Blümlein Vergißmein

Was treibt mich jeden Morgen
So tief in's Holz hinein?
Was frommt mir, mich zu bergen
Im unbelauschten Hain?
Es blüht auf allen Fluren
Blümlein Vergiß mein nicht,
Es schaut vom heitern Himmel
Herab in blauem Licht.
Und soll ich's niedertreten,
Bebt mir der Fuß zurück,
Es fleht aus jedem Kelche
Ein wohlbekannter Blick.
Weißt du, in welchem Garten
Blümlein Vergiß mein steht?
Das Blümlein muß ich suchen,
Wie auch die Straße geht.
[18]
'S ist nicht für Mädchenbusen,
So schön sieht es nicht aus:
Schwarz, schwarz ist seine Farbe,
Es paßt in keinen Strauß.
Hat keine grüne Blätter,
Hat keinen Blüthenduft,
Es windet sich am Boden
In nächtig dumpfer Luft.
Wächst auch an einem Ufer,
Doch unten fließt kein Bach,
Und willst das Blümlein pflücken,
Dich zieht der Abgrund nach.
Das ist der rechte Garten,
Ein schwarzer, schwarzer Flor:
Darauf magst du dich betten –
Schleuß zu das Gartenthor!

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Müller, Wilhelm. Gedichte. Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten 1. Die schöne Müllerin. Blümlein Vergißmein. Blümlein Vergißmein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-5B01-0