63. Das Edelweiß.

Sage von der Mordau, erzählt von Franz Englert.


Auf dem Grenzgebirge Berchtesgadens gegen Reichenhall, liegt die Alpe Mordau.

Im Jahre 1382 bezog Kathei, das schönste Diendl im Berchtesgadner Land, dieselbe als Sennerin. Manch stattlicher Bua stieg hinan zur Alpe, um Kathei zu besuchen, allein die Aelplerin hatte gar früh schon ihr Herzchen an Lenzei verschenkt, der, ein treuherziger Gebirgssohn, kein anderes Madl anschaute. So machte es freilich Kathei nicht, denn es schien ihr gar lustig, von allen Aelplerinnen weit und breit die schönste zu heißen, und sah es gerne, wenn manch schmucker Bua in Sonntagsjoppe, mit Goldquaste und Spielhahnfeder auf dem Hut, zu ihr heraufstieg. Leider war der arme Lenzei eben so eifersüchtig als Kathei schön, und das verbitterte ihm gar viele Stunden.

Es war auch der Kathei nicht mehr so recht ernst mit dem Lenzei, denn ein »Jager« gefiel ihr jetzt besser, der sie gar oft auf der Alm heimsuchte.

Das merkte denn Lenzei bald und krämte sich sehr. Kathei aber sann darauf, wie sie den Bua sich vom Hals schaffen könne. Und wie sie einmal wieder dar über nachsann, da hörte sie den »Jager« am Fenster, der juchzte ihr zu und sang:


Steig' i' aufi auf d' Alma,
Ja da werd' ma's Herz weit – und
Sich i' d' Senndrinn geh',
Thuat's mi grüß'n schö',
Ko's nit sag'n, wie's mi' freut.

Als der Jäger in den Kaser trat, erzählte sie ihm, worüber sie nachgedacht. Der Jäger wußte bald Rath, meinte, Kathei sollte ihn nur [61] ausschicken, um ein schönes Edelweiß 1 von den Felswänden zu pflücken und das könne ihm schon einmal den Hals kosten. Da schauderte freilich Kathei zusammen, aber sie ging doch darauf ein und schickte den Lenzei, als er wieder kam, auf den hohen Göhl, um das schönste Edelweiß zu pflücken, das er finde, und je größer und schöner es sei, desto mehr sei es ein Zeichen seiner treuen Liebe.

Lenzei war heute gekommen, um Kathei zu sagen, daß Herzog Friedrich von Bayern, vom Propsten Ullrich aufgereizt, ins Berchtesgadner Land komme, um es zu verwüsten. Darum wolle er heut auf der Alm sie beschützen, damit ihr kein Leid geschehe. Aber Kathei lachte und meinte, sie brauche ihn nicht zum Beschützer, und bestand darauf, daß er ihr das Edelweiß hole.

Der gute Lenzei bestieg die Berghöhe des Göhl, wo das Edelweiß gedeiht, und je größer er Blüthen sah, desto mehr pochte sein Herz vor Freude. Schon glaubte er sich im Besitz manch' schöner Blüthe, die er an gefahrvoller Felswand gepflückt und womit er Kathei zu überraschen gedachte, da sah er am äußersten Felsrand ein ungewöhnlich großes Edelweiß. Das mußte ihm, wie er wähnte, das Herz der geliebten Aelpnerin sicher wieder ganz zuwenden. Nicht sah er die Gefahr, nur die Blüthe erblickte sein Auge. Er nahte dem Edelweiß, brach die schöne Blüthe, aber der einstürzende Felsenrand nahm ihn mit sich hinab und zerschmettert an den unzählig hervorstehenden Felsspitzen stürzte er todt in den Abgrund.

Als er zur Sennhütte nicht wiederkehrte, da ahnte die treulose Aelpnerin, was geschehen, und schloß sich furchtsam in des lachenden Jägers Arme.

Und wie schon die Nacht düster und dunkel wurde, da wurde es geräuschvoll um die Sennhütte und von Herzog Friedrichs von Bayern Soldaten drang eine Schaar, die den Weg über die Mordau genommen, herein, stießen den Jäger und die Sennerin nieder und thaten sich wohl im Milchkeller des Kasers. Sterbend errinnerte sich noch Kathei, wie Lenzei sie zu retten gekommen war, und reuevoll erkannte sie des Himmels heilige Rache. Ihre letzten Worte waren noch ein reuevoll Gebet; des Jägers letzter Laut aber war – ein Fluch.

Seitdem aber heißt die Alpe Mordau und behält den Namen wohl auch für immer.

Fußnoten

1 Das Edelweiß ist eine der Lieblingsblumen der Gebirgsbewohner, und bildet ihre schöne, weiße Sammtblüthe, welche sich Jahre lang hält, die Hauptzierde auf dem Hute der Gebirgsbäuerinnen.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Schöppner, Alexander. Sagen. Sagenbuch der Bayerischen Lande. Erster Band. 63. Das Edelweiß. 63. Das Edelweiß. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-FF87-2