Himilkon

Wehruf tönt durch Karthago hin,
Von Trauer voll sind Markt und Hallen;
Des Meeres stolze Königin
Hat tiefes Mißgeschick befallen;
Die Flotte, groß, wie keine je
Die Anker noch zuvor gelichtet,
Das Heer, erprobt zu Land und See,
Ward ihr mit einem Schlag vernichtet.
Und er, der kühn und stolz und jung
Durch des Tyrrhenermeeres Wogen,
Gleichwie zur Welteroberung,
Als Feldherr mit dem Heer gezogen,
Steht nun verklagt im Tempel Baals;
Vor ihm auf schwarzbehängten Stufen
Die Aeltesten des Tribunals,
Das vor die Schranken ihn gerufen.
[277]
So zu den finstern Greisen spricht
Himilkon da mit fester Stimme:
»Kühn seh' ich euch ins Angesicht
Und bebe nicht vor eurem Grimme.
Was nur vermag des Menschen Macht,
Hab' ich vollführt mit meinem Heere,
Und Größres viel hätt' ich vollbracht,
Wenn nicht der Neid der Götter wäre.
Siziliens Volk, noch schreckenblaß,
Mag Zeugnis geben meiner Thaten;
Zu Trümmern sank am Akragas
Die Riesenstadt, als wir uns nahten;
Kein Haus, das nicht zusammenbrach,
Kein Tempel, den wir nicht verbrannten;
Staub ward des Donnrers hehres Dach,
Und die es trugen, die Giganten.
Vom Rauche der Zerstörung qualmt
Auf ödem Hügel noch Segeste,
Die Steine selbst hab' ich zermalmt
Von Gelas einst berühmter Feste,
Hinabgeschaufelt in das Meer
Den Berg, der Himera getragen;
Kaum weiß der Hirt am Ufer mehr,
Wo es gestanden hat, zu sagen.
Wie Wettersturm aus Afrika,
Der wolkenschwer die Welt umnachtet,
Zog weiter meine Flotte da,
Mit Wirbelwind des Kriegs befrachtet;
Die Völker harrten stumm und bang,
Auf wen sie sich entladen werde –
Doch jäh traf uns der Untergang,
Und neu aufatmete die Erde.
[278]
Denn grausig aus dem Abgrund stieg
Die Pest empor, uns zu verderben;
Mann sah an Mann ich welk und siech
Vom Giftqualm ihres Odems sterben;
Wer nicht gefallen morgens schon,
Am Abend mußte der erbleichen;
Mich aber ließ sie, wie zum Hohn,
Am Leben unter all den Leichen.
So rief die düstre Macht mir Halt,
Mit der umsonst die Menschen ringen!
Hätt' ich's vermocht, die Allgewalt
Der Welttyrannen zu bezwingen,
Zu Füßen läg' euch alles Land
Von Thule bis nach Taprobane,
Ja selbst an der Atlantis Strand
Hätt' ich gepflanzt Karthagos Fahne.
Sie aber klag' ich an, ja sie,
Die großes nicht den Menschen gönnen,
Die Götter, deren Neid uns nie
Erlaubt, zu zeigen, was wir können;
Und nochmals und zum drittenmal
Klag' ich sie an der feigen Tücke!
Sie ruft vor euer Tribunal!
Ich unterlag nur dem Geschicke.
Und wähnt mich nicht verwirrt an Geist,
Weil ihnen ich zu trotzen wage!
Selbst geh' ich nun und schleudre dreist
Ins Antlitz ihnen meine Klage.«
Rief's und durchbohrte sich das Herz;
Die Richter sahn entsetzt den Toten,
Wie noch gebrochen himmelwärts
Den Göttern seine Blicke drohten.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Schack, Adolf Friedrich von. Gedichte. Gedichte. 3. Romanzen und Balladen. Himilkon. Himilkon. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-B725-B