[114] Vierzehnte Erzählung.
Schlauheit eines Verliebten, welcher, als sein bester Freund verkleidet, von einer Dame in Mailand den Liebeslohn für die lange treue Ergebenheit desselben genießt.
In Mailand lebte, während daselbst der Großmeister von Chaumont Gouverneur war, ein Edelmann, namens von Bonnivet, der später wegen seiner Verdienste französischer Admiral wurde. Da er beim Großmeister und aller Welt wegen seiner Vorzüge sehr beliebt war, war er auch auf allen Festen zu finden, wo die schönen Damen zusammentrafen, bei denen er mehr angesehen war, als sonst ein Franzose, sowohl wegen seiner Schönheit, Anmuth und Redegewandtheit, als auch, weil er in dem Rufe stand, einer der geschicktesten und kühnsten Ritter seiner Zeit zu sein. Eines Tages ging er in Maske auf den Karneval, wo er mit einer der schönsten Damen der Stadt tanzte, und als die Musik eine Pause machte, machte er ihr Liebesanträge, was keiner besser verstand als er. Sie wollte sich aber auf nichts einlassen, und statt aller Antwort schnitt sie ihm das Wort ab und sagte nur kurz, sie liebe ihren Mann und werde nie einen anderen lieben, und daß es vergeblich sei, von ihr etwas zu erwarten. Er ließ sich aber durch diese Antwort nicht abschrecken und verfolgte sie bis zu Mittfasten. Aber sie verblieb dabei, weder ihn noch einen andern zu lieben. Er glaubte es ihr aber nicht, denn ihr Mann war ohne Anmuth und sie eine große Schönheit. Er beschloß also, da sie sich verstellte, gleiches zu thun; er gab es auf, ihr nachzulaufen, erkundigte sich aber im Geheimen sehr genau nach ihrem Leben und hatte auch bald ausfindig gemacht, daß sie einen sehr achtungswerthen Edelmann liebte. Bonnivet befreundete sich mit diesem und kam bald in einen vertraulichen Umgang mit ihm, und zwar, ohne daß dieser merkte, worauf er hinaus wollte; vielmehr schätzte er ihn bald so, daß, von seiner Geliebten abgesehen. Niemand ihm mehr am Herzen lag. Um ihm sein Herzensgeheimniß zu entlocken, stellte sich Bonnivet, als erzähle er ihm sein eigenes, und schwatzte ihm von einer Dame vor, die er liebe und auf deren Gegenliebe er garnicht gehofft hatte u.s.w. und bat, diese Mittheilung geheim zu halten und ihm auch seinerseits sein Herz zu [115] öffnen. Der gute Edelmann wollte ihm zeigen, daß sein Vertrauen nicht geringer sei und erzählte ihm lang und breit von seinem Verhältniß mit der Dame, an der Bonnivet sich rächen wollte. Von da an kamen sie jeden Tag zu einer festgesetzten Zeit an einem bestimmten Ort zusammen und erzählten sich gegenseitig, was ihnen der Tag Gutes bei ihren Damen gebracht hatte, der eine immer erfindend und lügend; der andere die Wahrheit sagend. So beichtete der Edelmann, daß er seit drei vollen Jahren jene Dame liebe, ohne etwas anderes von ihr zu erhalten, als schöne Worte und Betheuerungen ihrer Gegenliebe. Bonnivet gab ihm gute Rathschläge, um eine endliche Erhörung herbeizuführen, und es glückte jenem in der That schon nach wenigen Tagen, von ihr ein Versprechen zu erhalten; es handelte sich nun nur noch darum, wie es ausführen, aber auch in dieser Beziehung half Bonnivet aus. Eines Tages vor dem Abendessen sagte denn auch der Edelmann zu ihm: »Ich bin Dir mehr verpflichtet, als irgend jemandem sonst auf der Welt, denn durch Deine geschickte Taktik darf ich hoffen, heute Nacht endlich zu erlangen, wonach ich so lange gestrebt habe.« »Ich bitte Dich«, sagte Bonnivet, »theile mir das Nähere der Verabredung mit, vielleicht ist Hinterlist dabei im Spiele, und ich könnte Dir irgendwie behülflich sein.« Er theilte ihm also mit, daß sie in diesen Tagen gerade die Möglichkeit habe, die große Eingangsthür aufstehen zu lassen. Es könne das unter dem Vorgeben geschehen, daß für einen ihrer Brüder, der krank sei, sehr oft auch nachts in die Stadt nach Arzenei und sonstigen nöthigen Sachen geschickt werden müsse. So könne er in den Hof gelangen; dort solle er aber nicht die Freitreppe hinaufsteigen, sondern eine kleine Stiege rechter Hand benützen und in die erste Gallerie eintreten, auf welche die Thüren aller Zimmer ihres Schwiegervaters und Schwagers mündeten. Von diesen solle er die dritte zunächst der Treppe nehmen, und wenn er sie verschlossen fände, solle er umkehren, dann sei nämlich ihr Mann zurückgekehrt, der zwar erst in zwei Tagen erwartet werde. Fände er sie unverschlossen, dann solle er leise eintreten und sie hinter sich verschließen, sie werde dann allein im Zimmer sein. Vor allen Dingen solle er sich aber Filzschuhe anschaffen, damit er keinen Lärm mache, und sich auch hüten, vor zwei Uhr nachts zu kommen, [116] weil ihre Schwäger, die das Spiel leidenschaftlich liebten, sich nie vor ein Uhr zur Ruhe begäben. »Gehe also mit Gott«, sagte Bonnivet, »möge er Dich vor Unheil bewahren; wenn ich Dir irgendwie dienlich sein kann, stehe ich, so weit meine Kräfte reichen, zu Deiner Verfügung.« Der Edelmann bedankte sich, sagte, daß er seiner Sache schon ganz gewiß wäre, und ging fort, um seine letzten Anordnungen zu ertheilen. Bonnivet aber ging nicht zur Ruhe; er sagte sich, daß jetzt die Stunde gekommen sei, sich an der Grausamen zu rächen, und ging frühzeitig in seine Wohnung, wo er sich den Bart verschneiden ließ, bis er nur noch so lang wie der des Edelmannes war; auch die Haare ließ er stutzen, damit der Unterschied nicht auffiele. Er vergaß auch nicht die Filzschuhe und zog im übrigen Kleider von ähnlichem Schnitt wie die des Edelmannes an. Außerdem traf es sich sehr günstig für ihn, daß er mit dem Schwiegervater der Dame bekannt war; er stand deshalb nicht an, frühzeitig hinzugehen, weil er sich sagte, daß er, wenn er gesehen würde, einfach zu dem alten Edelmann gehen würde, mit dem er eine Angelegenheit zu besprechen hatte. Um Mitternacht betrat er also das Haus der Dame, in dem noch Viele aus- und eingingen. Er kam an allen vorüber, ohne erkannt zu werden, und gelangte nach der Gallerie; die ersten beiden Thüren fand er verschlossen, die dritte aber gab seinem Drucke nach. Als er eingetreten und den Schlüssel hinter sich herumgedreht hatte, fand er das Zimmer ganz mit weißem Tuch austapeziert, Fußboden und Decke desgleichen, und ein Bett mit der zartesten Leinwand überzogen und voller weicher Pfühle. In demselben lag die Dame, in Nachthäubchen und Hemd, welche beide mit Perlen und Edelsteinen besetzt waren. Er sah das Alles durch eine Spalte im Vorhang, ohne daß er von ihr bemerkt werden konnte, obgleich das Zimmer von einer Wachskerze ganz hell erleuchtet war. Vor Allem nun löschte er die Kerze aus, um nicht von ihr erkannt zu werden. Dann entkleidete er sich und legte sich zu ihr ins Bett. Sie dachte nicht anders, als daß es der sei, der ihr schon seit so langen Jahren ergeben war, und gab sich ihm ganz hin. Er aber vergaß nicht, daß er als ein anderer hier war, und hütete sich wohl, auch nur ein Wort mit ihr zu reden. Er war nur darauf bedacht, sich an ihr zu rächen und [117] ihr die Ehrbarkeit zu nehmen. Aber ganz gegen seine Erwartung war die Dame diese Art der Vergeltung sehr zufrieden; erst um ein Uhr schien sie ihn für seine bisherigen fruchtlosen Bemühungen genugsam entschädigt zu haben, und dachten sie daran, daß es Zeit sei, sich zu trennen. Dann erst fragte er sie mit ganz leiser Stimme, ob sie mit ihm so zufrieden sei, wie er mit ihr. Sie war immer noch der Meinung, ihren Freund neben sich zu haben, und sagte ihm, daß sie nicht nur zufrieden mit ihm, sondern aufs Angenehmste von der Ausdauer seiner Liebe überrascht sei, so daß er eine ganze Stunde sich nicht einmal Zeit gegönnt habe, auch nur ein Wort mit ihr zu reden. Hier lachte er laut auf und sagte: »Nun wohlan, Madame, wollt Ihr mich weiter zurückweisen, wie Ihr bisher gethan habt?« Jetzt erkannte sie ihn an seinem Sprechen und Lachen; sie war ganz verzweifelt vor Scham, nannte ihn in Einem fort Verräther und Betrüger und wollte sich aus dem Bett stürzen, um einen Dolch zu holen und sich zu tödten, da sie das Unglück gehabt habe, von einem Manne entehrt zu sein, den sie nicht liebte, und der aus Rache von seinem guten Glück in allen Gassen erzählen könnte. Er hielt sie aber in seinen Armen zurück, versicherte sie mit vielen zärtlichen Worten, daß er sie mehr liebe als der andere und daß er verschwiegen sein werde, so daß ihr keine üble Nachrede daraus entstehen sollte. Die arme Bethörte glaubte ihm auch schließlich; er erzählte ihr, welche Mühe er sich gegeben und wie er es angestellt habe, um sie zu gewinnen. Immer von Neuem betheuerte er, daß er sie mehr liebe als jener, der ihr Geheimniß ausgeplaudert habe, und sagte weiter, sie wisse nun auch, daß die Ansichten bezüglich der Franzosen nur Vorurtheil seien, daß sie viel rücksichtsvoller, ausdauernder und discreter als die Italiener wären. Deshalb möge sie für die Zukunft sich von der Meinung ihrer Landsleute lossagen und ihm trauen. Sie bat ihn aber, für die nächste Zeit an keinem Orte und zu keinem Fest, wo sie auch wäre, anders als in Maske zu kommen, denn sie empfinde so große Beschämung, daß sie vor allen Leuten erröthen würde. Er versprach ihr das und bat sie auch, wenn um zwei Uhr sein Freund käme, ihn freundlich zu empfangen, dann aber nach und nach sich von ihm los zu machen. Anfangs widerstrebte sie dem sehr und nur [118] nach vielem Zureden sagte sie, daß sie aus Liebe zu ihm selbst seine Bitte erfüllen wolle.
Vor seinem Abschied beglückte er sie nochmals so sehr, daß sie es nun ganz gern gesehen hätte, wenn er noch länger geblieben wäre. Nachdem er sich erhoben und wieder angekleidet hatte, verließ er das Zimmer und ließ die Thür nur angelehnt, wie er sie gefunden hatte. Und da es beinahe zwei Uhr war und er befürchten mußte, unterwegs den Edelmann zu treffen, ging er auf der Treppe noch einige Stufen hinauf und sah auch bald seinen Freund ankommen und in das Zimmer der Dame eintreten. Er selbst ging nach Haus, um sich von der gehabten Anstrengung auszuruhen, und schlief bis neun Uhr morgens. Als er bei der Morgentoilette war, kam sein Freund und erzählte ihm seine Erlebnisse der letzten Nacht, die ihn aber nicht so zufriedengestellt hatten, als er gehofft hatte. Als er nämlich zu der Dame gekommen war, habe sie in vollem Fieber in ihrem Nachtgewand mitten im Zimmer gestanden; ihre Pulse hätten geschlagen und ihr Gesicht, auf dem dicke Schweißperlen standen, sei ganz erhitzt gewesen. Sie habe ihn gebeten gleich umzukehren, denn nur aus Furcht, daß ihre Unüberlegtheit ruchbar würde, habe sie noch nicht ihre Frauen gerufen, und wegen jener sei sie in einer ganz verzweifelten Stimmung, sie denke vielmehr ans Verderben, als an Liebe, und wolle lieber von Gott als von Cupido hören. Sie bedauere, daß er umsonst gekommen, aber sie könne seinem Verlangen nicht nachkommen. Er war hierüber so erstaunt und betrübt, daß seine Liebesgluth und seine Freude sich in Kälte und Traurigkeit umwandelten, und hatte sich wieder entfernt. Am Morgen habe er sich nach ihrem Befinden erkundigen lassen und in der That gehört, daß sie sehr krank sei. Während er in seinem Schmerz alles er zählte, war er ganz aufgeregt und weinte heftig. Bonnivet, dem das Lachen so nahe war, wie jenem das Weinen, tröstete ihn, so gut er konnte, immer sei bei Dingen, die lange gewährt hätten, gerade der Anfang einer Aenderung das Schwerste, und wenn sein Glück jetzt noch eine Verzögerung erleide, so werde die endliche Erreichung des Zieles nur um so genußreicher sein. Hierüber trennten sie sich. Die Dame mußte einige Tage das Bett hüten; nachdem [119] sie gesund geworden war, gab sie ihrem ersten Liebhaber den Laufpaß, und begründete das mit ihrer Furcht vor dem Tode und Gewissensbissen. Dagegen hielt sie sich an Bonnivet, dessen Liebe so lange währte, wie es gewöhnlich ist, d.h. wie auf einem Felde die Blumen blühen.
Hiermit beendete Simontault seine Erzählung und fuhr dann fort: »Hiernach kann man wohl sagen, meine Damen, daß das hinterlistige Vorgehen des Edelmanns und die Heuchelei der Dame, die sich als ehrbare Frau aufspielte, während sich herausstellte, daß sie das gerade Gegentheil war, auf gleicher Stufe stehen.« »Sagt von den Frauen, was Ihr wollt«, sagte Emarsuitte, »jedenfalls hat dieser Edelmann unedel gehandelt. Soll es denn erlaubt sein, daß, wenn eine Frau einen Mann liebt, sie einem anderen gehören soll, blos weil der der hinterlistigere ist?« Guebron sagte: »Glaubet mir, wenn solche Waare zum Kauf aussteht, so ist es ganz natürlich, daß sie dem zufällt, der am meisten dafür einsetzt und den höchsten Preis dafür zahlt. Denket nur ja nicht, daß die, welche die Damen mit so großer Ausdauer verfolgen, sich ihnen zu Liebe in all diese Unkosten stürzen; durchaus nicht, es geschieht nur um ihrer selbst willen und ihres Vergnügens halber.« »Ich glaube Euch gern«, sagte Longarine, »denn um es nur zu gestehen, alle meine Freunde singen immer damit an, von mir zu sprechen; sie wünschten mich glücklich zu machen, hatten nur mein Wohl und meine Ehre im Auge; schließlich aber lief Alles auf sie selbst hinaus, und sie suchten nur ihr Vergnügen und Befriedigung ihrer Eitelkeit. Deshalb ist es das Beste, man schickt sie schon nach den ersten paar Worten nach Hause, denn läßt man sich erst weiter mit ihnen ein, so gereicht eine Abweisung garnicht mehr zur Ehre, denn hat man erst erkannt, daß es sich um die eigene Unehre handelt, so hat eine Zurückweisung keinen besonderen Werth mehr.« »Sollen wir denn nun, sowie ein Mann den Mund aufthut, ihn abweisen, ohne noch zu wissen, was er will?« fragte Emarsuitte. Parlamente antwortete: »Ich meine, daß im Anfang eine Frau vor Allem sich so stellen muß, als wüßte sie garnicht, worauf der Mann hinaus will, und wenn er es ganz deutlich sagte, muß man es ihm nicht glauben wollen; kommt er aber zu Betheuerungen [120] so halte ich es für das Beste, wenn die Frau ihn einfach diesen schönen Weg allein gehen läßt und ihn nicht nach dem Thal mit dem grünen Rasenteppich und den duftenden Blumen begleitet.« »Sollen wir nun aber glauben, daß sie uns immer nur um des Unrechts willen lieben?« fragte Nomerfide; »ist es nicht eine Sünde, seinen Nächsten so zu verurtheilen?« »Das läßt sich schwer entscheiden,« nahm Oisille das Wort, »das Einfachste ist allerdings, man geht dem Feuer aus dem Wege, wenn man auch erst nur Funken davon sieht, denn man verbrennt sich schneller daran, als man es gewahr wird.« »Nun wahrlich«, warf Hircan ein, »Eure Worte sind zu hart, denn wenn die Frauen, denen die Milde so wohl steht, so grausam sein wollten, so würden auch wir unsere Bitten mit Hinterlist und Gewalt vertauschen.« »Ich sehe nur den einen Ausweg, daß jeder seinem Naturell folgen muß«, sagte Simontault, »ob er aber liebt oder nicht, das muß er immer ohne Verstellung zeigen.« »Ganz recht«, bemerkte Saffredant, »wenn nur dieses Gesetz ebenso für unsere Ehre sorgte, wie für unser Vergnügen.« Dagoucin sagte hier: »Diejenigen z.B., die lieber sterben möchten, als die letzten Wünsche ihres Herzens auszusprechen, möchten mit Eurer Bestimmung nicht einverstanden sein.« »Sterben?« fragte Hircan; »der Ritter muß noch geboren werden, der deshalb sterben würde. Aber streiten wir uns nicht um Unmögliches, sehen wir lieber zu, wem Simontault das Wort geben wird.« Dieser erwiderte: »Ich gebe es Longarine; ich sah eben, daß sie mit sich selbst sprach, wahrscheinlich ist ihr eben eine gute Geschichte eingefallen; außerdem ist sie auch nicht gewohnt, die Wahrheit zu verhehlen; mag sie sich nun gegen die Männer oder gegen die Frauen richten.« »Da Ihr mich für so wahrheitsliebend haltet«, sagte Longarine, »will ich Euch eine Geschichte erzählen, die zwar nicht gerade zum Lobe der Frauen spricht, aus der Ihr aber ersehen könnt, daß sie gerade so klug und verschlagen wie die Männer sind. Meine Erzählung wird etwas lang sein; ich bitte Euch deshalb im Voraus um Entschuldigung.«