Personen.
- Josef Urban, Direktor.
- Ludwig Haeser, Fabrikbesitzer.
- Dr. Langenbeck, Rechtsanwalt.
- Wohlhabende Offiziere in Zivil, Beamte, Bürger und internationale Kapitalisten und ein Polizist in Uniform.
Personen.
Ja, meine Herren! Sie glauben garnicht, wie dumm die Menschen sind. Wenn heute Jemand Geld verdienen will – d.h. viel Geld – so darf er nur mit der Dummheit der Menschen seine Rechenexempel zusammenkonstruieren. Wer sein Haus auf der Dummheit der Menschen erbaut – der hat sichern Grund und Boden. Speziell muss man die Sucht der Dummen, die noch Dümmeren reinzulegen, in die Berechnung ziehen.
Dummheit und Unternehmungsgeist hab ich noch nie zusammengesehen – und da der letztere hier ist – kann die erstere nicht da sein.
Wir glauben ja schon, was wir glauben sollen: Der »Europa-Bund« ist wahrhaftig nicht die schlechteste Gründung unsrer Zeit.
Ja, meine Herren! Denken Sie sich blos. Als ich vor drei Jahren in Brasilien war, trat ein gesetzter Herr auf und erklärte, dass er einen Brasilianer-Bund gründen wolle; in diesem Bunde sollten sich alle Bündler schriftlich verpflichten, sich jederzeit für Brasilianer zu halten. Die Sache erschien mir einfach lächerlich. Aber die Brasilianer erklärten, es sei ganz vernünftig, wenn sich Brasilianer für Brasilianer hielten. Na – und sehen Sie – der Bund hat ganz gute Geschäfte gemacht. Und so wirds auch mit dem Europa-Bund gehen.
Freilich! Eigentlich ist es lächerlich, dass sich die Europäer für Europäer halten sollen – es ist so selbstverständlich.
Macht man die grössten Geschäfte. Das Lächerliche! Meine Herren, das Lächerliche ist ja gerade das Kluge.
[137]LANGENBECK stürmt von rechts herein. Meine Herren, die Geschichte ist zu lächerlich – aber die Gründung ist jetzt Tatsache – hier sind die weiteren Unterschriften. Ich gratuliere Ihnen. Alle stehen auf und lachen und schütteln sich die Hände und erzählen sich sehr viel.
Meine Herren, feiern wir den heutigen Tag durch ein lustiges Festessen. Der Europa-Bund besteht. Das Lächerliche ist grade das Kluge! Es lebe Europa!
Jetzt haben wir bereits 87 Zeitungen angekauft – und alle die Zeitungen reden täglich von den Vereinigten Staaten Europas. Na, Rechtsanwalt, was wollen Sie mehr?
LANGENBECK. Jawohl, Sie sind der Uebergründer. Aber ich schwöre Ihnen: es wird Ihnen noch mal sehr schlecht gehen.
Das hat aber mit den vereinigten Staaten von Europa nichts zu tun. Ob es Herrn Josef Urban schlecht oder gut geht: die vereinigten Staaten von Europa werden demnächst in voller Figur da sein.
LANGENBECK. Und die Kapitalisten des Europa-Bundes werden [138] die vereinigten Staaten von Europa regieren – jawohl – wenns man nicht schief geht.
Was gibts? Langenbeck steht auf und überreicht ihm das Telegramm. Ah! Mir stehen also jetzt 700 Millionen zur Verfügung – der Kongress der Europa-Bündler soll in vier Wochen in München tagen.
LANGENBECK. Ich gratuliere Ihnen, Herr Urban – aber ich erkläre Ihnen auch gleichzeitig, dass ich von jetzt ab gegen Sie Stellung nehmen werde. Nach meinem Dafürhalten knöpfen Sie den Kapitalisten einfach das Geld ab – und die vereinigten Staaten bleiben ein Hirngespinst.
Es war ja ganz selbstverständlich, dass unsre grossen Erfolge schliesslich auch den Oppositionsgeist rege machen mussten.
Aber alle diese Patriotenvereine sind ja nicht einig. Wir aber sind einig, denn es gibt nur einen einzigen Europa-Bund.
Wir sind es, auf deren Seite das Vernünftige steht. Keinem Menschen fällt es heute noch ein, an der Vernünftigkeit des Europa-Bundes zu zweifeln.
Was gehen uns die Rechtsanwälte an? Es lebe Europa! Alle brüllen »Es lebe Europa« – und dann wüst durcheinander »nach München! nach München!«.
In der Sprachenfrage ist einfach keine Einigung zu erzielen; wir haben die Dichter gegen uns, und die können am besten reden – die haltens im Geheimen alle mit den Patrioten; die Dichter der verschiedenen Völker wollen, dass man auf dem Kongress ihre Sprache spricht.
LANGENBECK. Sehen Sie, meine Herren? Die Schwierigkeiten sind schon da. Sie bringen ja nicht einmal einen Kongress zu Stande – und da wollen Sie die vereinigten Staaten von Europa zu Stande bringen? Es ist einfach lächerlich.
LANGENBECK. Ich denke nicht daran – die Aktionäre wollen ihr Geld zurückhaben – und wer an Allem Schuld hat – das sind Sie, Herr Urban.
Die Dichter sind Schuld an Allem! Diese verfluchten Dichter! Die zerstören den ganzen Europa-Bund! Ich werde verrückt vor Wut! Dass Jeder nur ja die Werke der guten Dichter lesen kann – dazu sollen die einzelnen Sprachen erhalten werden. Diese Dichter! Der gesamte Lokalpatriotismus ist eben nur Dichterwerk. Wer ist begeistert für sein Vaterland? Wer? Nur der Dichter! Denn der hat immer ein Interesse an der Sprache, in der er seine Werke schreibt. Die andern Leute gehen ihren Dichtern, diesen Leithammeln der Menge, in seliger Dammlichkeit nach und nennen ihre höchst poetische ideale Dammlichkeit – Patriotismus – und merken nicht, dass ihre patriotischen Gefühle nur den Dichtern zu Gute kommen. O du köstliche Komödie des köstlichen Patriotismus. Ich werde verrückt vor Wut.
LANGENBECK. Meine Herren, wenn Sie jetzt nicht augenblicklich sagen, wo Sie das Geld gelassen haben, so werden Sie verhaftet.
Und ich sags nicht – am allerwenigsten Ihnen, mein tugendhafter Herr Rechtsanwalt. Uebrigens hörte ich, dass Sie die verschiedenen Patriotenvereine gegründet haben. Na – blüht das Geschäft? Vom Europa-Bunde bekamen Sie wohl nicht genug? Da gründeten Sie die Gegenpartei. Sie sind ja ein ganz saubrer Bursche.
Na schiessen Sie doch los, Sie altes Dromedar Er schlägt dem Polizisten plötzlich mit der Faust ins Gesicht, dass dem [142] das Blut aus Nase und Augen quillt, wodurch er so wütend wird, dass er losschiesst – Urban fällt hin.