Ich

Gleichgültiger Blauaugenblick,
Den alten Filzhut tief im G'nick,
Den dicken Knüppel in der Hand,
Gesicht und Nacken sonn'verbrannt –
So fahr ich durch das Leben.
Kein eignes Heim auf weiter Welt,
Kein Bissen Schwarzbrot ohne Geld,
Kein Weib, das wahr und treu mich liebt,
Kein Freund, der mir die Treuhand gibt
Und hundert, die mich hassen.
Das kläfft und geifert um mich her,
Macht doch mir keine Stunde schwer,
Ich weiß ja einen, der mir treu,
Trotz Lüge, Falschheit, Heuchelei,
Und dieser bin ich selber.
Solang mein Geist noch kühn und stark
Und unverseucht das Lebensmark,
Solange mir der Dichtkunst Schwung
Noch Seele hält und Leben jung –
Bellt ruhig nur von weitem.
Doch bin ich kalt und eingekault
Und langsam Leib und Leben fault,
Dann werft den Stein von meinem Grab
Und reißt die Blumen auch herab
Und speit auf meine Knochen.

Münster, April 1890

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Löns, Hermann. Gedichte. Junglaub. Ich. Ich. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-2374-F