[167] Ohrensausen
Auf der Kleinseite steht ein altes Haus, in dem nur unzufriedene Leute wohnen. – Jeden, der es betritt, befällt ein quälendes Mißbehagen. – – Ein düsteres Ding, das bis an den Bauch in der Erde steckt.
– – Im Keller liegt eine eiserne Platte: wer sie hebt, der sieht einen schwarzen engen Schacht mit schlüpfrigen Wänden, die kalt hinunter in die Erde zeigen.
Viele schon hatten an einem Strick Fackeln hinabgelassen. – Tief in die Dunkelheit hinunter, und das Licht war immer schwächer und schwelenderer geworden, dann erlosch es, und die Leute sagten: Es ist keine Luft mehr. – –
So weiß keiner, wohin der Schacht führt.
Wer aber helle Augen hat, der sieht ohne Licht, – auch in der Finsternis, wenn die andern schlafen.
Wenn die Menschen der Nacht erliegen und das Bewußtsein schwindet, so verläßt die Gierseele das Herzpendel – grünlich im Schimmer, mit lockern Formen und häßlich, denn es ist keine Liebe in den Herzen der Menschen. – – – – –
[168] Die Menschen sind ermattet vom Tagewerk, das sie Pflicht nennen, und suchen frische Kraft im Schlaf, um ihren Brüdern das Glück zu stören, – um neuen Mord zu sinnen im nächsten Sonnenschein. –
Und schlafen und schnarchen. –
Dann huschen die Gierschatten durch die Fugen in Türen und Wänden ins Freie, – in die horchende Nacht, – und die schlafenden Tiere winseln und schrecken, wenn sie ihre Henker wittern. – – –
Sie huschen und schleichen in das alte, düstere Haus, in den modrigen Keller zur eisernen Platte. – – Das Eisen wiegt nicht, wenn es die Hände der Seelen berühren. – – – – – – Der Schacht weitet sich tief unten, – dort sammeln sich die Schemen.
Sie grüßen sich nicht und fragen nicht; – es ist nichts, was einer vom andern wissen wollte. – –
Mitten im Raume dreht sich schwirrend in rasender Schnelle eine graue steinerne Scheibe. Die hat der Böse gehärtet im Feuer des Hasses vor Jahrtausenden, lang ehe Prag erstand. – – –
An den sausenden Kanten schleifen die Phantome die gierigen Krallen scharf, die sich der Tagmensch stumpf gekratzt. – – –
Die Funken stieben von den Onyxkrallen der Wollust, von den stählernen Hacken der Habgier. –
[169] Alle, alle werden wieder messerscharf, denn der Böse braucht immer neue Wunden. – – – –
Wenn der Mensch im Schlafe die Finger strecken will, muß sein Schemen in den Körper zurück, – die Krallen sollen krumm bleiben, daß sich die Hände nicht falten können zum Gebet. – – – – – –
Der Schleifstein des Satans schwirrt weiter, – unablässig –
Tag und Nacht –
Bis die Zeit still steht und der Raum zerbricht.
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