4.

Ein Edelfräulein hatte heimlich ein Liebesverhältnis mit einem Dienstknechte ihres Vaters und ward zuletzt schwanger. Als ihr Vater das merkte, jagte er den Knecht auf schimpfliche Weise fort, das Mädchen aber wurde von ihm so viel »geängstigt und gequält«, daß sie starb. Nachdem sie einige Tage begraben war, ließ sich ihr Geist Nachts in weißem Anzuge sehen. Zuerst erschien sie ihrem Geliebten und kam ihm leibhaft vors Bett; er hätte sie gern gefragt, weshalb sie erschiene, aber er hatte nicht das Herz dazu. So erschien sie ihm drei Nächte hinter einander. In der dritten Nacht fragte er sie endlich, weshalb sie ihn beunruhige. Sie erwiederte, sie könne nicht ruhen, weil ihr Vater ihm so großes Unrecht gethan habe; er möge[221] das doch an ihren Vater bestellen. Der Knecht erzählte darauf dem Vater alles, doch dieser wollte ihm nicht glauben und »gab ihm harte Worte«. In der vierten Nacht erschien sie ihrer Mutter und bat diese dem Vater zu sagen, er möge doch dem Knechte verzeihen, sonst könne sie nicht ruhen. Die Mutter erfüllte ihre Bitte, aber ohne Erfolg. Als auch das nicht half, erschien sie dem Vater selbst, sagte ihm alles und bat ihn dem Knechte zu verzeihen. Der Vater gelobte es ihr und hielt auch Wort. Von der Zeit an ließ sich der Geist nicht wieder sehen.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Schambach, Georg. Märchen und Sagen. Niedersächsische Sagen und Märchen. A. Sagen. 235. Liebe nach dem Tode. 4. [Ein Edelfräulein hatte heimlich ein Liebesverhältnis mit einem]. 4. [Ein Edelfräulein hatte heimlich ein Liebesverhältnis mit einem]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-BEFE-9