[40] An die Heimgegangene

Entrückt der Grambeschwerde,
Die sich durch's Leben spinnt,
Liegst du in fremder Erde
So fern von Deinem Kind!
Seit manchem langen Jahre
Bist du, was todt man heißt,
Allein bei deiner Bahre
Weilt sinnend noch mein Geist.
Daß leichter dir die Erde,
Daß lichter deine Gruft,
Daß ausgeglichen werde
Die trennend weite Kluft –
Senk' ich mein stilles Sehnen
Und meine dunkle Pein,
Mein Hoffen, meine Thränen
Und mein Gebet hinein.
[41]
Ach, wenn bedrängt von Kummer,
Von naher Qual erschreckt,
Ich ohne Ruh' und Schlummer
Stillweinend hingestreckt,
Harr' ich umsonst der Seele,
Die mild einst sprach zu mir:
»Was dir auch immer fehle,
Es bleibt mein Lieben dir.«
Und ist es mir geblieben?
Gingst du nicht auch hinweg?
Du eiltest hin nach drüben,
Ich blieb auf schwankem Steg!
Wer scheucht des Schmerzes Schlangen,
Seit sich dein Aug schloß zu?
Seit du hinweggegangen,
Wer liebt mich noch wie du?

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Paoli, Betty. Gedichte. Gedichte. An die Heimgegangene. An die Heimgegangene. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-6802-5