiner Schwing'
Die zarte Hoffnung an, die in der Besten Herzen lebt.
Er wiegt zu trügerischer Ruh' sie ein mit seinem Fächeln,
Mit der Bewegung Harmonie in seinen ems'gen Füßen.
Die Traumentzückten sehn das Ungeheuer Liebe lächeln,
Und finden wach den Schatten Pein, wie er, den wir begrüßen.
CHORUS.
Mag die Liebe nach sich ziehn,
Nun als Schatten den Ruin
Auf des Todes Flügelpferde,
Dem die Schnellsten nicht entfliehn,
Das zerstampft die blüh'nde Erde,
Mensch und Thier im Weiterziehn,
[33] All' was häßlich, all' was schön,
Wie der Sturmwind mit Gestöhn
Durch die weiten Lüfte braust: –
Zwingen wird einst deine Faust,
Jenen grimmen Reitersmann,
Ob ihn nichts verwunden kann.
PROMETHEUS.
Wie wißt ihr, Geister, daß es so geschieht?
CHORUS.
In dem Luftkreis, d'rin wir leben:
Wie die Knospen schwellend beben,
Wenn der rauhe Schneesturm flieht
Vor dem Lenz, dem sieggewissen,
Dessen Wind bewegt den Flieder
Und die Wanderhirten wissen,
Balde blüht der Weißdorn wieder:
Weisheit und Gerechtigkeit,
Lieb' und Frieden, wenn hienieden
Um ihr Wachsthum brennt der Streit,
Sind für uns, was Lenz und Wind
Für die Hirtenknaben sind, –
Sind die Prophezeiung hier,
Die beginnt und schließt in dir!
Die Geister verschwinden.
JONE.
Wo floh'n die Geister hin?
PANTHEA.
Nur ein Gefühl
Von ihnen bleibt, – der Macht gleich der Musik,
Wenn Stimmen schon und Lautenklang ersterben,
Eh' noch der leise Wiederhall verstummt,
Der durch der Seele labyrinth'sche Tiefe,
Wie Echo durch die Felsenhöhle rollt.
PROMETHEUS.
Wie schön die luftgeborenen Gestalten!
Und doch, ich fühl's, daß alles Hoffen eitel, –
[34] Nur Liebe nicht! – Und, Asia! du bist fern,
Die du, wenn oft mein Wesen überströmte,
Ein gold'ner Kelch warst für den klaren Wein,
Der sonst zu Boden floß in durst'gen Staub! –
Rings Alles stille! – Ach! wie schwer doch lastet
Solch' tiefe Morgenruh' auf meinem Herzen!
Obgleich ich träumen würde, könnt' ich schlafen
Mit Kummer selbst, wär' Schlaf mir nicht versagt.
Gern wollt' ich sein, was mir bestimmt zu sein:
Der leiderfüllten Menschheit ein Erlöser –
Wo nicht – versinken in der Dinge Urschlund:
Dort gibt's nicht Qualen, noch Equickung mehr,
Nicht Erdentrost und nicht des Himmels Martern.
PANTHEA.
Vergaßest du der Einen, die bei dir
Die kalten Nächte wacht und dann nur schläft,
Wenn deines Geistes Schatten auf sie fällt?
PROMETHEUS.
Ich sagte, alles Hoffen wäre eitel –
Nur Liebe nicht: – du liebst!
PANTHEA.
In Wahrheit tief!
Doch sieh' den Stern des Ostens schon erbleichen
Und Asia harrt in Indiens fernem Thal,
Dem Schauplatz ihres traurigen Exils,
Einst rauh und trostlos kalt wie diese Schlucht,
Doch nun mit Gras und Blumen schön bekleidet,
Von süßer Luft und holdem Klang durchhaucht,
Die durch die Wälder, durch die Wasser fluthen,
Vom Aether ihrer Gegenwart verklärt,
Der doch entschwinden müßte, würd' er nicht
Mit deinem bald vermengt. – Leb' wohl!