[22] Die Maskerade

Vor Zeiten als der Ruße noch
Vor seinem geistlichen Monarchen,
Wie vor dem Zaar, im Staube kroch,
Sah man den neuen Patriarchen
Auf einer sanften Eselin,
Umringt von bärtigen Prälaten,
Bojaren, Popen und Soldaten,
Durch Moskaus lange Gaßen ziehn.
Einst stack man zwischen Thür und Angel,
Weil in der Stadt und auf dem Land
O Wunder! sich kein Esel fand.
Allein der Erzhirt half dem Mangel
Durch weise List auf immer ab.
Er läßt aus Nürnbergs Kunstfabricken
Sich ein Paar Eselsohren schicken
So groß wie es noch keine gab;
Und wählt zum Helden des Betruges
Ein kleines Pferd. Am Tag des Zuges
Ward es mit grauem Tuch bedeckt
Und ihm der Schmuck vom schlauen Küster
So künstlich auf den Kopf gesteckt,
Daß es bald selbst der Hohepriester
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Für einen wahren Esel hielt.
Zwo Stunden hatte schon der Schimmel
Sein frommes Drama baß gespielt,
Als ihn ein Gaul aus dem Getümmel
Erkannte: »Vetter, rasest du?
Was soll der Kopfputz? Pfui des Thoren!«
Respeckt! rief ihm die Maske zu;
Es sind des Patriarchen Ohren.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Pfeffel, Gottlieb Konrad. Gedichte. Fabeln und Erzählungen. Dritter Theil. Erstes Buch. Die Maskerade. Die Maskerade. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-721F-D