Neunundfünfzigste Erzählung.

Ein Edelmann glaubt unbemerkt eine der Zofen seiner Frau zu umarmen und wird von ihr überrascht.


Die Dame, von der Ihr erzählt habt, hatte einen reichen Edelmann aus altem und vornehmem Hause geheirathet, und zwar wurde diese Ehe aus gegenseitiger großer Liebe geschlossen. Da sie eine sehr weltlich gesinnte Frau war, verhehlte sie ihrem Mann durchaus nicht, daß sie Anbeter habe, über die sie sich nur lustig mache, und die ihr ein Zeitvertreib seien. Anfangs nahm ihr Mann an diesem Vergnügen Theil, zuletzt aber war es ihm unlieb; denn einerseits fand er es unpassend, daß sie sich lange mit Leuten unterhielt, die weder seine Verwandten noch seine Freunde waren, andrerseits thaten ihm die Ausgaben leid, die ihm ihre Prunksucht verursachte, und die der beständige Aufenthalt bei Hofe mit sich brachte.

Er zog sich deshalb, so oft er konnte, auf sein Schloß zurück, dort besuchten ihn dann aber so viele Leute, daß die Ausgaben in seinem Haushalt nicht geringer wurden. Denn wo sie auch sein mochte, seine Frau fand immer Gelegenheit, ihre Zeit mit Spielen, Tänzen und anderen Belustigungen, die junge Frauen in allen Ehren betreiben können, zu verbringen. Wenn ihr Mann ihr [379] manchmal lächelnd sagte, daß ihre Aus gaben zu große seien, antwortete sie ihm, daß er wenigstens sicher sein solle, daß sie ihn nie zum betrogenen Ehemann, höchstens zu einem Bettler machen würde. Sie liebte den Putz so sehr, daß sie immer den schönsten und reichsten am ganzen Hofe haben mußte; ihr Mann führte sie selten dorthin, sie stellte aber alles Mögliche an, um an den Hof zu kommen, und zu diesem Zweck war sie immer ihrem Mann sehr gefällig, der ihr dann auch nicht Dinge, die größere Schwierigkeiten für ihn hatten, abschlagen wollte. Als sie nun eines Tages sah, daß alle ihre List ihn nicht bewegen konnte, mit ihr an den Hof zu gehen, bemerkte sie, daß er einem ihrer Ehrenfräulein nachstellte, und beschloß, daraus Nutzen zu ziehen. Eines Abends nahm sie dieses Mädchen beiseite und fragte sie unter Versprechungen und Drohungen so schlau aus, bis das Mädchen ihr gestand, daß, seitdem sie im Hause sei, kein Tag vergehe, an dem ihr Herr ihr nicht Liebesanträge mache, daß sie aber lieber sterben wolle, als etwas gegen Gott oder ihre Ehre zu thun, besonders noch, da sie ihr die Ehre erwiesen habe, sie zu ihrer persönlichen Dienstleistung zu nehmen, weil es dann doppelte Schlechtigkeit sei.

Als die Dame die Untreue ihres Mannes vernahm, erfüllte sie Zorn und Freude zugleich, indem sie sah, daß ihr Mann, der sich so in sie verliebt stellte, insgeheim ihr in nächster Nähe Schande bereitete, da sie sich auch mit Recht für schöner und anmuthiger halten konnte, als die, um derentwillen er sie vernachlässigte. Ihre Hoffnung ging aber dahin, daß sie ihren Mann bei einem so großen Treubruch ertappen wollte, daß er ihr nicht mehr ihre Anbeter und ihren Aufenthalt bei Hofe vorwerfen würde. Um zu diesem Ziele zu gelangen, ersuchte sie das Mädchen, nach und nach ihrem Manne, was er auch verlangen sollte, zu gewähren, jedoch nur unter besonderen Bedingungen. Das Mädchen wollte Schwierigkeiten machen; da ihre Herrin ihr aber für ihr Leben und ihre Ehre bürgte, ging sie darauf ein, alles, was sie wünschte, zu thun. Der Edelmann, welcher seine Anträge fortsetzte, fand Blick und Haltung dieses Mädchens ganz verändert; er bedrängte sie deshalb nur noch viel lebhafter, als er bisher gethan hatte. Sie hatte ihre Rolle aber sehr gut inne, hielt ihm ihre Armuth vor Augen, und daß sie, wenn sie ihm gehorche, den Dienst [380] ihrer Herrin verlieren würde, in dem sie doch einen braven Mann zu finden hoffe. Der Edelmann antwortete hierauf, sie solle sich um all das nicht kümmern, er würde sie besser und reicher verheirathen, als ihre Herrin das könne, und er würde ihr Verhältniß so geheim halten, das niemand davon etwas Böses würde sprechen können. Hierauf wurden sie einig, und während sie überlegten, welcher Ort zur Ausführung ihres Planes der geeignetste sei, sagte sie ihm, daß sie keinen besseren und von jedem Verdacht entfernteren wisse, als ein kleines Haus im Park, wo ein Zimmer mit einem Bett sei. Der Edelmann, dem keine Art zu schlecht gewesen wäre, war es ganz zufrieden, und es schien ihm eine Ewigkeit, bis Zeit und Stunde herankam. Das Mädchen hinterging jedoch ihre Herrin nicht, sondern erzählte ihr in aller Breite die ganze Unterhaltung über ihren Plan, daß es für den anderen Tag nach Tisch bestimmt sei; sie solle nicht verfehlen, wenn es Zeit zum Gehen sei, ihr ein Zeichen zu geben. Dann bat sie sie noch, ordentlich Acht zu geben und ja zur bestimmten Stunde selbst dort zu sein, um sie vor der Gefahr zu bewahren, in welche sie sich ihr gehorchend begebe. Die Herrin versicherte ihr das, bat sie, ohne Furcht zu sein, sie würde sie nicht verlassen und würde sie gegen die Wuth ihres Mannes vertheidigen. Am anderen Tage nach Tisch erwies sich der Edelmann gegen seine Frau nur noch liebenswürdiger als gewöhnlich; ihr war das nicht besonders angenehm, sie verstellte sich aber so, daß er nichts merkte. Nach Tisch fragte sie ihn, wie er die Zeit verbringen wolle. Er sagte, er wisse nichts besseres als Piquet zu spielen. Sie machten den Spieltisch zurecht, sie sagte aber, sie wolle nicht spielen, sie habe Vergnügen genug, ihnen zuzusehen. Als er sich an den Spieltisch setzte, sagte er zu dem Fräulein, sie solle ihr Versprechen nicht vergessen.

Als er nun spielte, durchschritt sie den Saal, indem sie ihrer Herrin ein Zeichen wegen der Wanderschaft, auf die sie sich nun begab, machte, was jene sehr wohl verstand; der Edelmann hingegen merkte nichts. Ungefähr aber nach einer Stunde machte ihm ein Diener ein Zeichen von weitem, worauf er zu seiner Frau sagte, der Kopf schmerze ihn, er sei genöthigt, sich eine Weile auszuruhen und Luft zu schöpfen. Sie kannte seine Krankheit so [381] genau wie er und fragte, ob sie unterdeß für ihn weiter spielen solle; er sagte ja, er werde bald wiederkommen. Sie sagte ihm aber, auf zwei Stunden käme es ihr nicht an, seinen Platz einzunehmen. Der Edelmann ging nun auf sein Zimmer und von da in den Park. Seine Frau, die einen kürzeren Weg kannte, wartete ein wenig, dann plötzlich that sie, als hätte sie Leibschmerzen, und übergab ihr Spiel einem Anderen. Sobald sie aus dem Saal war, zog sie ihre Stöckelschuhe ab und lief, was sie konnte, nach dem Ort, wo sie nicht wollte, daß der Handel ohne sie abgeschlossen würde. Sie kam gerade zur rechten Zeit zu einer Thür ins Zimmer hinein, als ihr Mann eben angekommen war; sie versteckte sich hinter ihm und hörte die ganzen Liebesbetheuerungen mit an, welche ihr Mann dem Fräulein machte. Als sie aber sah, daß er dem Verbotenen zu nahe kam, faßte sie ihn von rückwärts, indem sie sagte: »Ich bin Euch zu nahe, um eine Andere zu nehmen.« Ihr braucht nicht zu fragen, wie äußerst zornig der Edelmann war, sowohl weil ihm die erhoffte Freude entging, als auch, weil er nun sah, daß ihn seine Frau besser erkannt hatte, als ihm lieb war, so daß er sogar befürchtete, ihre Liebe zu verlieren. Da er sich aber dachte, daß der ganze Verrath von dem Mädchen ausgehe, sagte er kein Wort zu seiner Frau, sondern rannte so voller Wuth hinter jener her, daß er sie getödtet haben würde, wenn seine Frau sie ihm nicht aus den Händen gerissen hätte, indem er sagte, sie sei die verworfenste Dirne, die er je gesehen habe, und daß, wenn seine Frau bis zu Ende gewartet hätte, sie wohl gesehen haben würde, daß alles nur Scherz gewesen sei. Denn anstatt ihr das anzuthun, was sie vermuthe, würde er ihr die Ruthe gegeben haben. Sie kannte aber diese Münze und hielt sie nicht für vollwerthig; vielmehr tadelte sie ihn so scharf, daß er fürchtete, sie würde ihn verlassen. Deshalb versprach er ihr alles Mögliche und sagte gegenüber ihren Vorwürfen, daß er Unrecht thue, in ihren Anbetern etwas zu finden; denn eine schöne und ehrbare Frau sei nicht minder tugendhaft, wenn sie geliebt wird, vorausgesetzt nur, daß sie nichts gegen ihre Ehre thue noch sage, ein Mann aber verdiene harte Strafe, der sich bemühe, einer nachzulaufen, die ihn nicht liebe, und dabei an seiner Frau und seinem Gewissen Unrecht thue. Er versprach ihr deshalb, das er sie niemals [382] hindern wolle, an den Hof zu gehen, noch ihr zu verargen, Anbeter zu haben, denn er wisse wohl, sie unterhalte dieselben mehr aus Scherz, als aus Neigung. Dies alles mißfiel der Dame nicht, und sie hielt sich für die Gewinnerin. Sie hielt jedoch ihre Liebe höher als sonst irgend etwas, indem sie sagte, daß ohne diese alle Gesellschaft sie langweile, und daß eine von ihrem Mann geliebte und diesen wieder liebende Frau, wie sie es thue, den besten Schutz mit sich trage und mit jedermann sprechen könne, ohne sich dem Gerede auszusetzen. Der arme Edelmann ließ es sich so angelegen sein, sie seiner Liebe zu vergewissern, das sie schließlich als gute Freunde den Ort verließen. Um aber nicht zu diesem ungehörigen Gebahren zurückkehren zu können, bat er sie, das Mädchen, um deren willen er solchen Verdruß gehabt habe, wegzujagen. Sie that es auch, indem sie sie und zwar auf Kosten ihres Mannes auskömmlich verheirathete. Um sie dann ganz seine Thorheit vergessen zu lassen, führte er sie bald und zwar so reich und glänzend ausgestattet an den Hof, daß sie alle Ursache hatte, zufrieden zu sein.

»Nun werdet Ihr verstehen, meine Damen«, fuhr Longarine fort, »weshalb ich den Streich, den sie einem ihrer Anbeter spielte, nicht seltsam fand, da sie ihrem Mann einen solchen spielte.« Hircan sagte: »Ihr habt uns eine recht schlaue Frau und einen recht dummen Mann vorgeführt; denn war er einmal so weit ge kommen, so hätte er nicht auf halbem Wege anhalten dürfen.« »Und was hätte er thun sollen?« fragte Longarine. »Was er angefangen hatte«, antwortete Hircan; »denn seine Frau war gerade so erzürnt auf ihn, weil sie wußte, was er hatte thun wollen, als wenn er seine Uebelthat ausgeführt hätte; vielleicht hätte seine Frau ihn nur höher geschätzt, wenn sie ihn als kühnen und liebenswürdigen Mann gesehen hätte.« »Das ist leicht gesagt«, meinte Emarsuitte, »aber wo findet Ihr die Männer, welche zwei Frauen auf einmal bändigen? Denn die Frau würde ihr Recht und das Mädchen ihre Jungfräulichkeit vertheidigt haben.« »Das ist schon richtig«, antwortete Hircan, »aber ein starker und kräftiger Mann fürchtet sich nicht, zwei Schwache auf einmal anzugreifen, und wird mit ihnen doch fertig.« »Ich verstehe wohl«, sagte Emarsuitte, »wenn er seinen Degen gezogen hätte, würde er sie alle beide getödtet haben, anders sehe ich nicht, daß er ihnen entronnen wäre. Ich bitte Euch [383] deshalb, uns zu sagen, was Ihr gemacht hättet?« »Ich würde meine Frau umarmt und sie hinausgetragen haben, dann hätte ich mit der Zofe gemacht, was ich wollte, mit Liebe oder mit Gewalt.« Parlamente sagte: »Es ist schon genug, Hircan, daß Ihr in Gedanken Uebles zu thun versteht.« »Ich bin sicher, Parlamente«, antwortete Hircan, »mit dem, was ich sage, auch einem Unschuldigen nicht zu nahe zu treten, und ich will auch nicht damit eine Uebelthat beschönigen. Aber ich lobe nicht ein Unternehmen, welches in sich keinen Halt hat, ebensowenig einen Unternehmer, der es mehr aus Furcht vor seiner Frau, als aus Liebe zu ihr, unbeendet ließ. Ich lobe einen Mann, wenn er seine Frau so liebt, wie Gott es befiehlt; liebt er sie aber nicht, so achte ich ihn nicht, wenn er sie fürchtet.« »Ich gestehe«, sagte Parlamente, »wenn die Liebe Euch nicht zu einem guten Gatten machte, so würde ich gering anschlagen, was Ihr aus Furcht thätet.« »Ihr würdet Euch hüten, Parlamente«, sagte Hircan; »denn meine Liebe für Euch macht mich gehorsamer, als die Furcht vor dem Tode oder der Hölle.« »Nun, Ihr mögt darüber sagen, was Ihr wollt«, erwiderte Parlamente, »ich habe alle Ursache, mit dem zufrieden zu sein, was ich in dieser Beziehung von Euch gesehen und erfahren habe; was ich nicht weiß, darüber gebe ich mich keinen Grübeleien hin, und noch weniger habe ich je den Wunsch gehegt, mich danach zu erkundigen.« Nomerfide sagte: »Ich halte die für sehr thöricht, die sich zu sehr bezüglich ihrer Männer erkundigen, ebenso die Männer, die es zu sehr hinsichtlich ihrer Frauen thun; es hat jeder Tag seinen Verdruß, es ist garnicht nöthig, sich auch noch um den anderen Morgen zu bekümmern.« Oisille sagte: »Immerhin ist es ganz nöthig, sich nach den Dingen zu erkundigen, welche die Ehre eines Hauses berühren können, aller dings nur, um dann Ordnung zu schaffen, nicht, um sich eine schlechte Meinung zu bilden; denn es giebt keinen, der nicht einmal straucheln könnte.« Guebron sagte: »Es sind Manchen Unannehmlichkeiten entstanden, nur weil sie sich nicht genau und sorgfältig nach den Fehlern ihrer Frauen erkundigten.« Longarine sagte: »Wenn Ihr hierfür ein Beispiel habt, so bitte ich Euch, verhehlt es uns nicht.« »Ich weiß allerdings eines«, antwortete Guebron, »und da Ihr es wünscht, will ich es Euch mittheilen.«

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TextGrid Repository (2012). Navarra, Margarete von. Erzählungen. Der Heptameron. Sechster Tag. 59. Erzählung: [Ein Edelmann glaubt unbemerkt eine der Zofen]. 59. Erzählung: [Ein Edelmann glaubt unbemerkt eine der Zofen]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-5F90-E