[136] 587. Das Zigeunergrab im Walde zu Naabeck.
VonFranz Müller.
Unter dunkeln Waldesbäumen
Wird es reg' um Mitternacht;
Feuer prasselt, Kessel schäumen,
Und ein fremdes Völklein wacht.
Braune Dirnen, all' Geschwister,
Schauen in des Kessels Schwall,
Und bereiten ernst und düster
Fleischesklöß' zum frühen Mahl.
Braune Buben, sieben Brüder,
Messen seitwärts mit dem Stab',
Schaufeln an und schaufeln nieder
Und die Grube wird zum Grab. –
Und an einer Hagenbuche
Schläft das Haupt der ganzen Schaar,
Zeito, der auf langem Zuge
Nun gesehn schon hundert Jahr.
Plötzlich sich die Augen reibend
Schilt er an die Töchter hin:
»Schaut ihr nur so zeitvertreibend
Müßig in das Kohlenglüh'n!«
Und die bösen Töchter hauchen
In die Gluten frische Luft,
Und die schlimmen Söhne tauchen
Tiefer sich in Grab und Gruft.
Und es wird des Vaters Labe
Klöß' und Fleisch bald gut und gar,
Und aus fert'gem tiefem Grabe
Steigt hervor der Söhne Schaar.
Und es tafelt rings im Kreise
Mit dem Vater Sohn an Sohn,
Und sie sprechen all' dem Greise
Freundlich zu mit süßem Ton:
»Iß doch, Vater, iß doch Klöße!
Sind ja reichlich, sattsam hier,
Schreckt dich etwa ihre Größe,
Sieh, ich theil' und brock' sie dir!«
Und er holt die besten Stücke
Aus der Schüssel rein und blank
Und wirft freudig frohe Blicke
Rings umher zum schönen Dank.
»Gebt mir öfter solche Bissen!«
Spricht er liebend dann zur Schaar,
»Werd' ich's öfter so genießen,
Leb' ich nochmal hundert Jahr.«
Söhn' und Töchter aber heben
Jetzt sich zürnend von dem Mahl:
»Vater! willst du ewig leben,
Ewig uns zur Plag und Qual?« –
Und sie führen ihn zum Grabe
Seitwärts hinter'm Felsgestein,
Treiben ihn mit Stock und Stabe
Herzlos in die Gruft hinein.
»Gib dich, Alter,« rufen Alle,
»Gib dich, Vater, ruhig drein,
Hast gesättigt dich am Mahle,
Wirst im Grab nicht hungrig sein!«
Und mit Sand und Eisensteinen
Decken sie ihn lachend zu,
Und verlassen von den Seinen
Schläft er dort die ew'ge Ruh!
Eine ruthenreiche Birke
Wuchs dann über'm stillen Ort,
Und nah'n Kinder dem Bezirke,
Rauschen wild die Zweige dort.