216. Der gespenstische Schimmel.

1.

In Salzderhelden ist früher jeden Abend 9 Uhr ein weißer Schimmel vor das Wirthshaus gekommen und hat an das Fenster geklopft; dann hat sogleich ein jeder der Gäste nach Hause [197] gehn müssen. Sind nun die Leute vor der Thür des Wirthshauses gewesen, so hat sich der Schimmel vor sie hingestellt und wenn dann einer zu ihm gesagt hat: »Schimmel laß mich aufsitzen!« so hat er ihn aufsitzen lassen und im Nu nach seinem Hause getragen. Es war aber im Orte ein Schuster, der hatte einen Gesellen. Diesem fiel es einmal ein den Schimmel zu necken. Er sprach auch zu ihm: »Schimmel, laß mich aufsitzen!« als dieser sich aber hinstellte, um ihn aufsteigen zu lassen, lief er schnell nach Hause und legte sich ins Bett. Fortan kam der Schimmel jede Nacht vor des Schusters Hausthür, klopfte heftig daran und zerschlug die Fensterscheiben; ließ der Geselle sich Abends irgendwo sehen, so erhielt er von unsichtbaren Händen derbe Ohrfeigen. Da sagte endlich der Meister zu ihm: »wenn das so fortgeht, so kann ich dich nicht behalten; mach daß du fortkommst.« Der Geselle ging nun fort und sagte beim Scheiden zu seinem Meister, wenn es ihm gut ginge, so wolle er es ihm schreiben, ginge es ihm nicht gut, so werde er nicht schreiben. Er hat aber nicht geschrieben und der Schimmel hat sich nie wieder sehen lassen.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Schambach, Georg. Märchen und Sagen. Niedersächsische Sagen und Märchen. A. Sagen. 216. Der gespenstische Schimmel. 1. [In Salzderhelden ist früher jeden Abend 9 Uhr ein weißer Schimmel]. 1. [In Salzderhelden ist früher jeden Abend 9 Uhr ein weißer Schimmel]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-BBFC-B