192. Alberada's Born.

Aldeberade, still und fromm,
Kehrte zurück vom heil'gen Rom –
Ihr Gatte, weil mit Muth und Lieb'
Er treu dem Kaiser Heinrich blieb,
War jüngst in Gregor's Bann gestorben.
Sie hatt' beim Papst als Gnad' erworben,
Daß ehrenvoll, in Bamberg's Dom,
Die Leich' zu sel'ger Ruhe komm'.
Mit ihren Dienern fest und treu
Betrat das Maingau sie auf's Neu.
Da in Gebirg und dichtem Wald
Verirrten sich die Pilger bald –
Verschwunden war der heit're Main,
Rings schloß sie rauhe Wildniß ein –
Die Eule schwirrte durch die Zweige –
Hier modert' die gesunk'ne Eiche,
Die morsche Tann' sank mit Gekrach,
Kein Lichtstrahl drang durch's wald'ge Dach,
Die Rosse konnten nicht mehr weiter –
Der Wildniß ließen sie die Reiter.
Jäh ging es nun hinab im Lauf,
Dann wieder still den Berg hinauf,
Müd' auf die forstumzog'ne Haide
Kam die Verirrte und's Geleite.
Da sank der jüngste Knappe nieder
Und schloß die matten Augenlider:
»Ich muß verschmachten!« seufzt er leise,
Und gleiche Klag' ertönt im Kreise:
»Wenn nicht ein Labetrunk uns rettet,
So werden wir in's Grab gebettet
Hier in der Wildniß schauerlich –
O Herr und Gott, erbarme dich!«
Die Gräfin kniet hin zum Gebet
Und brünstig zu dem Herrn sie fleht:
»Du Ewiger, deß starke Hand
Uns schirmte in dem fernen Land,
Uns über's Alpeneis geleitet,
Im Schneesturm Hülfe uns bereitet,
O laß, so nah' der Heimath Höh'n,
Mich und die Meinen nicht vergeh'n!
Ich weiß, dein Vaterauge sieht
Auf uns, die hier der Tod umzieht,
Du leitest auf dem Lebenspfade,
Dein ist die Macht, doch auch die Gnade!
Du, der von Moses kahlen Felsen
Sich Wasserfluthen hieß entwälzen,
Kannst diesem Boden kahl und trocken
Die Rettungsquelle auch entlocken!«
Sie richtet voll Vertrau'n sich auf,
Ihr Stab berührt des Sandes Hauf' –
Rasch quillt hervor ein Wasserstrahl
Und plätschert über's Moos in's Thal.
Sie und die Ihrigen erquickt
Der Trunk, den Himmelsgnade schickt,
Sie füllen die verdorrten Flaschen,
Ihr Schleichen wird zum muntern, raschen,
Belebten Gang und bald und leicht
Ist froh der gelbe Main erreicht,
Und herrlich liegt das Stammschloß Banz
Hoch in der Abendsonne Glanz.
Das Brünnlein aber rauschte fort,
Belebend sanft den wilden Ort.
[194]
Die Gräfin faßte es in Stein,
Führt' nach ihm Wege durch den Hain
Und bald ward es durch's ganze Land
Aldeberada's Born genannt.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Schöppner, Alexander. Sagen. Sagenbuch der Bayerischen Lande. Erster Band. 192. Alberada's Born. 192. Alberada's Born. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-F731-D