Dezember

Weißer Reif an allen Zweigen,
Schwarze Krähen in der Luft –
Priesterworte – Häupter neigen
Weinend sich auf eine Gruft.
[127]
Hoch mein Haupt, kalt die Gebärde,
Angst und Trauer – keine Spur:
Aus der Erde – in die Erde:
Alte Mode der Natur.
Priesterworte: »Demut, Liebe,
Himmelswonne nach dem Tod!« –
Wahrheit: wilde Liebestriebe,
Neid und Haß und Kampf um Brot!
Weiterwandern, Schluchzen, Klagen
Klingt verhallend übers Brach.
Hundert schwarze Krähen jagen
Einem kranken Hasen nach.
Todesangstschrei. Fortzutreiben
Seine Peiniger – Verkehrt!
Immer wird das Opfer bleiben,
Wer sich seiner Haut nicht wehrt.
Ich auch habe keine Freunde,
Auch nach mir hackt mancher Schlag,
Nicht die Liebe – meine Feinde
Halten meine Tatkraft wach.
Doch ist Mut in meinen Armen,
Geist und Wille riesengleich –
Platz! – und hofft auf kein Erbarmen,
Weg frei! sonst zertret' ich euch.

Münster, 31. Dezember 1889

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Löns, Hermann. Gedichte. Junglaub. Dezember. Dezember. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-1F75-8