§. 29. Die Wana.
Durch die ganze Oberpfalz geht die Sage von denKatzen, welche in der Tenne, auf dem Raume vor dem Hofe, oder sonst auf einer Frey, d.i. einem baumfreyen Platze, Tänze aufführen, zu welchen einKater, Kodl, Benz oder Doinz, aufbläst. Gewöhnlich findet der Vorübergehende seinen Kater dabey; am Morgen beredet er ihn darüber, der müde und matt auf der Ofen- oder Fensterbank schläft, worauf der nächtliche Abenteuerer durch's Fenster hobaus macht und sich nicht mehr sehen läßt. So sah ein Bauer in Eyerfeld bey Tirschenreut im Stadel seinen Kodl auf der Bodenlade sitzen und den Schwanz im Maule anderen Katzen, lauter Kätzinen, zum Tanz auf der Tenne den Dudlsack pfeifen. – Ein Anderer von Benzenried bey Schlammersdorf hatte sich am Röthelweiher verirrt, sah in dem Fischerhäuschen auf dem Damme Licht, trat ein und fand eine Menge Katzen, darunter seinen Benz, welche sämmtlich Musik machten. – Der alte Schellenberger fuhr in der Walburginacht heim; auf den Schränken zu Waldkirch bemerkt er eine Menge maunzender Katzen sitzen und auf der Wiese unten Leute tanzen. Am Morgen beredete er seinen Kater, der von der Gesellschaft [185] war, seines nächtlichen Streunens; der aber entwich für immer durch das Fenster.
Ebenso allgemein ist der Glaube, daß Katzen nach der bedeutsamen Lebensfrist von neun Jahren in Hexen sich verwandeln, in den Hexenkreis zusammengehen, spielen und tanzen. Katzen mit wehen Ohren werden demnächst zu Hexen, wenn man sie nicht vorher erschlägt – Pfatter; sie gelten nicht als rechte Katzen – Rigau – und wenn sie Nachts feurige Augen macht, schaut die Hexe aus ihr. Voitentann. Einiges hierüber ist zwar schon im ersten Theile berührt: hier muß noch des Weiteren darüber gesprochen werden, da diese Hexen, welche aus Katzen entspringen, ein eigenes Geschlecht bilden, verschieden von den menschlichen. Die Sage aus Neuenhammer, welche hierüber Aufschluß ertheilt, ist folgende:
Der Höllenbube diente dem Teufel um Lohn auf gewisse Zeit in der Hölle. Als die Frist um war, nahm er die gebotenen Schätze nicht an, sondern begnügte sich mit je drey Geldstücken von den dreyen Geldhaufen. Da sagte der Teufel: »Behalten kann ich dich jetzt freylich nicht: du bist mir zu ehrlich: aber doch sollst du zum Wana oder Kater werden.« So ward er zur Katze, hatte aber die Vergünstigung, zu gewissen Zeiten als Mensch zu leben. Als solcher heiratete er und bekam drey Söhne, selbst wieder Wana, die auch wieder heirateten. Das Weib aber trennte sich von ihrem Manne und ging mit ihren drey Schwiegertöchtern in die Hölle zum Teufel; da lebt sie in Ehebruch[186] mit ihm und hilft ihm zu seinen Werken; denn sie und ihre Schnuren unterrichten die Menschenweiber in der Hexenkunst. Daher ist sie die Hexenkönigin und von ihr als der Lehrmeisterin leiten sich alle menschlichen Hexen ab; ihr zunächst an Rang stehen aber ihre Schwiegertöchter. Der Teufel, dem sie zu Handen gehen, bedient sie dafür, und trägt ihnen bey der Mahlzeit im schönen Wohnsaale auf. In den Raunächten haben sie grosses Fest auf dem Blocksberge: da werden sie von den menschlichen Hexen bedient. Da ist auch Mahl und Tanz und der Teufel auch dabey.
Der alte Wana mit seinen Söhnen blieb aber auf der Erde: sie sind grosse starke Kater und haben zu gewissen Zeiten, besonders in den Raunächten, ihr Fest; da tanzen sie auf den Böden verrufener Häuser und die Hexen, welche aus neunjährigen Kätzinen werden und daher nicht auf den Blocksberg dürfen, sondern zum Wana müssen, kommen und dienen ihm.
Die Wana aber sind Heiden; sie verlieben sich öfter in Erdenkinder: denn sie können zu Menschen werden. Ihre Weiber und Kinder werden alle wieder Wana.
Ein Graf hatte sich in ein schönes Weib verliebt: sie nahm ihn aber nur unter der Bedingung zum Manne, daß er am Mittwoche, – dem Tage Wodans – nicht nach ihr frage. Er sagte es zu, hielt aber sein Wort nicht, und belauschte sie, wie sie Nachts auf dem Boden mit den Katzen spielte und von diesen »Frau Wana« genannt wurde. Als sie nun am anderen[187] Morgen dem Manne gar schön that, stieß sie dieser hinweg mit den Worten: »Pack dich weg, du Wanalusch!« Sogleich ward sie zur Katze und verfluchte den Gatten, daß auch er zur Katze ward.
Ein Fräulein schlief und erwachte über grossem Katzenlärm auf dem Boden. Plötzlich stand ein schöner Mann vor ihr und sagte: »Du mußt mein Weib werden!« Sie war es zufrieden, später aber erfuhr sie, daß ihr Mann zum Katzengeschlechte gehöre. Sie prüfte ihn bey Tische: er sollte vorbeten, brachte aber Nichts zusammen. Als er nun einmal Mittags recht heiter war und sie necken wollte, sprach sie: »Geh zu, du Teufelswana.« Da ward der Mann zum Kater und die Frau zur Katze.
In dieser Sage sind also genau unterschieden dieHexen als Schülerinen der ersten Wanafrau undmenschliche Weiber von jenen, welche aus demKatzengeschlechte, vielmehr dem der Wanamänner, hervorgehen. Die beyden Wanagatten versammelten jedes seine eigene Sippe um sich, nachdem sie sich getrennt hatten. Also auch hier ist Zwiespalt, wie zwischen Sonne und Mond, Wodan und den Holzfräulein. Das Wort Wàna oder Wànar, wo r stumm ist, wäre hochdeutsch Wäner, und stände nahe am Nordischen vaenr = schön, liebreich, mit welchem auch schon der Name der Vanengötter selbst in Verbindung gebracht worden ist.
Auch die Katze spielt eine doppelte Rolle gleich der Hexe. Als Göttin der Liebe, der Nacht, des Todes[188] hat sich Freyja die verliebte, nächtlicher Weile auf Liebes-Abenteuer ausgehende, den Menschen durch ihr Weinen den nahen Tod verkündende Katze für ihr heiliges Thier auserwählt, und sie selber ist ihrem Geschlechte untreu geworden und von den Vanen zu den Asen übergegangen, wie die Wanafrau. Nach Wolf's Niederländischen Sagen, S. 20, gilt auch in jenen Strichen Wanne Thekla als Königin der Hexen und hält mit ihren Begleiterinen Tänze. Nicht minder sind die Glieder des Wanageschlechtes Katze und Mensch zugleich, mithin doppelschlächtig: Katzen werden die Getreuen. So wird auch der Wana zum Liebesgott, und da er aus der Unterwelt stammt, Nacht- und Todesgott. Er steht aber eine Stufe niederer als seine Gemahlin, die im Innern der Erde bey dem obersten der Götter, dem Teufel, ihren Wohnsitz nimmt und sogar diesen sich dienstbar macht, so wie auch der Teufel seiner Großmutter in der Hölle Huldigung darbringt. Der Wana muß sich begnügen, auf der Erde, bey und mit den Menschen zu verweilen. Als Gott erscheint er in dem Rufe: »Der Wana ist tod!« – So sind Beyde Götter, weil an die Erde geheftet, Erdengötter und damit Vanen.
Von obigem Rufe geht oft die Sage, nicht minder davon, daß der Kater aus der Nähe der Menschen abberufen wird. Ein Fuhrmann von Schwandorf fuhr gen Amberg. Als er auf die Höhe hinter dem »Hoidweiher« kam, stand ein kleines Männchen da und bat ihn, dem Katzabenz da, wo er einkehre, zu sagen, er [189] solle um Mitternacht hier seyn. Der Fuhrmann stellte in Amberg zu und als er in die Wirthsstube trat, sah er, wie alle Gäste am Benz seindelten oder streichelten. Da lacht der Fuhrmann und richtet seine Botschaft aus, und der Benz, es hörend, fuhr zum Fenster hinaus und ließ sich nicht mehr blicken.
In einer wilden Waldgegend wohnte ein Bauer im einsamen Hofe: er hatte einen alten grossen wolfgesträmten Kater, der sehr böse war. Einmal mußte nun der Knecht auf »das Land,« d.h. in einen Ort, der nur aus wenigen, einzeln stehenden Häusern besteht, fahren und da übernachten. Wie er denn Nachts so auf der Streu liegt, weckt ihn düsteres Katzengeschrey: er schaut auf und sieht zwölf schwarze Katzen Ringa Reiha tanzen. Nach einer Weile trat aber eine aus den Katzen auf den Hinterbeinen zu ihm hin und sagte: »Weißt was, wenn du heim kommst, so grüsse den Kodl und melde ihm, der Wana sey gestorben.« Drauf setzten sie vergnügt ihren Tanz bis Mitternacht fort. Als nun der Knecht nach Hause kam, lag der Kater auf der Ofenbank und schlief: denn es war Winter und draussen kalt. Da sagte der Knecht zu ihm: »Kodl, steh auf, der Wana ist gestorben« – und der Kater fuhr heulend zum Fenster hinaus und war für immer verschwunden. Neuenhammer.