[68] An Schubart im Kerker auf Hohenasberg

Bei Übersendung eines Gedichtes. – Dem armen, unglücklichen Schubart zum Zeitvertreibe gewidmet!


Warme Freundschaft und Bruderliebe wird's ihm einhändigen. In seinen melancholischen Stunden, wenn's ihm da Grillen vertreibt, aufheitert eine Stunde nur in seiner traurigen Situation – war's Arznei, gepflückt aus den Gärten des Lebens, ist's mehr wert, als wenn es zehn Recensenten loben.

Weine nicht, wie Du auch gebeugt sitzest, ermann' Dich – über Dir hoch der Himmel! Gottes allmächtig Aug' leuchtet und sein belebender Odem weht noch über Dir hin.

Trauerst Du unverdient, rollt die gepreßte, bittere Kummerzähre über die Wangen unverschuldet Dir ab – wehe an jenem Tag dem, der den erdgeschaffenen, freien Menschen niederwirft, ihn aus seiner Bestimmung reißt, zu reifen am Sonnenstrahle der Freiheit, an des Lebens Licht ... Entreißt der Natur ihn, nimmt seinem Fuß, von Gott zum Gange geschaffen, Bewegung und Kraft, den fröhlichen, vom Himmel vermachten Blick zur Sonne, beraubt ihn der Freuden des Jahrs, der Freuden des seligen Genusses von Vater und Gatten, der ihm angeborenen Sangeslust beim Handschlag und Weine und ihn selig umfangender Lieben, übergibt – zehnfach weh! – oft kummervoll, niedergedrückt ihn bangen, mitternächtlichen Stunden, wenn seine Schmerzen ihn umringen wie ein gewaltig Heer, wenn Philosophie, überwunden von Menschheit und Natur, seine Seele der Verzweiflung nahebringt ... Ha, groß die Gewalt der Götter der Erden, schwer in jenen Tagen des Gerichts das Wort, das man streng fordert von dem ...

Hast Du verschuldet, o so trage geduldig, lehne Dein Haupt gegen schwere Riegel, auch da bleibt Gott über Dir allgegenwärtig. Die Zeit fleucht schneller, schüttelt die Sanduhr! Der Zeiger läuft und die Erlösungsstunde nahet heran – Alles nimmt ein Ende, Deines Schmerzens Tage auch. Die Du beleidigt, wollen sich beruhigen. Deine Seele fühlt es. Pflanz' Dein Kreuz hoch auf und schaue, wie viele Buße litten, um Liebe willen noch mehr –!

Sieh den armen Mohr in Perus dunklen Schachten, verkauft [69] vom Vater, vom Bruder weg oder vom Haß nahen Freunden, fern aus seinem Land entführt ... ach, verdammt zu ewigen Leid! nicht in einem Kerker, von Menschen gebaut – dies, deucht mich, wäre noch lindernd, denn immer noch bleibt eine Spur von Menschlichkeit dann gesellig dem Herzen – nein, schuldlos in öden, wilden Gebirgen, sich selbst entrissen, noch nicht gereift zum Menschen, sein harmloses Leben verseufzend!

Mit Tränen wäscht er das Gold, das unsern Prunk schmückt, gräbt mit blutigen Händen sich tiefere Kerker aus der Erde, während über ihn der geizige Herr knirscht und ihm die Peitsche vorhalten möchte; hat keinen Trost, kein Licht, keine Hoffnung, keine Zuflucht als den Tod, und nur der Tod weht ihm lieblich entgegen, kommt wie der Bräutigam zur Braut ... Ihm sei Trost von Gott bald sanfte Ruhe, wenn die Gebeine lechzend ermüden, das erstarrte Aug' des gemißhandelten Körpers nicht mehr die Peitsche des Drängers fürchtet ...

Drum weine nicht, wo du auch sitzest in Trübsal!

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Müller, Friedrich (Maler Müller). Gedichte. Gedichte. An Schubart im Kerker auf Hohenasberg. An Schubart im Kerker auf Hohenasberg. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-508B-3