[227] Das Lied vom Mai
O du glühende blühende Maienzeit!
Der Himmel so blau und das Herz so weit,
vergessen die Schmerzen und Sorgen –
und was im Finstern begraben lag,
das hebt die Augen und grüßt den Tag
und lacht in den strahlenden Morgen!
Und aus den Toren der Städte zieht
eine festliche Schar, und ein jubelndes Lied
steigt hoch in die schimmernde Wolke,
ein Lied von der Zeiten wechselnder Flucht,
von den Tagen der Blüte, den Monden der Frucht,
einem freien glücklichen Volke.
Das Lied der Zukunft! Es tönt und klingt;
auf silberschimmernden Flügeln schwingt
es sich in die dunkelste Kammer
und strömt wie liebliche Maienluft
und haucht wie schwellender Rosen Duft
in des Elends erstickenden Jammer.
Das Lied der Zukunft! Es rauscht und braust;
auf feuermähnigem Rosse saust
es wie die Walküre der Sage
durch die zitternde Schwüle, die dräuenden Reihn –
und der Kampf ist sein, und der Sieg ist sein,
und es jauchzt dem vernichtenden Schlage!
[228]
Das Lied der Zukunft, das Lied vom Mai –
aus den Banden des Alltags macht es euch frei:
heut seid ihr des Frühlings Gäste.
Und mit euch segnen auf weitem Rund
die Völker der Erde den heiligen Bund
und feiern das Fest der Feste!