2.
In der Sonne ist ein Auge, welches auf die Erde niederschaut und Alles sieht: von ihm gehen die Strahlen aus, welche der Sonne den leuchtenden Glanz [51] verleihen. – Diese Anschauung deutet auf den einäugigen Odin, vielmehr darauf, daß die Sonne Odin's eines Auge ist.
Wer in dieses Auge sieht, erblindet. – Man soll nicht mit dem Finger in die Sonne deuten.
Wer in die Sonne schauen kann, sieht den Himmel offen. Neuenhammer.
Daß die Sonne Alles sieht, liegt im Sprichworte: »er ist nichts so fein gesponnen, es kommt dennoch an die Sonnen.« Hierüber geht eine Sage durch ganz Deutschland: ich gebe die von Gefrees.
In Wersberg erschlug ein Wirth seinen Gläubiger, einen Juden, an abgelegenem Orte. Umsonst hatte der Jude ihm gedroht, es werde, wenn auch keines Menschen Auge die That gesehen, doch die Sonne den Thäter verrathen. Der Wirth lachte nur. Lange Zeit blieb der Mord unentdeckt. Eines Morgens aber lag der Wirth im Bette, als die Sonne gar herrlich durch die Fenster der Kammer hereinblickte. Da fing er für sich hin zu lachen an. Seine Ehehälfte bemerkte dieses und frug um die Ursache, und wurde in ihrer Neugierde um so dringender mit Fragen, je weniger ihr Mann dem Wunsche entsprechen wollte. Nach langem Bitten endlich erhielt sie das Geständniß der That.
Bald darnach geriethen die beyden Gatten über eine Kleinigkeit in Streit. Der Mann droht der Frau, sich an ihr zu vergreifen. Da entfuhren der Unbedachtsamen die Worte: Willst du mir es auch machen, wie du dem Juden gethan? – Dieses wurde gehört und führte zur [52] Entdeckung und Bestrafung des Mörders. – Anderswo wird dasselbe vom Monde erzählt.