Der Pargioten Abschied von den Engländern

Brüder, laßt und fürder ziehen aus dem schnöden Inselland!
Laßt uns eilig unsre Segel richten nach dem schönen Strand,
Wo aus langen schweren Banden Hellas ihre Arme ringt
Und die kettenwunde Rechte gegen die Tyrannen schwingt.
Britten, ohne Dank und Segen scheiden wir aus eurem Schutz,
Wählen einen andern Herren, und derselbe heißet Trutz;
Der will uns hinüber führen ohne euren sichern Paß,
Wo wir Päss' uns selber schreiben mit des Blutes rotem Naß.
Unsre Mauern, unsre Thürme, unsre ganze liebe Stadt,
So die heil'ge Mutter Gottes selber sich ersehen hat,
Daß sie von der Felsenspitze auf dem letzten Uferrand
Tröstend überschauen möchte das gebeugte Griechenland:
Diese Stadt habt ihr verhandelt, Britten, die ihr schützen wollt,
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Britten, habt sie losgeschlagen für des alten Paschen Gold.
Hättet wohl auch unsre Häupter gern gegeben in den Kauf?
Und der grimme Heide wetzte schon sein Henkerbeil darauf.
Britten, Britten, an den Händen klebt es röther euch, als Blut!
Britten, Britten, das ist jenes Sündengoldes Höllengluth!
Und ein hoher Scheiterhaufen stieg auf unsrem Mark empor,
Und mit Schaufeln und mit Hacken zogen wir aus jedem Thor:
Jeder grub sich die Gebeine seiner Lieben aus der Gruft,
Und in freien Flammen lodernd flog der Staub in freie Luft.
Ach, wohl hätten wir uns selber gern gestürzt in seine Gluth,
Doch der Weiber und der Kinder Jammer brach der Männer Muth;
Und so zogen wir von dannen bei der Leichenflammen Schein,
Und die Brittenschiffe nahmen unsres Elends Lasten ein.
Haben nun zwei Jahr' gesessen hier auf Korfu's Inselland,
Haben nun zwei Jahr' geschauet sehnlich nach der Heimath Strand.
Britten, habt uns Schutz gegeben, und noch Ketten auch dabei:
Euren Schutz und eure Ketten brechen heute wir entzwei.
Brüder, laßt uns fürder ziehen! Drüben liegt ja unsre Stadt,
So die heil'ge Mutter Gottes selber sich ersehen hat,
Daß sie von der Felsenspitze auf dem ersten Uferrand
Segnend überschauen möchte das erwachte Griechenland.
Brüder, dahin laßt uns ziehen, eh' der hohe Schutzpatron,
Uns statt seiner zu beschützen, rufe seinen Kerkerfrohn.
Brüder, dahin laßt uns ziehen, weil wir noch in unsrer Hand
Unsre guten Schwerter halten, Schwerter für das Vaterland!

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Müller, Wilhelm. Gedichte. Lyrische Reisen und epigrammatische Spaziergänge. Griechenlieder. Neue Lieder der Griechen. Der Pargioten Abschied von den Engländern. Der Pargioten Abschied von den Engländern. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-596F-0