1. Am Salbung des heiligen Geistes
Fall auf die Gemeinde nieder,
Geist! der uns mit Feuer tauft;
Alle sind wir Jesu Glieder,
All mit seinem Blut erkauft:
Füll' uns mit der Andacht Gluth,
Laß der Leidenschaften Fluth
Nicht des Herzens Ruhe stören;
Denn wir singen Gott zu Ehren.
Salb' uns alle, lehr' uns feiern
Jesu Christi Leidenzeit,
Unsern Bund mit Gott erneuern,
Lehr' uns, Geist der Heiligkeit;
Rein und keusch sei unser Herz,
Nicht von Eis und nicht von Erz;
Und, von deinem Strahl getroffen,
Jeder frommen Rührung offen.
Weihe unsers Geistes Kräfte,
Salbe, salbe den Verstand;
Mach das göttliche Geschäfte
Der Versöhnung ihm bekannt.
Heilige die Phantasie,
Seelenschöpfer! laß sie nie
Bilder schaffen ohne Klarheit,
Ohne Gottes Kraft und Wahrheit.
Stell den Mittler neues Bundes
Uns in seiner Schönheit vor,
Bring die Reden seines Mundes
Mächtig vor des Sünders Ohr;
Führ' uns nach Gethsemane
In das Allerheiligste,
Wo des Richters Arm ihn schreckte
Und mit Schweiß und Blut bedeckte.
[271]
Zeig uns dann den Weltgebieter
Unter seiner Mörder Schaar,
Wie er duldete die Wüther
Um ihn her; wie groß er war;
Wie er falscher Zeugen Hohn,
Purpurmantel, Dornenkron',
Geißelschläge, Spott und Wunden
Hocherduldend überwunden.
Geh' mit uns dem Opferlamme
Auf dem blut'gen Pfade nach;
Zeig' uns an des Kreuzes Stamme
Seines großen Todes Schmach;
Fließt sein Blut, sein Blut, sein Blut,
Geist des Herrn! so schaff' uns Muth;
Hüll' uns ein in deine Flügel
Auf dem nachtbeströmten Hügel.
Seine letzten Worte schreibe
Uns ins Herz mit Flammenschrift!
Stärk' uns, Tröster! Bleibe, bleibe
Bei uns, wenn der Tod uns trifft.
Wann: Es ist vollbracht, versöhnt
Ist die Welt! herunter tönt;
Wann wir sehen seine bleiche,
Kalte, blutbefloßne Leiche.
Laß uns dann am Grabe weinen;
Weinen laß uns nur genug,
An den heiligen Gebeinen,
Die auch unser Frevel schlug.
Laß uns klagen, Mittler! Wir
Sündenknechte haben dir
Dieses Grab bereitet, haben
Deine Wunden dir gegraben.
Geist! du mächtiger Bekehrer
Unsrer Herzen, zeig' uns dann
Nicht in Christo nur den Lehrer,
Der uns blos versöhnen kann;
[272]Nicht den bloßen Märtyrer;
Zeig' uns mehr, o zeig' uns mehr!
Lehr' uns, Geist! wie der Erwürgte
Bei dem Richter für uns bürgte;
Wie ihn unsre Schuld zerfleischte,
Unsre Missethat verhöhnt;
Wie der Richter Rache heischte,
Wie das Lamm ihn ausgesöhnt,
Wie er als Erlöser litt,
Nun als Mittler uns vertritt;
Wie er, unsre Schuld zu büßen,
Seine Wunden Gott gewiesen.
O den hohen Werth des Blutes
Lehr' uns, Geist des Ewigen!
Dies Gewicht des höchsten Gutes
Für die armen Sterblichen.
Fach den Glauben in uns an,
Daß, wenn Zweifelsucht und Wahn,
Wenn des Fleisches Trieb uns peinigt,
Dieses Opferblut uns reinigt.
O du heilige Gemeinde,
Blick zu deinem Haupt empor,
Zum Messias, deinem Freunde,
Den zum Lamme Gott erkor.
Welche Wonn' und Seligkeit
Schafft die stille Leidenszeit!
Sie entreißt uns dem Getümmel,
Lüpft den Vorhang von dem Himmel.
Leiden, wie der Mittler leiden
Wollen wir, zu Gott gekehrt;
Sterben wollen wir mit Freuden,
Weil sein Tod uns sterben lehrt.
Sehen werden wir dann ihn,
Tod! o Tod! du bist Gewinn!
Bist ein Aufflug in die Hütten,
Die der Gottmensch uns erstritten.