An die Parzen

Nicht ins Gewühl der rauschenden Redouten
Wo Stutzerwitz sich wunderherrlich spreißt
Und leichter als das Netz der fliegenden Bajouten
Die Tugend junger Schönen reißt; –
Nicht vor die schmeichlerische Toilette,
Wovor die Eitelkeit, als ihrem Götzen, kniet,
Und oft in wärmere Gebete
Als zu dem Himmel selbst entglüht;
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Nicht hinter der Gardinen listgen Schleier,
Wo heuchlerische Nacht das Aug der Welt betrügt
Und Herzen, kalt im Sonnenfeuer,
In glühende Begierden wiegt,
Wo wir die Weisheit schamrot überraschen,
Die kühnlich Phöbus' Strahlen trinkt,
Wo Männer gleich den Knaben diebisch naschen,
Und Plato von den Sphären sinkt –
Zu dir – zu dir, du einsames Geschwister,
Euch Töchtern des Geschickes, flieht
Bei meiner Laute leiserem Geflister
Schwermütig süß mein Minnelied.
Ihr einzigen, für die noch kein Sonett gegirret,
Um deren Geld kein Wucherer noch warb,
Kein Stutzer noch Klag-Arien geschwirret,
Kein Schäfer noch arkadisch starb.
Die ihr den Nervenfaden unsers Lebens
Durch weiche Finger sorgsam treibt,
Bis unterm Klang der Schere sich vergebens
Die zarte Spinnewebe sträubt.
Daß du auch mir den Lebensfaden spinntest,
Küß ich, o Klotho, deine Hand; –
Daß du noch nicht den jungen Faden trenntest,
Nimm, Lachesis, dies Blumenband.
Oft hast du Dornen an den Faden,
Noch öfter Rosen drangereiht,
Für Dorn' und Rosen an dem Faden
Sei, Klotho, dir dies Lied geweiht.
Oft haben stürmende Affekte
Den weichen Zwirn herumgezerrt,
Oft riesenmäßige Projekte
Des Fadens freien Schwung gesperrt;
[59]
Oft in wollüstig süßer Stunde
War mir der Faden fast zu fein,
Noch öfter an der Schwermut Schauerschlunde
Mußt er zu fest gesponnen sein:
Dies, Klotho, und noch andre Lügen
Bitt ich dir itzt mit Tränen ab,
Nun soll mir auch fortan genügen,
Was mir die weise Klotho gab.
Nur laß an Rosen nie die Schere klirren,
An Dornen nur – doch wie du willst.
Laß, wenn du willst, die Totenschere klirren,
Wenn du dies eine nur erfüllst:
Wenn, Göttin, itzt an Laurens Mund beschworen
Mein Geist aus seiner Hülse springt,
Verraten, ob des Totenreiches Toren
Mein junges Leben schwindelnd hängt,
Laß ins Unendliche den Faden wallen,
Er wallet durch ein Paradies,
Dann, Göttin, laß die böse Schere fallen!
O laß sie fallen, Lachesis!

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Schiller, Friedrich. Gedichte. Gedichte (1776-1788). Anthologie auf das Jahr 1782. An die Parzen. An die Parzen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-C996-D