Friedrichs Tod

Was baust du die Halle, du Sohn der beflügelten Tage? Heute schaust du aus deinen Thürmen, noch wenige Jahre: – und der Hauch des Todes kömmt, und heult durch deine verlassenen Höfe.

Und laß ihn kommen diesen Hauch. Mein Name wird leben im Munde der Völker, meine Thaten werden wie Sterne hinter mir leuchten. Wenn du, o Sonne des Himmels, schwinden, wenn du zerstäuben wirst, mächtiges Licht, wenn dein Glanz für eine Weile nur ist, wie Fingal, so wird mein Ruhm deine Strahlen überleben.

Ossian.


Was schleierst du, o Muse, den Blick?
Was will an der Wimper die bebende Thräne?
Was hauchst du aus bleichen, mattgeöffneten Lippen
Seufzer, dem Hauche des Sterbenden gleich?
Was soll dieß stumme Deuten auf die Goldharf',
Die an meines Geklüfts Steinwand gelehnt,
Noch schüttert von Friedrichs Hymnos?
»O sprich ihn nicht aus, des Gefei'rtesten Namen!
Denn todt ist Er! Friedrich Brennus ist todt!«
So sprach die Muse, meiner Einöde Gespielin,
Schwankt' und hielt sich an meines Geklüftes Steinwand
Und wie der Sterbende aufzuckt,
Wenn ihn des Todes Nähe schreckt,
So begann sie von neuem:
»Hörst du Sterbegewimmer vom röthlichen Nord her?
Hörst du der Völker staunenden Aufschrei
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An deines Walles Felsengurt sich spaltend:
Todt! Friedrich Brennus – todt!«
Da schau hinaus in die Nacht;
Sieh, eine Riesengestalt
Bäumt sich vom Thal auf:
Den Scheitel im Mondstrahl, den Fuß im Nachtgrau.
Der Engel Teutonia's ist's.
Siehst du! Mit dem Wodansschilde
Weist er gen Himmel. Er spricht:
Wie fernes Wettergemurmel
Tönt seine Rede:
Dein Trotz, Tochter Teutonia,
Friedrich, meiner Zöglinge größter,
(Ich wiegt' ihn groß
In der eisernen Wiege der Gefahr)
Des Auslands Schreck, des Inlands Stolz,
Friedrich Brennus ist todt!
Ich sah ihn fallen vom Himmel,
Den köstlichen Abstrahl der Gottheit:
Zu leuchten der Erde, der Maßstab zu sein,
An dem sich Fürsten, Helden, Weise,
Und Meister von jeglicher Kunst
Messen und strecken; zu gründen
Borussia's Glück; zu festigen
Die Rechte meines Volks, und zu heften auf sich
Des Erdballs staunenden Blick.
Sein Werk ist vollendet. Es flog
Friedrich, der Gottheit köstlicher Abstrahl,
In seine Heimath zurücke.
Der Mond ging blutig unter und die Erscheinung verschwand.
»Nimm da die Goldharf' und singe
Friedrichs Todtengesang!«
So sprach die Muse zu mir,
Der in der Betäubung Todesfrost starrte;
Laß Friedrichs Barden singen!
»Sie schweigen.
Wenn ein Cherubswetterwagen
Ueber dem Walde hängt;
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Wenn die getroffne älteste Wodanseiche
Vom Donnerstrahl aufdampft:
Dann bergen die Sänger des Hains
Die goldnen Schnäbel unter die Flügel.
So stumm steht Gleim,
Der silberlockige Grenadenwerfer.
An des Riesen gestreckter Leiche
Schwankt Ramler mit gesunkner Tuba.
Auch Karschin, Borussiens Bardale,
Hüllt sich in Todtenschleier und schweigt.
Vom Hauche der Wehmuth
Trübt sich des Himmels bläuliche Wölbung.
Des Greisen keuchender Todtenruf,
Des benarbten Kriegers Schädelschlag,
Der Wittwen Geächz', des Waisen Geheul,
Der Armen Geschluchz' übertäubte
In Borussiens Gauen
All ihrer Sänger weinende Klage.
Erst wenn der Sturm des Jammers ausgetobt;
Dann singen Friedrichs Barden im Eichenhain
Unter tröpfelnden Zweigen.«
Reich mir indessen die Harfe,
O du, meines Grams Gefährtin,
Daß ich beginne den Todtengesang.
Töne, töne denn, mein banger Sterbgesang.
Der Winde Gewinsel im Todtenkranze,
Dem rauschenden wilden Grase
Auf zerfallnen Heldengräber gleich,
So töne du, mein banger Sterbgesang!
An deine Sternenburg, Himmelerhabner,
Schlage mein Sterbgesang!
Groß und belehrend war dein Leben,
Groß und belehrend dein Tod.
Mit Sternenschrift steht deiner Thaten Zahl
Im Buche der Zeit.
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Staunend wird sie lesen der Enkel Urenkel
Und der Kunde kaum trauen.
Doch that sich der Erdengott selbst je genug?
Ha, dicht an der Wölbung der Königsgruft
Durchblitzt' er sein Leben
Mit der strengsten Prüfung Aetherstrahl;
Maß jeden Schritt auf seiner
Mit Heldenschweiß beträuften Bahn;
Auch horchtest du, Einziger,
In den festlichen Stunden der innersten Geisteseröffnung
Der Gerichtswage Getön,
Und freutest dich der goldnen Schale,
Vom Wuchte deiner schönsten Thaten zuckend.
Nicht der Krankheit Natternstiche,
Nicht des Alters drückende Last
Vermocht's, dir den Scepter entsinken zu machen.
Schon schmückte dein Antlitz
Der nahen Verklärung morgenröthlicher Schimmer;
Da sprachst du die feierlichen Worte –
Engel tranken sie auf –
»Heil mir! ich werde ewig thätig sein!
Zu mächtig fühl' ich in mir
Des göttlichen Funkens
Ungestümes, allgewaltiges Wehen.
Zwar werd' ich dort nicht König sein;
Doch ewig thätig und ohne beugenden Undank.«
Mit leisem Tritte nahte sich der Tod.
Des Lebens Uhr, die mit dem Finger des Titus
Dem thatenstrebenden Manne
Nie eine verlorne Stunde wies,
Rasselte ab. – Ha, selbst die letzte Minute
War für den Geitzer der Zeit unverloren:
Denn sie lehrte Könige die Sterbekunst.
Borussiens Genius
Neigte sich tief und küßte des Sterbenden Stirne:
»Du hast des Völkervaters Pflichten all' erfüllt,
Sohn! Liebling! bald mein Bruder!
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Meiner lieben Preußen zweiter Schutzgeist
So hauchte der Halbgott den Sterbenden an.
Friedrich hört's, und im Entzücken,
Des Völkervaters Pflichten all' erfüllt zu haben,
Brach ihm das Herz.
Des großen Todten Haupt
Sank sanft an Herzbergs Brust,
Der Erdenbürd' entlastet.
Vom liegenden Leichname,
Im Lächeln des guten Gewissens noch schimmernd,
Eilte sein Geist, der Gottesstrahl,
Schnell von des Todes Betäubung besonnen,
Ins Reich der Urgröß' empor.
Ihm boten der Menschen größte,
Der Gottheit getroffenste Nachbilder,
Die lichte, liebebebende Rechte.
Er aber bemerkte sie kaum, eilt' und sank
Am Throne des Allherrschers nieder.
»Vor einem Erdengott, aus Leim geknetet,
Hab' ich mich nie gebeugt. Doch dir – der Größe
Ewiges, einziges Urbild,
Küss' ich den Saum des Gewandes.«
Sprach's. Der Allgroße lächelt' ihm Gnade.
»Du dachtest nicht König – nur thätig zu sein?
Erst lohn' ich deine Demuth;
Dann deinen Thatendurst.
Sei ewig König und herrsche!
Ich habe weite Räume
Für Geister deines Gleichen.«
Aus des Staunens Strudel erhob sich Friedrich,
Dankt' dem Geber der neuen Gnaden,
Bot dann erst seinen Brüdern,
Den Ehren der Menschheit, die glühende Rechte.
Und seine Helden alle, die für Ihn
Einst fochten, bluteten, starben,
Folgten ihm in seiner neuen Herrschaft Bezirke.
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Dieses sah die Muse. Doch ach! auf der Erde
Erhob sich an Friedrichs Leichnam Sterbegewinsel.
Ein grauer, benarbter Krieger sprach:
»Ah, da liegt Er nun, der Sieger bei Mollwiz,
Der Donnrer in Czaslau's, Strigau's und Soor's
Leichenbesäten Gefilden.
Wer hob
Habspurgs Riesen mit eiserner Faust
Hoch in die Luft, und schüttelt' ihn zornig?
Wer zeigte bei Roßbach dem Gallier,
Daß deutscher Schwertschlag kräftiger sei,
Als seiner Red' und Sitte Gezier?
Wer düngte Zorndorfs Gefilde
Mit Moskoviens Erwürgten?
Wer scheuchte Wasa's entartete Enkel?
Flohen nicht vor ihm getäuschter Völker Schaaren,
Wie Hornissenschwärme,
Vor der prasselnden Flamme?
Wer spottete des Krieges Ungemach, wie Er?
Oft bot ich ihm an meines Schwertes Spitze
Mit Talg beträuftes Brot. Oft löscht' er neben mir
Den Durst aus dem Bach am Wege.
Wärmte sich mit mir am krachenden Feuer des Dornstrauchs,
Schlief im bereiften Gras und achtete nicht
Des Nordsturms Hauch und des strömenden Regens Durchnässung.
Und ach da liegt Er nun, der Thäter dieser Thaten!«
So spricht der heulende Krieger und wetzt
Sein Schwert am Sarge des Helden.
Des Genius Vertrauter spricht:
Weit hinauf maß Er an der Geister Urmaß.
Fest und stark war seine Seele.
Keines Geschöpfes Gewalt,
Gott allein hätt's nur vermocht,
Ihn aus seiner Entschlüsse Felsenburg
Herauszudonnern. Der geschaffne Gedanke
Sprang in voller Rüstung aus Friedrichs Hirn
Und ward zur That. Auch lüpft' Er oft
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Der Schönheit Silberschleier,
Und sah ihr olympischen Lächeln.
Nie riß sich in Ihm Ein Vermögen der Seele
Von dem andern los, zur Mißgestalt
Seinen Genius aufzudunsen.
Seines Geistes Kräfte klangen zusammen
Wie harmonisches Silbergeläute.
Darum weinen die Schätzer der Geister um Ihn;
Denn ihr Maß, ihr Festgefühl war Er!
Sieh, eine weinende Schaar von Armen, Wittwen und Waisen.
Naht sich dem heiligen Leichnam,
Rauft sich das Haupthaar und schluchzt:
War Er Scepterträger allein? Völkerzähmer allein?
Weinen wir nur den Großgeist in Ihm?
Nein, seliger Schatten, wir weinen in Dir
Den Vater! das Nachbild des Vaters im Himmel.
Wenn, gleich beweglichen Feuergebirgen,
Die Gefahr unsern Grenzen sich nahte;
So warfst du dich an deiner Krieger Spitze,
Achtetest nicht der glühenden Lava,
Und lenktest ab den feurigen Strom.
Fürchterlich streckte der Hunger sein tönend Gerippe
Ueber Deutschlands Provinzen,
Griff mit der Rechten nach Wurzeln, mit der linken nach Aesern.
Da welkte mit Gras im Munde der Greis;
Da starb vom Kalkmehl der Jüngling;
Da sog der Säugling Blut.
Nur Vater Friedrich goß aus dem Füllhorne
Des Halmes Stärkung auf die Müden;
Und in Sandfurchen sprudelte Milch,
Des Brandes Grimm verzehrte Hütten;
Er schuf zu Palästen sie um.
Gegen himmelstürzender Wasser tosende Flut
War Friedrichs räthliche Weisheit ein Damm.
So rang Er selbst der Natur
In ihren Gerichten den Sieg ab.
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O weinet um Ihn!
Den Vater! den Retter des Volks!
O weinet um Ihn!
Doch sind's Friedrichs Kinder allein,
Die um den Göttlichen trauern?
Nein. Europa klagt! Es stutzt die Welt!
Seine Feinde selbst umfloren den Arm,
Der gegen den nordischen Löwen sich hob.
Ich aber schwinge mich auf Flügeln
Der Phantasie in deine Todtenhalle,
Und mit gesunknen Armen streck' ich mich,
Du Hochgefeirter, über deinen Eichensarg,
Lautweinend, daß mich dein Stab nicht weidete.
Du Gottesflamme! Ganzer! Einsamer!
Dem des feurigsten Hymnos kühnste Flamme
Die Hüfte nur leckt, nicht das Antlitz verklärt!
O laß mich weinen!
An deinem Eichensarge laß mich weinen!
Friedrich, wär' ich bei dir!
Du bist, wo die Fessel nicht rasselt,
Wo unter der Gewaltthat Fußtritt
Der Boden nicht dröhnt. O wär' ich bei dir!
Dich aber, Borussiens glückliches Volk,
Segnet die Rechte des traurenden Barden,
Sei stolz! Dein war Fehrbellins Sieger,
Deiner Herrlichkeit Gründer!
DeinFriedrich Wilhelm, deutscher Kriegskunst
Mächtiger Schaffer!
DeinFriedrich! der Unerreichte!
Am Tage des Völkergerichts
Ragt hoch über die Völker
Germania empor:
Und unter Germaniens Töchtern hoch
Borussia!

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Schubart, Christian Friedrich Daniel. Gedichte. Gedichte. Politisches und Zeitgeschichtliches. Auf Preußen. Friedrichs Tod. Friedrichs Tod. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-0042-6