[58] Laßt mich allein

Oft will im Tiefsten mich der Wunsch erfassen,
Es möge jedes Herz, das für mich schlägt,
Von mir sich kehren, zürnend mich verlassen,
Weil, mich zu lieben, keinen Segen trägt.
O daß ihr jeder Sorge euch entbändet
Und jeder Hoffnung, die ihr in mich setzt;
Was ihr mir Theu'res jemals auch verpfändet:
Mit Undank lohnen muß ich es zuletzt.
Denn ach, wie lange kann die Täuschung dauern?
Dann seid ihr plötzlich dessen euch bewußt,
Was ich schon längst mit unnennbarem Trauern
Als Mangel fühle in der eig'nen Brust.
Schon wird des Freundes Rath, der warme, treue,
Zu einem Mahnerschrei mir, grell und laut,
Und wie im Ton des Vorwurfs und der Reue
Klingt mir das liebevolle Wort der Braut.
[59]
Mir ist, ihr wollet Alle an mir rütteln,
Daß ich euch gebe, was ich nimmer kann –
Und mächtig zwingt's mich, euch von mir zu schütteln
Wie einen fremden, längst verhaßten Bann,
Um ganz allein den Kummer zu ertragen,
Der immer enger, schwerer mich umflicht,
Bis einst mein Leib nach stummen Leidestagen
Mit seines Elends Last zusammenbricht.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Saar, Ferdinand von. Gedichte. Gedichte. Erstes Buch. Aus schweren Tagen. Laßt mich allein. Laßt mich allein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-AF42-6