[110] Der Elephant

An den Herrn Pannerherr Wildermett in Biel.


In seiner Wiege hörte schon
Der Kronprinz in dem Reich der Quadrupeden
Viel Arges von dem Wolf und seiner Mordsucht reden.
Auch stieg er kaum auf seiner Ahnen Thron,
So hieß es den Verräther tödten
Und all sein Gut durch Confiscation
Zur königlichen Kammer schlagen.
Dem Elephanten ward die Execution
Des ernsten Urtheils aufgetragen:
Allein er schlug es aus, indeß die Nation,
Besonders Ochs und Schöps, die stets am lautsten loben,
Des Schachs Gerechtigkeit erhoben.
»Was hör ich? rief mit wildem Blick
Die Majestät: du darfst noch widerstreben?
Ich will ja meiner Völker Glück:
Verwürkte nicht der Wolf sein Leben?«
Gut, sprach der Elephant, doch auch ein Bösewicht
Soll niemals ungehört, soll durch das Blutgericht
Nach dem Gesetz verurtheilt werden:
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Heut strafst du den Tyrann der Heerden,
Und morgen heißt vielleicht, auf des Verläumders Rath,
Dein Wink den treuen Hund entleiben.
»Schweig und entferne dich! versetzt der Potentat,
Du kannst nicht mehr mein Kanzler bleiben.«
Er gab die Stelle dem Rhinoceroß
Und das war gleich bereit, den Gaudieb aufzureiben.
Der Elephant zog auf sein ödes Schloß
Und weinte bey den Wunderthaten
Des allzuraschen Monokraten
Oft eine stille Thränenfluth.
Mir grauet, edler Freund, vor unsern goldnen Zeiten;
Das Gute, das ein Fürst despotisch thut,
Und wär es noch so schön und noch so gut,
Empört so sehr als Grausamkeiten.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Pfeffel, Gottlieb Konrad. Gedichte. Fabeln und Erzählungen. Dritter Theil. Drittes Buch. Der Elephant. Der Elephant. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-7136-0