[162] Stolze Güte
Wollt' ich mich an dem Feinde rächen,
Der tückisch durch mein Leben schleicht,
Müßt ich die Kronenzier zerbrechen,
Die er mir widerstrebend reicht.
Denn, wenn er nicht genau bedächte,
Wie schön mein Herz, wie groß und gut:
Nicht wagte es der Feige, Schlechte,
Mich zu verletzen, wie er's thut.
Er weiß, ich könnte mich vertheid'gen,
Vernichten ihn mit einem Laut,
Und wagt es doch, mich zu beleid'gen,
Weil er auf meine Großmuth baut.
[163]
Wollt' ich in rascher Seelenwendniß
Nun Rache nehmen an dem Feind,
Was wäre sie, als ein Geständniß:
»Ich bin so gut nicht, wie er meint!«
Den Kiesel niedern Zorns zu bringen
In meines Herzens Demantschrein,
Soll keinem Feinde je gelingen!
Ich will so schlecht, wie er, nicht sein.