[370] [372]D. Abhandlungen.

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1. Zur Symbolik der deutschen Volkssage

I. Zur Symbolik der deutschen Volkssage.

Es ist ein uralter Glaube, der in dem deutschen Heidenthume nicht allein steht (altd. Rel. S. 395. 409), daß das Leben nach dem Tode nur eine, wenn auch nicht erfreuliche Fortsetzung des irdischen ist. Eine ziemlich rohe, aber eben deshalb gleichfalls alte Versinnlichung dieses Glaubens ist die Vorstellung, daß die Todten in der Unterwelt auch essen und trinken, wie sie in der Oberwelt gethan haben. Die Beherscher der Räume, in denen sie leben, erscheinen dann gleichsam als die Gastgeber der Todten, mit denen sie zusammen speisen. Daher bedeutete im Norden der Ausdruck bei Odhinn zu Gaste sein so viel als sterben oder todt sein, und denselben Sinn hat es, wenn in der Egilssaga (S. 603) Thorgerdhr spricht: »ich werde kein Nachtmahl eher halten, als bei Freyja.« Selbst noch in christlichen Zeiten konnte ein deutscher Ritter, welcher dem Tode nahe war, sagen (Livl. Chron. 9350): »ich werde noch heute Nachmittag im Himmel bei unserer Frau (Maria) speisen.«

Mit diesem nordischen und deutschen Glauben hat J. Grimm bereits in Schmidts Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (B. 3, 348. 4, 544) den bekannten Ausspruch des Leonidas: »heute werden wir in der Unterwelt essen« zusammengehalten, und Funkhänel hat darnach im Philologus (3, 150) Sophocles Electra V. 96


πατέρ᾽ ὃν κατὰ μὲν βάρβαρον αἶαν
φοίνιος Ἄρης οὐκ ἔξένισεν

so erklärt, daß Ares, der nicht nur ein Gott des Krieges, sondern auch der Unterwelt ist, die Todten bei sich bewirthet.

Ein weiterer Ausfluß dieser alten Vorstellung ist es, daß derjenige, welcher noch als Lebender in das Todtenreich oder in die Gesellschaft unterweltlicher Wesen geräth, sich hüten muß von den Speisen und[373] Getränken, die sie genießen, etwas zu kosten, weil er sonst auf immer der Unterwelt verfallen ist. Diese Anschauung tritt schon in der bekannten griechischen Sage von Persephone hervor, der es nicht gestattet wurde, ganz die Unterwelt zu verlassen, weil sie dort den Kern eines Granatapfels gegessen hatte. Sie findet sich, wenn gleich versteckt, in zahlreichen nordischen und deutschen Volkssagen und soll in Verbindung mit einigen verwandten Symbolen in dieser Abhandlung besprochen werden.

Wir knüpfen unsere Untersuchung zunächst und vorzugsweise an eine Sage, welche Saxo (VIII, 161) erzählt. König Gorm von Dänemark beschloß unter Führung des Thorkill den Aufenthalt des Riesen Geruthus (Geirödh) aufzusuchen, den, wie auch die jüngere Edda berichtet, Thorr mit einem glühenden Eisenkeile durchbohrt hatte. Auf dieser Fahrt, welche in den fernsten Nordosten geht und von Saxo ausführlich beschrieben wird, gelangen die Reisenden in das Land des Guthmundus (Godhmund), eines Bruders des Geirödh, der sie freundlich bei sich aufnimmt. Hinter seiner Freundlichkeit ist aber Tücke verborgen. Thorkill, der das weiß, warnt daher den König und seine Begleiter in folgender Weise. Er verbietet ihnen mit Godhmund und seinen Leuten zu reden, und räth ihnen, als sie in seinem Hause angekommen sind, sich der dargebotenen Speisen und Getränke zu enthalten; sie sollen sich auch abgesondert von den Einheimischen setzen und keinen von ihnen berühren. Wer von den vorgesetzten Speisen koste, der verliere die Erinnerung an die Vergangenheit und müsse immer inter horridos monstrorum greges bleiben. Die Gefährten befolgen zum Verdrusse des Godhmund den gegebenen Rath und essen nur von der Speise, die sie mitgebracht haben. Godhmund bietet darauf dem König Gorm eine seiner Töchter zur Ehe an und erlaubt den Leuten sich an seinem Hofe nach ihrem Gefallen Gattinnen zu wählen. Vier Dänen folgen der Verlockung, verlieren aber alsbald die Erinnerung an die Vergangenheit. Godhmund ladet nun die Reisenden ein die schönen Früchte in seinem Garten sich schmecken zu lassen; als aber auch dieser Versuch sie zu verlocken fehl schlägt, begleitet er sie bis an die Grenzen seines Reiches. Bei der Rückkehr verliebt sich Buchi, einer von den Gefährten, in Godhmunds Tochter. In Folge dessen verliert er die Erinnerung an die Vergangenheit und ertrinkt, als er den König Gorm bei seiner Abreise begleitet.

Hiernach erscheint das Land des Godhmund als ein zauberhaftes und verführerisches. Es werden demjenigen, der dahin kommt, Genüsse [374] verschiedener Art geboten; wer sich aber dazu verleiten läßt und auch nur mit seinen Bewohnern durch Rede oder Berührung in Gemeinschaft tritt, muß immer dort bleiben. Ließe sich nun erweisen, daß dieses Land des Godhmund ursprünglich eine Unterwelt, ein Todtenland wäre, so würde sich nicht nur eine Parallele zu dem Griechischen Glauben ergeben, daß man die Speisen, welche die Unterwelt bietet, nicht genießen darf, wenn man ihr nicht verfallen will, sondern wir würden auch durch die Erzählung des Saxo ähnliche symbolische Züge in deutschen Volkssagen verstehn lernen.

Von Godhmund hat neulich Rußwurm in W. Zeitschr. 1, 430 bemerkt, daß er schwerlich mythisch sei, und Saxos Erzählung als eine spätere in den Hauptpunkten erfundene dargestellt. Es ist dafür aber nur angeführt, daß die Edden den Godhmund nicht nen nen. Dieser Grund könnte nur dann Bedeutung haben, wenn die Edden eine Darstellung des gesammten nordischen Volksglaubens gäben, was bekanntlich nicht der Fall ist. Zudem ist es ein anerkannter Grundsatz in der Mythologie, daß auch eine verhältnismäßig späte Quelle (Saxos Werk ist aber älter, als die jüngere Edda) Mythisches enthalten kann, das vielleicht in höhere Zeiten hinauf reicht, als der Bericht der ältesten schriftlichen Quellen. Was mythisch und alt ist, darüber werden wir vorzugsweise durch das Verständnis der Sagen Aufschluß gewinnen.

Godhmund erscheint nun auch in andern nordischen Erzählungen. Wir sehen hier von der Sage von Thorstein ab, welche Rußwurm a.a.O. besprochen hat, und bemerken nur, daß er in der Hervararsaga als der Beherscher eines glücklichen Landes erscheint, in dem Krankheit, Alter und Tod unbekannt sind. Die Heiden verlegten dahin den Sitz der Unsterblichkeit und verehrten Godhmund nach seinem Tode als einen Gott.

Verschiedene Sagen von einem glücklichen Lande kommen auch sonst im Norden vor (D. Mythol. 783); sie sind nicht erst aus den südlichen Erzählungen von den herrlichen Ländern an dem Ende der Welt in den Norden gebracht, sie beruhen vielmehr auf einer alten mythischen Anschauung.

In den heidnischen Vorstellungen von dem Aufenthalte der Todten durchkreuzen sich nemlich mehrfach zwei ganz verschiedene Ansichten. Nach der einen ist der Aufenthaltsort der Abgeschiedenen ein öder und trauriger, nach der andern ist er äußerst angenehm und lieblich. Hier aus sind später Scheidungen von verschiedenen Räumen entstanden, von denen der eine traurig, der andere erfreulich erscheint. So steht, um[375] nur einiges anzuführen, in dem griechischen Heidenthume der düstere Hades den Inseln der Seligen gegenüber, und in dem Hades unterscheidet man ein Elysium und einen Tartarus. Die deutsche heidnische Sage kennt eine grüne Wiese als Aufenthalt der Guten, die bei Saxo ein Theil der Unterwelt ist (oben S. 339). Das skandinavische Heidenthum hat Walhall, die Unterwelt Odhins 1, zu einem freudenreichen Aufenthalte gemacht, während das Reich der Hel dunkel und unerfreulich ist. Daneben besteht nach der nordischen Anschauung Gimill, der Aufenthalt der Gerechten.

Dieser Gegensatz, wornach die Unterwelt als öde und traurig, dann aber wieder als ein Land voll Reize erscheint, zeigt sich nun auch in der Sage von Thorkills Fahrt zu Geirödh so deutlich wie möglich neben einander. Das Land des Godhmund ist, wie aus dem oben Angeführten erhellt, ein freundliches und reizendes, macht sich aber doch schon dadurch als die Unterwelt kenntlich, daß derjenige, der sich seinen Reizen hingibt, nicht in seine Heimat zurückkehrt, d.h. aus dem irdischen Leben scheidet. Das Gebiet des Geirödh dagegen, welches unmittelbar daran stößt, ist in jeder Hinsicht unerfreulich und düster. Die Reisenden kommen zunächst in eine schwarze Stadt, die einer dunkeln Nebelwolke gleicht (oppidum vaporanti maxime nubi simile). Sie ist von Pfählen umgeben, auf denen abgeschnittene Menschenhäupter stecken; böse Hunde, die beschwichtigt werden müssen, bewachen den Eingang in das enge Thor, zu dem man auf Leitern gelangt. Die Stadt selbst ist voll von Gespenstern. Geirödh wohnt in einem steinernen Hause, das mit einem stinkenden Dunste angefüllt ist. Die Wände sind voll Ruß und Schmutz, der Boden ist mit Schlangen und allerlei Unrath bedeckt; Gespenster (exanguia monstrorum simulacra) sitzen wie todt auf eisernen Stühlen.

Daß hier nur ein Bild der Unterwelt gegeben wird, erhellt schon daraus, daß die Stadt von Geistern bewohnt ist. Zudem ist fast jeder [376] einzelne Zug der Beschreibung der Art, daß er in den Mythen von der Unterwelt der Hel oder in nordischen und deutschen Sagen und Märchen ähnlich wiederkehrt, in denen die Unterwelt versteckt erscheint. Da indes die Verfolgung dieser Züge hier zu weit führen würde, machen wir nur darauf aufmerksam, daß die Reisenden Geirödh an diesem öden Orte mit durchbohrtem Körper und seine Töchter mit durchbrochenen Rücken erblicken, sie also in dem Zustande sehen, in welchem sie noch als Todte fortleben. Der Riese, den Thorr durch den Wurf mit dem glühenden Eisenkeile durchbohrt zur Hel gesandt hat, weilt natürlich in der Unterwelt. Hiernach kann es keinem Zweifel unterliegen, daß das Reiseziel des Thorkill und seiner Gefährten eben so die Unterwelt ist, wie bei der von Saxo gleichfalls erzählten zweiten Fahrt, wo er, da König Gorm wissen wollte, in welchem Zustande die Seelen nach dem Tode sich befänden, in das Reich des Ugarthilokus (Loki) dringt. Es ließe sich selbst die Vermutung begründen, daß die beiden Reisen des Thorkill ursprünglich nur Theile einer und derselben Fahrt in die Unterwelt waren.

Noch ist Folgendes hervorzuheben. Von dem Aufenthalte des Geirödh ist das Land des Godhmund durch einen Fluß getrennt, über den dieser die Reisenden geleitet. Als Godhmund sie zu seiner Wohnung führt, erblicken sie einen Fluß, über den eine goldene Brücke führt, und wollen darüber gehn, aber sie erfahren, daß durch diesen Fluß der Aufenthalt der Menschen von der Geisterwelt getrennt werde (eo alveo humana a monstrosis rerum secrevisse naturam), und daß die Sterblichen nicht darüber dürften. Entweder sind nun beide Flüsse an dem Gebiete des Godhmund dieselben, so daß dann das Land des Geirödh geradezu als eine Todtenwelt bezeichnet würde, zu welcher den Lebenden der Zutritt versagt ist, oder wenn man das nicht annehmen will, so liegt doch, was für unsere Untersuchung dieselben Schlüsse gestattet, das Land des Godhmund an den Grenzen der Unterwelt, es bildet einen Theil, gleichsam den Vorhof derselben, und die Sagen, welche sich daran heften, dürfen mythologisch eben so angesehen werden, als würden sie von der Unterwelt selbst erzählt.

Thorkill und seine Begleiter dürfen also in dem Lande des Godhmund nicht essen, nicht trinken, mit den Bewohnern desselben nicht sprechen und sie nicht berühren, weil dieses eine Unterwelt ist. Dadurch fällt nun Licht auf viele deutsche Volkssagen, in denen dieselben Punkte als höchst gefährlich hingestellt werden. Namentlich spricht die deutsche Sage es klar aus, daß ein Lebender, der mit den Geistern verstorbener [377] Menschen in Verkehr kommt und dabei nicht die nöthige Vorsicht beobachtet, dem Tode verfallen ist. Wir lassen aus den vielen Erzählungen, die hierher gehören, eine Auswahl folgen.

Daß man mit Todten nicht essen, auch die von ihnen dargebotenen Speisen und Getränke nicht annehmen soll, zeigen folgende Sagen. Eine Erzählung bei Müllenhoff 236 berichtet: Ein Todtengräber ladet einen Todten zu Gaste, der auch kommt, bei ihm ißt und trinkt und ihn auf den folgenden Abend zu sich einladet. Der Todte führt den Lebenden in ein wunderschönes Gemach, neben welchem ein anderes sich befindet, aus dem eine herrliche Musik (oben S. 357) ertönt. In dieses sieht er viele seiner Verwandten gehn, die ihm aber auf seine Fragen keine Antwort geben. Als er nach seiner Meinung eine Stunde in dem Zimmer zugebracht hat, kommt der Todte wieder und führt ihn zurück. Als der Todtengräber zu Hause gekommen ist, kennt man ihn nicht und es zeigt sich, daß er sechshundert Jahre ausgeblieben ist. Er genießt das heilige Abendmahl und stirbt. Man vergleiche dazu Ostpr. S. 127, wo ein Edelmann Diebe, die an den Galgen gehängt sind, zu Gaste ladet. Sie erscheinen, essen bei ihm und laden ihn darauf über vier Wochen vor Gottes Gericht. An dem bestimmten Tage kommt der Edelmann unschuldig an den Galgen. Obgleich die Sage hier eine andere Wendung bekommen hat, so klingt der alte Glaube, daß es gefährlich ist, Todte zu Gaste zu bitten, doch noch durch. Andere Erzählungen berichten von Geistern, die sich zu einem Mahle versammelt haben; auch hier muß der Sterbliche sich hüten, von ihren Speisen oder Getränken etwas zu genießen. Nach Schöppner 1064 holt die Magd eines Pfarrers von den Geistern, welche nächtlich in der alten Burg Wallenroden beim Mahle sitzen, auf Geheiß ihres Herrn einen Krug Wein. Der Pfarrer, welcher davon trinkt, ist am andern Morgen todt. – Die Tochter eines Wirthes in der Gegend des Rodensteins wird Abends von einem stattlichen Ritter auf eine prächtige Burg geführt, in der geputzte Ritter und Frauen tanzen und zechen. Das Mädchen bittet um einen Trunk. Der Ritter verweigert ihn mit den Worten: »trinke nicht; du kannst nicht trinken, was wir trinken.« Sie leert dennoch einen Becher, worauf sie ohnmächtig nieder sinkt und sich am Morgen darauf allein in den Trümmern der Burg Rodenstein findet. Nach drei Tagen stirbt sie. Nodnagel in W. Zeitschr. 1, 32. – Sehr bekannt ist die D.S. 176 und Müllenhoff 295 mitgetheilte Sage von einem Edelmanne, der zu Flensburg in einem Zimmer übernachtet, das nicht geheuer ist. Nachts [378] erscheint eine Gesellschaft von Geistern, welche sich an eine glänzend gedeckte Tafel setzen und ihm aus einem silbernen Becher zutrinken. Der Edelmann trinkt nicht und ruft Gottes Beistand an; da ist plötzlich der Spuk verschwunden, nur der Becher bleibt zurück. Die Sage verschweigt, was wir nach Analogie der andern Erzählungen hinzusetzen können: hätte er getrunken, so wäre er dem Tode verfallen. Vgl. noch D.S. 278, ferner 106, wo die Geister im Helfenstein zu trinken bieten, Bechstein Thür. S. 1, S. 145. Fränk. S. 161. Meier M. 32. 50.

Es ist aber auch gefährlich, mit Geistern von Abgeschiedenen zu sprechen oder sie zu berühren. Nach D.S. 528 wird der Freiherr Albrecht von Simmern auf der Jagd durch einen Hirsch tief in den Wald gelockt. Dort erscheint ihm ein Mann von schrecklicher Gestalt und führt ihn in ein glänzendes, mit vielen Leuten angefülltes Schloß, nachdem er ihm gesagt hat: »laß dich ihr Schweigen nicht befremden, dagegen rede auch nicht mit ihnen.« Er sieht darauf die Geister seiner Vorfahren anscheinend bei einem fröhlichen Mahle versammelt; nachher verwandelt sich alles in Feuer, Pech und Schwefel. – Der Mönch, der Aigener in den Untersberg führt (Schöppner 5), räth ihm mit den Geistern, die darin hausen, nicht zu sprechen; eben so wird Meier M. 50 davor gewarnt mit Geistern zu reden. D.S. 285 (vgl. DMS. 402) wird berichtet, wie ein Gespenst die Brust eines Mädchens berührt, wovon diese schwarz wird und das Mädchen nach drei Tagen stirbt. Noch gehört D.S. 527 hierher, wo nach dem jetzt von Keller in drei Bearbeitungen herausgegebenen alten Gedichte des Wirtembergers pueh Folgendes erzählt wird. Ulrich, Dienstmann von Würtemberg, findet, als er zum Jagen ausgeritten ist, im Felde eine große Schar von Männern und Frauen, die schweigend dahin reiten und ihm auf seinen Gruß nicht danken. Eine ernste Frau, die zuletzt kommt, eröffnet ihm, daß sie schon vor dreißig Jahren gestorben sei und daß die Leute, die er gesehen, nicht mehr dem irdischen Leben angehören. Sie führt ihn darauf in ihre Gesellschaft, warnt ihn aber von den Speisen, die ihm geboten werden sollten, etwas anzunehmen. Die Geister lassen sich vor einer prächtigen Burg zu einem herrlichen Mahle nieder. Der Ritter hebt einen gebratenen Fisch von der Tafel, wovon ihm alsbald seine Finger verbrennen. Auf das Mahl folgt ein Turnier; auch dem Ritter bietet man ein Pferd, er nimmt es aber nicht an. Als darauf der Tanz beginnt, bietet er der Frau die Hand, fällt aber alsbald wie todt nieder. Die Geister bieten ihm zu trinken, doch [379] die Frau bewahrt ihn davor und macht ihn wieder gesund. Die ganze Erscheinung wird als eine höllische Wirthschaft geschildert: wir erkennen darin das Geistermahl, dem wir schon vorher begegnet sind, und das unten noch einmal in einer andern Form erscheinen wird.

Hierher gehört noch der weit verbreitete Glaube, wovon unsere Sagen mehrere Beispiele liefern, daß man einem Geiste die Hand nicht geben darf, weil diese dann schwarz wird und abfällt; man reicht ihnen deshalb einen Stock, den Zipfel der Schürze u. dgl. Auch gilt es überhaupt für gefährlich einen Geist anzureden (Bechstein Thür. S. 2, 98); man darf selbst nichts davon sagen, wenn man Geister gesehn hat (Bechstein fr. S. 1, 143. M.S.S. 184. 185). Wer solche gesehn hat, lacht nicht wieder (Baader 280. Meier 319), ja es kann ihr Anblick tödten (Harrys 1, 19). Wiederum sprechen die Geister ihrerseits gewöhnlich nicht 2, und man muß sie erst durch Beschwörung zur Rede bringen; auch lachen sie nicht 3. Beides erklärt sich dadurch, daß der Tod ernst und stumm macht.

Haben wir nun, von jener nordischen Odyssee bei Saxo ausgehend, gezeigt, wie das, was in der Unterwelt des Godhmund für gefährlich galt, Essen, Trinken, Sprechen, Berührung eben so in dem Verkehr mit Seelen der Verstorbenen Tod und Verderben bringt, so können wir umgekehrt auch folgenden Schluß machen: wo in Sagen von mythischen Wesen des Heidenthums dieselben Symbole in demselben oder einem ähnlichen Zusammenhange erscheinen, da sind diese als unterweltliche gezeichnet, sie stehn mit Tod und Unterwelt in Verbindung. Das ist nun zunächst bei den Wassergeistern der Fall.

Bei den Wassergeistern läßt sich freilich nur das eine Symbol nachweisen: man darf ihre Speisen und Getränke nicht genießen, sonst [380] bleibt man in ihrer Gewalt, was folgende Sagen zeigen. Die Tochter eines Ritters von der alten Burg Schwarzach wurde einst, als sie am See auf der Wiese spielte, von einer großen Schlange, die aus einem Felsen kam, in den See gezogen. Der Vater ging täglich ans Ufer und klagte. Eines Tages hörte er eine Stimme aus dem See und vernahm deutlich die Worte: »ich lebe, mein Vater, bin aber an die Wasserwelt gebannt; lange habe ich mich gewehrt, aber der erste Trunk hat mich um die Freiheit gebracht; hüte dich vor diesem Trunke.« Der Vater blieb traurig stehn, da traten zwei Knaben zu und reichten ihm aus einem goldenen Becher zu trinken. Er kostete ihn kaum, so stürzte er in den See und sank unter. D.S. 305. – Eine Frau aus Köpenik hat ihre Tochter verloren. Nach zwei Tagen findet sie sie in dem Teufelssee, wo sie halb im Moore steckt. Sie ist frisch und gesund und erzählt, wie ein alter freundlicher Mann jeden Mittag aus dem See gekommen sei und ihr schönes Essen gebracht habe. Sie geht darauf mit ihrer Mutter zu Hause, wird aber bald krank, weil sie sich nach dem See sehnt. Nach wenigen Tagen stirbt sie; der Wassermann hatte es ihr angethan. M.S. 114. – Wir dürfen schon aus diesen wenigen Beispielen 4 den Schluß ziehen, daß die Wassergeister mit der Unterwelt in Verbindung stehn, da, wie bereits altd. Rel. 376. 399 gezeigt ist, nach dem deutschen Glauben der Grund der Gewässer als ein Aufenthaltsort für Todte, zunächst Ertrunkene erscheint.

Nordische Sagen und Volkslieder wissen auch mehrfach von Bergtrollen und geisterhaften Jungfrauen zu erzählen, die Sterbliche aus einem Horn trinken lassen, wodurch sie Vater und Mutter, Himmel und Erde vergessen 5. Die Bedeutung ist hier dieselbe: durch den Trank werden sie an die Geister der Unterwelt gefesselt. Dazu ist die deutsche Sage von dem Oldenburger Horne (D.S. 541. Ndd. S. 314) zu halten, welche berichtet, wie dem Grafen Otto von Oldenburg eine Jungfrau, welche plötzlich aus dem Osenberge trat, ein Horn bot und [381] ihn daraus trinken hieß. Dem Grafen gefiel das Getränk darin nicht, daher schüttete er es aus. Einige Tropfen davon benetzten sein Pferd; wo sie hinfielen, gingen diesem die Haare aus. Hier wird also das Getränk unterweltlicher Mächte als ein giftiges, verderbliches dargestellt, was in den Sagen von Zwergen wiederkehrt, zu denen wir uns jetzt wenden.

Die Zwerge stehn als nächtliche Wesen (oben S. 353), als solche, die den Menschen den Tod bringen können, gleichfalls mit der Unterwelt in Verbindung. Daher darf man denn auch die Speise der Unterirdischen nicht genießen. Ein Mann und eine Frau essen von einem Kuchen, den Zwerge gebacken haben, in Folge dessen sind sie nach drei Tagen todt. Herrlein S. 35. 36. Aehnliches wird N.S. 181 berichtet; vgl. auch Börner S. 209. – Ein Bauer, dem ein Geist (es ist ein Zwerg) auf sein Verlangen einen Kuchen hingestellt hatte, war so klug, ein Stück davon seinem Hunde vorzuwerfen, der sogleich todt niederstürzte, als er es verschlungen hatte. DMS. 403. – Ein Mann, der den verschütteten Eingang zu der Wohnung eines Unterirdischen hergestellt hatte, wird von diesem zu Gaste geladen. Er schlägt aber in der Wohnung der Zwerge die dargebotene Bewirthung aus und nimmt nur ein Butterbrot mit, das er, als er oben angekommen ist, gegen einen Pfahl wirft. Am andern Morgen findet er, daß es kohlschwarz und dick aufgequollen ist. Hätte er es gegessen, wird hinzugesetzt, so wäre er gestorben. Müllenhoff 409. – Einem Jungen wird von den Unterirdischen ein Butterbrot an die Ferse geworfen, die von der Zeit an welk wird. Das. 393. – So wird auch der Gräfin von Ranzau, als sie zu der in Kindesnöthen liegenden Zwergin geführt wird, gerathen, sie möge sich hüten von dem, was ihr etwa geboten würde, zu essen. Das. 443, 2; vgl. D.S. 41. 68. Bei Meier 67 sagt das Erdmännchen zu der Hebamme, die seine Frau entbunden hat, »unser Essen und Trinken schmeckt euch doch nicht, deshalb will ich dir etwas anderes geben.« Dagegen können auch Zwerge die menschliche Kost nicht vertragen. Colshorn 53. – Mehrfach wird auch, analog der Sage von dem Oldenburger Horne, von Bechern erzählt, aus denen Unterirdische zu trinken bieten. Derjenige, der zum Trinken aufgefordert wird, gießt das Getränk aus und bemerkt nachher, daß einzelne Tropfen desselben dem Pferde die Haare weggebrannt haben. Müllenhoff 402; vgl. 403. 506. – Nach einem schwedischen Märchen bei Cavallius S. 355 bieten Däumlinge einem jungen Manne ein Goldhorn; er trinkt daraus, versinkt aber in demselben Augenblicke mit [382] seinem Pferde in die Erde und wird in Stein verwandelt. Daß man mit Zwergen auch nicht sprechen darf, zeigt folgende Sage bei Müllenhoff 457: Ein junger Mensch, der im Freien schlief, hörte die lieblichste Musik (oben S. 357) um sich und erblickte zwei Elbinnen, welche einen Versuch machten, ihn zum Sprechen zu bringen; aber er wuste, daß Gefahr dabei wäre, und schwieg 6.

Dazu stellen wir noch folgende Meinungen, die in dem deutschen Volksglauben verbreitet sind. Wechselbälge, die als Kinder der Zwerge der Unterwelt angehören sprechen, lachen und essen nicht. Müllenhoff 424. – Wer andern von Bergmännchen, die er gesehen hat, auch nur erzählt, muß bald sterben. DMS. 76. – Begebenheiten, die man mit Zwergen gehabt hat, darf man nicht ausplaudern (D.S. 29), namentlich auch nicht von den Gaben erzählen, die sie verliehen haben (oben S. 352). Die Berührung der Zwerge, selbst ihr Blick kann Krankheit und Tod herbeiführen (D. Mythol. 424. 425). Wir erinnern daran, daß, wie oben gezeigt ist, zum Theil dieselben Meinungen in Beziehung auf die Geister der Abgeschiedenen herschen.

Wir wollen nun sehen, ob nicht in der spätern deutschen Sage sich die besprochenen symbolischen Züge auf solche Wesen übertragen haben, die ursprünglich dem Heidenthume fremd waren. Es kommen hier besonders Volksüberlieferungen vom Teufel in Betracht, der als Fürst der Hölle, welche in ihrem Namen noch den Zusammenhang mit der nordischen Unterweltsgöttin Hel bewahrt, Sagen auf sich gesammelt haben kann, wodurch er unterweltlichen Wesen des Heidenthums gleich gestellt wird. Nach unserer Ansicht würde von diesem Standpunkte aus auf manches, was von dem Teufel erzählt wird, mehr Licht fallen, als wenn man ihn, was allerdings auch richtig ist, mit den heidnischen Riesen zusammenstellt. Doch betrachten wir nur das, was mit dem Zwecke dieser Abhandlung zusammenhängt.

Der Teufel ist der Gastgeber der verdammten Seelen, wie nach dem nordischen Glauben die Todten bei Odhinn zu Gaste sind. Daher bietet er nach einer verbreiteten Sage den in die Hölle gelangenden zunächst einen Trunk aus einem Becher, durch dessen Genuß sie ihm und der Hölle verfallen 7. Dieser Glaube steht mit der alten deutschen [383] Sitte in Zusammenhang, daß ein ankommender Gast durch einen dargebotenen Becher willkommen geheißen wird. Man kann ihn auch mit dem nordischen Mythus zusammenstellen, wornach die Valkyrien den Helden in Walhall zu trinken bieten, ohne daß man darum nach einer sonst beliebten Weise anzunehmen braucht, daß der Teufel hier an die Stelle der Valkyrien getreten sei 8.

Man darf aber auch mit dem Teufel und seinem Gesinde nicht essen, wenn man nicht der Hölle verfallen will. Nach DMS. 313 führt der Teufel einen Soldaten in einen Keller, wo er eine mit den köstlichsten Speisen besetzte Tafel sieht, an welcher verschiedene Gäste sitzen. Man nöthigt ihn mitzuessen, er weigert sich aber und kommt mit dem Leben davon. Ostpr. S. 146 wird ein Schuhmacher dazu gebracht, an einem Teufelsgelage Theil zu nehmen. Als es beendet ist, sagt der Teufel zu ihm: »Du hast mit mir gegessen und getrunken; du must bei mir bleiben.« Bei Bosquet S. 297 wird ein Spielmann von dem Teufel in die Hölle geführt; er genießt, wie ihm vorher gerathen ist, von den ihm vorgesetzten Speisen nichts, stirbt aber doch einige Tage nachher.

Das Sprechen in der Behausung des Teufels ist gleichfalls gefährlich. Haupt theilt in seiner Zeitschrift (7, 522) eine Sage aus dem elften Jahrhundert mit, wo ein gewisser Vollarg von dem Teufel in seine Wohnung geführt, aber vorher gewarnt wird, er solle sich mit seinen Mannen in keinen Verkehr und in kein Gespräch einlassen. Die Fremden haben hier denselben Anblick, wie bei dem Geistermahle; eine Tafel ist mit den köstlichsten Speisen besetzt und alles ist prächtig, obgleich es, wie sich nachher ergibt, nur Schein ist. So werden wir denn auch einige Sagen von Hexen hierher ziehen dürfen, mit denen die Gemeinschaft eben so gefährlich ist, weil sie mit dem Teufel im Bunde stehn. Es kommen viele Erzählungen vor, nach denen ein Mensch in die Versammlung schmausender Hexen geräth. Man bietet ihm einen Trunk, der aber Verderben bringt, wie die Speisen und Getränke der Geister, Wasserwesen und Zwerge. Die Sage spricht das aber nur selten deutlich aus. Nach Ndd. S. 33 darf man den Hexentrank nicht annehmen, weil er vergiftet ist; das. 337 wird er dem Pferde zwischen den Ohren durch gegossen, ein Zug, dem wir oben ähnlich begegnet sind, obgleich hier nicht hinzugesetzt wird, daß dem [384] Thiere die Haare versengt wurden. Gewöhnlich spricht der Mensch, wenn ihm von den Hexen Trank oder Speise geboten wird, den Namen Gottes aus oder macht das Zeichen des Kreuzes, worauf der Spuk verschwindet. Vgl. DMS. 151. N.S. 246. 383. 384. Müllenhoff 294 u.m.

Hier zeigt sich also der letzte Rest des alten Glaubens, der den Verkehr mit unterweltlichen Wesen gefährlich darstellt, wenn gleich schon in verblaßter Gestalt. Wir können noch folgende Züge des Volksglaubens hierher rechnen. Der Anblick des Teufels macht krank und tödtet 9, wie der Anblick eines Geistes und der böse Blick der Hexe (D. Mythol. 1053). Auf die Fragen der Hexe darf man nicht antworten, auf ihre Anrede nicht danken (das. 1056); nach Müllenhoff 290 wurde ein Mann, der eine Hexe angeredet hatte, augenblicklich getödtet. Ein Knabe, der dem Teufel zugeeignet war, wird dadurch von ihm gerettet, daß er nicht lacht (Pröhle M. 21). Jede Gemeinschaft mit unterweltlichen Wesen muß geheim gehalten werden, wie Handlungen, durch welche man von ihnen etwas erlangen will, Zaubereien, stumm geübt werden müssen 10. Von der Versammlung der Hexen, die man mitgemacht hat, darf man nicht reden, auch auf dem Rückwege kein Wort sprechen (Ndd. S. 154, oben S. 178). Der Freischütz darf sein Geheimniß nicht ausplaudern (Müllenhoff 493). Die Bräutigamsschau muß stumm geübt werden (DMS. 354). Will man einen Schatz heben, so darf man dabei nicht sprechen und lachen, sonst sinkt er in die Tiefe zurück.

Die symbolischen Züge, die wir in einer großen Zahl von Volkssagen verfolgt haben, zeigen eine noch tiefer eingreifende Bedeutung, wenn wir ihre Spuren in den Märchen aufsuchen. Hier hilft das Verständnis derselben oft dazu, den Mythus oder den Ansatz zu einem Mythus, den das Märchen enthält, zu verstehn 11. Es gilt nemlich [385] auch in dem Märchen Essen, Trinken, Sprechen, Berühren in den verschiedensten Verbindungen für gefährlich, und wir dürfen nun, auf unsere bisherige Untersuchung gestützt, den Satz aufstellen, daß da, wo dieses vorkommt, ein Gegensatz von Unterwelt und Oberwelt besteht. Wir müssen uns aber hier damit begnügen, ohne auf den Inhalt der einzelnen Erzählungen einzugehn, nur die verschiedenen Formen hervorzuheben, in welchen sich das Märchen ausspricht.

Zwei Formen treten hier hervor; die erste ist folgende. Dem Helden des Märchens wird eine gefährliche Aufgabe gestellt, durch welche er seine künftige Gemahlin erhalten soll, oder diese aus der Gewalt dämonischer Wesen befreit. Genießt er dabei die Speise der unterweltlichen Mächte, so verfehlt er sein Ziel und ist selbst dem Tode verfallen. Sehr deutlich ist das in einem schwedischen Märchen bei Cavallius S. 265 ausgesprochen. Die Meerfrau schickt einen Prinzen, dem ihre Tochter zur Gattin bestimmt ist, vorher zu ihrer Schwester, um von dieser die Hochzeitskleider zu holen. Diese, die keine andere als eine Beherscherin der Unterwelt ist, sucht ihn dreimal zu verleiten, daß er Speise zu sich nehme, damit sie Gewalt über ihn habe; er widersteht aber der Versuchung und kehrt glücklich zurück. In einer zweiten Form desselben Märchens (S. 282) wird geradezu gesagt, daß der Genuß der Speise den Tod herbeigeführt haben würde. KM. 93 wird demjenigen, der die Prinzessin erlösen soll, von einer alten Frau Essen und Trinken geboten; er nimmt davon, verfällt in einen tiefen Schlaf und kann nun seine Aufgabe nicht vollbringen. Einen andern Zusammenhang, aber dieselbe symbolische Vorstellung zeigt das Märchen bei Müllenhoff S. 418, wo Hans für seine kranke Mutter Aepfel aus dem Garten der Riesen holt. Als er selbst einen davon gegessen hat, verfällt er sogleich in einen tiefen Schlaf. Auch wenn man bei dem Erlösungswerke spricht, gedeiht es nicht zu einem guten Ende. So [386] muß in dem ersten unserer Märchen der Prinz sich quälen lassen, ohne einen Laut von sich zu geben, ein Zug, der auch sonst wiederkehrt 12. Das dritte Symbol zeigt sich deutlich in den beiden Märchen bei Wolf S. 30. 340, welchen in unserer Sammlung N. 13 entspricht. Die Erlösung der verwünschten Jungfrauen in dem alten Schlosse wird dadurch vollbracht, daß ihre künftigen Gatten sie nicht berühren, obgleich sie sich zu ihnen ins Bett legen. Einer derselben gibt seiner Geliebten einen Kuß (S. 347), da sind alle Prinzessinnen verschwunden 13.

Dieselben drei Symbole lassen die Märchen in einer andern, ganz entgegengesetzten Form erkennen. Wenn der Held das Nöthige gethan hat, um die verwünschte oder von feindlichen Dämonen zurückgehaltene Jungfrau zu erlösen, so darf er, ehe die Vermählung vollzogen ist, mit den Seinigen nicht essen, nicht trinken, sie nicht berühren, sonst wird er seiner künftigen Gattin entfremdet, er vergißt sie. Wir fassen das so, daß er dann der Oberwelt wieder angehört, während seine künftige Gattin noch in der Unterwelt bleibt. In dem schon angeführten schwedischen Märchen (Cavallius S. 271) hat der Prinz durch seinen Dienst die Tochter der Meerfrau erworben. Als er zu seinen Eltern geht, warnt ihn seine Braut, von diesen irgend eine Speise anzunehmen; er kostet nur ein Pfefferkorn und vergißt in Folge dessen seine frühere Geliebte. Damit ist das norwegische (Asbjörnsen 2, 16) zu vergleichen, wo der Königssohn in dem Schlosse seines Vaters einen Apfel ißt und dadurch die Erinnerung an die Vergangenheit verliert. Hierher gehört auch der Zaubertrank, den die Mutter der Gudrun dem Siegfried gibt, wodurch er die aus der Waberlohe befreite Brunhilde vergißt. Wir haben diesen Zug der Nibelungensage schon früher mit den in deutschen Märchen vorkommenden zusammengestellt, wo die zweite Braut dem Helden einen Schlaftrunk reicht, [387] damit dieser die Klagen der erstem nicht höre oder die Erinnerung an die Vergangenheit verliere 14. In ähnlichen Fällen kehrt Gefahr des Sprechens wieder. KM. 127 vergißt der Königssohn seine frühere Braut, die ihn erlöst hat, weil sie mehr als drei Worte mit ihrem Vater spricht. Umgekehrt vergißt bei Cavallius S. 292 der Königssohn seine Braut, nachdem er nur zwei Worte gesprochen hat. Vgl. Asbjörnsen 2, 11. Endlich hat die Berührung, namentlich der Kuß, dieselbe Folge. Der Königssohn gibt bei seiner Rückkehr seiner Mutter einen Kuß, und verliert dadurch die Erinnerung an seine Geliebte 15. In einem Märchen bei Pröhle N. 8 verbietet die verwünschte Prinzessin ihrem Befreier zu sprechen oder irgend Jemand zu küssen, weil er sonst sie vergessen würde 16.

Da wir nun in vielen Sagen gefunden haben, daß nach dem deutschen Glauben in der Unterwelt das Essen und Trinken, das Sprechen, dann Berührung und Kuß die Folge hat, daß man dadurch ihrer Macht verfällt, so liegt die Vermutung nahe, ob nicht auch in der griechischen Mythologie, von der wir ausgingen, ähnliche Züge mit derselben Bedeutung wiederkehren. Einiges, das vielleicht hierher gehört, findet sich schon in der Odyssee. Zunächst könnte man die Sage von den Lotophagen hierher ziehen, die den Gefährten des Odysseus süßen Lotos zu kosten geben:


τῶν δ᾽ ὅστις λωτοῖο φάγοι μελιηδέα καρπόν,
οὐκέτ᾽ ἀπαγγεῖλαι πάλιν ἤϑελεν, οὐδὲ νέεσϑαι.
ἀλλ᾽ αὐτοῦ βούλοντο μετ᾽ ἀνδράσι Λωτοφάγοισιν
λωτὸν ἐρεπτόμενοι μενέμεν, νόστου τε λαϑέσϑαι.

Obgleich nun auch hier das Essen (des Lotos) das Vergessen der Heimat bewirkt, so bleibt die Parallele doch deshalb zweifelhaft, weil wir von den Lotophagen sonst nichts wissen. Deutlicher und schon von andern benutzt 17 ist die Erzählung von Kirke, der Unterweltsgottheit, welche die Gefährten des Odysseus durch einen Zaubertrank in Schweine [388] verwandelt, ἵνα πάγχυ λαϑοίατο πατρίδος αἴης. – Doch wir überlassen denjenigen, die sich mit der griechischen Mythologie besonders beschäftigen, diese Vermutungen zu widerlegen oder sie durch die Erklärung ähnlicher Sagen zu bestätigen.

Fußnoten

1 Ich gebrauche das Wort Unterwelt in dem Sinne, daß ich ganz im allgemeinen den Aufenthalt der Todten damit bezeichne, mag nun dieser in der Tiefe oder in der Höhe gedacht werden. Ich nenne auch jede Gottheit, welche Todte bei sich aufnimmt, eine Unterweltsgottheit, ohne sie darum andern so gegenüber zu stellen, wie man in der griechischen Mythologie die chthonischen Götter von den olympischen gesondert hat. Dieser hergebrachte Unterschied, den auch Gerhard noch festhält, sollte freilich auch schon aufgegeben sein, da er in dieser Weise unbegründet ist. Manche von den so genannten olympischen Göttern sind zugleich auch chthonische.

2 Vgl. z.B.M.S. 78. 123, besonders aber das Märchen bei Pröhle 25, wo auf dem grünen Platze vor der Hölle, d.h. in der Unterwelt, mehrere Menschen sich befinden, welche nicht sprechen. Damit halte ich zusammen, daß die Zwerge das stille Volk genannt werden, ein Vergleich, der durch das Folgende gerechtfertigt wird.

3 De resurgentibus dicitur, quod ridere non soleant. Caesarius Heisterb. 1, 32. In Beziehung auf die geisterhafte Frau, welche Ulrich von Würtemberg er scheint, heißt es in dem alten Gedichte S. 12:

Der ritter sah die frau an,

Vil sèr er zweifeln began.

Ob si icht lachen wolte,

Des si nicht tuen wolte.

4 Nach einem schlesischen Volksliede (bei Hoffmann 1; vgl. Simrock 1) hat die schöne Hannelo sieben Jahre bei dem Wassermanne gewohnt. Sie erhält die Erlaubnis ihre Eltern zu besuchen. Als sie bei ihnen den ersten Bissen ißt, fällt ihr ein Apfel in den Schoß. Als dieser ins Feuer geworfen ist, erscheint plötzlich der Wassermann, mit dem sie aus Liebe zu ihren Kindern zurückkehrt. – Durch das Essen auf der Oberwelt gehörte sie dieser wieder an, und nur ein freiwilliger Entschluß kann sie in die Tiefe zurückführen.

5 Vgl. D. Mythol. 391. 1055.

6 Auch die irische und englische Sage berichtet, daß man in dem Lande der Elfen nichts von ihrer Speise essen, auch nicht sprechen soll, sonst muß man immer darin bleiben. Vgl. z.B. Erin 6, S. 228. 398.

7 Nur einige Stellen aus Cäsarius von Heisterbach:poculum infernale ei propinantes 12, 10. Vgl. 2. 40. 41.

8 Zu vergleichen ist auch der griechische Glaube an den Trank aus der Lethequelle, der bewirkt, daß die Seelen das irdische Leben vergessen.

9 Cäsar. Heisterb. 5, 30-33.

10 Der Zauberer steht nach dem neueren Volksglauben im Bunde mit dem Teufel, durch dessen Beistand er seine Werke vollbringt. Nach der heidnischen Ansicht bedarf er dabei der Hülfe unterweltlicher Gottheiten. Nach dem Glauben der Griechen war Hekate die Vorsteherin der Zauberei und eine Unterweltsgöttin, nach dem nordischen Freyja.

11 Die vielfachen mythischen Beziehungen des Märchens sind allerdings schon anerkannt, man ist aber bis jetzt mehr darauf ausgegangen, einzelnes Aeußerliche aus ihnen zu nehmen, als in seine Symbolik zu dringen, so einfach diese auch in vielen Fällen ist. Ein Irrthum hat auch hier gewaltet. Man sieht die Märchen zu sehr als Entstellungen von mythischen Erzählungen an, die früher ungetrübter waren. Es ließe sich leicht zeigen, daß das meistens nicht der Fall ist. Das Märchen ist dagegen oft noch in seiner jetzigen Gestalt der einfachste und ursprünglichste Ausdruck symbolischer Naturanschauungen, wie sie auch in Göttermythen vorkommen. Daher kann man es häufig als den Anfang einer Mythenbildung bezeichnen. Welche die ursprünglichen Träger dieser mythischen Anschauungen waren, das ist für das Verständnis des Märchens und die Mythologie als Wissenschaft minder wichtig, es wird sich auch in den meisten Fällen nicht ermitteln lassen. Wo es aber möglich ist, da wird es erst eine andere Art von Forschung lehren, als die jetzt herschende.

12 Z.B. Sommer M. 8. Wolf M.S. 222. Bei Meier M. 44 wird die Erlösung schon dadurch vollbracht, daß man mit den erscheinenden Geistern nicht spricht. So kann auch die Schwester ihre Brüder nur dadurch erlösen, daß sie Hemden für sie näht und sieben Jahre dabei stumm bleibt. Dagegen sind auch die weiblichen Wesen, die auf Erlösung aus der Unterwelt harren, stumm und lachen nicht. Vgl. Versuch einer mythologischen Erklärung der Nibelungensage S. 99.

13 Vgl. Nibelungensage S. 55. Erst durch die vollzogene Vermählung ist die Befreiung aus der Unterwelt vollständig. Dadurch fällt auch auf die vielen Sagen von den weißen Jungfrauen ein Licht, die durch einen Kuß erlöst werden.

14 Nibelungensage S. 61. Vgl. KM. 56. 113, auch Asbjörnsen 2, 11. S. 113.

15 KM. 113. Diesem Märchen entspricht das bei Asbjörnsen 2, 16, wo der Biß in einen Apfel dieselbe Folge hat.

16 Vgl. noch Müllenhoff S. 400, wo er seine frühere Braut küßt, und Wolf M. 294, wo er nur von seinem Pudel beleckt wird. Dann auch den Kuß, durch den Theophilus sich dem Teufel ergibt; Sommer de Theophili cum diabolo foedere S. 7.

17 Ares von H.D. Müller S. 109.

2. Die Fahrt in den Osten

II. Die Fahrt in den Osten.

Mehrere deutsche Sagen berichten von einem Helden, der lange Zeit in einem fernen Lande, gewöhnlich im Oriente, weilt. Seine zurückgelassene Gattin hält ihn für todt und will sich schon mit einem Andern vermählen; da kehrt der todt geglaubte Gemahl auf eine wunderbare Art schnell zurück und gibt sich ihr als lebend zu erkennen. Unter den Sagen, welche hierher gehören, nimmt die bekannte von Heinrich dem Löwen, deren Quellen zuletzt Gödeke in seinem Reinfried von Braunschweig (S. 75) besprochen hat, wegen ihrer Vollständigkeit die erste Stelle ein. Wir theilen sie nach dem in Maßmanns Denkmälern S. 122 gedruckten alten Gedichte von Michel Wyssenhere mit, das freilich nur ganz allgemein von einem Fürsten von Braunschweig, nicht von Heinrich dem Löwen spricht. Diesem Fürsten träumte einst, daß er das heilige Grab besuchen solle. Vergebens sucht ihn seine Gemahlin von diesem Unternehmen abzubringen. Er nimmt von ihr Abschied und läßt ihr zum Andenken die Hälfte seines Ringes. Nach vielen Abenteuern in dem fernen Oriente, die wir hier übergehn, kommt er unter das wütende Heer, wo die bösen Geister ihre Wohnung haben. Einen derselben, der ihm begegnet, beschwört er, ihm zu sagen, wie es zu Hause um sein Weib und seine Kinder stehe. Der Geist antwortet: »Braunschweig, du sollst wissen, deine Frau will einen andern Mann nehmen.« Da beschwört ihn der Fürst, daß er ihn und seinen Löwen zu seinem Schlosse bringe. Der Geist willigt unter der Bedingung ein, daß der Fürst ihm gehören solle, wenn er ihn schlafend finde, sobald er den Löwen nachbringe. Darauf führt er zuerst den Fürsten schnell durch die Luft vor seine Burg; als er mit dem Löwen kommt, findet er ihn entschlafen. Aber das Thier brüllt [389] so laut, daß der Fürst erwacht. Als er zu den Seinigen kommt, steht er da mit langen Haaren umhangen, als ob er ein wilder Mann wäre. Niemand erkennt ihn, auch seine Gattin nicht. Als diese ihm nun bei dem Hochzeitsmahle zu trinken bietet, läßt erden halben Ring in das Glas fallen, worauf sie ihn wieder erkennt und um Verzeihung bittet.

Das ist der Hauptinhalt der merkwürdigen Sage, mit welcher Wackernagel und Gödeke bereits das noch ältere Gedicht von Reinfried von Braunschweig zusammengestellt haben. Auch dort geht der Held in den Orient und läßt vorher seiner Gattin die Hälfte eines Ringes zurück. Doch ist das Gedicht unvollendet, so daß wir einen ähnlichen Schluß nur errathen können. Wir erkennen aber die Grundzüge der Sage in mehreren anderen Erzählungen wieder, die sich fast nur durch Anknüpfungen an andere Personen und Oertlichkeiten, so wie durch einige Nebenumstände unterscheiden.

Zunächst kommt die Sage von Gerhard von Holenbach in Betracht, welche Cäsarius von Heisterbach (8, 59) erzählt. Dieser verehrte den Apostel Thomas so, daß er keinem Armen, der in seinem Namen ihn um eine Gabe bat, etwas abschlug. Eines Tages bittet ihn der Teufel in Gestalt eines Pilgers in dem Namen des Apostels um gastliche Aufnahme. Er gewährt sie und gibt dem Fremden für die Nacht einen Mantel, mit dem dieser am folgenden Tage verschwunden ist. Später beschließt Gerhard nach Indien zu dem heiligen Thomas zu wallen. Bei dem Abschiede gibt er seiner Gattin die Hälfte eines Ringes und erlaubt ihr, wenn er in fünf Jahren nicht zurückgekehrt sei, sich wieder zu verheirathen. Der letzte Tag der Frist ist schon erschienen und Gerhard weilt noch in Indien. Da erblickt er den Dämon, den er früher bei sich aufgenommen hatte, in seinem Mantel. Dieser eröffnet ihm, es sei ihm befohlen, ihn vor Schlafengehens Zeit nach Hause zu bringen, weil seine Gattin im Begriffe stehe, sich mit einem Andern zu verheirathen. Er bringt ihn darauf noch an demselben Tage nach Deutschland zurück. Gerhard tritt wild aussehend (sicut barbarus) in sein Haus, wirft seiner Gattin, welche mit dem zweiten Gemahle zusammen ißt, die Hälfte des Ringes in ihren Becher, worauf diese ihn erkennt und den neuen Verlobten entläßt.

Hieran schließt sich zunächst die Sage von dem edeln Möringer, die mit der vorigen sehr übereinstimmt. Nur bleibt der Möringer sieben Jahre aus und kehrt auf eine andere Art zurück, als seine Gattin sich eben mit dem Herrn von Neufen vermählen will, dessen Obhut sie [390] empfohlen war. Von dieser Gefahr benachrichtigt ein Engel den Möringer im Traume; als er aufwacht, befindet er sich in der Nähe seiner Burg. 1

In Schwaben findet sich eine andere Form der Sage (Meier M. 61), die sich zu einem Märchen gestaltet hat. Ein Herr von Bodmann reist bis an das Ende der Welt, nachdem er vorher seine Frau gebeten hat, sieben Jahre lang auf ihn zu warten. Er kommt zuletzt in einer großen Wüste an einen Platz, der mit einer hohen Mauer umgeben ist. Er läßt seinen Bedienten hinauf steigen, welcher aber, als er in das Land hinter der Mauer sehen kann, nur mit der Hand winkt und verschwindet. Sein Kutscher macht es eben so, weil hinter der Mauer der Paradiesgarten war. Der Herr bleibt nun allein zurück und kommt zu einem kleinen Hause, in welchem ein Menschenfresser, das Nebelmännle genannt, wohnt. Dieser verkündigt ihm, daß seine Frau im Begriff stehe, mit einem Andern Hochzeit zu halten und bringt ihn durch die Luft in einer Nacht in die Heimat. Als er in seine Burg kommt, er kennt ihn Niemand, selbst seine Gattin nicht, bis er sich durch seinen Trauring zu erkennen gibt. Damit stimmt die Sage, welche Gottschalk in seinen deutschen Volksmärchen (1, S. 136) von einem schwäbischen Herrn, Kuno von Falkenstein erzählt. Nur wird dieser von dem Teufel fortgebracht, der die Gestalt eines Löwen angenommen hat. Wenn er auf der Fahrt einschläft, so soll er dem Teufel gehören, aber er wird durch einen Falken wach gehalten. In der Form, in welcher Meier (N. 362) dieselbe Sage gibt, kommt weder die Ringscene, noch auch die Paradiesmauer vor.

In andern Sagen nimmt Ungarn die Stelle der fernsten Länder des Orients ein. So zunächst wieder in einer schwäbischen (Meier 373. D.S. 525). Graf Ulrich von Buchhorn, aus dem Geschlechte Karls des Großen und mit einer Nichte Heinrichs des Vogelstellers vermählt, zieht in den Krieg mit den Ungarn, wird aber von den Feinden gefangen genommen und nach Ungarn geführt. Seine Gemahlin, die ihn für todt hält, geht in ein Kloster. Ulrich kehrt in zerlumpten Kleidern als Bettler zurück, bis er erkannt und mit seiner Gemahlin wieder vereinigt wird. Aber nicht nur an einen Nachkommen Karls, sondern auch an ihn selbst hat sich die Sage geheftet. Als Karl nach Ungarn zieht, gelobt er seiner Gemahlin in zehn Jahren heimzukehren; [391] wäre er nach Verlauf dieser Zeit nicht wieder da, so solle sie seinen Tod für gewis halten. Werde er aber durch einen Boten seinen goldenen Ring senden, dann möge sie auf alles vertrauen, was er ihr durch diesen entbieten lasse. Als er neun Jahre ausgeblieben ist, reden die Großen des Landes der Kaiserin so lange zu, bis sie verspricht einen andern Gemahl zu nehmen. Schon soll die Hochzeit in drei Tagen gefeiert werden, als ein Engel dem Kaiser verkündet, wie es zu Hause steht. Er reitet nun auf zwei starken Rossen von Ungarn nach Aachen. Dort setzt er sich in den Dom, wo er zuerst durch seine Erscheinung Schrecken erregt, aber bald erkannt wird 2. In der spanischen Sage, welche Grimm (D. Mythol. 980) anführt, reitet Karl auf einem Teufel, der sich in ein Pferd verwandelt hat, in einer Nacht aus dem Morgenlande nach Frankreich.

Eine schwäbische Sage, die noch hierher gehört (D.S. 524. Meier 369), weicht in einigen Punkten von den übrigen Erzählungen ab. Ein Graf Hubert von Calw verläßt seine Gattin, wandert in schlechter Kleidung nach der Schweiz und wird dort in einem Dorfe Hirt. Obgleich unter seiner Aufsicht das Vieh gut gedeiht, so setzen ihn doch die Bauern ab, weil es sie verdrießt, daß er immer auf demselben Berge weidet. Er geht nach Calw zurück, wo seine Frau eben mit einem Andern Hochzeit hält. Er erbittet sich von ihr einen Becher Wein, läßt in diesen seinen goldenen Trauring fallen und kehrt dann in sein Dorf zurück, wo ihm das Vieh wieder anvertraut wird.

Dagegen finden wir außerhalb Deutschland Sagen wieder, welche in den Hauptzügen mit den übrigen stimmen. Bosquet S. 463. 469 gibt drei entsprechende Erzählungen aus der Normandie. Eine, die wir besonders hervorheben, berichtet von einem Herrn von Baqueville, der einen Kreuzzug mitmacht und von den Saracenen gefangen wird. Als er fast sieben Jahre in der Sklaverei zugebracht hat, gelobt er dem heiligen Julian eine Kirche zu bauen, wenn er ihn aus dem Elende errette. Er schläft darauf ein. Als er nach einigen Stunden erwacht, findet er sich vor seinem Schlosse, wo seine Gattin, die ihn für todt [392] hält, sich eben wieder verheirathen will. Er gibt sich ihr durch die Hälfte eines Ringes zu erkennen, dessen andere er ihr bei seiner Abreise zurückgelassen hatte. Dann erzählt Boccaccio im Decameron von einem italienischen Edelmanne, der durch einen Schwarzkünstler schnell aus dem Oriente nach Pavia zurückgebracht wird, wo seine Gattin eben einen Andern heirathen will. Auch hier gibt sich der für todt Gehaltene durch einen Ring zu erkennen.

Daß nun alle diese Erzählungen ungeachtet der wechselnden Oertlichkeiten, ungeachtet der verschiedenen Träger der Begebenheiten und der abweichenden Gestaltung im Einzelnen in den Hauptpunkten stimmen und auf einen gemeinsamen Ursprung hinweisen, ist so deutlich, daß wir es nicht ausführlich zu beweisen brauchen. Ehe wir aber auf ihre Erklärung weiter eingehn, wollen wir noch auf einige Sagen, zum Theil nur Nachklänge, aufmerksam machen, die in einigen Zügen mit den mitgetheilten stimmen.

Hier wollen wir nun die mancherlei Geschichten von Leuten, die von dem Teufel durch die Luft in ferne Gegenden geführt wurden oder mit Hexen eine weite Luftfahrt machten, außer Acht lassen; auch die häufig wiederkehrenden Erzählungen von den Venetianern (oben S. 367), die durch ihre geheime Kunst bewirkten, daß Menschen in kurzer Zeit von Deutschland nach Venedig und von da wieder zu Hause kamen, wollen wir nur eben erwähnen. Dagegen mag hier eine ältere Sage eine Stelle finden. Die deutsche Sage erzählt von dem alten Hildebrand, der von Frankreich vertrieben mit Dietrich von Bern zu Etzel flieht. Nachdem er über dreißig Jahre in der Verbannung gelebt hat, kehrt er zurück. Er kämpft mit seinem Sohne Hadubrand, überwindet ihn, und wird von diesem zu seiner Gemahlin Uote geführt, der er sich durch einen goldenen Ring zu erkennen gibt.

Aus neuerer Zeit kommen zwei Sagen in unserer Sammlung in Betracht. Nach N. 52 wird ein Landgraf von Hessen von dem Teufel aus dem Thurme, in welchem er gefangen saß, befreit und schnell in sein Land zurückgeführt, an dessen Grenzen man ihn nicht erkennt, weil er von der langen Gefangenschaft wie ein gemeiner Mann oder wie ein Bettler aussieht. N. 168 erzählt von Herzog Erich, der sich auf dem Reinhardswalde verirrt hat und von dem Teufel in Gestalt eines Löwen in kurzer Zeit nach Münden geführt wird. Noch macht Hocker in W. Zeitschrift 1, 305 auf mehrere Sagen aufmerksam, wo Ritter, die sich in der Gefangenschaft der Heiden befanden, schnell auf wunderbare Weise in die Heimat geführt werden, womit man auch [393] Schöppner 1076 vergleiche. Die baierische Sage (das. 1327) weiß selbst noch von einem Bauern in Ochsenfurt zu erzählen, der von den Franzosen im Jahre 1812 gewaltsam von seinem Dorfe nach Rußland geführt wurde. Nachdem er eines Abends ein frommes Gelübde gethan hat, findet er sich am Morgen darauf zu Hause in seinem Bette.

Mehrere der mitgetheilten Sagen, wenn auch nicht alle, sind bereits von andern zusammengestellt, namentlich von J. Grimm und J. Wolf 3. Diese haben ein besonderes Gewicht auf Saxos Erzählung (1, 12) von Hading gelegt, der von Odhinn in seinen Mantel gehüllt und über das Meer geführt wird, und daraus den Schluß gezogen, daß in den deutschen Sagen der Teufel an die Stelle von Wuotan getreten sein mochte. Dieses Resultat ist an und für sich sehr dürftig, da es weder auf die Bedeutung des Teufels noch auf das Wesen des heidnischen Gottes Licht wirft. Es würde in diesem Falle nur ein Beleg für den hinlänglich bekannten Satz gewonnen sein, daß in christlichen Zeiten heidnische Träger von Sagen in andere verwandelt werden musten, woraus man aber noch nicht auf irgend eine Uebereinstimmung der Wesen schließen darf. Die Vermutung erläutert auch keineswegs unsere Sagen hinlänglich und ist unsicher, weil es nicht gewis ist, ob Saxos Erzählung, die undeutlich und abgerissen da steht, mit den übrigen identisch ist. Hocker hat wenigstens mit eben so viel Recht oder Unrecht in W. Zeitschr. 1, 305 angenommen, daß die Göttin Freyja ursprünglich die Helden aus dem Oriente zurückgebracht habe 4. Vor allen Dingen ist es wunderlich, daß man glaubt viel vollständigere und in sich verständliche deutsche Sagen durch unverständliche Bruchstücke nordischer erklären zu können und dabei auf Nebenpunkte das einzige Gewicht legt, die für die Forschung kaum in Betracht kommen. Ob derjenige, welcher den Helden zurückführt, Wuotan oder ein Nebelmännchen, welches Wolf in seltsamster Weise zu Wuotan macht, ob es ein Teufel, ein Engel oder Maria ist, darauf kommt zunächst nichts an. Wir hoffen dagegen zu zeigen, daß der Zurückkehrende Wuotan ist, und daß sich ein bedeutender Mythus von ihm durch verschiedene historische Anknüpfungen erhalten hat.

[394] Daß solche historische Anknüpfungen in unsern Sagen statt finden, ist klar. Die Kriege Karls des Großen mit den Avaren sind bekannt, eben so die Wallfahrt Heinrich des Löwen nach dem heiligen Lande, und die Gefangenschaft Philipps des Großmüthigen von Hessen. Auch wo solche historische Anknüpfungen nicht bekannt sind, können sie doch statt gefunden haben. Aber wir wissen auch eben so gut, daß mehrere Züge in unsern Sagen der Geschichte zuwider sind; wir wissen namentlich, daß die Gemahlinnen von Karl dem Großen und Heinrich dem Löwen sich nicht während der Abwesenheit ihrer Gemahle mit Andern verlobten. So gern wir also auch der Geschichte ihr Recht lassen, werden wir nicht etwa annehmen, daß die Sagen hier geschichtliche Züge bewahrt haben, die wir in historischen Quellen vergebens suchen, oder daß die Erzählung von der Untreue der Frau und ihrer Rückkehr zu dem ersten Gatten, die bei den verschiedensten lokalen und persönlichen Anknüpfungen dieselbe stehende Form zeigt, nur ein bedeutungsloser ausschmückender Zusatz sei. Wir erkennen vielmehr in den oben mitgetheilten Sagen eine gemeinsame mythische Grundlage, die in ihrer ursprünglichen Fassung etwa so gelautet haben mag: Ein Held verläßt seine Gattin und verweilt eine Reihe von Jahren in der Unterwelt. Während seiner Abwesenheit verlobt oder vermählt sich (beides ist mythologisch einerlei) seine Gattin mit einem Andern. Der erste Gemahl kehrt zurück, gibt sich zu erkennen und verdrängt seinen Nebenbuhler.

Mit dieser Fassung haben wir, um zugleich die Erklärung anzudeuten, nur einen Zug der Sagen verändert; wir haben statt der fernen Länder, in welche der Held zieht, geradezu die Unterwelt als Reiseziel hingestellt, und müssen natürlich nun diesen Punkt zunächst mythologisch beweisen.

Zur Führung dieses Beweises ist ein Zug von besonderer Bedeutung, der in vielen der oben angeführten Sagen wiederkehrt. Der heimkehrende Held wird nicht wieder erkannt. Der Grund davon wird entweder seinem Aussehen im allgemeinen zugeschrieben, – Heinrich der Löwe sieht aus wie ein wilder Mann, Gerhard von Holenbach sicut barbarus –, oder er wird von ihrem schlechten Anzuge hergeleitet, in dem sie als Pilger oder Bettler erscheinen. Es läßt sich nun aber zeigen, daß nach einer alten symbolischen Anschauung diejenigen, welche die Unterwelt besucht haben, so entstellt sind, daß die Ihrigen sie nicht wieder erkennen. Den deutlichsten Beleg für diesen Glauben gibt Saxo. Als Thorkill auf Befehl des Königs Gorm, der von dem Zustande der Seelen nach dem Tode genaue Kunde zu haben wünschte, [395] in den Aufenthaltsort des Uparthilokus (Loki) gedrungen und glücklich wieder zurückgekehrt war, zeigte sich, daß sein Aussehen so entstellt war, daß ihn selbst seine Freunde nicht wieder erkannten 5.

Der natürliche Grund dieser Anschauung liegt darin, daß der Tod dem Menschen das Aussehen nimmt, welches er bei gesundem Leibe hatte. Kehrt also ein Todter wieder, so ist ihm der Stempel des Todes aufgedrückt, sein Gesicht ist bleich und entstellt. In dieser Weise lassen denn auch die Sagen Todte häufig wieder erscheinen. Wir geben nur einige Beispiele aus Cäsarius von Heisterbach. Ein Todter erscheint bleich und hager (12, 25), oder pallidus, exilis, macilentus, in veste pulla (2, 2), oder facie lurida et veste trita (3, 24). Bemerkenswerth ist hier noch, daß der Todte auch in einem alten Kleide erscheint, wie die Helden, welche aus dem Oriente zurückkehren. Es scheint das ein Ausfluß des alten Glaubens zu sein, welcher das Leben in der Unterwelt als ein ödes und trauriges schildert.

Natürlich wird dieselbe Vorstellung auch auf Wesen übertragen, die mit Tod und Unterwelt zusammenhängen. Der Tod selbst erscheint als ein langer hagerer Mann mit blassem, eingefallenem Gesichte (Harrys 1, 3. Pröhle M. 13). Verwünschte Jungfrauen und die weißen Frauen sind blaß oder fahl (ob. S. 81. Bechstein Thür. S. Fränk. S. 64). Ich halte damit den eddischen Glauben zusammen, daß auch die Zwerge ein fahles Gesicht haben. Thorr sagt zu dem Zwerge Alwis: »Wer bist du? Wie so bleich um die Nase? Hast du bei Leichen gelegen?«

Wenn also die Helden aus dem Oriente in einer solchen Gestalt zurückkehren, daß die Ihrigen sie nicht erkennen, so kommt das daher, daß sie eigentlich in der Unterwelt gewesen sind. Wir dürfen an dieser Erklärung um so weniger zweifeln, da derselbe Zug sich auch in vielen analogen Fällen aus der deutschen Sage nachweisen läßt. Menschen, welche in die Gesellschaft von Todten oder Geistern, namentlich in dem Innern der Berge, gerathen sind, kommen bleich und entstellt zurück, oder sind, ohne daß sie es wissen, so lange ausgeblieben und während der Zeit so gealtert, daß Niemand sie kennt. Hierher gehören mehrere Sagen, die wir bereits in der ersten Abhandlung benutzt haben. Der Freiherr von Simmern (D.S. 528), welcher die Geistergesellschaft in [396] dem Schlosse gesehen hatte, ist bei seiner Rückkehr so verändert und entstellt, daß man ihn fast nicht wieder erkennt. Ungeachtet er ein noch junger und frischer Mann war, hatte ihn doch Schrecken und Bestürzung zu einem eisgrauen umgestaltet, indem Haupthaar und Bart schneeweiß waren. Der Todtengräber, der bei dem Todten zu Gaste gewesen war (Müllenhoff 236), wird nach seiner Rückkehr nicht erkannt, weil er sechshundert Jahre ausgeblieben ist, die ihm wie eine Stunde vorkamen. Das im Kiffhäuser bewirthete Brautpaar (Bechstein, Thür. S. 4, S. 23) wird gleichfalls nicht erkannt, weil es zweihundert Jahre im Berge geblieben ist. Aehnliches widerfährt einem Hirten (das. S. 29), der im Kiffhäuser getrunken hat. Daneben kommen auch Sagen vor, wo Menschen in verrufene Berge gehen, und, ohne daß sie mit Geistern in Berührung kommen, entweder todtbleich zurückkehren oder nicht erkannt werden, weil sie lange ausgeblieben sind 6. Das zeigt denn zugleich wieder, daß das Innere der Berge für die Unterwelt gilt. Eine deutliche Analogie dazu gibt Pröhle M. 25, wo zwei Leute fünfhundert Jahre auf dem grünen Platze vor der Hölle gewesen sind.

Aehnliches widerfährt denjenigen, die in die Behausung der Zwerge kommen, weil diese unterweltliche Wesen sind. Ein Mädchen, welches bei den Zwergen gegessen und getrunken hat, wird bei der Rückkehr nicht wieder erkannt, weil es dreihundert Jahre bei ihnen verweilt hat (Colshorn S. 115. 116). Damit vergleiche man noch Nd. S. 220, dann D.S. 151, wo eine Frau ihrer Meinung nach eine Nacht in der Behausung des Hans Heiling zugebracht hat, aber hundert Jahre ausgeblieben ist.

Noch deutlicher kehrt der symbolische Zug der Entstellung in solchen Sagen wieder, wo Leute in die Hölle oder in Gemeinschaft mit dem Teufel gekommen sind. Cäsarius von Heisterbach theilt mehrere hierher gehörige Erzählungen mit. Nach 1, 34 (vgl. D.S. 554) führt der Teufel einen Zauberer, nachdem er versprochen hat ihn unverletzt wieder zurückzubringen, in die Hölle und zeigt ihm dort die Seele des Landgrafen Ludwig von Thüringen. Der Zauberer ist nachher so bleich, daß man ihn kaum erkennt (ita pallidus et languidus [397] rediit, ut vix agnosceretur). Nach 5, 3 bleibt ein Schwarzkünstler, der den Teufel citiert hat, von der Zeit an bleich, und dasselbe widerfährt (5, 4) einem Manne, der von dem Teufel aus einem Zauberkreise geholt ist. Sein Gesicht ist nachher ita macer et pallidus, color tam immutatus, ut hora eadem a sepulcro videretur resuscitatus. Durch die Resultate der vorhergehenden Abhandlung und die eben verglichenen Sagen ergibt sich auch hier eine sichere Analogie zwischen der Hölle und der heidnischen Unterwelt, und es wird nun nicht befremden, sondern unsere Bemerkung nur bestätigen, wenn auch diejenigen, welche den Aufenthalt der Seligen geschaut haben, ein verändertes Aussehen bekommen. Nur tritt hier der leicht zu erklärende Unterschied hervor, daß diese nachher schöner sind. Es wird von einem Herzoge erzählt, der bei Lebzeiten in das Paradies gelangte, und so schön zurückkehrte, daß man ihn nicht wieder erkannte 7.

Wir könnten diesen bedeutenden Zug noch weiter in vielen Märchen nachweisen. Da wir aber, weil er hier oft ganz eigenthümliche Formen angenommen hat, in den Zusammenhang derselben weiter eingehn müssen, so setzen wir sie bei Seite und machen nur noch darauf aufmerksam, daß auch nach der griechischen Sage Odysseus in einer unkenntlichen Gestalt und zwar in der eines alten Bettlers aus der Unterwelt zu Penelope zurückkehrt, womit wir schon früher verglichen haben 8, daß nach deutschen Märchen die Helden, welche verwünschte Jungfrauen befreit haben, als Bettler kommen, um sich mit ihnen zu vermählen.

Man wird hiernach nun schon mit einiger Sicherheit annehmen dürfen, daß jene manigfaltigen und doch in vielen Punkten übereinstimmenden Sagen von Fürsten und andern Herren, die aus fernen Ländern unkenntlich oder als Bettler zurückkehren, den oben in seinen Grundzügen angegebenen Mythus von der Rückkehr eines Helden aus der Unterwelt und seiner Wiedervereinigung mit seiner Gattin in sich aufgenommen haben. Wir fügen aber noch andere Beweise hinzu.

Es würde natürlich unsere Ansicht bedeutend unterstützen, wenn sich nachweisen ließe, daß dieser Mythus, wie wir ihn angenommen haben, in der deutschen Sage auch ohne historische Anknüpfungen für sich vorkommt. Dadurch würde sich nicht allein für die obigen Sagen eine deutliche Abscheidung der mythischen und der damit verbundenen [398] geschichtlichen Elemente ergeben, sondern es würde auch gewis werden, daß ein solcher Mythus wirklich früher in Deutschland bestand. Wir finden zwei Erzählungen, welche mit den früher mitgetheilten in den als mythisch angenommenen Punkten stimmen, aber sich weder an eine historische Persönlichkeit knüpfen, noch auch ein wirklich vorhandenes Land als Reiseziel hinstellen. Vielmehr wird dieses, wenn gleich in mythischer Hülle, als die Unterwelt bezeichnet.

Die eine Erzählung, welche sich bei Baader 405 findet, ist freilich auf den ersten Blick unscheinbar. Auf einem Berge bei Wertheim lag ehemals ein stattliches Schloß, das vor alten Zeiten wegen der Hartherzigkeit der letzten Besitzerin in die Tiefe des Berges versank. Zu dem tiefen Schachte, der auf dem Burgplatze geblieben ist, kam einst ein Schäfer und gelangte auf den Grund desselben. Er befand sich da in einer hellen leeren Stube, und als er weiter ging, kam er noch in einige solche Zimmer. Endlich begegnete ihm eine kleine alte Frau und führte ihn durch viele prächtige Gemächer mit kostbarer Einrichtung in eines, das voll Todtenköpfe und Todtengerippe war, und von da in einen schönen Garten, worin sie ihn allein ließ. Hier muste er, da er keinen Ausgang mehr fand, längere Zeit bleiben, während welcher die Frau oft zu ihm kam und ihn mit köstlichen Speisen und Getränken bewirthete. Endlich entdeckte er einen unterirdischen Gang und gelangte durch ihn am Fuße des Berges ins Freie. Als er nach Hause kam, wollte seine Frau gerade Hochzeit machen. Sie hatte ihn längst für todt gehalten; denn nicht sieben Tage, wie er geglaubt, sondern sieben ganze Jahre war er im Berge gewesen. Während dieser Zeit war ihm der Bart bis zum Gürtel gewachsen. – So weit die Sage, die, wie man sieht, in den für mythisch erklärten Punkten mit den übrigen stimmt. Der Schäfer verläßt seine Frau und kehrt nach sieben Jahren zu ihr zurück, als sie eben mit einem Andern Hochzeit machen will. Er ist aber keine bekannte historische Persönlichkeit und man wird hier die Sage nicht aus einer wirklich vorgefallenen Begebenheit herleiten wollen. Der Schäfer geht auch nicht in ferne Länder, sondern in die Tiefe eines nahen Berges, welche sich dadurch auch hier als Unterwelt darstellt, daß er darin von einer geisterhaften Frau bewirthet wird. Als er zurückkehrt, ist er so gealtert, daß sein Bart bis zum Gürtel reicht, worin wir eine Form des symbolischen Zuges der Entstellung erkennen 9.

[399] In der zweiten hierher gehörigen Erzählung erscheint die Unterwelt, welche in der ersten in die Tiefe eines Berges verlegt wird, wieder als die Hölle. Sie ist ein Märchen, das sich in zwei oder drei Formen erhalten hat. Ein Soldat, so lautet die erste (KM. 100. vgl. Meier M. 74), dient sieben Jahre lang bei dem Teufel in der Hölle, welcher ihm verbietet, sich während der Zeit zu waschen, zu kämmen, seine Nägel und Haare zu schneiden und das Wasser aus den Augen zu wischen. Der Soldat befolgt das Verbot, und die sieben Jahre in der Hölle werden ihm so kurz, als ob er nur ein halbes darin gewesen wäre. Dann kehrt er in seiner gräßlichen Gestalt, aber mit Schätzen beladen auf die Oberwelt zurück. Später wäscht ihn der Teufel, so daß er nun wieder wie ein Mensch aussieht. Darauf zieht er in einem schlechten Leinenkittel umher und macht Musik, die er bei dem Teufel gelernt hat (oben S. 357). Er erfreut damit einen König so sehr, daß dieser ihm seine älteste Tochter zur Gattin verspricht. Als diese ihn als einen gemeinen Mann verschmäht, heirathet er die jüngste. In der zweiten Form (KM. 101) stellt der Teufel seinem Diener, der auf der Oberwelt bleibt, nur die Bedingung, daß er sich in sieben Jahren weder waschen noch kämmen und beständig nur einen Rock tragen soll, aus dessen Taschen er aber Gold nach Belieben nehmen kann. Im vierten Jahre, wo sein Gesicht schon ganz mit Schmutz bedeckt ist, und er wie ein Ungeheuer aussieht, befreit er einen Mann aus den Händen eines harten Gläubigers, der ihm dafür eine seiner Töchter verspricht. Die beiden ältesten weisen ihn wegen seines abscheulichen Aussehens zurück, und er verlobt sich mit der jüngsten. Weil er aber noch drei Jahre zu wandern hat, verläßt er seine Braut und gibt ihr die Hälfte eines Ringes mit der Bitte, die drei Jahre auf ihn zu warten; komme er dann nicht wieder, so sei er todt. Als die Zeit verstrichen ist, reinigt ihn der Teufel, und er wird nun so schön, daß ihn seine Braut nicht wieder erkennt. Er gibt sich durch die Ringhälfte zu erkennen und vermählt sich. Mit diesem Berichte stimmt ein dritter unvollständigerer bei Müllenhoff S. 577 in mehreren Hauptzügen [400] überein, wo nur richtiger (was sich freilich mythologisch von selbst ergibt) der Bursche bei dem Teufel in der Hölle dient. Die dritte der Schwestern erklärt sich bereit, ihn ungeachtet seines schwarzen Aussehens zu heiraten, wenn er sich gewaschen und sauber gemacht habe.

Es ist nun klar, daß alle drei Formen nur Variationen eines und desselben Märchens sind. Ohne auf die wahrscheinliche ursprüngliche Gestalt desselben einzugehn, bemerken wir nur, daß die Grundzüge dieser Erzählung, die ohne alle historischen Anknüpfungen da steht, wieder mit den als mythisch angenommenen Hauptpunkten der Sagen stimmen, denen diese Untersuchung gewidmet ist. Der Held ist verlobt, er verläßt seine Verlobte, er weilt sieben Jahre in der Hölle, oder ursprünglich, wie als erwiesen anzusehen ist, in der Unterwelt, wird durch den Aufenthalt daselbst entstellt 10 und von seiner Verlobten (freilich in einem andern Zusammenhange) nicht erkannt. Selbst die Ringscene findet sich wieder. Es fehlt nur der Zug, daß die Braut oder die Frau sich während der Abwesenheit ihres Gemahls einem Andern ergibt. Dagegen läßt sich die Dienstbarkeit in der Hölle mit den oben mitgetheilten Sagen von dem Grafen Hubert von Calw vergleichen, der während der Trennung von seiner Gattin als Hirte (wie Apollo) die Rinder weidet.

Können wir es nun auch schon als gewis ansehen, daß sich an verschiedene berühmte Männer der christlichen Vorzeit ein heidnischer Mythus angesetzt hat, nach dem ein Held von seiner Gemahlin getrennt lange Zeit in der Unterwelt weilt, so entsteht doch die Frage, wie es kam, daß die Fahrt in die Unterwelt später als eine Reise in ferne Länder des Ostens aufgefaßt wurde. Dazu wirkten einmal die mit dem Mythus verbundenen geschichtlichen Begebenheiten, dann wieder der auch sonst nachweisbare alte Glaube, der den Eingang in die Unterwelt oder diese selbst an die äußersten Grenzen der Erde versetzt. Wir sehen hier von nordischen und entsprechenden griechischen Sagen ab und bemerken nur, daß noch in spätern deutschen Volkssagen, wie Wackernagel trefflich gezeigt hat 11, England oder die britischen Inseln, vor der Entdeckung Amerika's die äußersten Länder des Westens, als die Unterwelt erscheinen. Natürlich konnte sich eben so gut mit den äußersten Ländern [401] im Osten, mochte man nun Ungarn, Palästina oder Indien als solche ansehen, dieselbe Vorstellung verbinden. Daß das auch wirklich geschah, verrathen noch einige Züge in unsern Sagen. Der Herr von Bodmann kommt im äußersten Osten an die Mauer, welche das Paradies umgibt; Heinrich der Löwe aber geräth unter das wütende Heer, welches nach einer Auffassung ein Todtenzug ist (altd. Rel. 202). Dieses wütende Heer zieht nach einer normännischen Sage (Bosquet S. 33), die wir, weil sie in unsere Untersuchung eingreift, noch mittheilen, allnächtlich nach dem Oriente. Herzog Richard I. von der Normandie findet eines Abends in dem Walde von Moulineaux die mesgnie Hellequin oder mesgnie de Charles Quint, das wilde Heer, in welchem er auch einen seiner gestorbenen Bekannten bemerkt. Der Führer der Schaar sagt ihm, daß sie jede Nacht gegen die Saracenen kämpfen müsten, bei Tagesanbruch aber zurückkehrten. Er nimmt Richard mit, läßt ihn jedoch bei der Kirche der heiligen Katharina auf dem Berge Sinai, wo er sein Gebet verrichten will, zurück. Darauf trifft dieser in einer der heiligen Jungfrau gewidmeten Kapelle einen seiner Ritter, der schon sieben Jahre in der Gefangenschaft der Sarazenen ist. Der Herzog verkündet ihm, daß seine Frau, die ihn für todt halte, in drei Tagen wieder heirathen wolle. Da gibt ihm der Ritter die Hälfte seines Trauringes und bittet ihn, diesen seiner Frau als Zeichen, daß er noch lebe, zu überbringen. Die mesgnie kommt darauf wieder und der Herzog kehrt noch vor Tagesanbruch nach der Normandie zurück. Der Ritter wird durch seine Vermittelung aus der Gefangenschaft befreit.

Mit der normännischen Sage stimmt nun in den Hauptzügen eine Erzählung in dem Gedichte von Thedel von Walmoden 12, die zwei uns schon bekannte auf die Unterwelt bezügliche Symbole enthält und uns wieder auf Heinrich den Löwen führt. Thedel ging einst mit seinem Schreiber auf die Jagd. Da sah er einen berittenen Haufen kommen, Verstorbene seiner Heimat, voran ein schwarzer Mann auf einem schwarzen Pferde, der der Böse war. Einer aus dem Zuge fragte ihn, ob er mit ihnen zum heiligen Grabe wolle, so möge er hinten aufsitzen; er dürfe aber mit dem Schwarzen nicht reden; also könne er das schwarze Pferd gewinnen. Thedel schwang sich in Gottes Namen hinter den Reiter; sie setzten über das Meer und kamen bald in [402] die heilige Stadt. Dort trifft er Heinrich mit seinem Löwen und verkündet ihm, daß seine Gemahlin sich wieder vermählen wolle. Der Herzog gibt ihm Briefe in die Heimat mit, worauf Thedel wieder mit dem Reiterzuge zurückkehrt. Er widersteht den Versuchungen des Teufels schweigend und wachend, worauf ihm dieser das schwarze Pferd schenkt. Als er wieder auf den Platz kommt, wo ihm der Zug zuerst begegnet ist, findet er den Schreiber, der vor Unruhe und Angst grau geworden ist.

Diese Erzählung von Thedel von Walmoden gehört wahrscheinlich zu einer ursprünglicheren Fassung der Sage von Heinrich dem Löwen, wovon das alte Gedicht noch eine Spur in dem Zuge erhalten hat, daß der Herzog durch einen Geist aus dem wütenden Heere Nachricht aus der Heimat erhält. Sollte das aber auch nicht sein, so ist sie doch für uns merkwürdig genug. Die Todten reiten nach dem heiligen Lande, das also als die Unterwelt aufgefaßt wird. Dort wird Heinrich der Löwe zurückgehalten und erfährt von einem Lebenden, der mit den schnell reitenden Todten dahin gekommen ist, sich aber der Macht der Unterwelt durch Schweigen und Wachen entzogen hat, die bevorstehende Verheirathung seiner Gemahlin.

Wir haben jetzt für unsere Ansicht Beweise genug, obgleich wir sie durch Vergleichung anderer Sagen noch vermehren könnten. Die in manigfachen Formen wiederkehrende Erzählung von einem Helden, der in den Osten geht und nach einer Reihe von Jahren zu der Zeit zurückkehrt, wo seine Gattin sich eben mit einem Andern verheirathen will, ist also ursprünglich ein Mythus von einer Fahrt in die Unterwelt. Der Träger dieses Mythus war in heidnischen Zeiten ein Gott, und zwar kein anderer als Wuotan, der höchste der deutschen Götter. Diese Behauptung wird befremden; sie wird aber durch Beweise unterstützt werden, die hoffentlich triftiger sind, als diejenigen, durch welche man den bärtigen Friedrich Barbarossa zu Wuotan oder Donner oder den kölnischen Ritter Hermann Gryn zu Zio gestempelt hat.

Zunächst machen wir darauf aufmerksam, daß die Grundzüge des Mythus sich fast bei allen deutschen Stämmen nachweisen lassen. Jeder hat ihn in seinen Wohnsitzen localisiert und allenthalben zeigt sich bei der Uebereinstimmung im allgemeinen eine besondere individuelle Färbung. Das ist ein Zeichen, daß der Mythus nicht etwa erst in späterer Zeit von einem Stamme zum andern getragen ist, sondern schon früh Gemeingut war. Wir finden ihn, mehr oder weniger vollständig, bei den Gothen, Schwaben, Baiern, Franken, Hessen und [403] besonders bei den Niedersachsen; außerhalb Deutschland noch in der Normandie, dann in Italien, wohin er durch die Gothen oder Longobarden gebracht sein kann. Er wird also darnach von einem bedeutenden und allgemein verehrten Gotte gegolten haben. Auch wird der Mythus besonders an berühmte regierende Häupter und Stammesfürsten angeknüpft, an Karl den Großen, Heinrich den Löwen, oder solche Edele, welche mit ihnen verwandt sind, wie der Herr von Buchhorn aus dem Geschlechte Karls des Großen und mit einer Nichte Heinrichs I. vermählt ist. Das führt wieder auf Wuotan, der nach der Edda der Gott der Fürsten ist, von dem die angelsächsischen Könige ihren Stammbaum ableiteten. Diese Gründe müssen in Anschlag gebracht werden, haben aber natürlich nur eine äußerliche Geltung. Unsere Ansicht würde erst dann Gewisheit bekommen, wenn wir einen Mythus von Wuotan oder doch dem nordischen Odhinn nachweisen könnten, der in den Grundzügen mit unsern Sagen stimmt. Dieser findet sich zunächst bei Saxo und zwar doppelt, in zwei Erzählungen von Odhins Verbannung.

Dieser Schriftsteller berichtet S. 13 Folgendes. Frigg ließ von der goldenen Bildsäule ihres Gemahls durch zwei Schmiede Gold entwenden, um geputzter einher gehn zu können. Odhinn läßt die Thäter an den Galgen hängen, setzt das Bild auf ein Gestell und verleiht ihm Sprache. Aber seine Gemahlin gibt sich einem Diener hin (uni familiarium se stupro subjecit), der für diesen Lohn das Bild zerstört, dessen Gold sie für sich verwendet. Aus Verdruß geht Odhinn freiwillig in die Verbannung. Während seiner Abwesenheit macht sich ein Zauberer, ein gewisser Mitodhinn, zum Gotte, der aber, als der wirkliche zurückkehrt, entflieht und getödtet wird. Wer sich seinem Grabe nahte, wurde schnell vom Tode weggerafft, und das hörte nicht eher auf, bis ein Pfahl durch die Brust des Leichnams getrieben war.

Die Erzählung ist so wunderlich, daß wir mit Sicherheit nur folgende unsern Sagen entsprechende Züge daraus entnehmen können: Frigg ist untreu, Odhinn verläßt sie, während dieser Zeit herscht ein Anderer an seiner Stelle, den wir zugleich als ein Tod und Verderben bringendes Wesen kennen lernen. Doch läßt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit dieser ursprüngliche Zusammenhang des Mythus aufstellen, daß Odhinn sich entfernt und das Frigg mit einem Andern, der seine Stelle einnimmt, während dieser Zeit buhlt 13.

[404] Daß diese Auffassung des Mythus die richtige ist, bestätigen Andeutungen, die sich an denselben in andern Quellen erhalten haben. In der ältern Edda (Säm. 63 b) beschuldigt Loki die Frigg, daß sie mit Vili und Ve, den Brüdern Odhins gebuhlt habe, und die Inglingasaga berichtet (C. 3), daß während einer langen Abwesenheit Odhins seine Brüder Vili und Ve herschten und seine Rechte auch bei Frigg einnahmen, bis jener zurückkehrte. Saxo weicht besonders darin ab, daß er nur einen Nebenbuhler, den Mitodhinn, hervorhebt, und das wird das Richtigere sein.

Bei dieser Auffassung des Mythus fehlt nur ein Beweggrund für die Entfernung Odhins. Wir finden einen solchen durch die Betrachtung der zweiten Sage von Odhins Verbannung, die Saxo S. 45 erzählt.

Wir geben diese Erzählung zunächst nur in ihren Hauptzügen. Die Götter verbannen Odhinn und setzen einen gewissen Ollerus, dem sie auch den Namen Odhinn geben, an seine Stelle. Nachdem dieser ungefähr zehn Jahre geherscht hat, wird der wirkliche Odhinn zurückgerufen und gelangt wieder zu seiner vorigen Ehre. Ollerus wird vertrieben und später getödtet. Als Beweggrund für die Verbannung des Odhinn wird angegeben, daß die Götter über sein Benehmen gegen Rinda erzürnt waren, wovon Saxo unmittelbar vorher erzählt. Wir müssen also auch diese Sage in der Kürze herbeiziehen.

Nachdem Balder, der Sohn Odhins, von Hödhr getödtet ist, befragt der Gott die Wahrsager, wie er seinen Sohn rächen könne. Es wird ihm verkündet, er müsse mit Rinda, der Tochter des Königs der Ruthenen, einen Sohn zeugen; dieser sei vom Schicksal zum Rächer des Balder bestimmt. Odhinn sucht nun mehrere Jahre hindurch in verschiedenen Verkleidungen und Gestalten, in denen er dem Könige dient, dessen Gunst zu erhalten, sich der Rinda zu nähern und ihre Liebe zu gewinnen. Diese aber verschmäht ihn und weist ihn bei jedem Versuche mit Strenge zurück. Wir heben nur folgende Züge daraus als bemerkenswerth hervor. Als der Gott schon einmal, wo er als Krieger erscheint, zurückgewiesen ist, gibt er sich für einen Schmied aus und wird nicht erkannt, weil ein falscher Schmutz die Züge seines Gesichtes entstellt 14. Nachher erscheint er als alter Mann. Zuletzt gibt er sich die Gestalt einer Frau, nähert sich auf diese Weise der [405] Rinda, muß sie aber doch gewaltsam, nachdem sie gefesselt ist, zu seinem Willen zwingen. Diese Verkleidungen und Verwandlungen, besonders die in eine Frau, waren es, über welche die Götter zürnten und den Odhinn verbannten; sie waren auch der Grund, weshalb einige ihn nicht wieder als den ersten Gott anerkennen wollten 15.

So Saxo. Es leidet indes wohl keinen Zweifel, daß der Beweggrund zu Odhins Verbannung ein anderer war. Odhinn begab sich zu Rinda doch nach dem Willen des Geschickes und dieser kann mit dem Willen der Götter nicht in Widerspruch stehn. Wir müssen also annehmen, daß die zehnjährige Verbannung Odhins, während welcher Ollerus an seiner Stelle herscht, eben die Zeit umfaßt, wo der Gott um Rinda wirbt. Setzen wir nun aus der ersten Erzählung, wo das was gleichzeitig geschieht, auch in einen Causalnexus gebracht ist, noch hinzu, daß Frigg während der Entfernung ihres Gemahls mit seinem Stellvertreter Mitodhinn oder Ollerus buhlte, so haben wir den Mythus vollständig.

Ist nun unsere Zusammenstellung dieses Mythus mit den obigen Sagen richtig, so muß er sich auf dieselbe Weise erklären lassen und auch in den meisten Einzelpunkten mit ihnen stimmen. Beides ist der Fall.

Auch Odhinn geht, wie ich aus Saxo schon früher (altd. Rel. 201) vermutet habe, in die Unterwelt. Das ergibt sich schon deutlich aus dem Zuge, daß er zu der Zeit, wo er um Rinda wirbt, durch Schmutz entstellt ist, und selbst, wie es scheint, in diesem Aussehen zu dem Sitze der Götter zurückkehrt 16. Außerdem hat Odhinn als der Gott, der die Todten, obgleich nach dem nordischen Systeme nur die Fürsten und die gefallenen Krieger, in seine Behausung Valhöll bei sich aufnimmt (altd. Rel. 200), deutlicher Beziehungen zur Unterwelt. Eben so haben wir schon früher den Zug, daß Rinda, die eddische Göttin Rindr, sich gegen die Umarmung des Gottes sträubt, als charakteristisch für ihr Wesen, das dadurch als ein unterweltliches bezeichnet [406] wird, erkannt 17. Die Nebenbuhlerin der Frigg ist also das unterweltliche Gegenbild dieser Göttin, wie Mitodhinn oder Ollerus das unterweltliche Gegenbild des Odhinn ist 18. Es ist daher auch nicht ohne Bedeutung, daß Mitodhinn als ein Tod und Verderben bringendes Wesen dargestellt wird.

Daß nun dieser Mythus, wie viele andere, aus der Anschauung des Wechsels in der Natur hervorgegangen ist, ergibt sich aus Folgendem. Odhinn geht in die Unterwelt nach Balders Tode, also im Winter, genauer in der Zeit, wo nach Uhlands richtiger Erklärung der Gott der lichten Sommerhelle getödtet ist 19, um einen Sohn zu erzeugen, der durch die Ueberwindung des blinden Hödhr den Balder räche. Es ergibt sich aber auch daraus, daß die Gottheiten, welche als unterweltliche in unsern Mythus aufgenommen sind, zugleich Beziehungen auf den Winter zeigen. Von Rindr ist das schon altd. Rel. 278 nachgewiesen; noch deutlicher läßt es sich an Ollerus, dem Nebenbuhler Odhins, wahrnehmen.

Saxo erzählt von Ollerus noch, daß er so zauberkundig gewesen sei, daß er es verstanden habe, auf einem Knochen über das Meer zu fahren. Der Name des Ollerus stimmt mit dem des eddischen Gottes Ullr, von dem die jüngere Edda (S. 31) erzählt, daß er ein gewandter Schneeschuhfahrer war, und man darf jenen seltsamen Bericht von Ollerus mit Bachlechner 20 so verstehn, daß er auf Schneeschuhen, die man früher wohl aus Knochen machte, über das Eis fuhr. Indem also in der einen Sage der Nebenbuhler des Odhinn als ein winterliches Wesen, in der andern Mitodhinn als ein verderbliches geschildert wird, ist dadurch der Zusammenhang des Winterlichen und Unterweltlichen in dem Mythus selbst ausgesprochen.

[407] Da hätte sich denn in der deutschen Sage ein wichtiger Mythus von Odhinn erhalten, der ein neues Licht auf das Wesen dieses Gottes wirft und der eben so echt und alt ist, als die eddischen, auch wenn er nicht an diese anknüpfte. Er stimmt mit unsern deutschen Sagen in seiner Bedeutung, und seine Identität mit diesen wäre vollständig erwiesen, wenn er mit allen in Betracht kommenden Einzelzügen, möchten diese auch durch Zeit und Ort modificiert sein, stimmte.

Nun ist aber diese Uebereinstimmung so zutreffend, daß wir sie nur kurz anzudeuten brauchen. Odhins Fahrt geht nach der mythischen Form eben so in den Osten, wie in den deutschen Sagen; denn Rinda ist die Tochter des Königs der Ruthenen oder der Russen. Die Untreue der Frigg findet ihre Vergleichung in dem Umstande, daß die Gattin des entfernten Helden sich eben wieder verheirathen will, als er zurückkehrt. Die Entstellung des Aussehens kommt eben so, wenn auch in verschiedenen Formen, vor, und das zugezogene Märchen hat, wodurch es an Wichtigkeit gewinnt, auch den Zug bewahrt, daß der Held in seiner häßlichen Gestalt von der Braut verschmäht wird 21, wie Odhinn von Rindr. Ein noch nicht erwähnter Umstand hebt jedoch jeden Zweifel. Odhinn fährt auf Geheiß der Wahrsager in den Osten um einen Sohn zu bekommen, der den Balder rächen soll; denselben Zug hat eine deutsche Sage bewahrt, aber natürlich anders begründet. Reinfried von Braunschweig hat, obgleich schon zehn Jahre verheirathet, keine Erben; vielfach flehte er und seine Gemahlin zu Gott, er möge ihnen einen rechten Leibeserben geben. Da lag er eines Nachts im Schlummer, als ihm eine glänzende schöne Frau mit einem Kinde auf dem Arme und mit einer goldenen Krone geschmückt er scheint und verkündet, daß seine und seiner Gemahlin Gebete erhört werden würden, wenn er über Meer fahre, um die Heiden zu bekämpfen; er werde viel Drangsal und Noth erleiden, ehe er wieder zur Heimat kehre; aber alles werde ein gutes Ende nehmen. Reinfried gelobt darauf die Fahrt. Die übrigen Sagen haben diesen bedeutenden Zug verloren; nur in der von dem edeln Möringer findet sich noch eine Spur davon darin, daß auch dieser nach einem Gelübde zu St. Thomas wallfahrtet. Die Umwandlung des heidnischen Orakels in ein christliches durch [408] Maria war natürlich und nothwendig. Auch Heinrich der Löwe träumt, er solle in das heilige Land fahren.

Daß die Ringscene in dem Mythus von Odhinn nicht wiederkehrt, darf nicht befremden, sie braucht in der deutschen Sage nicht gewesen zu sein und hat auch schwerlich eine Bedeutung. Befremden muß es dagegen, daß von dem, was der Held in dem Oriente thut, entweder in den deutschen Sagen nichts gesagt oder allerlei erzählt wird, was, wie Heinrichs Abenteuer mit den Greifen und anderes, mit dem deutschen Heidenthume in keinem Zusammenhange steht und nebst andern Wundern des Orients auf späterer Erfindung beruht oder aus der Fremde nach Deutschland kam. Nur das tritt mehrfach hervor, daß die Helden unfreiwillig in der Ferne weilen. Sie sind in dem Dienste von andern, oder in Gefangenschaft. Odhinn hat dagegen den bestimmten Zweck nach dem Willen des Geschicks um die Rinda zu werben.

Ich erkläre das so. Schon in den Traditionen, welche Saxo vorlagen, hatte sich der ursprüngliche Mythus von Odhins Entfernung in zwei Theile gespalten. Der eine hob die Untreue der Freyg hervor, sagte aber nicht, was Odhinn während seiner Entfernung that. Der andere läßt die Frigg aus dem Spiele und erzählt Odhinns Werbung um Rinda. Eine ähnliche Spaltung läßt sich darnach für die deutschen Sagen annehmen. Diejenigen, welche wir bis jetzt kennen gelernt haben, enthalten vorzugsweise jenen ersten Theil, wo der Ehe mit einem Andern durch die Rückkehr des Helden ein Ziel gesetzt wird. Der zweite Theil müste die Werbung um Rinda enthalten, und es handelt sich darum, ob wir diesen abgesonderten Theil entweder vollkommen übereinstimmend oder doch wenigstens in einzelnen Anklängen in deutschen Sagen wiederfinden können.

Hier treten uns nun viele in mittelhochdeutschen Gedichten und sonst erhaltene Sagen entgegen, in welchen eine gefährliche Werbung um eine Braut den Hauptinhalt ausmacht. Einige verlegen das Lokal der Handlung wieder in den Osten. Wir untersuchen hier nicht, ob der Schauplatz erst später, namentlich durch den Einfluß der Kreuzzüge, wie es wahrscheinlich und bei einzelnen bereits nachgewiesen ist, in fernere Gegenden versetzt wurde; eben so wenig können wir auf die geschichtlichen Anknüpfungen der Sagen eingehn: wir wollen nur diese Erzählungen, so weit sie mit dem dänischen Mythus von Odhinn stimmen, zur Vergleichung ziehen, indem wir vieles, was vielleicht aus fremden Sagen eingedrungen oder durch freie Erfindung hinzugekommen sein mag, dabei außer Acht lassen. Sollte hier die Vergleichung auch [409] nur in einzelnen Theilen zutreffen und dadurch die Vermutung eines Zusammenhanges mit dem Mythus unsicherer werden, so wird es doch schon ersprießlich sein, auf diese Uebereinstimmung aufmerksam gemacht zu haben, auch wenn nur das dadurch gezeigt würde, daß sagenhafte Züge, die Laien vielleicht für historisch halten, sich bereits analog in alten Göttermythen finden.

Mit diesem Vorbehalte wenden wir uns nun zu den einzelnen Erzählungen, zunächst zu dem Gedichte Wilhelm von Oesterreich von Johann von Würzburg, von welchem Zacher in H. Zeitschr. (1, 214 fg.) einen Auszug gegeben hat. Für uns kommt Folgendes daraus in Betracht. Herzog Leopold von Oesterreich wallfahrtet nach Ephesus zu dem Heiligthume des Johannes, um Gott zu bitten, daß er ihm durch diesen einen Erben gebe. Auf der Reise trifft er einen heidnischen Fürsten Agrant, der sich ihm, weil er auch kinderlos ist, als Begleiter anschließt. Die Gebete beider Fürsten werden erhört; Leopold bekommt einen Sohn, den er Wilhelm nennt, Agrant eine Tochter, die Aglie genannt wird. Als Wilhelm noch ein Knabe ist, erscheint ihm das Bild der schönen Aglie im Traume. Er macht sich heimlich auf, um die Unbekannte zu suchen, und wird an das Land des Agrant getrieben, der ihn als sein Kind annimmt und mit seiner Tochter, in der der Knabe sein Traumbild entdeckt, erziehen läßt. Wilhelm gibt sich den Namen Rial und erwirbt die Liebe der Aglie, wird aber durch einen Nebenbuhler, der ihn in seine Dienste nimmt, von ihr lange getrennt. Wir übergehen nun die vielen Abenteuer, die er während der Zeit erlebt, und bemerken nur, daß Wilhelm später um Aglie werben läßt, wobei aber ein Anderer als Bewerber genannt wird. In der unkenntlich machenden Tracht eines Sultans kommt er an, und es folgt nun eine lebendige Schilderung von dem Widerstreben der Jungfrau gegen den vermeintlichen Sultan, dann von ihrer Freude und Hingebung an den wieder erkannten Wilhelm. Später geht dieser wieder nach Oestreich, verspricht aber auf den ersten Ruf seiner Gattin zurückzukommen. Er erfüllt seine Zusage, als sie ihm die Geburt eines Sohnes meldet. – Wir erkennen hier zunächst wieder den mythischen Zug, daß ein Held in den Osten fährt, um einen Erben zu erlangen, der auch in dem Gedichte von Reinfried vorkommt und den wir schon mit dem Mythus von Odhinn zusammengestellt haben. Ist nun die Annahme erlaubt, daß die Sage, wie sie auch sonst pflegt, das, was von einem gilt, auf Vater und Sohn übertragen habe, so wird der gewünschte Sohn von einer heidnischen Gattin geboren, die im Oriente [410] wohnt, um die sich der Held unter fremdem Namen und in einer Gestalt bewirbt, in der er nicht erkannt und verschmäht wird, und damit wird die Uebereinstimmung der Sage mit dem Mythus in den Hauptpunkten einleuchtend.

Indem wir zwei gleichfalls eine Brautwerbung im Osten enthaltende, ziemlich übereinstimmende Gedichte, »Wittig vom Jordan und die Heidin 22«, übergehn, weil die symbolischen Züge darin fehlen oder doch sehr verwischt sind, wenden wir uns zu mehreren ähnlichen Sagen, die zur deutschen Heldensage gehören oder doch dazu gerechnet sind. Die Viltinasaga (C. 73 fg.) berichtet, wie Rüdiger von Bechelaren für seinen Herrn, Etzel von Heunenland, die Herke oder Helke auf listige Art erwirbt. Um sein Vorhaben auszuführen, geht er unter fremdem Namen zu ihrem Vater und gibt vor, er sei vor Etzel entflohen. Um seine Gestalt unkenntlich zu machen, trägt er einen tief ins Gesicht gehenden Hut und gibt sich das Ansehen eines alten kurzsichtigen Mannes. Er tritt in den Dienst des Königs, erwirbt allmählich sein Vertrauen und entführt später in Gemeinschaft mit seinem Bruder, der sich Hadubrand nennen muß, die Jungfrau. Das stimmt ganz zu Saxo's Erzählung, wo Odhinn, als er sich in den Dienst des Königs begibt, dessen Gunst er allmählich gewinnt, sein Gesicht durch seinen Hut verhüllt und später auch als Greis erscheint 23. Auf das Vorgeben Rüdigers, er sei vertrieben, ist gleichfalls Gewicht zu legen, da Odhinn wirklich während der Zeit seiner Werbung aus dem Göttersitze weichen muß.

Darnach kommt das deutsche Gedicht von dem Könige Ruother in Betracht, das fast dieselben Vergleichungspunkte bietet. Der Held geht, um die ihm früher verweigerte Tochter des Königs Constantin zu gewinnen, unerkannt nach Constantinopel, nennt sich Dietrich und gibt vor von Ruother vertrieben zu sein. Im Dienste des Königs besiegt er auch dessen Feinde, wie Odhinn als magister militum die Feinde des Vaters der Rinda in die Flucht schlägt. Als ihm der Schwiegervater seine Gattin wieder durch einen Spielmann rauben läßt, gewinnt er [411] sie abermals durch List und Gewalt, indem er sich als Pilger verkleidet 24.

In der Gudrun geben die Helden, welche von dem Könige Hetel beauftragt sind, die Hilde zu entführen, gleichfalls vor, daß sie von diesem vertrieben wären, damit sie um so sicherer die Tochter des Hagen, die dieser jedem Freier vorenthält, in ihre Gewalt bekommen. Die nordische Sage von Hedhinn und Hilde 25 weiß freilich nichts davon, und die eigenthümlichen Züge, die dort damit verknüpft sind, weisen eher auf einen Mythus von der Freyja (altd. Rel. 287). Die besondere Art der Entführung nach der deutschen Sage bieten jedoch noch andere Anknüpfungen an unsern Mythus. Die verschiedenen Rollen, welche Odhinn spielt, scheinen hier auf verschiedene Helden vertheilt zu sein. Odhinn, als Schmied verkleidet, sucht durch allerlei kostbare Arbeiten, namentlich Ringe und andere weibliche Putzsachen, die Gunst der Rinda zu gewinnen, wie Fruote als Kaufmann durch seine kostbaren Waaren die Hilde verlockt. Odhinn erscheint bei dem Vater der Rinda als ein ausgezeichneter alter Fechter 26, als Heerführer und als Arzt, wie der alte bärtige Wate Fechter, Heerführer und Arzt ist 27. [412] Der Sänger Horant, der durch seinen süßen Gesang die Hilde einnimmt, findet freilich bei Saxo keine Parallele; er möchte aber dem Spielmanne, der aus der Hölle kommt und durch sein Spiel (oben S. 400) die Königstochter gewinnt, zu vergleichen sein.

Noch mehr Anknüpfungen gewährt die Sage von Hugdietrich und seinem Sohne Wolfdietrich, die deshalb auch schon von Müllenhoff (H. Zeitschr. 6, 457) mit dem Mythus von Odhinn und Rinda verglichen ist. Hugdietrich wirbt um die Hildeburg, die Tochter des Königs Walgunt von Salnecke, die von ihrem Vater, um sie vor Freiern zu bewahren, in einen Thurm eingeschlossen ist. Er verkleidet sich, um zu seinem Zwecke zu gelangen, als Frau, gibt vor, daß er von Hugdietrich vertrieben sei, gewinnt in dieser Kleidung Zutritt bei der Jungfrau (wie Odhinn in Gestalt eines alten Weibes bei der Rinda) und zeugt mit ihr den Wolfdietrich. Dieser wird später von seinen Brüdern vertrieben, erschlägt darauf den Drachen, der Ortnit verschlungen hat und vermählt sich mit dessen Witwe. Hier ist die Uebereinstimmung der einzelnen Züge so groß, daß man Wolfdietrich mit Vali, dem Rächer des Gottes Balder, identificieren möchte. Doch enthält die Sage von Wolfdietrich noch anderes, was gleichfalls mythisch ist, aber, wie z.B. sein Drachenkampf, mit Wuotan und Balder in keinem erweislichen Zusammenhange steht. Wir heben daraus, ohne bestimmte Folgerungen daran zu knüpfen, noch den Zug hervor, daß die rauhe Else Wolfdietrich zum Gemahl begehrt und daß diese ihn, als er sie verschmäht, wahnsinnig macht. Umgekehrt bewirkt Odhinn, daß Rinda, als er von ihr verschmäht wird, wahnsinnig wird 28. Auch das ist wenigstens mythisch von Bedeutung, daß die Gattin Wolfdietrichs von einem Andern geraubt und von ihm wieder zurückgeholt wird, was wieder zu der Sage von Ruother stimmt.

Eine andere Bearbeitung der Sage von Wolfdietrich, das Gedicht Kaspars von der Rhön, das aber nur ein Auszug aus einem ältern ungedruckten ist, er wähnt die Verkleidung und Werbung Hugdietrichs gar nicht, enthält aber den bemerkenswerthen Zug, daß der Vater [413] durch einen ungetreuen Rath Sabene verleitet, den Sohn tödten lassen will. Derselbe Sabene hat sich auch vergebens während der Abwesenheit Hugdietrichs um die Gunst seiner Gattin beworben. Dann kehrt hier auch die öfter hervorgehobene Begebenheit wieder, daß der zurückkehrende Gemahl sich durch einen Ring zu erkennen gibt, aber in eigenthümlicher Form. Wolfdietrich hat den Drachen getödtet, der Otnit verschlungen hat und dessen Zunge zu sich genommen. Er kommt zu Liebgart, der Witwe Ortnits, als diese eben mit einem Andern Hochzeit halten will, der vorgibt den Drachen besiegt zu haben. Wolfdietrich kommt als armer Pilger verkleidet, läßt in den Becher, den man ihm geboten hat, Ortnits Ring fallen, den die Königin erkennt, und rechtfertigt sich durch die Zungen als Erleger des Drachen. Hier ist eine Vermengung mit dem Mythus von dem Drachentödter eingetreten. Dieser rechtfertigt sich durch die ausgeschnittenen Zungen 29, der zurückkehrende Gemahl durch den Ring. Wir dürfen daraus schließen, daß die Erlegung des Drachen, wenn die Ringscene an ihrer Stelle ist, ursprünglich nicht zu der Sage von Wolfdietrich gehörte 30.

Die Sage von Ortnit enthält freilich auch eine Brautfahrt in den Osten und die Jungfrau ist auch hier in einen Thurm eingeschlossen, doch fehlt es sonst an Zügen, die eine deutliche Beziehung auf Wuotan zulassen. Dagegen enthält die diesem Gedichte in dem Hauptgange der Begebenheiten gleichkommende Legende von Oswald den bemerkenswerthen Zug, daß ein sprechender Rabe dem Helden bei der Werbung der Braut bedeutende Hülfe leistet. Der Rabe ist aber der heilige Vogel Wuotans.

Wir schließen diese Uebersicht über die Sagen von gefährlichen Werbungen mit dem Bemerken, daß auch die französische Sage einen Nachklang davon aufzuweisen hat, indem Karl der Große, dessen Ahnherr Ruother nach der Sage ist, an den sich, wie oben gezeigt ist, auch der erste Theil des Mythus geheftet hat, von seinen Halbbrüdern, den Söhnen der falschen Berta, vertrieben wird, zu den Heiden nach Spanien geht und dort eine Braut erkämpft.

Die Vergleichung der übereinstimmenden Züge in den zusammengestellten Sagen berechtigt uns gleichwohl noch nicht, alle Helden dieser Erzählungen sicher für Wuotansheroen zu erklären. Zwar stimmt die Sage von Wilhelm von Oesterreich, obgleich ihre überlieferte Gestalt [414] nicht in sehr frühe Zeiten hinaufreicht, mit unserm Mythus auffallend genug, bei den übrigen treten aber immer verschiedene individuelle Züge hinzu, die ihnen den Schein von selbständigen Sagen geben, die aber doch (das haben wir sicher gewonnen) Mythisches und zwar auf Wuotan Bezügliches enthalten. Eine Abweichung von dem dänischen Mythus macht sich bald fühlbar. In den deutschen Sagen gewinnt die Jungfrau, als sie hört, wer der Unbekannte ist den Bewerber lieb und läßt sich gegen den Willen ihres Vaters entführen, wogegen Odhinn von der Rinda verschmäht wird, sie endlich mit Gewalt zu seinem Willen zwingt und sie darauf verläßt. Wir können bei der Mangelhaftigkeit unserer Quellen nicht entscheiden, ob der deutsche Mythus von Wuotan schon eben so von dem dänischen abwich, was kaum wahrscheinlich ist, oder ob ein Mythus von einem andern Gotte auf diese Umgestaltung einwirkte; dagegen läßt sich zeigen, daß auch die Abneigung der Frau und ihre gewaltsame Bezwingung in andern deutschen Heldensagen hervortritt.

Hier kommt besonders die alte Sage von dem Schmiede Wieland in Betracht, aus der wir folgende Züge nach der Viltinasaga hervorheben. Wieland, der Sohn des Riesen Wate, dient bei dem Könige Nidung. Er verhilft ihm bei einer Schlacht dadurch zum Siege, daß er auf einem schnellen Rosse dessen Siegstein (D. Mythol. 1170) herbei holt. Dieser hatte ihm für seinen großen Dienst seine Tochter versprochen, hält aber nachher sein Wort nicht. Auch die Jungfrau ist dem Schmiede abhold. Vergebens sucht dieser durch ein Zaubermittel ihre Neigung zu erwecken; sein Vorhaben wird entdeckt, worauf der König ihm die Füße lähmen läßt. Er muß nun auf Geheiß desselben allerlei künstliche Arbeiten verfertigen. Später bezwingt Wieland gewaltsam die Tochter des Königs, die ihm Wittig gebiert; auch tödtet er die beiden Söhne desselben und verfertigt aus ihren Hirnschädeln Trinkgefäße. Dann macht er sich aus allerlei Federn ein Federhemde und fliegt in seine Heimat.

Auch hier passen mehrere bedeutende Züge zu Saxo's Erzählung von Odhinn. Dieser verhilft dem Vater der Rinda zum Siege, indem er allein die Feinde in die Flucht schlägt; er bewirbt sich um die Jungfrau in der Gestalt eines Schmiedes, wird aber von ihr verschmäht und entehrt sie mit Gewalt. Selbst die schnelle Heimfahrt durch die Luft, nachdem der Sohn erzeugt ist, die wir in der Sage von Heinrich dem Löwen und den verwandten Erzählungen wahrnehmen, kehrt hier wieder. Der Teufel oder Engel, welcher den Helden aus [415] dem Oriente schnell zurückführt, gehört also der ursprünglichen Sage nicht an. Diese, so lange sie noch Göttersage war, mochte erzählen, wie Wuotan in dem Falkengewande der Frigg oder Freyja, oder wie aus der Höhle der Gunnlödh 31 als Adler entflog, oder auf seinem schnellen Rosse Sleipnir zurückkehrte.

Aber die Vergleichung trifft auch hier nicht in allen bedeutenden Punkten zu. Daß Wieland zwei unschuldige Knaben, die die Söhne seines Feindes, aber die Brüder seiner Gattin sind, erschlägt, hängt mit dem Ganzen so zusammen, daß wir diesen Zug nicht als einen fremdartigen oder als eine Entstellung ausscheiden können. Man könnte nun auch wohl bei dem unbezweifelten Alter der Wielandssage annehmen, daß die dänische Quelle diesen Zug verloren habe, man könnte selbst die Ansicht begründen, daß die Motivierung von Odhins Fahrt, wornach er in die Unterwelt geht, um den Rächer des Balder zu erzeugen, ursprünglich nicht dahin gehört; doch halten wir lieber die Sage von Wieland, der durch den Namen seines Vaters Wate und manche Einzelzüge auf Wuotan weist 32, für einen zwar in seiner [416] Bedeutung dem dänischen verwandter, aber doch in individuellen Formen ausgeprägten Wuotansmythus. Es muß nemlich, wie die folgende Abhandlung ausführt, einen deutschen Mythus von Wuotan gegeben haben, wornach er seine eigenen Söhne erschlägt. Dieser Mythus, von welchem wir bereits eine Spur in dem Gedichte von Wolfdietrich (oben S. 444.) gefunden haben, zeigt sich in einer besondern gemilderten Form noch in der Sage von Wieland, die den Helden statt der eigenen Kinder die Brüder der Gattin erschlagen läßt.

Unsere Annahme wird dadurch weiter begründet, daß die Sage von der Tödtung junger Knaben bei Wittig, Wielands Sohne, zweimal wiederkehrt. Ein mal erschlägt er die jungen Söhne Etzels und der Herke (derselben Herke, um welche der verkleidete Rüdiger geworben hat), als sie unter dem Geleite von Dietrich von Bern nach Italien ziehen, wie diese Begebenheit in dem Gedichte von der Schlacht bei Ravenna ausführlich erzählt wird; nach einer andern Sage (Viltinas. C. 255.) steht er als Stiefvater der Harlunge da, welchen Ermenrich tödten läßt.

Damit werden wir denn auf die Sage von Dietrich von Bern geführt, die dadurch für uns eine besondere Wichtigkeit bekommt, daß sie die bisher für sich verfolgten Elemente unsers Mythus fast alle enthält, obgleich diese durch die historische Anlehnung an die Eroberung Italiens an die Ostgothen 33 und durch die Einmischung anderer Sagen und Helden sehr versprengt sind. Wir müssen uns hier vorläufig damit begnügen, diese Züge in ihrer Vereinzelung nachzuweisen, wobei wir uns durch die Verschiedenheit der Personen, von denen sie erzählt werden, nicht beirren lassen.

Wir finden zunächst die Vertreibung des Helden und die Fahrt in den Osten (zu Etzel) an die Person des Dietrich geknüpft, während das Verlassen der Gattin nur bei seinem Begleiter und Waffenmeister, den alten Hildebrand, hervorgehoben wird 34. Die Werbung um die zweite Gattin knüpft sich an Herke, die Rüdiger in verkappter Gestalt [417] (oben S. 411), freilich nach der Viltinasaga für Etzel, gewinnt 35. Doch kommt auch (Viltinas. C. 215.) eine Werbung um eine andere Jungfrau für Dietrich vor, wobei dieser von dem Werber häßlich geschildert und deshalb verschmäht wird. Die gewaltsame Bezwingung der Frau wird von Ermenrich, Dietrichs Feinde, erzählt, der die Gattin seines Rathes Sibiche entehrt und seine eigenen Kinder tödtet 36. Als der leidende Theil erscheint dagegen wieder Dietrich in der Sage von den Söhnen der Herke, die Wittig, sein ehemaliger Freund, mordet. Die Rückkehr aus dem Osten zu der verlassenen Frau, die den Gatten nicht kennt (wie in der Sage von Heinrich dem Löwen) heftet sich an Hildebrand und seine Gemahlin Uote; die Vertreibung und Tödtung des Nebenbuhlers und Feindes (Ermenrich oder Sibiche) an Hadubrand, Hildebrands Sohn, oder nach andern Sagen an Dietrich.

Diese Zusammenstellung begründet die Annahme, daß auch in der Sage von Dietrich von Bern jener bedeutende Mythus von Wuotan und seiner Entfernung von den Göttern mit neuen individuellen Zügen vermehrt die mythischen Bestandtheile bildete, die sich wieder mit geschichtlichen Erinnerungen verschmolzen. Wie der Mythus von Wuotan in der Heldensage von Dietrich mit der Erzählung, welche Saxo gibt, übereinstimmte oder davon abwich, könnte nur durch eine Zurückführung der bezüglichen mythischen Elemente auf ihren ursprünglichen Zusammenhang gezeigt werden, die uns zu weit führen würde. Bei einem solchen Versuche müste man darauf ausgehen, die Träger des Mythus bis zu jenen vier mythischen Formen zu vereinfachen, welche wir mit den dänischen Namen Frigg und Ollerus, Odhinn und Rinda bezeichnen können. Dadurch würden freilich mehrere Personen als zum Mythus ursprünglich nicht gehörige, wie Dietrich neben Hildebrand, Ermenrich neben Sibiche verschwinden 37. Auch müsten die historischen [418] Anknüpfungen, welche der Mythus gefunden hat, die Züge aus andern Göttersagen, die an Dietrich geheftet sind (wie z.B. sein Feuerathem, der auf Thorr weist) und die Einmischungen fremder Heldensagen vorher genau untersucht und ausgeschieden werden. Wir werden es gern sehen, wenn ein Anderer diesen Versuch ausführt.

Am Schlusse unserer Abhandlung wird ein kurzer Rückblick dem Leser nicht unangenehm sein. Ein Mythus von Wuotan, wornach dieser Gott in die Unterwelt geht und dort mit einer andern ihm abholden Gattin lebt, während seine Gemahlin Frigg unterdes mit einem Andern buhlt, hatte sich schon früh, wie wir aus Saxo lernen, in zwei Theile gesondert. Der eine hob nur die Entfernung Wuotans und die Untreue der Frigg hervor, der zweite stellte dar, wie der Gott durch List und Gewalt in Besitz des unterweltlichen Wesens gelangt. Der erste Theil fand sich in vielen deutschen Erzählungen von zum Theil historisch bekannten Fürsten wieder, welche lange von der Heimat fern im Osten weilen, darnach aber schnell zurückkehren und ihre Nebenbuhler entfernen. Die Symbolik der deutschen Volkssage ließ noch die Reise in den Osten als eine Fahrt in die Unterwelt in einzelnen Zügen erkennen. Der zweite Theil zeigte sich, obgleich minder sicher und in etwas abweichenden Formen, in einer Reihe von mittelalterlichen Sagen, deren Hauptinhalt eine gefährliche Brautwerbung, gewöhnlich im Osten, ist. In der Sage von Dietrich von Bern haben wir dagegen die bedeutendsten Züge aus beiden Mythentheilen, und zwar mit einem andern, der auch auf Wuotan weist, bereichert, wenn auch nicht mehr in dem ursprünglichen Zusammenhange, wiedergefunden.

Die ganze Untersuchung zeigt, wie noch in christlicher Zeit ein Mythus von dem höchsten heidnischen Gotte sich dadurch erhielt, daß das deutsche Volk ihn in verschiedenen individuellen Formen an historische Begebenheiten und an bedeutende Fürsten anknüpfte; zugleich läßt sie erkennen, wie ein Volk seine Geschichte durch Verbindung mit alten religiösen Ideen seinem Bewustsein näher rückt und eben dadurch behält.

Fußnoten

1 D.S. 523. Schöppner 385. 495. Vgl. Wackernagel Handb. d. Lit. 1, 143.

2 D.S. 439 Das alte Gedicht, welches die Erzählungen enthält, ist jetzt in den Gesammtabenteuern von F.H.v.d. Hagen B. 3, 615 gedruckt. Wir machen noch auf einen besondern Zug in dieser Erzählung aufmerksam. Um in den Dom zu gelangen muß Karl unter einem Thore durchkriechen. Sein Führer macht ihm bemerklich, daß dadurch sein Gewand schmutzig werden würde, was aber Karl nicht achtet. Man vergleiche damit, daß in den andern entsprechenden Sagen die Helden in zerrissenen Kleidern zurückkehren.

3 D. Mythol. 980. W. Zeitschr. 1, 63. Beiträge zur deutschen Mythologie 1, 4 fg.

4 In Märchen tragen wohl Riesen die Helden schnell eine bedeutende Strecke fort. So wird auch Wolfdietrich mit seinem Rosse von einer Riesin fortgetragen.

5 illitus ori marcor ita habitum corporis ac pristina formae lineamenta confudit, ut ne ab amicis quidem potuisset agnosci. Nachher wäscht er den marcor ab und wird wieder erkannt. Saxo 8, 165.

6 Vgl. Schöppner 12. 473. Bechstein Thür. S. 1, S. 153; auch 3, S. 183. D.S. 1. N.S. 148 u.m. Nach einer Mittheilung aus dem achtzehnten Jahrhundert bei Panzer S. 112 gingen mehrere Bürger in einen hohlen Berg bei Amberg und kamen nach acht Stunden gleich Todten und abscheulichsten Aussehens wieder zum Vorschein.

7 Vulpius Curiositäten 1, 179.

8 Nibelungensage S. 55.

9 Ich erinnere daran, daß sonst auch Geister, die im Innern der Berge wohnen, häufig lange Bärte haben. Darnach wird man den langen Bart des im Kiffhäuser wohnenden Friedrich Barbarossa nur daraus erklären, daß er als Geist in der Unterwelt haust, nicht aber auf Wuotan oder Thorr beziehen dürfen. Auch die Zwerge haben als unterweltliche Wesen lange Bärte. Nib. 466, 2 heißt es von Siegfried und Albrich: er vie bî dem barte den altgrîsen man. Auch in der griechischen Mythologie ist Alter ein Kennzeichen des Chthonischen. Ares von H.D. Müller S. 71.

10 Das Symbol der Entstellung ist hier so ausgedrückt, daß sie durch Schmutz bewirkt wird. Wir erinnern daran, daß auch der Wohnsitz des Geirödh (oben S. 376) voll von Schmutz und Unrath ist.

11 H. Zeitschr. 6, 191. Vgl. Ndd. S.S. 469.

12 S. über dieses Gedicht Gödeke Elf Bücher deutscher Dichtung. 1, 144. 149.

13 Die Untreue der Frigg knüpft sich an die Bildsäule, welche ein Schein-Odhinn ist, wie Mitodhinn, dessen Name das andeutet.

14 cum veras oris notas falsus squalor abstergeret, veterem habitum nova furaretur illuvies.

15 extitere qui ipsum recuperandae dignitatis aditu indignum censerent, quod scenicis artibus et muliebris officii susceptione teterrimum divini nominis opprobrium edidisset.

16 Darauf deuten wohl die Worte Saxo's: tandem Othinus diis atrocitatem exilii miserantibus satis jam graves poenas dedisse visus, squaloris deformitatem pristino fulgoris habitu permutavit. Saxo verhüllt oft durch seine Ausdrucksweise bedeutende mythische Züge.

17 Vgl. Nibelungensage S. 54 fg. 111.

18 Man wird mir nicht einwerfen, daß Ollerus und Mitodhinn bei den Göttern sich aufhalten.

19 Die allegorische Erklärung, welche Weinhold von dem Mythus von Balders Tode in H. Zeitschr. 7, 58 gegeben hat, erscheint mir noch unhaltbarer, als früher, seitdem ich gesehen habe, daß Saxo's Erzählung viele echtere Züge enthält, als die eddischen Berichte.

20 S.H. Zeitschr. 8, 205. Ueber das winterliche Wesen des Ollerus s. auch Müllenhoff das. 7, 436. Auch der Göttin Skadhi, welche mit ihrem Bogen das Wild verfolgt, legt der Mythus (Sn 28) Schneeschuhe bei; ihr Name bedeutet die Tödtende, Verderbende. S.J. Grimm in Aufrecht und Kuhn Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung 1, 81 fg.

21 Genau genommen thun das ihre Schwestern, das ist aber mythologisch einerlei. Nach dem holsteinischen Märchen will aber auch die Braut den Helden erst, wenn er sich gewaschen hat.

22 In Beziehung auf die Literatur dieser und anderer Gedichte, die unten erwähnt werden, verweise ich ein für alle Male auf Wackernagels Geschichte der deutschen Litteratur.

23 Othinus os pileo, ne cultu proderetur, obnubens regem stipendia meriturus adiit. Auch sonst erscheint Odhinn in den Sagen mehrfach mit seinem Hute und als einäugiger Greis. altd. Rel. 183. 184.

24 Von der zweiten Fahrt weiß die unter andern Namen entsprechende Erzählung in der Viltinasaga C. 56 fg. freilich nichts. – Das Gedicht von Salomon und Morolt enthält auch mehrere bemerkenswerthe, im Ruother ähnlich wiederkehrende Züge; doch übergehen wir es hier, weil die Sage zu sehr mit fremden Namen und Bestandtheilen versetzt und überhaupt zu verwildert ist.

25 S. Deutsche Heldensage von Grimm S. 327.

26 perfectissimam artis militaris industriam professus. Wegen dieser scenicae artes wurde Odhinn nach Saxo von den Göttern verbannt.

27 Fruote bleibt dabei doch ein Freisheros. S. altd. Rel. S. 271. Wate dagegen, den Müllenhoff in H. Zeitschr. 6, 62 fg. zu einseitig physisch erklärt hat, ist entschieden ein Wuotansheros. Ueber seine Fechtkunst, durch die er sich bei Hagen beliebt macht, s. Gudr. 354 fg., über seine Heilkunde, die er angeblich von einem wilden Weibe gelernt hat, das. 359. Wuotan ist auch Gott der Heilkunde; altd. Rel. 191. Ferner kommt das laut schallende Horn, womit Wate das Zeichen zum Kampfe gibt, in Betracht. Das gellende Horn, worauf der Gott Heimdhallr bei dem nahenden Weltuntergange bläst, gehört dem Odhinn: Säm. 90b. Müllenhoff a.a.O. hat es schon richtig hervorgehoben und mit dem schallenden Horn des milden Jägerr verglichen, worüber Wolf Beiträge zur D. Mythol. 1, 15 einiges zusammenstellt. Ein Horn, durch dessen Ton ein großes Kriegsheer herbei gerufen wird, bläst auch Ruother; in ähnlicher Weise kommt es in dem Gedichte Salomon und Morolt, dann in der französischen Sage von Roland vor. Endlich bemerken wir noch, daß die Namen Wate und Wuotan zu demselben Stamme (watan vadere) gehören.

28 Quam (Othinus) protinus cortice carminibus adnotato contingens, lymphanti similem reddidit. Auch Iwein wird, als ihn seine Gattin verschmäht, wahnsinnig und entstellt. Die Entstellung kommt eben so bedeutungsvoll in dem altfranzösischen Gedichte von Partonopeus vor, der, als er seine Geliebte verloren hat, sein Haupt nicht wäscht und seine Nägel nicht schneidet, und zuletzt so mager und misgestaltet wird, daß ihn Niemand kennt. Partonopeus von Maßmann S. 167.

29 S. Nibelungensage 55.

30 Auch Heinrich der Löwe erschlägt einen Lindwurm.

31 Vgl. Nibelungensage 112. altd. Rel. 191. Das Federhemde Wielands sah dem abgestreiften Balge eines Greifs oder Geiers ähnlich. Viltinasaga C. 30.

32 Wieland werden in der älteren Edda drei Brüder zugegeben, von denen aber die Viltinasaga nur Eigil nennt. Dieser ist ein ausgezeichneter Bogenschütze, an den sich dieselbe Sage heftet, die von Tell erzählt wird. Wie Eigil ist auch der Gott Ullr, als Ollerus Nebenbuhler Odhins, ein trefflicher Bogenschütze (oben S. 407), dann der räthselhafte Gott Hoenir, wie wir aus seinem Beinamen (der schießende Gott, der Pfeilkönig, Sn. 106) schließen. Dieser steht mit Odhinn (als sein Bruder) in einem näheren Zusammenhange und wird von Weinhold (H. Zeitschr. 7, 26) wieder mit Ullr zusammengestellt. Das sind dunkele Partieen der nordischen Mythologie, wie auch die Sage von den drei Valkyrien, mit denen nach der Edda Wieland und seine Brüder sieben Winter vermählt waren. Wieland war also schon vermählt, ehe er zu Nidung kam, doch ist die Beziehung seiner ersten Gattin auf Frigg zu gewagt. Die Sage, daß Wieland in einem ausgehöhlten Stamme auf dem Wasser trieb (Viltinas. E. 20), die mit den freilich verklungenen Sagen von dem Boote des Wate verglichen sind (D. Mythol. 350. Müllenhoff in H. Zeitschr. 6, 67), weisen wieder auf Wuotan, der auch Wellen und Wind beherscht (alt. Rel. 185). Hier klingt auch die Sage von Sceaf an, der in einem Kahne ohne Ruder auf einer Garbe schlafend an das Land getrieben wurde. Vgl. altd. Rel. 300. 301, wo in der Sage bereits ein Mythus von der Geburt eines agrarischen Gottes vermutet ist. Wuotan ist auch Gott der Erndte und des Ackerbaues. Die Anknüpfungen Sceafs an den Gott Freyr, die Müllenhoff (H. Zeitschr. 7, 418) versucht, sind nicht ausreichend.

33 Ueber die historischen Beziehungen in der Sage von Dietrich von Bern s.M. Rieger in W. Zeitschr. 1, 229. Wir lassen auch hier der Geschichte ihr Recht, glauben aber in dem Folgenden gerade die Züge als mythisch hingestellt zu haben, die Niemand aus der Geschichte erklären kann.

34 In dem alten Liede von Hildebrand heißt es: »her furlaet in lante luttila sitten prût in bûre.« Während seiner Abwesenheit wird er für todt gehalten.

35 Etzel, der als König der Hunnen durch die Geschichte in die Sage gekommen ist, hat in dem Mythus als Gemahl der Herke keine Stelle. Diese, deren Verzeihung nach dem Tode ihrer Kinder Dietrich durch Rüdiger erwirbt, steht dagegen mit dem gothischen Helden in einem nähern Verhältnisse. Seine Gattin Herrat, die ihm die Sage gibt, hat wieder keinen Mythus.

36 Auch in einer andern Sage erscheint Ermenrich als derjenige, der seinen eigenen Sohn tödtet. S.D. Heldensage S. 2. 45. J. Grimm in H. Zeitschr. 3, 151.

37 Wir entfernen hier vorläufig die geschichtlichen Namen, so daß also Herke der Rinda, Sibiche dem Ollerus, Odhinn dem Hildebrand, Uote der Frigg entsprechen würde. Doch ergibt sich schon aus dem Vorigen, daß sich auch an die geschichtlichen Personen (Dietrich und Ermenrich) ein Theil des Mythus geheftet hat. – Hildebrand der Alte, der ausgezeichnete Waffenmeister und Heerführer, ist ein eben so entschiedener Wuotansheros, wie der alte Wate. Auch der Name Uote (Ahnmutter) der seiner Gattin beigelegt wird, ist symbolisch und wohl nicht ohne Beziehung auf die Göttermutter Frigg.

3. Zur Sage von dem wilden Jäger

[419] III. Zur Sage von dem wilden Jäger.

Die Sagen, welche wir von dem wilden Jäger oder Hackelberg mitgetheilt haben, enthalten zwar manches, das aus andern Quellen schon bekannt ist, bieten aber mehrere bemerkenswerthe neue Züge dar, so daß ein kurzer erläuternder Ueberblick über denselben hier an seiner Stelle ist.

Fragen wir zunächst nach dem physischen Ursprunge der ganzen Sage, so unterliegt es wohl keinem Zweifel, daß, wie schon altd. Rel. 319 ausgeführt ist, der tosende Sturmwind eine Veranlassung dazu gegeben hat. Das ergibt sich auch deutlich aus N. 99, 2, wo es heißt, Hackelberg lasse sich hören, wenn der Nordwestwind scharf durch die Bäume weht; ferner aus 99, 14, wo es ausgesprochen wird, daß Hackelberg Menschen durch die Luft führen könne; dann durch mehrere sonst vorkommende Sagen, daß der wilde Jäger oder das wilde Heer durch offen stehende Thüren fahre (vgl. z.B.D. Mythologie 886), indem diese Zugwind hervorbringen. Doch reicht diese Erklärung nicht aus. Die Erscheinung Hackelbergs ist auch mit Regen verbunden (N. 99, 12) und da er zugleich ein feuriges Aussehen hat (N. 99, 10; vgl. Ndd. S. 265, 6), so darf man dabei an feurige Lufterscheinungen, namentlich den Blitz denken. Damit stimmt, daß der wilde Jäger Ohrfeigen austheilt (N. 99, 15; vgl. Pröhle S. 125), oder einem Bauern die Mütze abschlägt (N. 99, 5), wovon sein Gesicht zu schwellen anfängt und er selbst am andern Tage stirbt. Der Bauer ist vom Blitze getroffen. Auch die sehr verbreitete Sage von der Pferdekeule, welche der wilde Jäger in das Feuer wirft und mit einem lauten Nachrufe begleitet, ist von Schwartz 1 schon richtig auf den Blitz und den nachfolgenden lauten Donner bezogen. Auf dieselbe Erscheinung führt, daß Hackelberg einen Schäfer, der sich unter Hürden gelegt hat, zu erschlagen sucht (N. 99, 17; vgl. 96, 3) oder wirklich erschlägt, und die laut schallende Stimme des Nachtraben, der vor ihm her fliegt, darf man wieder auf den Donner beziehen. Daß aber die Macht [420] des wilden Jägers noch ausgedehnter ist, daß er überhaupt als Herr der Wettererscheinungen aufgefaßt wird, geht aus N. 100 hervor, wornach er bewirkt, daß die Teiche im Einbecker Walde vertrocknen.

Mit dieser Anschauung hat sich eine zweite verknüpft. Das Gestirn, der große Bär oder der Himmelswagen, wird als der Wagen Hackelbergs gedacht, auf dem er fährt (N. 98, 2. vgl. 95). Darauf ist auch wohl die Sage zu beziehen, daß Hackelberg alle sieben Jahre herum kommt (N. 97, 3. 99, 3), wie der Nachtrabe oder Fuhrmann alle hundert Jahre.

Die Person des wilden Jägers ist schon richtig auf den Gott Wodan bezogen. Noch jetzt heißt er in norddeutschen Gegenden Wode, Woenjäger u.s.w. und der Name Hackelberg, richtiger Hackelbernd ist von J. Grimm (D. Mythol. 873) durch Mantelträger erklärt. Nach der nordischen Mythologie hat Odhinn einen Mantel (altd. Rel. 184) der früher auch wohl in deutschen Sagen hervortrat. Auch der Nachtrabe, der den wilden Jäger begleitet, läßt eine Beziehung auf Wuotan zu. Dem nordischen Odhinn gibt der Mythus zwei Raben, die auf seinen Schultern sitzen und ihm alles ins Ohr sagen, was sie auf ihrem Fluge um die Welt erfahren (altd. Rel. 190). Wenn die deutsche Sage nur einen Raben erwähnt, so wird das keine Entstellung, sondern nur eine inviduelle Abweichung sein, die vielleicht ursprünglicher ist, als der Mythus der Edden. Man kann den Raben, der den im Gewitter waltenden Gott begleitet, für die dunkele Wetterwolke halten, aus der der laute Donner erschallt. In allen diesen Sagen erscheint der deutsche Wuotan, besonders der sächsische Wodan, eben so als ein die Wettererscheinungen lenkender Gott, wie ich das schon früher von dem nordischen Odhinn nachgewiesen habe.

In der niedersächsischen Volkssage von dem wilden Jäger haben sich zwei uralte Mythen von Wuotan erhalten, von denen die Edden nichts wissen, die wir hier noch besonders hervorheben, weil sie auf das Wesen des Gottes ein eigentümliches Licht werfen. Der eine ist die Erzählung von Hackelberg, der einen Eber erlegt (so lautet die ursprüngliche Sage), nachher aber von dem getödteten Thiere erschlagen wird (N. 97. 98). Der andere ist in der folgenden merkwürdigen Sage aus Lutterbeck enthalten, die so lautet.

»Hackeberg (Hackebarg), der jetzt noch durch die Luft zieht, war zu der Zeit, wo er auf Erden lebte, ein armer und dabei bitterböser Mann. Er war verheirathet, und seine Frau gebar ihm nach und nach sieben Kinder, welche aber der böse Vater jedes Mal nach [421] der Geburt tödtete. Einst hatte er Leute durch eine falsche Quittung betrogen und sich dadurch der Bezahlung entzogen. Da starb die Frau. Als sie nun begraben und zu ihrem neuen Aufenthaltsorte – ich weiß nicht, ob es der Himmel, oder die Hölle oder ein anderer Ort war – gekommen war, da waren die sieben Kinder, welche sie gehabt hatte, keine Kinder, sondern sieben lebendige kleine Hunde, welche an ihr herumhingen, als wenn sie an ihr sögen. Endlich starb auch Hackeberg, bald darauf auch sein Bruder, der eben so schlecht gewesen war, wie er selbst. Der Bruder kam nach seinem Tode nun auch nach demselben Orte, wohin Hackeberg schon vor ihm gekommen war. Da dieser selbst von dem Orte nicht weggehen konnte, aber meinte, daß sein Bruder sich noch einmal entfernen könnte, so bat er ihn, er möge doch auf die Erde zurückkehren und die Quittung ›richtig machen,‹ sie stecke hinter dem Spiegel in der Stube; würde die Sache nicht richtig gemacht, so könne er nicht selig werden. Damit man ihm glaube, möge er seinen Ring mitnehmen. Darauf warf er ihm seinen goldenen Ring in den Hut, der aber sogleich dadurch fiel, weil er ganz glühend war. Jener kehrte auch noch einmal auf die Erde zurück; als er aber zu den Leuten kam, welche sein Bruder betrogen hatte, da waren diese schon todt, und so ging er unverrichteter Sache wieder zurück. Als Hackeberg nun hörte, daß er nichts ausgerichtet habe, ward er über alle Maßen wütend. In seiner furchtbaren Wut ›zerspaltete er sich selbst, indem er mit dem einen Beine wogegen trat und sich so zerriß.‹ ›Er konnte nun nicht zu Gnaden kommen und muß deshalb ewig durch die Welt ziehen und wallen.‹ So fliegt er durch die Luft mit einem langen glühenden Schwanze, woran die sieben jungen Hunde hängen, welche gif gaf, gif gaf bellen, während er selbsttje hô, tje hô ruft. ›Alle sieben Jahre kommt er durch;‹ wenn er durchzieht und ruft, dann ist Krieg. In Lutterbeck ist ein Mann, der muß jedes Mal, wenn Hackeberg durchzieht, aufstehn und ihn sehen.«

Zieht man hier die Geschichte von der Quittung ab, die den Selbstmord Hackelbergs begründen soll, aber mythologisch von keinem Gewichte ist, so bleibt als Kern des Mythus zurück, daß Hackelberg seine Kinder, darauf sich selbst tödtet und in Begleitung seiner in Hunde verwandelten Söhne als Jäger erscheint. Eine Andeutung an diesen Mythus findet sich bereits in andern Sagen (oben S. 347), welche berichten, daß Hackelbergs Hunde seine Söhne sind.

Aus beiden Sagen ergibt sich das wichtige Resultat, daß Wuotan [422] zu gewissen Zeiten todt geglaubt und während desselben als der jagende d.h. der unterweltliche Gott gedacht wurde 2. Daß diese Zeit der Winter ist, dürfen wir aus der Analogie anderer Mythen, griechischer 3 wie nordischer schließen, und wir werden hier um so weniger irren, da der in der vorigen Abhandlung erläuterte Mythus von Odhins Verbannung in seiner Bedeutung verwandt ist. Warum der Eber als chthonisches Symbol erscheint, ist aus dem Wenigen, was wir über deutsche und nordische Mythologie wissen, nicht klar.

Die Sagen von Hackelbergs Grabe, das an verschiedenen Orten gezeigt wird (Nr. 97. 98 und Anm.), erhalten nun mehr Bedeutung. Verschiedene Plätze werden in heidnischen Zeiten für Grabstäten des Gottes gegolten haben, wie ein Grab des Zeus in Creta gezeigt wurde, und wie nordische Sagen (altd. Rel. 202) auch von einem Grabe Odhins wissen.

In der Lutterbecker Sage erscheint der Gott zugleich als ein grollender, der im Zorne seine eigenen Kinder erschlägt und, wie wir nun nach andern Erzählungen hinzusetzen dürfen, verzehrt. Auch das ist als ein alter roher symbolischer Zug aufzufassen, der bei Unterweltsgottheiten wieder kehrt. So verschlingt der Unterweltsgott Kronos seine eigenen Kinder 4, so schlachtet Lykaon seinen Sohn, und setzt ihn dem Zeus als Speise vor, d.h. Zeus Lykaios schlachtet und verzehrt seinen Sohn 5.

Dieser Mythus von Wuotan oder Hackelberg muß früher in verschiedenen individuellen Formen verbreitet gewesen sein, weil wir davon noch vielfache Spuren in der deutschen Volkssage, der Heldensage und dem Märchen finden. Aus der deutschen Volkssage ziehe ich die besonders Norddeutschland eigenthümlichen Sagen von in Höhlen wohnenden (auch sonst durch einzelne Züge auf Wuotan deutenden) Räubern hierher (n. 67-69 und Anm.), die Mädchen entführen, sie gewaltsam zu ihrem Willen zwingen, die Kinder, die sie gebären, (auch wohl die Mutter) tödten und, wie Papendöneken, verzehren. Aus der Heldensage gehören die in der vorigen Abhandlung besprochen, vielfach verzweigten [423] Erzählungen von der Tödtung junger Kinder hierher, die sich an den Schmied Wieland 6, dann an Ermenrich und Dietrich heften, welcher letztere nun wieder, wenn das nicht zufällig ist, in einigen Sagen als wilder Jäger erscheint (D. Mythol. 888). Die nordische Sage (Säm. 260) erzählt auch von Gudrun, daß sie ihrem Gemahle Atli die eigenen Söhne zum Mahle vorsetzte. Dann berichten, was wir hier nur eben erwähnen, noch mehrere Märchen und Sagen von einer edeln Frau, welche verläumdet wird Hunde geboren zu haben, worauf ihr Gatte die Kinder zu tödten befiehlt.

Die hervorgehobenen Züge, die sich noch weiter verfolgen ließen, sind in der Sage von Hackelberg die bedeutendsten. Manches, worauf andere Gewicht gelegt haben, kommt unserer Ansicht nach kaum in Betracht. Es ist z.B. ganz gleichgültig, was Hackelberg jagt, worauf auch die niedersächsische Sage, welche wir als die reinste ansehen müssen, kein Gewicht legt. Diese weiß auch von einem Heere, das den Jäger begleitet, ursprünglich nichts. Die Sagen von dem wütenden Heere, die in andern deutschen Gegenden vorkommen, weisen zwar in ihrem Namen auch auf Wuotan, es kommt aber doch in Frage, ob sie mit demselben in einem genauern Zusammenhange stehen. Sie deuten auf einen andern sehr verbreiteten alten Glauben, den wir bei einer andern Gelegenheit erläutern wollen.

Fußnoten

1 Der heutige Volksglaube S. 15.

2 Vgl. das jagende wütende Heer, das aus Geistern besteht. S. auch H.D. Müller über den Zeus Lykaios, Göttingen 1851. S. 29.

3 Der griechische Mythus von Adonis, der auch durch einen Eber getödtet wird, ist schon altd. Rel. 257 verglichen. Doch ist dort der Mythus von Hackelbergs Tode unrichtig auf Balder bezogen.

4 Müller Ares S. 123.

5 Müller über den Zeus Lykaios S. 22.

6 Von den Räubern wird vielfach erzählt, daß sie um ihre Verfolger zu täuschen, ihren Pferden die Hufeisen verkehrt aufschlagen ließen. Wieland beredete (Viltinasaga C. 29) die Söhne des Königs, die er tödten wollte, bei frisch gefallenem Schnee rückwärts zu seiner Schmiede zu kommen.

Abkürzungen

[424] Abkürzungen.

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TextGrid Repository (2012). Schambach, Georg. Märchen und Sagen. Niedersächsische Sagen und Märchen. D. Abhandlungen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-BD4E-E